Derjenige, welcher sich der dramatischen Kunst widmet, wird in diesem Buche darauf aufmerksam gemacht, was von ihm gefordert wird; er wird nicht mehr nach links und rechts planlos schweifen und unzufrieden seine Schritte wieder zurück lenken, wenn er das nicht fand, was ihn weiter bringen konnte. Es wird ihm deutlich werden, welche Aufgabe ihm für das Leben gestellt ist, und wie groß die Fittige ihm wachsen müssen, um ihn an das Ziel zu tragen. „Nichts, fährt er fort, ist erschöpft in unserm Buche; allein der Same zu reicher Anregung ist in ihm, davon sind wir überzeugt. Vieles konnte und durfte nicht als bekannt bei den Lesern, wie wir sie uns denken, vorausgeseßt werden, dieß bitten wir im Gedächtniß zu behalten. Der Künstler und Mann vom Fache lächle daher nicht, wenn er längst Gekanntes hier erwähnt findet. Wenn er manches Alte hier in einer Form unter einen Gesichtspunkt gebracht sieht, was ihm fast den Werth des Neuen verleiht, so ist dieß ein Verdienst, das wir aus zu großer Bescheidenheit nicht abzulehnen willens sind.» Wir haben nicht für Künstler geschrieben, sondern für solche, die sich der Kunst der Scene erst widmen wollen." Wir benüßten kein älteres Werk für dieses Buch; es scheint uns eben so unwürdig als unzweckmäßig, bei einer Arbeit, wie die gegenwärtige, das Ergebniß der Forschungen Anderer sich so zu Nüßen zu machen, daß man sie auszieht oder abschreibt. Von Lessing's Dramaturgie bis zu Schneider's Kunst des Schminkens ist eine reiche Literatur vorhanden, theils in deutscher, theils in fremder Sprache. Die Werke sind da, Jeder kann sie sich verschaffen, und die Belehrung, die er wünscht, daraus erhalten. Wer nichts Neues hinzuzufügen wüßte, thäte besser zu schweigen; es ist sehr überflüssig, aus zwanzig Büchern das ein und zwanzigste zusammenzustoppeln, und der ist nicht berufen über einen Gegenstand zu schreiben, dessen eigene Erfahrung, dessen eigenes Nachdenken ihm nicht hinlängliche Dienste dabei leisten können, und der bei jeder Zeile, die er auf das Papier bringt, erst andere Autoren um Rath befragen muß. Diese Arbeit mag schlecht befunden und verworfen werden, so gehört sie doch uns. Das ist zwar wenig, aber dennoch Alles, was wir von ihr sagen können. Möge dieser Entwurf Veranlassung seyn, daß auf dem praktischen Wege weiter fortgeschritten werde. Wenn Jeder, der ihn betritt, ehrlich zu Werke geht, muß sich der Gesichtskreis erweitern und stets freundlichere Aussichten für die Zukunft der Kunst des Schauspielers enthüllen.» Das Werk selbst zerfällt in folgende Kapitel: Ueber das Wesen der Schauspielkunst. — Kurzgefaßter Abriß des Geschicht lichen. Ueber die Bedeutung des Schauspielers in der Gesellschaft. Von der Befähigung der Schauspieler. Erste Vorbildung. Fortschreitende Bildung. Von der Auffassung im Allgemeinen und von den Charakteren. Von der Darstellung der Leidenschaften. Die Darstellung der Gebrechen. Vom Spiel auf den Effekt. Von der künstlerischen Ruhe. der Erscheinung auf der Bühne. - Vom Schminken. Kostüm. Von Fremdwörtern und Namen. Von den scenischen Einrichtungen. - Von dem richtigen Einklange. - Von dem Spiel in der Oper. Posse, Melodrama, Ballet, Pantomime. Verhältniß zur Kritik. — Schlußwort. Der Schluß folgt.) Von Vom Art. XI. Zur Erinnerung an F. L. W. Meyer, den Biographen Schröder's. Lebensskizze in zwei Theilen. Braunschweig, Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn, 1847. fl. 8. In unserer Zeit, in welcher man so gerne alles ernstliche und tüchtige Streben, wenn es nicht zugleich von glücklichem Erfolge begleitet war, zu ignoriren, oft sogar zu verspotten pflegt, muß es die Freunde des Wahren und Achtbaren sehr erfreuen, dasselbe einer unverdienten Vergessenheit entrissen zu sehen. Dieß ist der Fall mit dem Wirken des Mannes, von dem gegenwärtiges Werk handelt, von F. L. W. Meyer. Er ist wenig mehr gekannt und verdient es doch in vielfacher Hinsicht mehr zu seyn, als viele der beliebtesten Scribenten unserer Tage, von denen freilich die Nachwelt wenig mehr wissen wird, die es aber nicht verschmähen, durch Umtriebe aller Art sich eine Gattung Celebrität zu verschaffen. Was in gedrängter Uebersicht von Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer zu