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Die Amerikanische astronomische Expedition nach Labrador im Juli 1860. Von Oscar Montgomery Lieber, Geolog der Expedition, früherem Staats- Geolog von Süd - Carolina. (Mit Karte, s. Tafel 9 1).)

Die Expedition, welche von den Vereinigten Staaten am 29. Juni 1860 abging, hatte zur Aufgabe die Beobachtung der Sonnenfinsterniss, deren Centrallinie das nördliche Ende von Labrador traf. Astronomische Zwecke waren stets die Hauptsache, doch wurden auch andere wissenschaftliche Untersuchungen in Betracht genommen. Diese betrafen Magnetismus, Meteorologie, Geologie und physische Geographie und mein hochverehrter Freund, Prof. Bache, der Superintendent der United States Coast Survey, dem

1) Mit dem nachstehenden Aufsatze schickte uns Herr O. M. Lieber eine Karte der Ostküste von Labrador, die er nach einer sehr grossen, von der Neu-Fundländischen Regierung Herrn Cyrus W. Field in New York mitgetheilten Karte in verkleinertem Maassstabe gezeichnet, nach eigenen Beobachtungen in einigen Punkten berichtigt und geologisch kolorirt hatte. Bei näherer Prüfung zeigte sich jedoch, dass bei dieser Karte verschiedene Arbeiten noch nicht benutzt waren, dass sie sich in den meisten Theilen auf dem Standpunkt der 1809 und in verbesserter Auflage 1825 von A. Arrowsmith herausgegebenen ,,Chart of Labrador and Greenland" hielt, zwar mit Berichtigung der Lage einzelner Küstenstrecken, aber selbst ohne Benutzung der Lane'schen Aufnahmen zwischen der Sandwich-Bai und der Belleisle-Strasse in den Jahren 1770 und 1771 und der Beobachtungen Morison's an verschiedenen Punkten zwischen Okak und Invucktoke-Inlet in den Jahren 1821 und 1822. Wir mussten desshalb eine neue Zeichnung anfertigen. Unter Zugrundelegung der von Raper gesammelten Positions-Bestimmungen wurde der südliche Theil der Küste nach den beiden letztgenannten Aufnahmen, der mittlere, zwischen 55° und 59° N. Br. gelegene Theil, welcher auf den bisherigen Karten nach den Rekognoscirungen der Herrnhuter Missionäre im Jahre 1811 niedergelegt war, nach der Missionskarte vom Jahre 1860 in Reichel's Missions-Atlas der Brüder-Unität (s. den literarischen Abschnitt dieses Heftes) eingetragen. Für einige von der Amerikanischen astronomischen Expedition besuchte Punkte konnten die Berichtigungen Lieber's benutzt werden, namentlich waren dieselben für den nördlichsten Theil der Küste von Werth, wo eigentliche Aufnahmen ganz fehlen. Hier kam eine von Herrn Lieber nach eigenen Beobachtungen gezeichnete Spezialkarte der Insel Aulezavick und ihrer nächsten Umgebung, die auf Tafel 9 auch als besonderer Carton beigegeben ist, unserer Karte sehr zu Statten. Herr Lieber schreibt uns mit Bezug auf diese Spezialkarte:,,Wir hatten die beste Gelegenheit, die Aulezavick-Insel recht genau zu beobachten, und obgleich unsere Zeit anderweitig zu sehr in Anspruch genommen war, um bezügliche Vermessungen zu veranstalten (mit Ausnahme der unter Lieut. Murry's Befehlen vollzogenen und wahrscheinlich anderweit zu veröffentlichenden Vermessung der Bucht, in welcher unser Dampfschiff, die ,,Bibb", vor Anker lag), so glaube ich doch mit Vorausschickung der Bemerkung, dass die Karte nur auf Abschätzungen nach dem Augenmaass beruht, eine Zeichnung geliefert zu haben, welche wenigstens eine bessere Vorstellung von der Wildheit jener rauhen Gegend gewähren wird, als mir durch blosse Beschreibung zu geben möglich wäre. Auf diesem Kärtchen habe ich auch eine Exkursion angedeutet, welche Einige von uns in des Kapitäns,,Gig" nach dem der Insel gegenüberliegenden Festland unternahmen."

