weiher Vertrag (17. Mai 1542) gab ihm mit der väterlichen Ges wogenheit die Zusicherung eines unverkürzten Erbfolgerechtes. Allein deßungeachtet hatte er fortwährend von dem argwöhnischen, harten, geizigen und feindseligen Wesen seines Vaters sehr viel zu leiden. Er mochte sich noch so geduldig und fügsam, noch so rücksichtsvoll und nachgiebig zeigen, bei der geringsten Veranlas fung ergingen die heftigsten und demüthigendsten Strafpredigten über ihn. Beinahe ohne Subsistenzmittel gelassen und mit der Verz waltung von Mömpelgard betraut, dessen Einkünfte er jährlich an seinen Oheim abliefern mußte, hatte er mit Sorgen zu kämpfen, und da seine Bezüge aus Frankreich bald ausblieben, so erreichten seine Schulden eine namhafte Höhe. Bekam er, was selten geschah, von seinem Vater eine zeitweise Geldhilfe, so war sie gewöhnlich begleitet mit Vorwürfen unbedachter Verschwendung und mit den eindringlichsten Ermahnungen zu größerer Sparsamkeit. Diese Lage wurde von dem Zeitpunkte an, wo er mit seiner Vermählung eines eigenen Hauswesens bedurfte, noch viel drückender, indem sein Vater jeden Versuch, im Dienste des Kaisers oder des Königs von Frankreich unterzukommen, beharrlich von sich wies und doch von der andern Seite von einer Vermehrung seines Einkommens oder seiner Unabhängigkeit nichts wissen wollte. In welch' einem auffallenden Gegensage steht unsere Zeit mit der damaligen! Unsere Ueppigkeit, unser Lurus, unsere Verschwendung, und damals oft kaum das Nothwendige, kaum das Bedürfniß selbst in einem fürstlichen Haushalte. So verz dient es bemerkt zu werden, daß Christoph, als er im November 1543 seine Brautfahrt nach Anspach unternahm, aus Mangel eines Winterkleides eine böse Berkältung sich zuzog, an deren Folgen er jahrelang litt, bis ihn der Gebrauch des Wildbades wieder herstellte. Ferner verdient es als ein Zeichen damaliger väterlicher Zucht bemerkt zu werden, daß der junge Herzog, ob= gleich schon volljährig, fortwährend in strenger Vormundschaft blieb, und über Alles, selbst über das Geringfügigste, Verhaltungsbefehle einholen mußte. Handelte es sich um den Namen für eines seiner Kinder, um die Wahl eines Taufpathen, um den Gebrauch eines Bades, so würde es Ulrich als eine Verlegung seiner väterlichen Auctorität angesehen haben, wenn nicht Rath und Erlaubniß bei ihm wäre eingeholt worden. Freilich war die harte Schule des Lebens, in welche der junge Fürstensohn hinausgedrängt worden, sehr bildungsreich für seinen aufstrebenden Geist, und stattete ihn für seinen künftigen Fürstenberuf mit einem kost baren Schaße von Erfahrungen in Leben, Sitte und Menschenkenntniß aus; wie nabe lag aber auch die Gefahr eines sittlichen Verderbnisses inmitten der lockenden Genüsse eines verführerischen Hoflebens, wie nahe die Gefahr, in den Jrrgängen einer auf Lüge und Betrug gebauten Staatskunst seiner deutschen Gemüthsfrische, seines offenen geraden Sinnes verlustig zu gehen! Ueber Ulrichs leßte Lebenstage, über Tod, Bestattung, Grabinschriften, über die auf ihn bezüglichen Monumente und Kunstdenkmäler findet sich am Schlusse das Nöthige zusammengestellt. In der Schilderung seines Charakters aber hat der Herr Verf. klug und besonnen den Mittelweg eingeschlagen, und sich weder auf die Seite seiner unbedingten Lobredner, noch auf jene seiner rücksichtslosen Tadler gestellt. Sein Urtheil ist frei geblieben von Leidenschaft, frei vom Parteigeiste, er zeichnet den Charakter des Fürsten und des Menschen, treu den Thatsachen der Geschichte gegenüber, mit allen Vorzügen, mit allen Mängeln und Schattenseiten seines wirklichen Lebens. Ohne Zweifel gehört Ulrich nicht allein zu den vom Schicksale hart geprüften, sondern auch zu den mitunter sehr unbillig beurtheilten Fürsten. Unläugbar waren bei ihm viele Züge von Härte und Eigenmacht, von Zorn und Uebermuth, von Rachgier und Verschwendung vorhanden, unläugbar zeigt sein Charakter manch widriges, abstoßendes Gepräge. Ein leicht erregbarer Argwohn, ein schwer zu beschwichtigender Verdacht, und ein starrer, kaum zu brechender Eigensinn hat nicht bloß seine eigenen Tage mit vielen