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erhobenen Ansprüche und des eingeleiteten Verfahrens zu beweisen, so galt es noch, das Concil selbst als ein allgemeines, das Vorgehen des Papstes auf demselben als gesetzmässig und unparteiisch zu verfechten.

Auch diese Aufgabe fiel der päpstlichen Kanzlei zu, welche wohl auch mit der Sammlung und Transsumirung der Urkunden betraut worden war und so an dem Verlaufe des Concils regen Antheil genommen hatte.

Es ist noch immer eine offene Frage, in welchem Umfange die Einladungen zum Concil ergiengen. Erhalten sind uns bekanntlich nur äusserst wenige, und auch Bergers Ausgabe des Registers hat uns hierin nicht weiter gebracht.

Sicher waren viel mehr Einberufungsschreiben erflossen; und die Eintragung der Einberufung an die Erzbischöfe als Formel ins Kanzleibuch würde allerdings den Schluss nahelegen, dass sie an alle gerichtet war. Wahrscheinlich hat auch diese Verallgemeinerung des Briefes zur Formel die weitere Aufzählung der Adressaten im Register überflüssig erscheinen lassen 1).

Das Concil als allgemeines und rechtmässiges zu erweisen ist auch der nächste Zweck der Brevis nota: Patriarchen aus dem Osten und Westen, Erzbischöfe und Bischöfe und Vertreter der christlichen Fürsten haben sich eingefunden; auch der Vertreter des Kaisers Friedrich fehlt nicht; in allen Gebeten und Formeln der Eröffnung wird das übliche Ceremoniell strenge gewahrt.

In der Schilderung der Verhandlungen selbst tritt ein unleugbares Streben nach Obiectivität hervor. In dürrer, trockener Sprache, die in vollstem Gegensatze steht zu dem leidenschaftlichen Tone der Streitschriften, in denen sich beide Parteien unmittelbar nach dem Concile bekämpften 2), werden die Verhandlungen erzählt, jedes scharfe Wort wird ängstlich vermieden. Papst Innocenz IV. erscheint als der echte Wahrer voller Unparteilichkeit. An letzter Stelle erwähnt er in der

1) Ueber die geringe Zahl der Einberufungsschreiben, vgl. Schirrmacher 4, 119 f., 389. Im Register begegnen mit demselben Incipit,Dei virtus nur noch Berger No. 1355, capitulo Senensi und No. 1356 illustri regi Francie; bei Potthast ausserdem noch No. 11497 abbatibus et prioribus exemptis per Angliam No. 11498 capitulo Salzburgensi und No. 11521 abbatibus et prioribus per Angliam constitutis; verschieden davon ist das Incipit der 4 an die Kardinäle erhaltenen Schreiben, Potthast No. 11523. Die Citation zum Lyoner Concil ist als Formel auch eingetragen in die Ann. Placentini Gibellini SS. 18, 488. Hec est forma citationis domini pape que dirigitur ecclesiarum prelatis et principibus universis pro concilio celebrando. 2) Vgl. Schirrmacher 4, 161 f.

Eröffnungsrede erst die Streitsache mit dem Kaiser, während sie ja doch den eigentlichen Grund zur Berufung des Concils bildet, während sich die Debatte der zweiten Sitzung ausschliesslich um sie dreht. In der zweiten Sitzung widersteht er standhaft dem Andrängen eines spanischen Erzbischofs, sofort gegen den Kaiser vorzugehen, obwohl ihm jener die volle Unterstützung der auf dem Concil besonders zahlreich erschienenen spanischen Nation zusichert; und zum nicht geringen Aerger vieler Prälaten gibt er dem Antrag des kaiserlichen Vertreters Thadäus von Suessa auf Verschiebung des Urtheilsspruches und Anberaumung einer neuerlichen Sitzung statt. Andererseits wird des eben erwähnten kaiserlichen Gesandten in durchaus wohlwollender, achtungsvoller Weise gedacht. Der günstige Eindruck, den seine Vertheidigungsrede in der ersten Sitzung auf die Versammelten übte, wird ganz unverholen zugestanden 1).

