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XII.

Der Fürstentag von Tribur und Oppenheim (1076).

Ein Beitrag zur Kritik der Quellen.

Von

Jaroslav Goll.

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,,Ueber die Verhandlungen in Tribur und Oppenheim" sagt Giesebrecht (III, 2,236),, besitzen wir die Berichte Lamberts, Bertholds, Brunos". Seiner Darstellung des Fürstentages legt der Verfasser der Geschichte der deutschen Kaiserzeit die Erzählung Lamberts zu Grunde, der er einzelne ergänzende Züge aus den Berichten der an zweiter und dritter Stelle genannten Autoren einfügt. F. O. Grund (Die Wahl Rudolphs von Rheinfelden, Leipzig 1870) berücksichtigt Brunos Bericht gar nicht, , weil derselbe ausser der Erzählung über Otto von Nordheim nichts enthalte, was wir nicht durch Berthold und Lambert sehr viel besser erführen“ (Excurs: Brunos Bericht über den Fürstentag zu Tribur) 1); er überlässt sich in seiner Darstellung des Fürstentages Lamberts Führung vollständig und verliert den an erster Stelle

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1) F. O. Grund sagt (S. 101): » Betrachtet man Brunos Bericht über den Fürstentag zur Tribur etwas genauer, so erkennt man auch hier, dass er einmal nicht gut unterrichtet ist, dass er aber auch nicht bemerkt, dass er sich geradezu widerspricht. . . . Unrichtig ist: 1. dass nur ein Legat vom Papst nach Tribur gesandt sei; 2. dass der König in Mainz weilte; 3. dass die Fürsten sich weigerten eine Botschaft vom König anzunehmen, als bis er durch den Legaten vom Bann gelöst sei; dies konnten sie deshalb nicht, weil Gregor, als er seinen Boten Vollmacht gab diejenigen zu absolviren, welche aufrichtige Reue zeigten, den König namentlich ausschloss." Dazu ist zu bemerken: 1. Lambert nennt zwar zwei Legaten, bezeichnet aber nur einen von ihnen (Altmann von Passau) als den eigentlichen Bevollmächtigten des Papstes. (Aderant . . . legati apostolicae sedis, Sigehardus patriarcha Aquileiensis et Altmannus Pataviensis episcopus, vir apostolicae conversationis et magnarum in Christo virtutum, cui papa vices suas in dispositione ecclesiasticarum causarum delegaverat. M. G. SS. 5,252. Dasselbe sagt, Berthold (Illuc sedis apostolicae legati litteris huic causae congruis allatis adve nerant, in quibus etiam nunc Pataviensi episcopo vice sua apostolica papa iam dudum concessa imposuit, ut omnes praeter regem solum . . . reconciliaret. M. G. SS. 5,286.) Bruno, De bello Sax. c. 88 M. G. SS. 5,368, bezeichnet zwar Altmann als den Legaten, aber er berichtet auch von der Anwesenheit des Patriarchen. 2. Die zweite Angabe ist unrichtig, aber auch unwichtig. 3. Brunos Worte: Misit (Heinricus) nuntios, qui temptarent istos (Suevos et Saxones) ad misericordiam flectere... Sed eorum nullius legatio a quoquam nostrate accipitur, nisi prius per apostolici legatum ab anathematis vinculo solvatur hat bereits Floto (2,116) richtig wiedergegeben: Es kamen Gesandte von ihm (Heinrich) zu den Fürsten, die aber erst von dem Bischof von Passau Absolution erbitten mussten, bevor sie ihre Botschaft ausrichteten.<

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genannten Berthold fast gänzlich aus den Augen. R. Goldschmit (Die Tage von Tribur und Canossa, Mannheim 1873) sagt zwar (S. 23), wir seien zunächst auf Lambert angewiesen, ein sicheres Urtheil sei nur aus der Combination der verschiedenen Berichte zu gewinnen er schlägt aber dann doch einen besseren Weg ein, als den der blossen Combination, nämlich den Weg der Kritik, wobei er jedoch das Ziel überholend, betreffs der wichtigsten Punkte fast nur die Documente gelten lassen will und alles andere, was sich ausserdem in den Berichten vorfindet, verwerfen möchte. R. Goldschmit thut recht daran, dass er die Documente als kritischen Massstab an die Berichte anlegt, unterlässt es aber, die Erzählungen Lamberts, Bertholds und Brunos eingehend unter einander zu vergleichen. Hätte er es gethan, so wäre endlich gegen Lambert Berthold zu seinem Rechte gekommen, und der Verfasser der Dissertation hätte von Giesebrecht (S. 1838) nicht den Vorwurf hören müssen, er komme bei seinen nicht unbegründeten Bedenken (gegen Lambert) schliesslich doch nicht über den Zweifel hinaus.