bemerken seyn dürfte, ist Folgendes. Er war den 28. Januar 1759 zu Harburg geboren, wo sein Vater Postmeister war. Von zwölf Kindern blieben den Aeltern nur drei Söhne am Leben, unter ihnen war unser Meyer der älteste. Der Vater, welcher bald nach dieses Sohnes Geburt in Hamburg als Hannover'scher Oberpostmeister angestellt ward, war nicht nur ein allgemein geachteter und sehr wohlhabender Mann, sondern auch mit den Besten seiner Zeitgenossen befreundet; er stand in einem herzlichen Verhältnisse zu Lessing, und diesen persönlich gekannt zu haben, von ihm so jung schon beachtet worden zu seyn, wenn er als Knabe mit Aufträgen seines Vaters zu Lessing kam, war eine von Meyer's liebsten Erinnerungen; er sprach nie von seinem Vater, ohne Leffing's zu erwähnen, wie er sich auch beständig bewußt blieb, daß dieses Vorbild von entschiedenem Einfluß auf seine ganze geistige Ausbildung gewesen. Leser, welche Meyer's gediegene Prosa zu schäßen wissen, die vielleicht den Ansprüchen der neuesten Literatoren nicht genügen möchte, werden jenen Einfluß durchfühlen. Nachdem Meyer's Studien beendigt waren, erhielt er einen sehr annehmbaren Vorschlag aus Petersburg, den er nicht abwies. Kaum dort angelangt, erfuhr er, daß der Mann, dessen Hausgenosse er zu seyn bestimmt war, in einem Duell tödtlich verwundet worden; dieser starb auch bald darauf in Meyer's Armen, der nun nach Deutschland zurückkehrte und in Stade eine Anstellung als Auditor bei der Regierung mit einem sehr mäßigen Gehalte fand. Diese ihm ganz heterogenen Beschäftigungen, wie dort das Leben überhaupt, waren nicht mit seinen geistigen Bedürfnissen übereinstimmend, und er ward durch einen Brief des alten Heyne aus Göttingen sehr angenehm überrascht und angeregt, der bei ihm anfragte, ob er wohl Lust habe, die Unterbibliothekarstelle bei der Göttinger Bibliothek anzunehmen. Der Gehalt betrage zwar nur 300 Thaler bei freier Wohnung, aber ihm würde Muße zu literarischen Beschäftigungen bleiben. DieBen's Abgang hatte die Stelle erledigt, und da Meyer's für damalige Zeit gewiß ausgezeichnete Kenntnisse der neueren Sprachen, besonders der englischen und spanischen, Heyne bekannt waren, so hielt er ihn für dessen geeignetsten Nachfolger. Meyer, dessen Vorliebe für Göttingen durch manche dort angeknüpfte Verhältnisse sehr lebendig geblieben war, nahm den Ruf, welcher bald darauf an ihn erging, mit Freuden an, und verließ Stade zu Anfang des Jahres 1785. In Göttingen fand sich nun bald eine Veranlassung, die ihm von den Berufsarbeiten übrig bleibende Zeit noch auf eine andere, eben so angenehme als für seine finanzielle Lage ersprießliche Weise auszufüllen. Die englischen Prinzen, die Herzoge von Cumberland, Susser und Cambridge, studirten dort, und Meyer ward ihr deutscher Lehrmeister, wie täglicher Gesellschafter. Man hörte ihn gern aus jener Zeit erzählen, auf welche leichte und spielende Weise er sich diesen übernommenen Pflichten unterzogen, und wie er die prinzlichen Zöglinge auf ihren Streifzügen begleitete, wie er mit ihnen halbe Tage zum Fenster hinausschaute, und sich darauf beschränkte, sie mit der deutschen Benennung aller dem Auge sich darbietenden Gegenstände bekannt zu machen; wie er alle hübschen Frauen und Mädchen Göttingens aufgefordert habe, mit den Prinzen nur deutsch zu reden, weil er sie für bes sere Lehrmeister halte als sich selber, den Ruhm aber alsdann doch davontragen würde. Neben diesen halb ernst halb scherzhaften Beschäftigungen blieb ihm aber gewiß so viel Zeit und ernster Sinn, um für sich und seine Folgezeit das Wissenswertheste sich zu eigen zu machen, wozu hier die beste Gelegenheit durch Hülfsmittel jeder Art, durch Lehre, Wort und lebendig literarisches Treiben geboten ward, wobei ihm denn sein allbekanntes enormes Gedächtniß nicht wenig zu Statten kam. In solchen Verhältnissen blieb er in Göttingen bis zum Jahre 1789. Alsdann machte er einen Ueberschlag seines Vermögens, suchte zwei Drittheile desselben sicher anzulegen, indem er voraussah, daß bei seinen bescheidenen Ansprüchen an das Leben er auf diese Weise in der Zukunft vor Mangel geschüßt seyn würde; den dritten Theil desselben aber verwendete er ganz zu mehrjährigen Reisen und erreichte dadurch