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Wien in den Jahren 1276 bis 1278 und K. Rudolfs

Stadtrechts-Privilegien.

Von

Oswald Redlich.

Die vielfachen Erörterungen, die sich an die beiden bekannten Wiener Stadtrechts-Privilegien K. Rudolfs I. vom Jahre 1278 knüpften, sind durch die Untersuchung Riegers zu einem gewissen Abschluss geführt worden1). Rieger stellte die Ueberlieferungsverhältnisse beider Urkunden so weit als möglich fest, zeigte, dass der Inhalt des aus allen Copien kritisch herzustellenden Textes wirklich und genau in dem erhaltenen Umfang den Originalen angehören konnte und angehört hat; er legte dar, dass die Zeugenreihe der Urkunde vom 24. Juni 1278, welche zu diesem Zeitpunkt unmöglich ist, einer früheren Handlung, etwa aus der ersten Hälfte des Jahres 1277 entspricht, während erst nach der Verurtheilung Paltrams im Mai 1278 die Zufügung der Artikel 29 bis 33 im reichsstädtischen Privileg erfolgte. Rieger machte es endlich sehr wahrscheinlich, dass die Bestätigung des Leopoldinums von 1221, so wie sie inhaltlich das Reichstadt-Privileg vom 24. Juni

1) Beiträge zur Kritik der Wiener Stadtrechts - Privilegien, Programm des Wiener Franz Josef - Gymnasiums 1879. Den Ergebnissen Riegers haben z. B. Winter in Mitth. des Instituts 1, 318 und Huber, Gesch. Oesterreichs 1, 610 Anm. 1 vollkommen beigestimmt. Die Urkunden sind zuletzt gedruckt von Tomaschek in Geschichtsquellen d. Stadt Wien I 1, 42 ff. Es ist vielleicht für eine künftige Ausgabe der Wiener Privilegien nicht ohne Nutzen darauf hinzuweisen, dass im Archiv des Schlosses Aistersheim westl. Wels das Fragment eines Privilegiencodex der Stadt Wien aus dem 14. Jahrhundert sich befindet (vgl. Böhm in Oesterr. Notizenblatt 1851 S. 92) und dass die fürstl. Dietrichstein'sche Bibliothek in Nikolsburg eine Handschrift des 14. Jahrh. mit Wiener Stadtrechtsurkunden besitzt, welche Dudik in Oesterr. Archiv 39, 504 in freilich ungenügender Weise beschrieben hat. Ich wurde durch Burckhardts verdienstliches Handbuch der deutschen Archive auf diese Handschriften aufmerksam.

voraussetzt, in der That auch später, am 25. Juni 1278, gegeben ward. Nach all dem war jedenfalls die Echtheit und Unverfälschtheit der beiden Urkunden wol endgiltig festgestellt.

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Nach zwei Seiten jedoch blieb noch Anlass zu weiterer Forschung. Zunächst galt es, noch bestimmtere Klarheit über jenes frühere Stadium zu gewinnen, auf das wir durch besagte Zeugenreihe geführt werden. Tomaschek war in seinen Untersuchungen über die Privilegien1) zur Ansicht gelangt, Rudolf habe im Jahre 1277 den Wienern ihre Freiheiten bestätigt, doch in einer nicht recht genügenden Form, nicht in förmlichen und feierlichen Urkunden; erst 1278 seien formell beglaubigte und von der königlichen Kanzlei regelmässig ausgefertigte, mit dem königlichen Siegel versehene Urkunden ausgestellt worden. Ficker, der durch seine Beiträge zur Urkundenlehre eine befriedigende Deutung der Zeugenreihe erst möglich gemacht, dachte an eine erste Ausfertigung, also eine förmliche Bestätigung im J. 12772). Rieger nahm dann wieder einen Entwurf, eine vorläufige Punctation an, während die förmliche und feierliche Beurkundung erst 1278 stattgefunden habe, wobei dann die Handlungszeugen einfach zugefügt worden seien3).