So dürfte unsere Karte den heutigen Standpunkt unserer Kenntniss von der Labrador-Küste in topographischer Beziehung vollständig repräsentiren. Das geologische Kolorit ist genau nach Herrn Lieber's Vorlage ausgeführt. Die Ansichten von dem kraterförmigen Berg auf der Aulezavick-Insel, von der Mugford-Insel und dem nördlichen Ausgang des Port Manvers wurden nach Handzeichnungen desselben etwas verkleinert wiedergegeben, während die Ansicht des Festlandes von der Aulezavick-Insel aus und die Abbildung eines schwimmenden Eisberges von mehreren Photographien des Herrn Lieber ausgewählt und kopirt A. P. sind.

die Expedition ihre Existenz verdankte, hatte die Güte, mir die Stelle des Geologen der Expedition zu übergeben. Die Hauptaufgabe der Expedition war so schnell beseitigt, dass wenig Zeit zu anderen Untersuchungen übrig blieb. Am 6. Juli sahen wir zuerst die Südküste von Labrador und am letzten Tage desselben Monates waren wir schon wieder an der nämlichen Stelle auf der Rückreise begriffen. Die Orte in Labrador, die wir besuchten, waren:

9. bis 11. Juli Nukasusoktok-Insel 14 Tage,

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Also waren es nur im Ganzen etwa 14 Tage, während welcher wir unseren Fuss auf festen Boden stellen konnten. Die andere Hälfte des Monates verbrauchten wir zur Reise längs der Küste. In anderen Feldern als denen der Astronomie könnte wohl in so geringer Zeit kaum Vieles erzielt werden und ich bitte darum um Nachsicht, wenn die Nachrichten zu kurz und unvollständig erscheinen. Auch darf ich nicht wagen, manche Ergebnisse vorzulegen, die als Arbeiten meiner Reisegenossen ihnen zur Veröffentlichung zustehen. Die Beobachtungen über Magnetismus werden anderwärts wohl veröffentlicht werden, desgleichen die über Meteorologie, und es werden auch wohl besondere Berichte über die Geographie der Küste erscheinen. Mithin kann diese Arbeit nur als ein schlichter Abriss gelten.

1. Topographie, Küstenumriss, Hydrographie u. s. w. Wenn wir vom Süden herkommend die Küste von Labrador von den Meccatina-Inseln im St. Laurence-Meerbusen an zuerst erblicken, so erscheint sie hoch, schroff und finster. Drei bis vier hundert Fuss mag die Mittelhöhe betragen, 600 Fuss die der höchsten Hügel, und ihre schroffen Wände reichen bis in die See. Vom Deck eines Schiffes aus gesehen hat sie also schon hier etwas Erhabenes, doch darf man die Nordküste noch nicht gesehen haben. Nördlich von der Belleisle - Strasse und nachdem wir an Cap S. Lewis vorbei sind, wird die Küste etwas sanfter. Lange Segmente grosser Kreise bilden oft die Oberfläche, aber die Wände sind noch immer steil und im Inneren des Landes sieht man hie und da einige emporragende schneebedeckte Gipfel. An der Küste selbst sind die Hügel wohl selten mehr als 400 Fuss hoch und unzählige Inseln lagern sich ihr vor. Das tiefe Wasser erlaubt uns, sie ohne Gefahr zu durchwandern, und gar heiter ist ein sonniger Tag in der Bucht von Invucktoke. Bald