die Erfüllung seines lange gehegten Lieblingswunsches, die Welt zu sehen. Auf wiederholten Streifzügen besuchte er England, Frankreich und Italien, nachdem er Deutschland nach allen Richtungen kennen gelernt. In allen bedeutenden Städten verlängerte er seinen Aufenthalt und machte überall die interessantesten Bekanntschaften, wozu seine eigene geistreiche Persönlichkeit, die besten Empfehlungen aus Göttingen, und in England zumal sein früheres Beisammenseyn mit den königlichen Prinzen nicht wenig beitrug. In London war er der tägliche Gesellschafter von Burke, For, Sheridan, so wie von andern bedeutenden Männern jener Zeit; hier fand er seinen vertrauten Freund und früheren Gefährten auf manchen Reisen, auch Namensvetter, Dr. Johann Meyer wieder, mit dem er immer in Verbindung blieb und ihm später seine Schauspiele widmete. In Edinburg verlängerte er seinen Aufenthalt weit über die bestimmte Zeit, weil er sich nicht von der Gesellschaft von Adam Smith. trennen konnte, dem er mit der höchsten Achtung und Verehrung ergeben war. So fesselten ihn allent halben ausgezeichnete Menschen mehr als die Schönheit der Ge gend, wiewohl er darum keineswegs unempfänglich gegen die Reize der Natur war. Ein längerer Aufenthalt in Wien hatte ihn früher schon zu Fr. Ld. Schröder's vertrautem Freunde gemacht; der erste Künstler Deutschlands fand in dem genialen Kritiker und Dilet tanten (Meyer hatte sich mit Glück auf Privatbühnen versucht) den Mann, von welchem er ganz erkannt und verstanden ward; auch Meyer's persönliche Bekanntschaft mit den ersten Bühnenkünstlern des Auslandes trug nicht wenig dazu bei, seine Unterhaltung für Schröder zu den anziehendsten zu machen, aber höhere Eigenschaften des Geistes und Herzens fanden gegenseitigen Anklang. Daß Schröder sich den Freund zum Biographen bestimmt, ist deutlich in verschiedenen Brieffragmenten ausgesprochen, die sich zu Ende der Lebensbeschreibung befinden; auch ist gewiß, daß der verhaltene, nur wenigen Menschen zugängliche Schröder sich gegen Meyer möglich in dem Bewußtseyn dieser Absicht auf eine so vertrauliche innige Weise so unumwunden über Alles ausgesprochen, ihn so tiefe Blicke in sein reiches Gemüth hat thun lassen, das sie diesen wohl befähigten, ein Bild von Schröder's Leben und Wirken als Mensch und Künstler zu entwerfen, daß dem Manne, welchen es darstellt, so wie dem Darsteller selbst zu gleich ehrenvollem Zeugnisse gereicht; Deutschland kann auf beide stolz seyn und das Werk bleibt gewiß immer ein klassisches unserer Literatur für alle Zeiten, und nicht allein in biographischer und dramatischer Hinsicht ist das Buch ein bes deutendes sondern Meyer hat auch das Beste aus sich selbst darin niedergelegt; es enthält des Wissenschaftlichen, Literarischen, Philosophischen und Gemüthlichen so viel, daß man es gleichfalls als Denkwürdigkeiten seiner Zeit betrachten kann. Die ehrenvollsten Zeugnisse der Zeitgenossen sprechen sich darüber aus, namentlich Tiek verweist an verschiedenen Stellen seiner Schriften darauf hin. Die unbedingteste Anerkennung ist dem Buche bei allen Leuten vom Fache geworden, denen es immer unentbehrlich bleiben wird. Einen gleichen Anklang hätte es seiner Natur nach bei dem großen Lesepublikum finden müffen, wäre nicht der Verfasser zu gewissenhaft in der Mittheilung der finans ziellen Verhältnisse des Theaters gewesen, die, in den Tert verwebt, den Gang der Erzählung oft störend unterbrechen, und— wie die leste Abtheilung des zweiten Theils eigentlich nur für Schauspieler Werth haben. Außer der Lebensgeschichte Schröder's, einem Bande Schauspiele (Altona, bei Hammerich, 1818), einem viel früher, 1793, in Berlin bei Vieweg erschienenen Bändchen Gedichte unter dem Titel: Spiele des Wiges und der Phantasie, so wie um dieselbe Zeit fünf oder sechs Hefte: Beiträge für das deutsche Theater (Berlin, bei Unger), worunter er selbst den „Schußgeist” als eines seiner besten Stücke bezeichnete, hat Meyer nichts Namhaftes geschrieben; aber die Menge der Recensionen, gelehrter Anzeigen oder anderweitiger kleiner Auffäße, welche von ihm in den verschiedensten, am meisten gelesenen Zeitschriften, namentlich während seines Aufenthaltes in Berlin in Bertram's Journal für Lite |