Es liegt mir ferne alle Angaben der drei Gewährsmänner über den Fürstentag von Tribur unter einander zu vergleichen und zu prüfen; ich will mich vielmehr auf die Hauptsache beschränken, auf die Frage: was ist in Tribur und Oppenheim vereinbart und beschlossen worden? Nun stimmen zwar Lambert und Berthold in vielen Angaben überein, wenn sie erzählen, was alles vereinbart und zum Beschluss erhoben wurde, während Bruno einiges abweichend, anderes unrichtig berichtet, aber bei näherer Prüfung zeigt sich doch zwischen Berthold und Lambert eine erhebliche und, wenn ich nicht irre, bisher nicht genügend gewürdigte Differenz.

Lambert erzählt: Die zu Oppenheim und Tribur, zwischen Heinrich IV. und den Fürsten gepflogenen Unterhandlungen blieben erfolglos; bereits stand der Angriff auf das königliche Lager bevor, da kamen ganz wider Erwarten Gesandte der Fürsten über den Rhein und brachten Bedingungen mit sich, auf die der König sofort einging. (Rex... promptissime per omnia obedientiam pollicetur). Sofort werden auch einige Punkte des Vertrages vollzogen. Der König begibt sich nach Speier, die Fürsten verlassen hochbefriedigt Tribur. Die Bedingungen, welche die Fürsten dictirten und der König sofort unterschrieb, lauten:

1. Die Entscheidung bleibt dem Papste vorbehalten (se rem integram Romani pontificis cognitioni reservare). Was soll aber der Papst entscheiden? Ob der König der Verbrechen, die ihm vorgeworfen wurden, schuldig sei, sagt Lambert, und zwar sollte er auf

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einem Reichstage zu Augsburg um Mariä Reinigung (2. Febr. 1077) über den König Gericht halten (ut . . . discussis utrarumque partium allegationibus, ipse suo iudicio vel abdicat vel absolvat accusatum). Seiner moralischen und politischen Verbrechen wegen haben die Fürsten bereits den König verworfen; sie waren nach Tribur gekommen, um einen neuen König zu wählen. Menschliche und göttliche Gesetze sprachen für sie, den Eid der Treue hatte der Papst gelöst. Dies und anderes haben die Fürsten einander gesagt und nach Lambert auch dem König sagen lassen. Wenn Heinrich IV. die erste Bedingung annahm, so unterwarf er sich dem Papste als seinem Richter, der ihm die Krone absprechen und zusprechen konnte. So versteht es Lambert.

2. Dem König wird auferlegt, sich vor Ablauf der jährlichen Frist vom Banne zu befreien, sonst verwirkt er für immer Krone und Reich.

3. Der König wird sich dem Papste unterwerfen und ihm unbedingten Gehorsam geloben (si .. Romano pontifici per omnia subditum se dictoque obtemperantem fore, polliceatur etc.)

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4. Der König wird getrennt von seinen gebannten Räthen in einer Umgebung, die ihm die Fürsten wählen, in Speier sich aufhalten, den Bann beobachten (ecclesiam non ingrediens), nicht als König auftreten, keine Regierungshandlung vornehmen und zwar bis zum Urtheilsspruche des Papstes auf dem Reichstage (usque ad sinodicam causae suae examinationem). Wenn Heinrich IV. diese Bedingung unterschrieb, so unterwarf er sich nicht allein dem Banne des Papstes, sondern auch der gegen ihn ausgesprochenen Suspension vom Königthum und zwar nicht etwa bis zur Lösung vom Banne, sondern bis zur Entscheidung seines Streites mit den deutschen Fürsten durch den Spruch Gregors VII.

5. Worms wird dem Bischofe wieder eingeräumt.

6. Wenn der König auch nur eine Bedingung bricht, so steht es den Fürsten frei noch vor dem Urtheilsspruche des Papstes zu beschliessen, was sie für gut finden werden (quod rei publicae expediat).

Soweit Lambert. 1st seine Erzählung richtig, hat der König einen solchen Vertrag mit den Fürsten geschlossen, dann begreifen wir auch, dass sie voll frohen Muthes auseinandergingen (laeti ovantesque patriam repetebant).

Nach Berthold haben die Fürsten dem König folgende Hauptbedingungen vorgelegt (tunc visum est eis praeter caetera):

1. Vor allem wird Worms dem Bischofe zurückgegeben (ut in

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