Und als der Verfasser, den wir wohl im Kreise der päpstlichen Notare zu suchen haben dürften, seinen Bericht damit beendete, dass die schliessliche Fällung des Bannfluches und der Absetzung den Concilsvätern eigentlich ziemlich unverhofft und verblüffend kam 2), fand es der in die Verhandlungen hinter den Coulissen besser eingeweihte Vicekanzler, bevor er die Erlaubnis zur Eintragung ins Kanzleibuch gab und den Bericht dadurch zum officiellen stempelte, für nöthig, folgende Erklärung anzufügen: Sed est diligenter attendendum, quod papa in illis diebus consilium petierat singulariter a prelatis, utrum posset vel deberet procedere per ea que manifesta fuerant contra eum, et quantum ad depositionem eius omnes concordarunt; et statim ipsi sententie que scripta erat sigillum cuiuslibet faciebat apponi, ita quod in prolatione sententie C et L sigilla ipsi sententie fuerant appensa.

So erklärt es sich, dass sich dieser Zusatz nur im Liber Cancellariae findet, in den übrigen Fassungen aber fehlt. Die Brevis nota hatte nämlich auch selbstständige Verbreitung erlangt.

So fand ich auf einer einzelnen Pergamentlage des Cod. Ottob. lat. 2520, eines bunten Sammelbandes von vielerlei Fragmenten, die Brevis nota über das zweite und darauf die über das erste Lyoner Concil in einer Schrift, deren Charakter sich mit dem der Registerschrift des ausgehenden 13. Jahrh. völlig deckt, ein Zeichen, dass man sie in der päpstlichen Kanzlei auch unabhängig vom Kanzleibuche abschrieb und verbreitete.

1) Mansi 1. c. Mirabiliter excusare videbatur imperatorem; . . et multis eius responsio fuit grata. 2) L. c. Ita quod vix credebatur ab aliquibus, quod aliquam deberet ferre sententiam contra eum.

So kam diese Relation über das Lyoner Concil von Rom auch in das nahe Cesena und fand hier in den Annalen dieses Städtchens wörtliche Aufnahme 1).

Einen andern vom Cod. Bononiensis und Ottobonianus mehrfach stark abweichenden Text hat Mansi seiner Ausgabe zugrunde gelegt, während er die Lesearten der ihm bekannten Bologneser Handschrift nur ganz ungenügend benützte 2).

Es erübrigt noch, einer mit unserer bisher besprochenen enge verwandten Quelle, der Brevis nota über das zweite Lyoner Concil, einige Aufmerksamkeit zu schenken 3). Sie deckt sich mit ihr in der ganzen Art der Darstellung und der ruhigen, nüchternen Sprache, ist aber ausführlicher und bringt noch genauere Angaben über das beobachtete Ceremoniell. Vicekanzler und Notare sind anlässlich der Sitzordnung nicht erwähnt, wohl aber S. 64, wo von dem Empfang der griechischen Gesandten gesprochen wird: Omnes prelati qui erant in concilio cum familiaribus suis, camerarius cum tota familia papae, vicecancellarius et omnes notarii ac omnis familia cardinalium exiverunt eis obviam.

Lässt schon die bis ins kleinste Detail gehende Aufzählung aller beobachteten Formen erkennen, dass der Verfasser Augenzeuge war, so ergibt sich aus der Erwähnung von Vorgängen in den Versammlungen der Prälaten und Nationen und in den Sitzungen des Consistoriums 4) der Schluss, dass er einem Kreise angehörte, der über die gesammten Verhandlungen wohl unterrichtet war.

