Imágenes de páginas
PDF
EPUB

dem so strengen lutherischen Schweden und Norwegen, vielleicht in mancher Beziehung wichtiger als die Missions-Berichte aus China und Ost-Indien.

,,Rapporto sulle miniere di Cerisier ed Ubac, del Cav. Giuseppe Ansaldo. Pallanza 1860". In den See-Alpen oberhalb Nizza, unfern La Croix, waren bereits seit längerer Zeit die Kupfer-Bergwerke von Boucheron bekannt. Hier wird Nachricht über zwei neue in dieser Gegend bearbeitete Kupfer-Bergwerke gegeben, die einen Metallgehalt von 50 bis 60 Proz. ergeben. Der Verfasser ist als ein im Bergbau wohlerfahrener Techniker Sachverständigen bekannt.

Ein für die Statistik des Königreichs Sardinien sehr wichtiges Werk ist der eben jetzt erschienene Bericht über die Ausstellung der Landes-Erzeugnisse, die im J. 1858 zu Turin Statt fand: „Relazione dei giurati e giudizio sulla esposizione nazionale nel 1858. Torino 1860. Tip. dell' Unione. 8°. pp. 546". In den Jahren 1805, 1811 und 1812 hatten dergleichen Ausstellungen unter der Französischen Regierung Statt gefunden, die auch nach der Restauration mehrere Male wiederholt wurden. Die Welt-Ausstellungen zu London 1851 und zu Paris 1855 gaben Veranlassung, auch für das Königreich Sardinien einen grösseren Maassstab anzulegen. So wie der Prinz Napoleon über die letztere seinen Bericht im J. 1857 veröffentlichte, so erscheint auch dieser Bericht zwei Jahre nach Beendigung der Sardinischen Landes - Ausstellung, welche in dem Königl. Lustschlosse Valentino zu Turin Statt gefunden hatte. Diese Arbeit, an welcher bedeutende Männer, wie Torelli und Volevio, Theil genommen haben, zeigt unter Anderem den grossen Fortschritt der Buchdruckereien, seitdem hier das konstitutionelle Leben aufgegangen ist. Die Stadt Turin allein hat jetzt 42 Buchdruckereien; auf den ganzen Staat von etwa 4 Mill. Einwohnern kommen 147 Buchdruckereien, die auf 50 Städte vertheilt sind. Die Papierfabrikation hat sich dergestalt vermehrt, dass jährlich für 1.385.000 Franken ausgeführt wird, obwohl dabei vom Auslande noch für 442.000 Franken gebraucht wird. Bei der Menge von Büchern, die jetzt hier gedruckt werden, wurden doch noch 412.000 Kilogramme an Büchern vom Auslande bezogen, wohin aber auch 260.000 Kilogramme verhandelt wurden. Den Reichthum des Landes zeigt besonders der Abschnitt über den Ackerbau, z. B. in Einem Jahre wurde an Nutzvich ausgeführt im Werth von mehr als 7.000.000 Franken, wogegen nur für 4.200.000 Franken eingeführt wurden; am reichlichsten ist der Ertrag von der Seide. Aber auch der unterirdische Reichthum ist sehr bedeutend. Neben 27 Bergwerken, wo auf Gold gebaut wird, liefert die Goldwäsche im Po, dem Tessin, dem Orco, der Sesia und Dora-Baltea jährlich über 4 Kilogramme reines Gold; 44 Bergwerke liefern treffliches Eisen, 37 Blei, 24 Kupfer u. s. w. Die im Betriebe befindlichen 250 Eisenwerke, 31 Kupferhämmer, 18 Bleihütten u. s. w. bringen einen jährlichen Ertrag von nahe an 30 Millionen Franken.

Die geologischen, die Insel Sardinien betreffenden Karten des gelehrten Generals Grafen Albert della Marmora sind bekannt, ganz neuerlich aber erschienen die von Angelo Sismonda, dem Direktor des Mineralmuseums zu Turin, welche das Festland Sardinien umfassen. Nach diesen Karten des gelehrten Professors hat Geny-Philipp ein treffliches topographisches Relief in Gyps gefertigt, welches Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1861, Heft III.

die See - Alpen umfasst. Michael Carrier hat ein gleiches von der Kette des Mont-Blanc gefertigt. Eine hydrographisch-geologische Karte zum Nachweis der Mineralund warmen Quellen von Savoyen von Calloud verdient ebenfalls erwähnt zu werden.

Streifzüge durch das Land der Griechen, namentlich durch Akarnanien.

Von Justizrath Dr. Kind.

Bei Didot in Paris erschien im Jahre 1860 ein vielfach belehrendes Buch:,,Le mont Olympe et l'Acarnanie", von dem Franzosen L. Heuzey, der mehrere Jahre lang als Zögling der Ecole française d'Athènes seine archäologischen Studien gemacht und dabei zugleich auf die Bereisung eines Theiles des alten und neuen Griechenland sich vorbereitet hatte. Jene Schule in Athen, wo junge Alterthumsforscher auf Kosten der Französischen Regierung Gelegenheit haben, Griechenland aus eigener Anschauung kennen zu lernen, ist in dieser Hinsicht für die Franzosen von besonderer Wichtigkeit und es ist dadurch bereits eine nicht unbedeutende Anzahl mehr oder weniger werthvoller Arbeiten über die Alterthümer in Griechenland und die Bewohner des Landes in alter und neuer Zeit, über seine Geographie und Geschichte hervorgerufen worden, die unsere diessfallsige Kenntniss des Landes weiter führen und fördern. So auch das obgedachte Buch des Franzosen Heuzey über den Olymp und Akarnanien und nicht minder ein Mémoire sur le Pélion et Ossa von A. Mézières (in den Archives des Missions scientifiques et littéraires), welches letztere uns jedoch nicht näher bekannt geworden ist. Indem wir die Archäologen und alle diejenigen, die für die hierbei in Betracht kommende Geschichte und Geographie der einzelnen Theile des alten Griechenland, SO wie für die ethnographischen und kulturhistorischen Beziehungen derselben ein besonderes Interesse haben, auf das Werk des Franzosen Heuzey im Allgemeinen aufmerksam machen, wollen wir zugleich in Folgendem Einiges daraus zusammenstellen, das über die gegenwärtigen Verhältnisse und Zustände des Landes, namentlich Akarnaniens, lehrreiche und interessante Aufschlüsse darbietet. Bei seinen topographischen Forschungen über Akarnanien (das er im September 1856 bereiste) hat er übrigens, wie er bemerkt, die von dem Französischen Generalstab aufgenommene Karte Griechenlands benutzt, allein er sagt auch, dass, wie diese Karte im Allgemeinen und was die übrigen Theile des Königreichs betrifft, genau sei, diess in Ansehung der Topographie von Akarnanien weniger von ihr gelte, sie vielmehr in dieser Hinsicht keineswegs als ein sicherer und genauer Führer angesehen werden könne, wesshalb er auch in diesem Betrachte zu mancher Berichtigung Anlass findet.