aber erhebt sich die Küste in immer steileren Felsen und in der Nähe von Nain (spr. Na-in) befinden wir uns in einem Archipel zahlloser wilder und schroffer Felseninseln. Bei hellem Wetter kann man aber auch hier getrost seine Reise verfolgen, denn wo man nicht geradezu Land oder Felsenriffe sieht, ist stets hinreichend tiefes Wasser zu finden. Ohne Nain zu besuchen, drangen wir durch die Meerenge, welche die Newark-Insel vom Festlande trennt, und hatten demzufolge Gelegenheit, die schmale, aber merkwürdige Enge genau zu betrachten, die sich uns noch besonders dadurch einprägte, dass wir an einer Stelle bei zu schneller Wendung auf einen verborgenen Felsen liefen und einige Zeit gestrandet blieben. An beiden Seiten erheben sich recht regelmässig begrenzte steile Felswände etwa 1000 bis 1500 Fuss über den Wasserspiegel. Jeden Augenblick schlossen sie sich von beiden Seiten, vorn und hinten, so dass wir keinen Durchweg erkennen konnten, zudem hatten wir keine Kenntniss von der Küste und unsere Karten waren in miserabel kleinem Maassstabe. Doch gelangten wir endlich bei Port Manvers (kein Ort, bloss ein Name) in die offene See, indem wir zuvor an einem auf der Nordspitze der Insel einzeln emporragenden Berg, der an seiner sehr seigeren östlichen Aussenlinie und an seinem kerbigen oder zackigen westlichen Umriss gar leicht zu erkennen ist, vorbeisegelten.

Noch ehe dieser Berg am südöstlichen Horizont verschwand, erhob sich der zackige, kammartige Umriss der Insel oder des Kaps Mugford im Nordwesten. Diese Insel besitzt eine so höchst charakteristische Form ihrer wilden Felsen, dass sie dem nordwärts fahrenden Seereisenden stets als Anhaltepunkt zur Orientirung dienen kann. Von hier an ändert sich der Contour des Landes bedeutend. Die steile Begrenzung des Ufers herrscht noch immer vor, ja sie wird sogar noch weit erhabener in ihrer Erscheinung, aber wir sehen nicht mehr die ziemlich abgerundete Oberfläche, welche trotz der sonstigen Wildheit immerhin die Gebirgsinsel-Gegend um Nain charakterisirt; sie wird nun viel zackiger, wilder, verworrener und trotziger. Ganz besonders bemerkenswerth ist die vulkanähnliche Kraterform ausserordentlich vieler Berge. In ausgezeichneter Weise sahen wir diess in der Küstengegend gerade südlich vom Kap Niakungu. Die Küste selbst ist dort rauh und wild wie immer, gleich landeinwärts aber zeigt sich ein hohes Bergplateau, welches wohl mindestens 10 Engl. Meilen längs der Küste sich fortsetzt. Ich konnte die Grösse nur sehr ungenau mit dem Auge abschätzen und gebe, was mir sehr wenig erscheint; wir machten später die Erfahrung, dass unsere Höhen- und Längenabschätzungen nach dem Augenmaass ganz erstaunlich hinter der Wirklichkeit, durch Instrumente gemessen, zurückblieben. Hinter dieser Hoch

ebene ragten wilde, sie umkreisende Berge empor, während ganz einzeln in der Mitte ein hoher, stumpfer Kegelberg stand, dessen Gipfelfläche horizontal erschien oder sich nur sanft uns zuneigte. Er war von Schnee bedeckt, wie denn auch immer Schnee die ganze Gebirgspartie und die grosse Ebene mehr hervorhob. Dieser seltsame Kegel und die schroffen, verworrenen umliegenden Berge sehen wirklich einer Trachyt-Vulkangegend so ähnlich, dass man zuerst nicht umhin kann, sie für eine solche zu halten. Doch wir werden diess bei dem geologischen Abschnitt betrachten. Diese vulkanähnliche Gegend zog sich, so weit wir gingen, fort. Auf der Aulezavick-Insel selbst, ungefähr in der Mitte der östlichen Seite, findet sich ein sehr merkwürdiger derartiger vulkanähnlicher Berg, der eine Höhe von 3000 Fuss haben mag. Der aufgehäufte Schnee im Inneren hebt die eigenthümliche Gestalt recht deutlich hervor. (S. die Abbildung auf Tafel 9.)