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Um hier zu einem bestimmteren Ergebniss zu gelangen, muss uns diese Zeugenreihe selbst die nächste Auskunft geben. Es erscheint in ihr Bischof Leo von Regensburg, der am 12. Juli 1277 starb. Irgend eine auf Wiens Stadtrechte bezügliche Handlung unter Mitthätigkeit oder doch Anwesenheit Bischof Leos muss also vor diesem Zeitpunkt geschehen sein, möchte auch ihre Beurkundung, was ja an sich möglich wäre, erst später erfolgt sein. Andrerseits wird unter den Zeugen der Graf Heinrich von Fürstenberg genannt, der frühestens im Jänner 1277 nach Wien kam 4). Noch mehr, Albrecht und Hartmann, des Königs Söhne, trafen erst im Juni 1277 in Wien ein, mit ihnen Bischof Heinrich von Basel 5). Ebenso kam jetzt zum erstenmal Herzog Albrecht von Sachsen), und um dieselbe Zeit erschienen auch wieder. in Wien Pfalzgraf Ludwig?) und Bischof Heinrich von Trient, der aus

1) Zuletzt in Geschichtsqu, der Stadt Wien I 1 Einleitung XLVIII ff. 2) Beiträge 1, 253 und 2, 490 f. 3) Beiträge zur Kritik der Wiener StadtrechtsPrivilegien 24. Daselbst ist übrigens der richtige Text der Zeugenreihe hergestellt, wonach auch der Druck Tomascheks zu verbessern ist. 4) Wie Riezler im Fürstenb. UB. 1, 253 im Hinblick auf diesen Fall bemerkte. 5) Vgl. Kopp, Reichsgesch. 1, 182 ff. Eubel im Histor. Jahrbuch 9, 407. 6) Er ist wol am 23. Juni schon in Wien, vgl. Hasse, Schleswig-Holstein-Lauenburg. Reg. 2, 211. 7) Zuerst am 8. Juli unter den Zeugen der Urkunde Rudolfs für Laa, Winter, Urkundl. Beiträge zur Rechtsgesch. ober- und niederösterr. Städte

Rom zurückgekehrt war1). Diese Reihe von Zeugenschaften schiebt somit jene Handlung oder die Beurkundung unzweifelhaft in den Juni oder in die erste Hälfte Juli des Jahres 1277. Es stimmt damit überein, wenn wir eben im Juni und Juli von den 39 Zeugen 24 mit Sicherheit in Wien nachweisen können, Meinhard von Tirol mit einiger Wahrscheinlichkeit). Von den übrigen Persönlichkeiten würde die Anwesenheit einiger österreichischer und steirischer Herren, die zwar sonst nicht bezeugt ist, an sich keineswegs auffallen. Aber es bleiben noch ein paar Zeugen, bei denen eine derartige Annahme doch nicht mehr zulässig ist. Graf Friedrich von Leiningen erscheint zuletzt am 22. Mai in Wien und ist jedenfalls Ende Juli am Rhein3). Graf Albert von Görz ist nur bis Ende Jänner bei Hofe nachweisbar1). Und sind nun diese beiden, wie es allen Anschein hat, im Juni und Juli nicht in Wien gewesen, so zeigt es sich damit im Zusammenhang auch nicht mehr bedeutungslos, wenn jene österreichischen und steirischen Herren auch alle längstens nur bis in den Mai am Hofe weilen und dann verschwinden, ohne wieder bei den vielfachen Gelegenheiten, die sich ergäben, genannt zu werden 5). Legt das nicht die Vermuthung ungemein nahe, dass dieser Theil der Zeugenreihe einem früheren Stadium in der Entstehungsgeschichte der Urkunden angehört, als die übrige Mehrzahl? Ist dies der Fall, dann können wir in diesen den

29, wonach Reg. der Pfalzgr. am Rhein S. 58 zu ergänzen. Ludwig war bis in die zweite Hälfte Jänner in Wien gewesen.