Wer, wie der genannte Franzose, von Athen aus durch Bootien und dann über die Kette des Parnass - Gebirges auf dem Wege von Delphi nach Akarnanien vordringt, tritt in eine von dem bisher durchwanderten Lande ganz verschiedene Gegend und er könnte glauben, dass er in ein ganz anderes Land käme, keineswegs aber in Griechenland sich befinde. Überall sieht er hier Wälder und fliessende Gewässer, ein Land voll Hügel, Berge und

15

Waldungen; seine Augen, die anderswo in Griechenland, namentlich in Attika, an kahle Felder und Ebenen, die die Sonne verbrannt hatte, und an Berge gewöhnt waren, welche mehr ausgedehnte Felsen zu sein schienen und wovon der Parnass eines der prachtvollsten Beispiele darbietet, sehen sich hier von der üppigen Vegetation des Landes und von dem Grün der Wiesen und Felder, von der reizenden Abwechselung einer eben so wilden und rauhen als lebendigen Natur auf das Angenehmste überrascht.

Dieser ganze, vorzugsweise bergige und waldige Theil des Griechischen Festlandes, der sich bis zum Ionischen Meer erstreckt und im alten Griechenland Lokris, Ätolien, Akarnanien, das Land der Eurytaner, Doloper und Amphilochier hiess, gegenwärtig aber die Nomarchie Ätolien und Akarnanien im Königreich Griechenland bildet, machte zu allen Zeiten einen besonderen Theil für sich aus und unterschied sich durch die Eigenthümlichkeiten des Bodens und den Charakter der Stämme, welche sich daselbst niederliessen, wesentlich von dem übrigen Griechenland, und namentlich von der allgemeinen Bewegung und Entwickelung des Griechischen Stammes blieben die Bewohner dieser Wälder und Berge ausgeschlossen. Sie gewöhnten sich an ein rauhes, wildes Leben und selbst in den glücklichsten Zeiten Griechenlands waren und blieben sie den Gewohnheiten der Räuberei zu Lande und zu Wasser, so wie den rauhen, kriegerischen Sitten des heroischen Zeitalters ergeben. So ist es auch im Allgemeinen bis auf die Gegenwart geblieben, und wenn zu den Zeiten des Thucydides ein Bewohner Ätoliens und Akarnaniens geeignet war, das Bild eines Homerischen Helden zurückzurufen, wie bei ihm selbst (I, 5) zu lesen ist, so kann man auch jetzt, da das neue Griechenland seiner Wiedergeburt entgegengeht und sich nach und nach der modernen Kultur zuwendet, mit Sicherheit darauf rechnen, dass die Bauern jener Provinzen länger als die übrigen an der Barbarei der vergangenen Jahrhunderte hängen werden.

Es ist unter solchen Umständen erklärlich, dass dieser Theil Griechenlands von jeher weniger besucht ward als andere civilisirte Gegenden desselben. Für diejenigen, die den Spuren der Künste und der Civilisation nachgingen, hörte Griechenland gewissermaassen in Delphi auf und Epirus mit seiner Bevölkerung, die zwar für Griechisch galt, jedoch weniger als eine solche angesehen und geachtet war, begann. Schon die alten Schriftsteller selbst haben so geurtheilt, Historiker und Geographen sind in ihren Mittheilungen über dieses Land von auffallender Wortkargheit und Kürze und namentlich Pausanias, nachdem er Phocis beschrieben, wirft kaum von fern einen Blick nach Amphissa und Naupaktos und endigt hier geradezu seine Beschreibung Griechenlands. In gleicher Weise haben es auch neuere Reisende gehalten und sie sind meistentheils weniger begierig gewesen, in diess unzugängliche Land tiefer einzudringen und dort vorhandene, weniger berühmte Überreste alter Kunst mitten in Waldungen aufzusuchen.

Gleichwohl verdient dieser abgelegene und vernachlässigte Winkel Griechenlands eine besondere Aufmerksamkeit, ein besonderes Studium, und es ist für den Historiker von hohem Interesse, die Griechen jenes Winkels in ihrem ursprünglichen Zustand und in ihrer Entwickelung