Die nördliche Mündung des Aulezavick - Sundes (so möchte dieser Meeresarm am besten zu nennen sein) lag in dem Centralgürtel der Sonnenfinsterniss und hier auf der Insel errichteten wir eine temporäre Ansiedelung.

Die uns dort umgebende Gebirgspartie war ausserordentlich wild und verzerrt. Im Inneren sahen wir gegen Südwest durch die Schlucht des Sundes die hohen Gipfel, welche in verworrener Reihenfolge den Kamm der Nordspitze von Labrador bilden. Diese Berge waren zu hoch, wild und schneebedeckt, als dass wir sie besteigen konnten, und wir müssen uns demnach mit Muthmassungen in Bezug auf ihre Höhe begnügen, ich kann aber nicht glauben,, dass diese weniger als 6000 Fuss beträgt, und würde mich nicht wundern, wenn einer oder der andere sich 10.000 Fuss hoch erwiese. Mein Freund, Herr Venable, maass barometrisch die Höhe des unserem Bivouac am nächsten gelegenen Berges, welcher in der dortigen Landschaft nur als geringer Hügel erscheint, und fand, dass er 2150 Engl. Fuss hoch war, indem er sich gleich von der Meeresfläche aus in senkrechtem Abhang bis zu dieser Höhe erhob. Herr Venable nannte den Berg, den einzigen, der in der Eile gemessen werden konnte, Mount Bache. Bei Besprechung der Geologie und Organographie wird es nöthig sein, auf diese Gegend wieder zurückzukommen.

So weit es bei unseren höchst beschränkten Beobachtungsgelegenheiten zu ermitteln war, herrscht in Labrador ein ausserordentlicher Mangel an Flüssen. Wir sehen sehr viele fjordartige Meerengen, welche auf den Karten oftmals als Flüsse verzeichnet sind, die aber durchaus keine wirklichen Flüsse sind. Allerdings soll im südlichen Labrador ein recht bedeutender Strom, der Küste ziemlich parallel laufend, in den St. Laurence-Golf münden, aber an der ganzen Ostküste sahen wir keinen Fluss. Hie und da

stürzten zwar dem Schnee entfliessende Giessbäche die Abhänge herunter oder schlängelten, sich verborgen in den Mooswiesen träge dem Meere zu, aber keiner von diesen könnte des Namens eines Flusses würdig erachtet werden. Der bedeutendste Versammlungsort der Kabeljau-Fischer an der Küste von Labrador ist der Domino-Hafen. Wie man sich leicht vorstellen kann, besteht hier kein wirklicher Ansiedelungsort, kein Dorf, sondern die Fischerhütten und Trockenhäuser für die Stockfische liegen unregelmässig auf der Isle of Ponds und Spotted Island verstreut. Zwischen beiden Inseln befindet sich der Eingang zum Hafen und die Schooner liegen in einem schmalen, gegen Norden sich öffnenden Einschnitt der Isle of Ponds vor Anker. Der Ankerplatz ist gut und sicher, der Fischfang in allen umliegenden Meerestheilen sehr ergiebig. Die Fischer kommen meist von Conception-Bay und St. Johns in Neu-Fundland alljährlich zu Anfang Juni hierher und bleiben bis Anfang oder Mitte September, wo sich wieder bedeutende Kälte einstellt. Kein Weisser bleibt den Winter hindurch im Hafen und einige Halbblut - Eskimos ziehen sich weiter ins Innere zurück. Im Winter ist also Niemand hier zu erwarten.