Bitterkeiten vergällt, sondern auch das Glück seiner nächsten Verwandten gestört, und Gattin, Sohn und Bruder in eine falsche Stellung gebracht. Eines der stärksten Zeugnisse gegen ihn ist, daß er wenig Vertrauen und Liebe als Fürst besaß. Fortwährend hatte er eine starke Partei gegen sich, die nichts sehnlicher wünschte, als ihn vom Reiche zu entfernen. Schwer drückte das Uebermaß seiner fürstlichen Bedürfnisse, seine Prachtliebe, seine Verschwendung, schwer die willkürliche Art der Schahung, die Nichtachtung alter, herkömmlicher Rechte, der Hohn und die Verachtung, die er dem gemeinen Manne zeigte. Die Thorheiten seiner Jugend stürzten Württemberg in großes, mannigfaches Elend, führten beutelustige Heere in seine stillen, friedlichen Thäler. Der schreckliche Bauernkrieg hatte Verwirrung, Raub, Mord und ein gewaltsames Zersehen aller bürgerlichen Verhältnisse in seinem Gefolge, und mitten unter den Schrecknissen desselben kämpfte Ulrich für seinen verlorenen Herzogshut. Eine große Wohlthat für sein Land hätte der Tü binger Vertrag werden können. Allein Ulrich haßte geseßliche Schranken; wo sie seinem Willen Bande anlegten, ging er achtlos über sie hinweg, und es ist kein Wunder, daß unter seinem Walten jener Vertrag so wenig zur vollen Geltung kam. Solche Erinnerungen hafteten tief an seinem Andenken, und es war ein zweideutiges Lob, wenn man sagte, er sei seinem Lande unvergeßlich geworden. Allein, um billig zu seyn, darf man vor Allem nicht außer Acht lassen, daß die Fehler seines persönlichen Charakters, die auf sein fürstliches Walten einen so fühlbaren Einfluß übten, von einer mangelhaften, übel geleiteten Erziehung, von einer zu frühen Gelangung zu Selbstständigkeit, zu Macht und zur Regierung herrührten, und zum Theil außer der Zurechnung liegen. Er hatte nie gelernt, seinen Leidenschaften zu gebieten, nie gelernt, sich selbst zu beherrschen, und selbst ein langes Mißgeschick konnte hier die Versäumnisse früherer Jahre nicht mehr nachholen. Bei dem starken Fonde von geistiger und Willenskraft würde er, in seiner Jugend weise geleitet und würdig erzogen für seinen Herrscherberuf, einer der ausgezeichnetsten Fürsten seiner Zeit geworden seyn und die Geschicke seiner Zeit geleitet haben. Nach dem Unglücke seiner Verbannung war eine große Aenderung, aber keine durchgreifende Umbildung in seinem Innern vorgegangen. Er war demüthiger, er war bescheidener geworden; aber nicht selten durchbrach das Ungestüm seiner Leidenschaft die Schranken und riß ihn zu Gewalthandlungen fort, die seiner Fürstennatur hätten fremd bleiben sollen. So fest hatte sich das erste jugendliche Gepräge seinem ganzen Wesen eingedrückt. Jm Unglücke verlor er nicht leicht Besonnenheit und Ueberlegung, aber die an ihm gerühmte Standhaftigkeit hielt, wie sehr richtig bemerkt wird (pag. 607), nicht immer die Probe aus, „er war bisweilen recht verzagt und demüthigte sich vor Mächtigen auf's Tiefste." Einheimische Geschichtschreiber rechnen es ihm zu großem Verdienste an, daß er der neuen kirchlichen Richtung sich angeschlossen, sein Land der evangelischen Lehre zugeführt und die kirchlichen Verhältnisse mit Umsicht, Kraft und Ausdauer geordnet habe, und auf diesem Wege der Wohlthäter seiner Unterthanen geworden sei. Allein man darf hier nicht vergessen, daß diese Wohlthat dem Lande theuer zu stehen kam und mit den schwersten Opfern errungen werden mußte. Somit hätten wir den langen Weg durch eine allgemeine Entwicklungsperiode, die in den früheren Jahrhunderten nicht ihres Gleichen hatte, zurückgelegt, und Ulrichs Verhältniß zu seiner Zeit und zu seinem Lande ist uns in allen Richtungen klar und thatsächlich dargestellt worden. Je lehrreicher und wichtiger aber gerade in solcher Periode die geschichtliche Erkenntniß ist, für desto verdienstvoller müssen wir ein Geschichtswerk halten, das genaue Kunde von des Lebens innersten Seiten bringt und die Pulsschläge eines fieberhaft durchzuckten Zeitgeistes treu und kundig zu erkennen gibt. Was nun Herrn Pfaff anbelangt, so hat seine Ergänzungsarbeit zwar das Verdienst, daß wir durch ihn ein