zu beobachten und zu sehen, wie und bis zu welchem Punkte die dortigen Stämme von der Civilisation der übrigen sich abschlossen und dennoch im Stande waren, eine geschichtliche Rolle zu spielen und mitten in der allgemeinen Erschöpfung eine nicht geringe Energie und kräftigen Stolz sich zu bewahren. Auch hat Akarnanien, ungeachtet seiner Isolirung an der äussersten Grenze von Griechenland und in der Nähe barbarischer Nationen, eine vortheilhafte Lage. Von drei Seiten ist es theils vom Ionischen Meere, theils vom Meerbusen von Arta (dem Ambracischen Meerbusen) umgeben und nur nach Osten trennt es der Achelous (jetzt Aspropotamos) von Ätolien; seine Küsten entwickeln sich vom Korinthischen Meerbusen bis zu dem von Arta und es beherrscht in dieser Hinsicht den Zugang zu diesen beiden Golfen, die im Alterthum mit blühenden Handelsstädten besetzt waren. Da wo das Land vom offenen Meere bespült wird, besitzt es sogar mehrere vortreffliche Häfen, zum Theil unter dem Schutze von hohen Inseln, die sie gegen die Seewinde sicher stellen. Diese Häfen und Inseln bildeten gleichsam für die Griechischen Matrosen den Übergang nach Italien und Sicilien, denen Akarnanien unter allen Theilen des Griechischen Festlandes am nächsten war, und diese Strasse wählten zugleich die Kriegs- und Handelsfahrzeuge, die klüglich in der Nähe des Landes von einem Hafen zum anderen segelten und erst so spät als möglich die Fahrt auf das hohe Ionische Meer selbst wagten.

Akarnanien bildet, nach seiner allgemeinen Gestalt und in seiner Begrenzung nach Osten durch den Aspropotamos, im Westen durch das Ionische Meer und im Norden durch den Meerbusen von Arta, eine Art Dreieck, dessen Spitze nach Süden ausläuft, und es wird innerhalb dieser natürlichen Grenzen in politischer Beziehung in die beiden grossen Distrikte oder Eparchien Waltos und Xeromeros eingetheilt, jener mit dem Hauptorte Karawasaras, dieser mit dem Hauptorte Wonitza, beide am Meerbusen von Arta gelegen. Der Distrikt Waltos, das alte Amphilochien, nimmt die nordöstliche Seite des Dreiecks ein und ist ein von dem genannten Meerbusen und von schluchtenreichen, gleichsam stufenweis hinter einander sich erhebenden, nicht sehr hohen Bergen eingeschlossenes, felsiges, schwer zugängliches, durch Gebirgswasser und sonst zerklüftetes Stück Land, das die Reisenden meist sorgfältig zu vermeiden suchen, da es als ein Raubnest in ganz Griechenland bekannt und berüchtigt ist und daher auch in den Neu-Griechischen Klephtenliedern eine bedeutsame Rolle spielt. Dagegen ist der Distrikt Xeromeros kein so in sich abgeschlossenes, zerrissenes Stück Land, obgleich es ihm an einer gewissen Wildheit, an Wäldern und an Felsen durchaus nicht fehlt, vielmehr ist das Land offen und luftig, und es giebt dort auch angebaute Ebenen in seiner Mitte und vielfach angeschwemmtes Land in Südwesten. Der Bestandtheil des Bodens ist jedoch nicht Thonerde, sondern ein weisser oder grauer Felsstein, eine Art poröser Marmor, dem nur der Glanz und Schimmer mangelt und der auch nicht in dem Grade hart ist, dass ihn nicht auf die Länge die Elemente, Luft und Regen, erreichen und für die Vegetation zugänglich machen sollten. Dabei ist es eine eigenthümliche, wohl in ganz Griechenland einzige Erscheinung, dass dort der Boden kein Wasser hält und es dem Xeromeros an Quellen fehlt (der daher auch seinen Namen hat, indem Engduepos ,,trockenes Land" bedeutet), nicht als ob hier die Erde wirklich trocken sei und dort keine Vegetation herrsche, sondern weil die unterirdischen Gewässer nicht bis zur Oberfläche hindurchdringen. Die Einwohner legen daher Cisternen an oder sie holen das Wasser aus dem von fernen Bergen herkommenden Aspropotamos, der in seinem Laufe diese Gegenden benetzt, ohne dagegen irgendwie fliessendes Wasser von ihnen selbst zu erhalten. Die Feuchtigkeit der Luft und des Himmels dringt tief in den Stein des Erdreichs ein und verliert sich darin, auch bilden sich dort hin und wieder unterirdische Wasserfälle, die die Wirkungen ihrer wohlthuenden Feuchtigkeit bis nach der Oberfläche verbreiten und bisweilen an niedrigen Stellen, wo sie hohle Bassins finden oder wo irgend fetter Bodengrund sie aufhält, zum Vorschein kommen.

Auch findet man dort zwischen den trockenen Höhen des Xeromeros sehr häufig sumpfige und morastige Stellen, die dazu dienen, die Heerden zu tränken und in weiterem Umkreise die Fruchtbarkeit zu unterhalten. Zwei dieser Sümpfe sind sogar wahre See'n, der Kleine und Grosse Ozeros, der erstere in einer Ebene im Süden, nicht weit vom Aspropotamos, der andere, an der Grenze des Waltos, gleicht mehr einem grossen, schiffbaren Flusse, der in seinem Laufe still gestanden, ungewiss, ob er nach Norden in den Meerbusen von Arta oder nach Süden in den Fluss, nämlich den Aspropotamos, sich ergiessen solle. Durch eine eigenthümliche haushälterische Sparsamkeit der Natur ist dieses an Quellen und fliessenden Gewässern arme Erdreich das Land stehender Wasser geworden.

Dieses ganze Land zwischen dem Meerbusen von Arta und den Mündungen des Aspropotamos wird von Griechen bewohnt und dieser Griechische Stamm hatte sich hier in einer grösseren Freiheit und Reinheit als anderswo erhalten, freilich auch gerade hier in einer gewissen barbarischen Wildheit und Rohheit. Diess giebt sich eben so in ihrer Sprache zu erkennen, die das Neu-Griechische Idiom in seiner ganzen Rauhheit ist, nicht ohne Mischung mit Italienischen Worten, die sich aus der Nähe der Ionischen Inseln erklärt, in der sich jedoch auch seltener Alt-Griechische Ausdrücke rein erhalten haben, wie es sich auch in den Sitten und im ganzen Wesen dieser Griechen von Akarnanien offenbart. Ihre ungezwungene Natürlichkeit und das Ursprüngliche und Naturwüchsige ihres ganzen Seins und Wesens ist eine Folge davon, dass sie mit der Aussenwelt niemals in nähere Berührung gekommen sind, und sie zieht in dem nämlichen Grad an, als der Charakter und Geist dieser naturwüchsigen Menschen in seiner einfachen Kraft und Lebhaftigkeit etwas Alterthümliches an sich trägt.