1) Böhmer, Reg. Rudolf 386 vom 12. Juli; Heinrich war bis gegen Ende Jänner in Wien gewesen, vgl. Egger, Bischof Heinrich II. von Trient, Innsbrucker Gymnasialprogr. 1885 S. 7. 2) Meinhard urkundet nach freundlicher Mittheilung von Prof. Ludwig Schönach am 27. Mai 1277 in Bozen und am 15. Juli zu Sterzing, dazwischen fällt Rudolfs Auftrag an ihn vom 1. Juli, das Kloster Neustift zu schützen (Böhmer, Reg. Rud. 1177); man könnte darnach immerhin Meinhards Anwesenheit in Wien zu Ende Juni, Anfang Juli annehmen. Sollte dies infolge neuen Materials sich als unmöglich herausstellen, so würde dann auch Meinhard, der im Jänner 1277 in Wien war, der folgenden Kategorie von Zeugen angehören. 3) Fürstenberg. UB. 5, 179. Am 11. Aug. 1277 erlässt Friedrich von Leiningen eine Aufforderung zum Städtetag in Mainz, Strassb. UB. 2, 38, früher schon hatte König Rudolf den Grafen mit seiner Vertretung in Bezug auf die Landfriedensbestrebungen betraut und darüber an Erzbischof Werner von Mainz geschrieben, Bodmann, Cod. epist. 36, vgl. dazu v. d. Ropp, Werner von Mainz 119. 4) Nach Urkunde vom 24. Jan. 1277, Schumi, Archiv für Heimatkunde (Krains) 1, 239. 5) Es sind dies die Grafen von Pfannberg und Ortenburg, die Herren von Pettau, Stubenberg, Hertnid und Herrand von Wildonie, Leutold und Albero von Kuenring, der von Meissau, Konrad Landschreiber von Oesterreich. Der Markgraf von Burgau und der jüngere Markgraf von Baden lassen sich ausser durch unsere Urkunde überhaupt nicht in Wien nachweisen.

ersten Monaten von 1277 angehörenden Zeugen nur die Zeugen einer Handlung erblicken, die wir uns etwa als vorläufigen Abschluss der Berathungen über Inhalt und Form der Wiener Stadtrechts-Privilegien vorzustellen haben. Für die Zeugen aber, welche dem Juni oder Juli 1277 zugehören, bleibt dann wol nur die Zeugschaft bei der Beurkundung übrig. Jedenfalls hat es die Betrachtung der Zeugenreihe sehr wahrscheinlich gemacht, dass nach dem Vorausgehen vorbereitender Schritte um die Mitte des Jahres 1277 ein abschliessenderes Stadium in der Vorgeschichte der beiden Privilegien eingetreten ist1).

Die unzweifelhafte Sicherheit, dass dieses letzte Stadium in der That die förmliche Beurkundung der Stadtrechts - Privilegien gewesen ist, gibt uns König Rudolf selbst in einer Urkunde vom 13. August 1277. Hier verleiht Rudolf der Stadt Eggenburg alle Rechte und Freiheiten, quibus civitas Wiennensis a Romanis imperatoribus et regibus nostris predecessoribus et a nobis ac Austrie ducibus dinoscitur libertata 2). Diese Stelle beweist wol ohne weiteres, dass Rudolf bereits vor dem 13. August 1277 die Freiheiten Wiens urkundlich und förmlich bestätigt hat. Und wenn dem so war, so haben wir mit dieser Confirmation jedenfalls die besprochene Zeugenreihe in Zusammenhang zu bringen, mit ihr fällt dann auch die Bestätigung in den Juni oder Anfang Juli 1277.

Inhaltlich wird diese erste Ausfertigung ganz den Urkunden vom 24. und 25. Juni 1278 entsprochen haben, mit der Ausnahme, dass natürlich gegenüber der erstern der Artikel 29 über Paltram und die folgenden ja offenbar nachträglich zugefügten Bestimmungen über Marktrecht fehlten und dass gegenüber der Bestätigung des Leopoldinum noch nicht jene Arenga vorhanden war, welche in unverkennbarer Weise die im allgemeinen erprobte Treue der Wiener im Gegensatz zum Verrate Paltrams preist3). Dafür, dass im übrigen aber der Inhalt dieser ersten Bestätigung von 1277 der Erneuerung von 1278 entsprochen hat, spricht wol ausser der inneren Wahrscheinlichkeit auch noch folgendes. Man hätte doch kaum die Zeugenreihe des reichsstädtischen Privilegs so ohne weiteres einfach herüber genommen, wenn es eben doch nicht im ganzen die gleiche Urkunde geblieben wäre. Weiter beruft sich Rudolf in der Bestätigung der Privilegien für Wiener Neustadt vom 22. November 1277 auf die forma iuris civitatis Wiennensis, nach der die Wiener Neustädter ihren Gerichtsstand haben.