Auf der ganzen Ostküste ist Nain, so viel ich erfahren konnte, der einzige Ort, wo Weisse das ganze Jahr zubringen), und hier ist auch, wie es scheint, die grösste Menge der fest angesiedelten Eskimos in ganz Labrador zu treffen. Wir sahen in jener Gegend gar viele in ihren ,,Kai-yaks" lustig umherrudern. Die Eskimos scheinen ausschliesslich die Küste zu bewohnen, wie diess überhaupt eine ihrer Eigenthümlichkeiten ist. Aus dem Gespräch einer Eskimo-Frau in Domino ging hervor, dass im Inneren des Landes Indianer leben, die jedoch, wie ich vermuthe, nicht das gebirgige Innere von Nord-Labrador bewohnen können, sondern sich wahrscheinlich auf den see'nreichen südlichen Theil beschränken.

An der dem St. Laurence-Golf zugewendeten Küste trifft man einige elende skorbutige Weisse, die sich im Sommer kümmerlich mit Stockfischfang ernähren und im Winter mit Pelzthierfang beschäftigen. Solche fanden wir zu ChateauBai in der Belleisle-Strasse, sie waren aber die kümmer

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lichste, jämmerlichste Bevölkerung, die wir in ganz Labrador zu sehen bekamen.

2. Geologie.

Die Geologie von Labrador hat ausserordentlich wenig Interessantes und erhält nur Bedeutung in Verbindung mit der Topographie. Gneis und Granit nehmen fast allein die ganze Küstengegend ein. Nur auf der Isle of Ponds. und zu beiden Seiten des ,,Tickles" (Einganges) zu ChateauBai sah ich Diorit-Porphyr.

Der Gneis, welcher das Nordende von Labrador bildet, ist meistens sehr syenitisch und oft finden sich Lager, die fast lediglich aus Quarz und Hornblende bestehen, andere führen fast nur Quarz und Granat, wieder in anderen waltet der röthliche Orthoklas vor. Besonders ist diess auf einigen der kleinen Pikkiutit-Inseln der Fall, die darum, wenn sie nicht vom Schnee bedeckt sind, ganz fleischfarbig erscheinen. Mitunter sieht man im Gneis eingelagerte Dioritschichten, die hier durchaus nicht als eruptiv zu betrachten sind. Der Gneis selbst ist meistens aschgrau oder noch heller, aber dennoch nehmen die gesammten Felsen in der Landschaft eine tombackbraune Farbe an, die wegen der ausserordentlich verdünnten oder, wie ich lieber sagen sollte, feuchtigkeitsfreien Luft, wenn der Tag nicht geradezu neblig ist, selbst in der grössten Ferne fast gar nicht durch Blau vertreten wird. Das von den Herrnhuter Missionären angegebene Vorkommen von Granat an der Küste des Ungava-Meerbusens erlaubt mir den Schluss, dass auch dort der Gneis aufsetzt, wie ich diess auch auf der Karte angegeben habe.

Bemerkenswerth ist hier der Einfluss des Schnee's auf die Oberfläche. Regen fällt in einer so kalten Gegend wenig, aber der Schnee vertritt seine Stelle und wirkt mit noch grösserer Kraft. Zu der Zeit, als wir in jener öden Gegend waren, sahen wir Schnee fast nur, wo die Oberfläche eine mittlere Neigung hatte; wo sie zu senkrecht war, blieb der Schnee natürlich nicht liegen und auf ebenem Boden hatte er (ausser wenn er von höheren Stellen dorthin rutschen konnte) zu geringe Dicke, um sich bis zu einer so späten Jahreszeit zu halten (doch ist zu bemerken, dass wir ein starkes Schneegestöber am 22. und 23. Juli hatten). Wo aber sonst die Oberfläche es gestattete, lag der Schnee oft wohl bis zu einer Mächtigkeit von 25 Fuss angehäuft. Miniatur-Gletscher fanden sich gar häufig, die eben dieselben Resultate im Kleinen hervorbrachten, wie es sonst im Grossen zu sehen ist, und es war der Fortbewegung des Schnee's zuzuschreiben, dass selbst auf den höchsten Berggipfeln die ganze Oberfläche mit verworrenen, stets kantigen Felsblöcken bedeckt war. Grosse Gletscher sahen wir nicht, aber es ist kaum zu