Von dieser Griechischen Bevölkerung Akarnaniens muss man jedoch die nomadisirenden Wlachen unterscheiden, die, wie in anderen Theilen Griechenlands, namentlich auch in Akarnanien zu finden sind und fast nie mit den übrigen Bewohnern des Landes sich vermischen. Diese Wlachen, die im Winter nach Akarnanien kommen, wo sie mit ihren Heerden am Saume der Wälder lagern, im Sommer aber nach den nordwärts gelegenen Bergen von Agrapha zurückkehren, gehören dem grossen Rumänischen Stamm an, der seit dem Mittelalter die hochgelegenen Thäler von Epirus und Thessalien bewohnt, allein sie bilden eine abgesonderte Familie für sich. Sie heissen theils Karagunis (vom Türkischen Worte Kara, d. i. schwarz, und dem Neu-Griechischen youra, das eine Art Mantel bedeutet, wie die Bauern ihn tragen), theils Αρβανιτόβλαχοι, weil sie in den frühesten Zeiten ihre Wohnsitze an den Grenzen Albaniens hatten, theils werden sie auch Kovrgóßrazoi (d. i. hinkende Wlachen) genannt, was man aus der Sprachmischung mit Griechischen Worten erklärt, die ihnen mehr oder weniger eigen ist; aber sie selbst verschmähen diese Benennungen, die sie als beleidigend ansehen, und nennen sich mit dem Namen des Stammes, dem sie angehören, nämlich Rumänen. Sie müssen auch im Allgemeinen als die Brüder der Walachen in den Donau-Fürstenthümern gelten, welche entweder von den Römischen Kolonisten abstammen, die einst Trajan nach Dacien verpflanzte, oder als Eingeborne Daciens, Mösiens und Thraciens anzusehen sind, die das Lateinische unter der Römischen Herrschaft in gleicher Weise erlernten wie die alten Gallier. Der Dialekt dieser Wlachen, der rauh und ungebildet ist, nähert sich im Einzelnen der Lateinischen Sprache weit mehr als der der anderen Walachischen Stämme. Übrigens darf man diese Wlachischen Nomaden mit anderen, die ebenfalls wie sie ein Nomadenleben in Akarnanien führen, nicht verwechseln. Diess sind die Sarakatzanes, ein Griechischer Stamm, dessen Ursprung man nicht kennt, der jedoch nur Griechisch spricht, während die Karagunis ausser ihrer Sprache, der Rumänischen, auch Griechisch und Albanesisch verstehen.

In der Regel führen diese Wlachen ein Nomadenleben als Hirten (in der Griechischen Vulgarsprache bedeutet daher auch Blázos einen Hirten) und namentlich sind die Wlachen Akarnaniens der wahre Typus eines Nomaden. Dagegen giebt es anderswo in der Türkei auch sesshafte Wlachen, die sich in Städten und grösseren Dörfern niedergelassen haben und bald Handel, Ackerbau und Viehzucht treiben, bald mit Gewerben sich beschäftigen. So giebt es im Olymp, westlich von der höchsten Spitze des Gebirges, ein Städtchen Namens Wlacho - Livadi (d. i. Wiese der Wlachen), wo sich seit langen Jahrhunderten Wlachische Kolonisten niedergelassen haben. Mit dem den Wlachen eigenen Geschmack für hochgelegene Punkte und für die belebende Luft der Berge haben sie jenen Ort auf einem zwischen zwei Defileen sich hinziehenden Berge gewählt, der den Slavischen Namen Chapka (d. i. Hut) führt. Als der Franzose Heuzey im J. 1855 den Olymp bereiste, hatte Wlacho-Livadi 400 Häuser; vor 50 Jahren hatte es die doppelte

Anzahl. Er beschreibt die Bewohner des Orts als freundlich und gastfrei und als besonders zuvorkommend gegen Fremde. Sie hatten auch eine Griechische Schule, die von 150 Kindern besucht ward. Auf ihre fünf Kirchen, die gross und mit hübschen Malereien im Byzantinischen Geschmack geziert waren, so wie auf die Glocken dieser Kirchen bildeten sie sich nicht wenig ein. Auch in einigen Dörfern in der Nähe (Neochori, Phteri, Milia und Kokkinoplo) wohnten Wlachen; der letztgenannte Ort war der bedeutendere davon und zählte 200 Häuser. Diese Wlachen haben sich dort Häuser gebaut, Dörfer und sogar eine Stadt gebildet. Meistentheils sind sie Hirten und leben vom Ertrag ihrer Heerden, aber ausnahmsweise treiben sie auch Feld- und Weinbau oder sie beschäftigen sich mit Baumwollarbeiten, worin besonders die Frauen es zu einer gewissen Geschicklichkeit gebracht haben. Die Unternehmenderen und Reicheren unter ihnen treiben mit diesen Waaren Handel, indem sie sie ausführen. Gleichwohl sind diese Wlachen auch dort nicht durchgängig sesshaft geworden und geblieben; die ungünstige Jahreszeit veranlasst sie häufig, ihren Wohnort zu verlassen, und besonders die Ärmeren ziehen von Ort zu Ort und bleiben an den einzelnen Punkten, so lange es ihnen da gefällt. Über die Zeit, zu welcher diese Wlachische Niederlassung im Olymp gegründet worden, wissen sie selbst Nichts anzugeben und keine Überlieferung hat sich unter ihnen hierüber erhalten. Wenn man sie darnach fragt, so sagen sie nur, dass sie von den Bergen gekommen sind, dass Livadi ihre erste Niederlassung gewesen und dass die übrigen Dörfer lange nachher gegründet worden seien. Ihre Kirchen, die durchgängig zu Anfang des 18. Jahrhunderts wieder hergestellt oder übermalt worden sind, enthalten darüber keinen Nachweis. Es ist möglich, dass jene kleine Kolonie nur der Rest einer beträchtlicheren Kolonie ist, welche gegen Ende des Mittelalters alle Berge Thessaliens in Besitz genommen hatte. Schon seit dem Jahre 969 spricht ein alter Chronist von ,,reisenden Wlachen" (Brazo odira, bei Georg Cedrenus), die das Land zwischen dem Pindus und Olymp durchziehen. Im 12. Jahrhundert führt Thessalien nur den Namen Meydin Bhayia (bei Niketas Akominatos), den es dann auch bis zur Ankunft der Türken beibehielt, und Kantakuzenos nennt es in seiner Geschichte (III, 53) das ,,Fürstenthum Wlachien". Auch im Pindus-Gebirge haben Wlachen unzählige Kolonien gegründet und sich daselbst sesshaft gemacht. So in Gardiki, wo sie grosse Heerden besitzen, ferner in Syrakos und Kalarytä, wo sie Gold- und Holzarbeiter sind, in Trikkala, wo sie als Bürger und Hausbesitzer wohnen, in Metzowo, wo sie als reiche Handelsleute leben und dort mitten in den Gebirgen eines Wohlstandes sich erfreuen, den sie in Folge ihrer Verbindungen mit den grossen Handelsplätzen Europa's erworben haben.