1) Für diesen ganzen Fall vgl. die Erörterungen Fickers über nichteinheitliche Zeugenreihen und Datirungen in Mittheil. des Instituts 1, 21 ff. 2) Winter, Urkundl. Beiträge zur Rechtsgesch. ober- und niederösterr. Städte 31. lich schon Tomaschek a. a. O. XLIX.

3) Aehn

sollen, eine Wendung, die ebenso in den folgenden Bestätigungen von 1281 und 1285 wiederkehrt, also wol zeigt, dass diese forma vor und nach dem 22. November 1277 dieselbe geblieben war.

Im Juni oder Juli 1277 hatte also König Rudolf der Stadt Wien Privilegien von wesentlich demselben Umfang ertheilt, wie dieser uns in den Urkunden von 1278 überliefert ist.

Es ist ein Ergebniss, deshalb von Bedeutung, weil es für das Verhältniss Rudolfs und Wiens erst die richtige Grundlage der Beurtheilung bietet. Obwol ja schon lange feststand, dass irgendwie eine Handlung im Jahre 1277 den Urkunden von 1278 vorausgieng, so sind die historischen Folgerungen daraus noch nie gezogen worden1). Nur Lorenz, der, wie man weiss, die Urkunden so wie sie uns überliefert sind, für spätere Entwürfe der Wiener Rathspartei unter Herzog Albrecht ansah, hat der Consequenzen Erwähnung gethan, die sich aus der Annahme der Echtheit der Urkunden ergeben, freilich nur, um dadurch diese Annahme selbst gewissermassen ad absurdum zu führen: „bekanntlich empörten sich Paltram und seine Söhne, weil Rudolf die Reichsfreiheit und Rathsrechte nicht bestätigt hatte; weil sie sich empörten, wurden sie verurtheilt und weil ihre Verurtheilung zu einer Bedingung der Ertheilung des reichsstädtischen Privilegiums gemacht wurde, darum konnte auch das Privilegium nicht vor der Zeit der Verurtheilung vorhanden gewesen sein." Wäre dies letzte der Fall, ,,so brauchten sich offenbar die Wiener nicht zu empören und Paltram nicht verurtheilt zu werden". Also kann natürlich das Auskunftsmittel der Rückdatirung der Handlung nicht gebraucht werden, also sind die Urkunden in dieser Gestalt nicht echt). Nun sind sie aber doch eben in dieser Gestalt als echt erwiesen worden. Es wird demnach nothwendig sein, unter diesem neuen Gesichtspunkt das Verhältniss der Stadt Wien zu Rudolf auch einer neuen Beurtheilung zu unterziehen und es dürfte sich zeigen, dass sich so doch alles noch besser ineinanderfügt.

1) Man nahm einfach die Echtheit der Urkunden an, beachtete ihre Vorgeschichte nicht weiter und konnte dann in ihnen allerdings nichts anderes erblicken, als einen Versuch Rudolfs, das wichtige Wien unmittelbar vor dem Kriege mit Ottokar sich geneigt zu machen. Diese Annahme wird unmöglich, wenn Rudolf eben schon ein Jahr früher wesentlich dieselben Urkunden ausgestellt hat; und jener Artikel über Paltram, den die Neuausfertigung von 1278 mehr hat, muss nunmehr gerade als die eigentliche Veranlassung derselben hervortreten. Dies soll die folgende Darstellung erweisen. 2) Lorenz, Ueber den Unterschied von Reichsstädten und von Landstädten in Wiener SB. 89, 69.

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