gewagt, zu behaupten, dass im ersten Frühjahr die ganze Oberfläche fast als ein ausgebreiteter Gletscher erscheinen muss. Die aufgethürmten und verstreuten Felsblöcke deuten diess an und bezeugen noch dazu, dass sie nicht etwa ehemaligen grossen Gletschern oder sonstigen Eiswirkungen ihre Form und Gegenwart verdanken. Sie sind stets scharfkantig, nie gerundet, können mithin weder dem Drucke grosser Eismassen, noch dem Rollen, welches durch eine weite Fortbewegung bedingt werden würde, ausgesetzt gewesen sein. Da in diesem Klima Verwitterung fast gar nicht eintritt, so bewahren sie auf immer ihre ursprüngliche Gestalt.

Dem furchtbaren Einflusse des nordischen Winters, seinem mächtigen Frost und erstaunlichen Schneemengen, haben auch die Berge ihre besonderen Gestaltungen zu verdanken. Es ist mir allerdings nicht ganz klar, auf welche Weise die Kraterform so oft hervorgebracht wird, aber ich vermuthe, dass sie auf ähnliche Weise entsteht wie bei den Eisbergen, welche dieselbe Form ausserordentlich häufig zeigen. Vulkanischen Gesteines wird man nirgends ansichtig.

Einen sonderbar geformten Berg sieht man gerade nördlich von der auf dem Plan von Aulezavick verzeichneten Eskimo-Hütte. Die dem Strome zugekehrte Südseite fällt fast senkrecht ab, während die andere Seite ganz rund ist. Von dem Sund aus betrachtet ähnelt er sehr einer Apfelschnitte von einer Spitze aus gesehen. Man sieht ganz deutlich, dass der durchbrechende Giessbach den Berg zerstört und nur ein Segment übrig gelassen hat. Ausserordentlich seltsam gestaltete Berge finden sich überhaupt in wirrer Unordnung vor, doch die beste Beschreibung würde nur ein sehr ungetreues Bild ihrer düsteren Grossartigkeit geben.

Der Gneis, welchen wir im südlichen Labrador vorfinden, ist von dem grauen Gneis von Nord-Labrador ganz verschieden und findet sich viel öfter in verschiedenen Lagern durch die einzelnen konstituirenden Mineralien vertreten. Quarz und Feldspath bilden gar oft einzelne Schichten. Der Quarz ist meistens gelblich, der Orthoklas röthlich. Hornblende kommt etwas weniger oft vor, bildet aber bisweilen fast allein ganze Lager.

Der Granit, welcher die Zwischenpartie, Nain inbegreifend, ausmacht, ist derjenige, welcher den Labradorit führt. Es ist ein sehr grobkörniger Granit, in welchem auch der röthliche Orthoklas der hauptsächlichste Feldspath zu sein scheint. Den Hauptfundort des Labradorits, einen Binnensee westlich von Nain, konnten wir leider nicht besuchen. Hornblende kommt ebenfalls eingesprengt vor.

Mit blosser Erwähnung eines muschelführenden, wahrscheinlich silurischen, magnesiahaltigen Kalksteines, wovon ein ganz kleines Stückchen auf dem Ufer der Aulezavick

Insel gefunden wurde (wahrscheinlich von den Polargegenden herstammend), und eines Klumpens von kohlenstoffführendem Thonsteine, welchen ich an dem Nordende der Chateau-Bai fand, beschliesse ich diesen Abschnitt über die Geologie und bedaure sehr, dass ich mich mit so kurzen Notizen begnügen muss.

3. Klima, Strömungen u. s. w.

Da über das Klima wahrscheinlich späterhin ein vollständiger Bericht veröffentlicht werden wird, so beschränke ich mich hier auf einige populäre Bemerkungen.