Was die nicht sesshaften Wlachen Akarnaniens anlangt, so stehen sie in Ausübung dieser Gewohnheit des Ortswechsels in keiner Beziehung unter dem Einfluss irgend eines äusseren Zwanges, sondern sie folgen hierbei nur einem Bedürfniss ihrer Natur, einer Art Instinkt, der sie treibt, mit ihren Heerden im Sommer nach den Bergen und im Winter in die niedrigeren Gegenden zu ziehen. Zugleich herrscht dort im Lande selbst der Aberglaube, dass, wenn einer dieser Hirten sich irgendwo sollte festsetzen wollen, ein Stück Land kaufen oder sich ein Haus bauen, er sehr bald in eine Krankheit fällt, sein Körper abmagert und die Würmer sich darin festsetzen. Dazu kommt, dass der Grieche den Wlachen verachtet, ihn als einen Vagabunden behandelt, als einen Menschen betrachtet, der keine Heimath hat. Es ist der alte Hass der festen Bevölkerung gegen die herumziehenden Nomadenstämme und nicht ohne stille Wuth sehen die Griechen diese herumziehenden Hirten jedes Jahr wieder kommen. Die Idee des häuslichen Heerdes, die Liebe zu Haus und Land herrscht dagegen lebendig im Gemüthe des Griechischen Bauern. Der Wlache ist freilich der entgegengesetzten Meinung, dass er viel freier sei, dass er gehe, wohin es ihm beliebe, und dass er dabei nicht bloss sein Vergnügen, sondern auch seinen Vortheil finde. Im Übrigen scheinen die Wlachen trotz dieser Unbeständigkeit im Grunde verständiger zu sein als die Griechen, wenn schon sie, im Ganzen eben so verschlagen wie diese, doch nicht die geistige Regsamkeit und Lebhaftigkeit der letzteren besitzen. In der Regel sind sie von hohem Körperbau und ziemlich hässlich. Ihre Kleidung hat ebenfalls nichts Gefälliges, sie hüllen sich in die Stoffe, die sie selbst bereiten, und ihr Leben in den Gebirgen erfordert auch vor allen Dingen dicke und weite Gewänder. Namentlich die Frauen tragen eine höchst widerliche Kopfbedeckung.

Gewöhnlich ziehen die Karagunis in Haufen von 50 bis 100 Familien. Während ihrer Wanderung wohnen sie in schwarzen Zelten, die sie sich aus den Haaren ihrer Ziegen bereiten und die ziemlich grob gewebt sind. In ihren Kantonnirungen erbauen sie sich dagegen

Hütten aus Ästen und Zweigen der Bäume, und was der Wald sonst dazu hergiebt. Diese einzelnen Haufen sind unter einander völlig unabhängig und jeder von ihnen bildet mit den zu ihm gehörenden Heerden ein für sich bestehendes Ganze, das den Griechischen Namen otárn (d. i. Schäferei, Heerde) führt. Solcher Schäfereien giebt es in Akarnanien 12 und darnach würde die Zahl der Wlachen daselbst gegen 800 Familien betragen. Jede Stani steht unter den Befehlen eines Oberhauptes, nach dessen Namen sie auch genannt wird. Diese Gewalt ist erblich, und durch Überlieferung geheiligt, wird sie auch von Allen geachtet. Es ist immer der reichste unter den Hirten, die er beherrscht, und bisweilen besitzt er für sich allein sogar die Hälfte der Heerden. An und für sich von friedfertigem Charakter behauptet er gleichwohl, seine Rechte von kriegerischen Vorfahren ererbt zu haben. In ihrer eigenen Sprache heissen diese Häupter Tschelingas, im Griechischen ozovrégis. Vor dieses Oberhaupt bringen die Wlachen alle ihre Streitigkeiten und alle ihre Angelegenheiten vertrauen sie ihm an. Bei den Behörden des Landes ist er ihr Vertreter, und wenn Räuber in der Nähe sich sehen lassen, liegt es ihm ob, dieselben durch Vergleich oder auf eine andere Weise unschädlich zu machen. Wenn der Frühling herankommt, verhandelt er mit den Einwohnern von Karpenissi und Agrapha wegen des Pachtes der Weideplätze für die Heerden und stets bestimmt er die Zeit des Wegzugs in die Berge, so wie nach den niederen Gegenden. Sein Zelt ist der Sammelplatz und der Mittelpunkt der Stani. Man bezahlt ihm eine jährliche Civilliste von einigen 100 Drachmen, und wenn er für die Gesellschaft eine Ausgabe gemacht hat, so versammelt er die Ältesten und legt ihnen die Rechnungen vor. Die Beiträge, die die Einzelnen zu solchen Zwecken und überhaupt zu den nothwendigen Ausgaben der Stani zu zahlen haben, sind verhältnissmässig auf eine jede Familie vertheilt; das Oberhaupt selbst wird nach der Zahl der Thiere taxirt, die er besitzt.