In der handschriftlichen Ueberlieferung besteht zwischen beiden Quellen allerdings insoferne ein bedeutender Unterschied, als diese zweite Brevis nota in der Copie des Kanzleibuches fehlt. Nun ist der Bologneser Codex nachweislich unvollständig; doch es wäre eine müssige Streitfrage zu untersuchen, ob die Eintragung auch in der OriginalHandschrift unterblieb, ob sie bei der Abschrift übergangen wurde

1) Muratori SS. 14, 1098 f. Die Lesearten bei Muratori decken sich genau mit jenen des Cod. Ottob. 2) So ist S. 612 das sinnlose antequam ad festum accederetur beatae Mariae virginis gloriosae ordinavit octavam im Text beibehalten, während Mansi doch die verständige Leseart des Cod. Bonon. kannte : antequam ad sententie prolationem accederet, nativitati beate virginis gloriose ordinavit octavam. S. 612 letzte Z. stört das unverständliche appellaret statt appellabat. Manches ist auf reine Lesefehler zurückzuführen; so stimmt das Concil zum Schlusse nicht der dispositio sondern der depositio imperatoris zu. Den Plan, meinen kurzen Erörterungen selbst eine Ausgabe anzufügen, habe ich fallen gelassen, da ich der Meinung bin, dass unsere Quelle neben und vielleicht auch vor anderen Dingen ihren Platz in den Monumenta verdiene, 8) Mansi

24, 61-68. 4) Mansi 1. c. 66,

oder ob die betreffende Lage uns nicht erhalten ist. Sicher ist, dass sich der officielle Charakter dieser Quelle nicht in dem Masse wie von der Brevis nota über das erste Lyoner Concil erweisen lässt. Dass aber auch sie aus der päpstlichen Kanzlei hervorgegangen ist, dass man dort in Nachahmung des Vorganges von 1245 auch über das zweite Lyoner Concil tagebuchartige Aufzeichnungen führte, die uns eben in der zweiten Brevis nota vorliegen, möchte ich nicht bezweifeln. Dafür spricht auch der schon oben hervorgehobene Umstand, dass im Cod. Ottob. lat. 2520 beide Quellen vereint in päpstlichen Kanzleischrift des ausgehenden 13. Jahrh. stehen 1).

1) Die neueste von Carini besorgte Ausgabe der Breves notae über die beiden Concile von Lyon [Spicilegio Vaticano di documenti inediti e rari, 2. Heft: vgl. N. A. 16, 439] war mir nicht zugänglich; ich muss es deshalb auch dahingestellt sein lassen, ob ihr der von mir mehrfach genannte Codex Ottobonianus oder andere Handschriften der Vaticana zugrunde gelegt sind.

Ueber die Beziehungen

zwischen englischen und böhmischen Wiclifiten

in den

beiden ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts.

Von

J. Loserth.

Während man heute aus den Schriften des Hus, seiner Anhänger und Gegner den Einfluss genau ermessen kann, den die englische Reformbewegung am Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts auf Böhmen genommen, ist man über viele Einzelnheiten in Bezug auf die Ausbreitung des Wiclifismus in Böhmen immer noch im Unklaren. So lässt sich beispielshalber aus den bisher veröffentlichten Quellen über die Persönlichkeiten, die den literarischen Verkehr zwischen beiden Ländern vermittelt haben, nur wenig Sicheres feststellen. Man kennt nicht einmal die Namen jener böhmischen Studenten, die şich in den Jahren 1382-1394, in denen eine Schwester Wenzels von Böhmen englische Königin war, zweifellos in grösserer Zahl in Oxford eingefunden haben, da die amtlichen Aufzeichnungen daselbst nur bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts zurückreichen 1). Die folgenden Blätter haben den Zweck, wenigstens eine der vorhandenen Lücken auszufüllen; als besonders werthvoll wird man den unten mitgetheilten Brief des Führers der englischen Wiclifiten Sir John Oldcastle's, Lord Cobham an seine böhmischen Gesinnungsgenossen anzusehen haben. Bevor wir jedoch auf diese Punkte näher eingehen, mögen noch einige Worte über die literarischen Beziehungen Böhmens zu England seit der Errichtung der Prager Universität angemerkt werden. Dass solche Beziehungen vorhanden waren, ist im Allgemeinen bekannt: es darf

1) Wie ich einer Mittheilung des bekannten Wiclifforschers F. D. Matthew entnehme.

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