vollständiges Geschichtswerk besigen, aber sie hat zugleich das noch größere, daß wir es dem ursprünglichen Plane, der Anschauungsweise und geistigen Durchdringung nach als ein in sich vollendetes Ganzes besißen. Ueberdieß hat er Erläuterungen und Berichtigungen, Zusäße und Ergänzungen gebracht, die ihm durch neue Quellen geboten wurden und sich auch auf die beiden früheren Bände erstrecken. Um aus Vielem nur Eines zu gedenken, so begegnen wir (pag. 506 f.) einer sehr schäßbaren Nachweisung über den Charakter der beiden Granvella, die als eine Ehrenrettung der selben in Bezug auf die Gefangenschaft des Landgrafen von Hessen und als volle Anerkennung der wichtigen Dienste derselben anzusehen ist, welche Christoph aus Zuneigung und Wohlwollen in der wichtigen Krisis, wo sein Vater dem Sturze nahe war, von jener Seite auf eine so unzweideutige Weise empfing, daß es eigentlich Granvella's thätige Vermittlung war, welche das Fürstenhaus gerettet hat. So hat Herr Pfaff das Seinige redlich beigetragen zur Vollendung eines schäßbaren Geschichtswer= kes, das ohne ihn wahrscheinlich stets ein Bruchstück geblieben wäre, wofür ihm der volle Dank eines jeden Geschichtsfreundes gebührt, dem historische Erkenntniß etwas mehr als ein Zeitver= treib ist, der es im Gegentheile ernstlich meint mit dem Rerum cognoscere causas. Den dritten Band schmückt das Bildniß des Herzogs Christoph, dessen Original in der werthvollen k. k. Umbraser Sammlung sich befindet, dessen Züge von Hyrtls kunstfertiger Hand mit aller Treue wiedergegeben sind. Sinnig ist die Anordnung, daß sich in dem Werke die Bildnisse der herzoglichen Familie beisammen finden, welche durch ein düsteres Verhängniß im Leben stets geschieden war. Die Ausstattung ist, gleich den vorigen Bänden, anständig, nett, ohne entbehrlichen Prunk und gediegen. Art. VIII. 1) Die Berufung der schwedischen Rodsen durch die Finnen Um einen Plaß unter den Großmächten der europäischen Literatur hat sich zwar die slavische Zunge schon seit dem neunten Jahrhundert beworben, doch zu keiner Zeit mit solcher Energie und so viel Glück als seit den Befreiungskriegen in den ersten Dezennien unsers gegenwärtigen Jahrhunderts, bei welchen die deutschen und slavischen Völkerschaften, wie männiglich bekannt, vorzüglich betheiligt waren; ja es hat das Ansehen, als ob das griechische Element der europäischen Geisteskultur, nachdem es vor den Roßschweifen der Muselmänner flüchtig geworden und beim Romanismus, Germanismus und Slavismus als Hofund Sprachmeister gedient, seinen alten Präsidentenstuhl an diese drei literarischen Notabilitäten abgetreten habe und in Pension gegangen sei. Sein ältester Schüler und Erstgeborner in der geiz ftigen Entwicklung Europa's, der Romanismus nämlich, galt schon darum, noch mehr aber wegen seiner Salbung zum legiti men hohen Priester der Christenheit für den geeignetsten Präses europäischer Geisteskultur, da er nach einander den Germanism, Slavism und was es sonst noch an nationaler Bildung Erhebliches gibt in Europa, in die Schule genommen und großgezogen hat. Die italienische, französische, englische, spanische und portugiesische Literatur sind die Früchte und Beweise der pädagogischen Thätigkeit des Romanismus. Die Deutschen sind zwar bei den Griechen und Lateinern in die Schule gegangen, wie sich die Spuren davon in ihrer Literatur nachweisen lassen, aber die deutschen Elemente in Materie und Form sind vorherrschend geblieben. Das Rivalisiren der Slaven mit den Deutschen hat sich unter an= dern auch in der Literatur bemerkbar gemacht, ja es hat mitunter nicht an Versuchen gefehlt, gelehrte Körperschaften und Notabilitäten für slavische Zwecke und Gefühle zu stimmen, und alle sonst unbestrittene Wahrheiten entweder in den Hintergrund zu stellen oder sie doch so lange zu dehnen und zu wenden, bis sie dem flavischen Nationalgefühle unbedenklich schienen. Die Gründung des russischen Reichs durch die Waräger, d. h. durch schwedische Rodsen, also durch Nichtslaven, ist eine solche alte, bis in die Neuzeit unbestrittene historische Wahrheit, welche die russischen |