Neben den Schafen und Ziegen, die den wesentlichen Bestandtheil ihrer Heerden ausmachen, erziehen die Karagunis auch Maulesel und eine Sorte kleiner Pferde, die sie zum Fortschaffen ihrer Sachen benutzen. Die Leitung der Heerden ist in ihren Augen eine Kunst, eine Wissenschaft, und sie sind stolz darauf, sich in ihr auszuzeichnen. Mit leidenschaftlichem Eifer widmen sie sich ihrem rauhen Geschäft. In jeder Jahreszeit schlafen ihre Hirten draussen im Freien, im Winter im Schnee, im Herbst und während der langen Nächte, in denen der Himmel Nichts als Regen ausströmt, im Regen, und sie haben dagegen keinen weiteren Schutz als ihre wollene Kappe, die plaira, die schon bei Homer die Hirten tragen. Die Mühen, Anstrengungen und Entbehrungen der verschiedensten Art haben aus diesen Menschen mit ihren wetterharten Gesichtern ein Geschlecht von Eisen gemacht und man begegnet unter ihnen Gestalten von staunenswerther Stärke und Körperbildung, mit breiten Schultern und breiter Brust, wie die alte Skulptur sie an den Statuen des Herkules bildet. Die Frauen sind kräftig und arbeitsam wie die Männer. Selbst wenn sie Lasten Wassers tragen, sind sie mit ihrem Spinnrocken beschäftigt, um die Zeit nützlich anzuwenden. Wir zogen einst am frühen Morgen, erzählt der Franzose Heuzey, über einen Lagerplatz dieser Wlachen; es war den Tag nach einer Hochzeit, die dort gefeiert worden war, und die junge Frau, noch in ihrem Hochzeitschmucke, war schon bei der Arbeit und mit Baumwollenweberei beschäftigt. Die Frauen der Wlachen sind im Allgemeinen wegen ihrer Geschicklichkeit im Verfertigen von baumwollenen Stoffen bekannt und sie färben diese nachher in verschiedenen Farben, schwarz, dunkelblau oder scharlachroth. Sie lieben es, sich mit Juwelen aller Art zu behängen, und verzieren sogar ihre hässlichen Kleider mit groben Stickereien. Die Ausstattung, die sich ein solches Wlachen-Mädchen selbst gewoben hat, ist das Einzige, was sie ihrem Manne mitbringt, und die Karagunis verschmähen eine jede andere Mitgift als eine schimpfliche Gewohnheit. Sie verheirathen ihre Töchter niemals an Männer eines anderen Stammes, und wenn auch sie selbst bisweilen Griechische Frauen nehmen, so ist es doch nie geschehen, dass ein Grieche, wie reich er auch sei, die Hand eines WlachenMädchens erhalten hätte.

Ihre Heirathen sind von denen der Griechen ganz verschieden, sie verrathen einen fremden Ursprung und lassen ein Romanisches Element erkennen. Wenn unter den Wlachen ein junger Mann sich verheirathen will, so sucht er selbst den Vater des Mädchens auf. Wird sein Antrag angenommen, so zahlt er sofort seinem künftigen Schwiegervater einige Goldstücke und er muss diese Gabe auch am Hochzeitstage wiederholen, wenn er sich seine Braut holt. Statt für sich eine Mitgift zu verlangen, ist er es, der seine Frau kauft. Es ist die Alt-Römische Sitte der coemptio, der ein Kaufkontrakt zum Grunde lag und wobei man ein Draufgeld zahlen musste, um sich sein

Recht des ersten Erwerbers zu sichern. Wenn nun die Hochzeit bestimmt und in der Stani verkündigt worden ist, so vereinigen sich acht Tage vor der Feier die jungen Mädchen und ziehen in den Wald, um da das Holz für die jungen Eheleute zu holen, womit sie sie versorgen. Zugleich schneiden sie im Wald einen langen Zweig ab, an dessen Spitze sie fünf kleine Zweige stehen lassen, und an den mittelsten stecken sie einen Apfel, an die übrigen aber heften sie Stückchen scharlachrother Baumwolle. Mit dieser Flagge, die sie flambora nennen (im Vulgar-Griechischen bedeutet glauлovpo die Fahne), ziehen sie jauchzend heim, indem sie rufen: Troé, flambora! troé, kokkella! und pflanzen sie dann auf dem Dache des Bräutigams auf. Die Hochzeit nimmt nach dem Gebrauche der orientalischen Kirche stets Sonntags ihren Anfang und dann versammeln sich die jungen Mädchen abermals des Morgens früh in ihren besten Kleidern, um beim Anputz des Bräutigams zugegen zu sein; dabei tanzen sie um ihn herum und singen in Rumänischer Sprache einige Verse, in denen unter Anderem Folgendes vorkommt:

Er hat sie gefangen am Fusse einer Weide

Und hat sie unter seinem Arm davon getragen. Hier wird die Heirath, die erst ein Kauf war, in ihrem Munde zu einem verliebten Abenteuer, zu einer Entführung, ganz nach Art der alten Römer, bei denen der vorgebliche Raub eine der bedeutsamsten Scenen des hochzeitlichen Drama's ausmachte und als das Überbleibsel der ursprünglichen Form der Ehe aus der ältesten Zeit Roms angesehen ward. Übrigens spielte bei der Römischen Ehe auch die Wolle eine gewisse Rolle und galt als das Symbol der häuslichen Thätigkeit, der Apfel dagegen war (wie schon bei den alten Griechen) das Zeichen der Liebe und Mütterlichkeit. Endlich setzt sich der Bräutigam zu Pferde in Bewegung nach der Wohnung der Braut. Alle Wlachen der Stani begleiten ihn auf ihren kleinen Kleppern mit buschigen Mähnen. Ein Vorreiter eilt ihnen voraus und empfängt an der Thüre der Hütte einen Kuchen in Gestalt einer Krone, den er alsbald auf den Kopf setzt. Sogleich stürzt der ganze Haufe der Reiter mit verhängten Zügeln herbei und alle machen Jagd auf den Kuchen als auf Ein Ziel, um wenigstens einzelne Stücke davon sich anzueignen. Das Nämliche wiederholt sich gleich darauf an der Pforte des Bräutigams, wenn die Braut, ganz in Scharlach gekleidet, zu Pferde nach ihrer neuen Wohnung begleitet worden, und zugleich wird bei dieser Gelegenheit ein Gebrauch beobachtet, der ebenfalls an eine Alt-Römische Sitte erinnert. So wie nämlich die Braut abgestiegen ist und in Begriff steht, die Schwelle zu überschreiten, wird ihr Butter, bisweilen auch Honig dargeboten, womit sie die Thüre bestreicht, um dadurch anzudeuten, dass ihr Eintritt nur Sanftmuth und Freude begleite. Im alten Rom bestrich die Braut, sobald sie das Haus des Mannes betrat, die Thürpfosten mit Öl, und von dieser Sitte leitete man auch den Lateinischen Namen uxor (statt unxor, von ungere) her.

Bis jetzt ist bei einer solchen Hochzeit noch jede Theilnahme der Kirche ausgeschlossen. Im Gegensatze zu dem Griechischen Gebrauche wird bei den Wlachen die Braut vor der kirchlichen Weihe dem Bräutigam zugeführt und sie gehört ihm bereits in Folge des Kaufs, der desshalb Statt gefunden hat. In Erwartung der kirchlichen Einsegnung der Ehe muss sie die erste Nacht unter seinem Dache zubringen; sie hat in einem Winkel der Hütte ihren Platz, wo sie ehrfurchtsvoll die Hände ihrer neuen Eltern umfängt und lange Gebete zu Gott und den Heiligen spricht. Erst den anderen Morgen wird der Geistliche gerufen und erst nun beginnt die Feier der christlichen Ehe mit ihren Festlichkeiten und Tänzen. Diese Festlichkeiten dauern zwei Tage lang und die eigentliche Verbindung der beiden Brautleyte gilt erst vom Mittwoch an als vollzogen. In der ersten Zeit der Ehe lebt die Frau in einem Zustande der Unterwerfung, von dem man sich keine Vorstellung machen kann, und erst nach der Geburt des ersten Kindes wagt sie es, das Wort unmittelbar an ihren Mann zu richten, mit welchem sie vorher ohne Verstoss gegen die Rücksichten eines gewissen Anstandes sich nicht würde unterhalten können. Sie hat im Hause die Rolle einer stummen Sklavin; erst wenn sie Mutter geworden ist, tritt sie aus diesem Zustande der Erniedrigung und der Schweigsamkeit.

Der Bauer Akarnaniens verabscheut die Karagunis. Sie sind von Natur und instinktmässig von räuberischer Art und die Umstände, unter denen sie in Akarnanien auftreten und dort sich aufhalten, begünstigen ihr diebisches Wesen. Listig und verschlagen, wie sie sind, Tag und Nacht im Freien, versäumen sie keine Gelegenheit zum Raub und lassen ihre Schafe und Ziegen ruhig in die grünen Getreidefelder laufen, an denen sie vorüberziehen, und dort ihre Nahrung sich suchen. Ihre Gegenwart ist eine Quelle von Streitigkeiten und Prozessen, wobei die Griechen, obgleich in der Mehrzahl, nicht immer obsiegen. Der

Grieche lässt sich bei aller ihm eigenen Geschmeidigkeit, die jedoch mehr künstlich bemessen und berechnet als wahrhaft feiner Art ist, von dem Wlachen leicht übervortheilen, dessen listige Anschläge besser ausgeführt werden und dessen Taktik von einer besonderen Zähigkeit ist. Was ihre öffentlichen Verhältnisse und die Beziehungen zur Griechischen Regierung anlangt, so sind diese Wlachen in die verschiedenen Gemeinden des Waltos und Xeromeros eingeschrieben, je nachdem sie hier oder dort zu überwintern pflegen, und man behandelt sie in gleicher Weise als Bürger wie die Griechen, nur unter der Bedingung, die man ihnen auferlegt, dass sie bei ihren jährlichen Wanderungen nicht die Türkische Grenze überschreiten. Sie bezahlen an die Regierung nur eine einzige Abgabe, die Viehsteuer. Mit diesem Vortheil zufrieden, den sie von ihnen zieht, überlässt sie ihnen während der Winterszeit die Weide in den Waldungen und den unbebauten Ländereien, die Staatsgut sind. Im Ganzen bilden diese Wlachen eine Art Macht für sich im Griechischen Staate; sie besitzen eine Gewalt in sich, die sie gegenüber der allgemeinen Abneigung aufrecht erhält und die in der Einigkeit ihrer Rathschlüsse und in dem Vertrauen zu ihren Oberhäuptern ihren hauptsächlichen Grund hat. Jeder Führer einer Stani, der des Willens von Hunderten sicher ist, ist in der Gemeinde, in welcher er sein Zelt aufgeschlagen hat, eine Person von einer gewissen Bedeutung und von Einfluss und er weiss diesen Einfluss den Griechischen Dimarchen und Häuptlingen gegenüber gehörig geltend zu machen. Die letzteren sind diesem Einfluss oft um so weniger gewachsen, je mehr in den Griechischen Dörfern mit ihren kleinen Zwistigkeiten und Eifersüchteleien keine Eintracht, sondern nur Uneinigkeit herrscht und zu finden ist.

Die frühere Wasserstrasse zwischen dem Kaspischen und Schwarzen Meere.

Herr Staatsrath Dr. Bergsträsser in Astrachan schreibt uns mit Bezug auf seine wichtigen Arbeiten über die Ponto-Kaspische Niederung), die jetzt auch in Russland den lebhaftesten Anklang finden, folgende interessante Notiz : Der Wasserweg zwischen dem Kaspischen und dem Asow'schen Meere muss noch bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts selbst für grössere Fahrzeuge offen gewesen sein. Diess beweist nachstehende, neuerdings erst offenkundig gewordene Thatsache. Zur Zeit der Verschwörung des Kosaken Stenko-Rasin (1665 bis 1670) und seiner grossen Erfolge an den Küsten des Kaspischen Meeres stiessen noch mehrere Horden ähnlichen Raubgesindels aus seiner Heimath zu ihm und zwar aus den am unteren Don gelegenen Ortschaften zu Wasser durch die Flüsse Manytsch und Kuma (also durch die Ponto-Kaspische Niederung) direkt ins Kaspische Meer" (siehe ,,die Verschwörung StenkoRasin's" von Kostomarow, St. Petersburg 1859, S. 69). Als später Stenko-Rasin von den Ostufern des Meeres zurückkehrte und mit seinem Diebesgut in die Heimath ziehen wollte, hielt man auf der Insel Tschetirog-Bugor einen Rath, ob man lieber durch die Flüsse Kuma und Manytsch auf den Seebarken oder durch die Wolga zurückgehen solle.,,Man wählte den letzteren Weg, weil man in den stark bewohnten Gegenden an der Wolga leichter Lebensmittel bekommen konnte und weil man in Astrachan auf einen Gnadenakt des Czaren hoffte." (Ebendaselbst Seite 78 im Russischen Original.) - Wenn man also vor 190 Jahren in den Flüssen Kuma und Manytsch hinreichend Wasser hatte, um auf Seebarken durchzukommen, und eine freie Verbindung zwischen ihnen existirte, so darf man doch gewiss voraussetzen, dass die Wasserbaukunst im Stande sein kann, die seitdem entstandenen Hindernisse zu ent

1) S.,,Geogr. Mitth." 1859, SS. 339 bis 342, 411 bis 428 und Tafel 16; 1860, SS. 80 und 440.

fernen und die unterbrochene Verbindung wieder herzustellen. Es lässt sich nicht annehmen, dass die Kosaken diesen Wasserweg nicht genau sollten gekannt haben, denn von der Hälfte des Weges an liegen ihre Ländereien auf beiden Ufern des in der westlichen Hälfte der Ponto - Kaspischen Niederung befindlichen Manytsch-Flusses und sodann ist es allgemein bekannt, dass umherziehendes Raubgesindel alle geheimen Wege und Schlupfwinkel sehr genau auskundschaftet.

Vier Expeditionen zur Entdeckung der Nil-Quellen.

Zu keiner Zeit hat man von so vielen Seiten und mit so gegründeter Aussicht auf Erfolg danach gestrebt, das alte Problem der Nil-Quellen zu lösen, als gegenwärtig, wo nicht weniger als vier Expeditionen zugleich dieses Ziel verfolgen. Nachdem durch die Ägyptische Expedition, die katholischen Missionäre und einige andere einzelne Reisende der Weisse Nil bis über Gondokoro hinaus verfolgt und auf der anderen Seite des Äquators der grosse Binnensee Victoria-Nyanza durch Captain Speke entdeckt worden, bleibt, so sagt man, nur noch ein verhältnissmässig kleiner Raum von etwa 5 Breitengraden zu durchforschen übrig, innerhalb dessen sich die Hauptquelle des riesigen Stromes befinden müsse. Auf diesen Raum richten sich demnach die Augen aller derer, die es unternommen haben, das grosse Räthsel zu lösen.

1. Von Süden her hofft ihn Captain J. H. Speke zu durchreisen. Wir berichteten bereits früher, dass die Britische Regierung 2500 Pfd. Sterling zu seinem Unternehmen bewilligt und ihm gestattet habe, seinen Freund Capt. Grant als Begleiter mitzunehmen (s. „Geogr. Mitth." 1860, S. 198). Nachdem die Vorbereitungen beendet waren, verliess er England am 21. April 1860 auf einer Fregatte in Begleitung des Admiral Keppel und des Gouverneurs der Kap-Kolonie Sir George Grey, erhielt von letzterem am Kap 12 Hottentotten - Soldaten als Eskorte und eine weitere Geldunterstützung von 300 Pfd. Sterl. und kam auf dem Dampfer „Brisk" unter Admiral Keppel am 17. August zu Zanzibar an. Am 1. Oktober landete er mit Capt. Grant und der übrigen Expedition zu Bagamoyo auf dem Festland und brach sofort nach dem Inneren auf. Sein Plan ist, seinen früheren Weg über Kazeh nach dem Victoria-Nyanza einzuschlagen und an der Westseite dieses See's über Uganda und Unyoro) nordwärts vorzudringen, um sich wo möglich in der Gegend von Gondokoro am Weissen Nil mit dem Englischen Konsul in Chartum, J. Petherick, zu vereinigen.

2. Wenn es Speke und Grant gelingt, Gondokoro zu erreichen, so werden sie voraussichtlich bei ihrer Ankunft daselbst von Mitteln entblösst sein und bei ihrer Unkenntniss der dortigen Sprachen und Völker ernste Gefahr laufen, zumal jetzt die feindliche Gesinnung der Neger-Stämme am oberen Nil gegen die Europäer durch Verschuldung der letzteren aufs Höchste gestiegen ist. Man hält es daher für nothwendig, ihnen von Norden her Hülfe zuzuführen, und dazu hat sich Herr Petherick erboten, der durch seine langjährigen Reisen im Nil-Gebiete bis nahe an den

1) S.,,Geogr. Mitth." 1859, Tafel 15.

« AnteriorContinuar »