Einigen von uns, die aus südlichen Klimaten kamen, erschien der Juli in Labrador einem harten Winter gleich. Als wir nordwärts gingen, begegneten wir unendlich vielen Eisbergen (ein Mal zählten wir von einer Stelle aus deren 40), welche natürlich grosse Kälte verbreiteten und die Temperatur des Wassers bis auf wenige Grad über dem Gefrierpunkt herabdrückten, doch war 36° Fahr. die niedrigste Temperatur, die wir an der Ostküste zwischen den Inseln beobachteten. Dagegen fand am Morgen unserer Ankunft im Aulezavick-Sund das ausgesandte Boot die Oberfläche des Wassers nahe dem Riff, wo es ruhig war, dünn überfroren. Auf der Rückreise, auf der wir schon sehr viel weniger Eisberge sahen, betrug die Temperatur des Wassers an der Mündung der Belleisle-Strasse 32° und gar nicht weit davon an der Neu-Fundländischen Küste 52° Fahr.

Den während eines Gestöbers am 22. und 23. Juli frisch gefallenen Schnee sahen wir noch volle 300 Seemeilen südlich von Aulezavick, auch lag längs der ganzen Küste der Schnee stellenweis bis ans Ufer, von den Wogen bespült. Wir bemerkten bei der Reise nach Norden schon Schnee auf der Küste des St. Laurence-Golfs, auf der Heimkehr war er aber hier fast ganz verschwunden. Meistentheils sahen wir in ganz Labrador den Schnee mehr auf der Südseite der Anhöhen und Berge.

Am Nordende von Labrador fiel das Thermometer sehr oft bis auf 30° Fahr. in der Nacht und am Tage stand es selten über 45°, doch hatten wir auch hin und wieder bedeutend wärmere Tage, an denen das Thermometer wohl bis auf 65° hinaufging. Sehr wenig Unterschied war zwischen der Sonne und dem Schatten zu bemerken.

Eine Quelle, welche in der Ansiedelung von ChateauBai gebraucht wird, hatte die Temperatur von 35° Fahr. Die Strömung, welche von Baffins-Bai herkommt, setzt sich der ganzen Küste entlang nach Süden fort und sendet einen starken Strom durch die Strasse von Belleisle, wodurch die Eisberge bis in den Golf von St. Laurence getrieben werden. Oft soll sich auch im Winter das Eis dort anschwemmen und aufthürmen und der Schifffahrt hinderlich sein.

4. Organisches Leben.

Die Eskimos nehmen hier unsere Aufmerksamkeit zuerst in Anspruch und ich möchte wohl noch Einiges bezüglich. ihres Unterschiedes von den Indianern bemerken.

Zuerst ist es nöthig, dass wir uns genau über die typischen Kennzeichen des Indianers verstehen. Man spricht gar oft von dem Mongolischen Aussehen unserer NordAmerikanischen Indianer, aber man muss hier behutsam zu Werke gehen, denn unter unseren Indianern walten zwei ganz unabhängige Typen vor. Wir haben den grossen, schlanken Indianer mit langem Gesicht und der Habichtsnase, scharfem Auge, kühnem Aussehen und den kurzen Indianer mit rundem, fetten Gesichte, plumpen, wollüstigen Lippen und sanftem, lüsternen Auge. Ersterer ist bei weitem der Edelste im Aussehen und man findet nicht eine Spur von Ähnlichkeit in ihm mit dem Mongolen, wenn man sich nicht mit den hohen Backenknochen begnügen will, die aber fast allen nicht-Kaukasischen Racen angehören. Dieser Indianer ist derjenige, der am meisten in Abbildungen verewigt ist. Wir finden seinen Typus noch jetzt in den Dacotahs und in manchen anderen nordwestlichen Indianern. Indianer dieser Art habe ich von Oregon und auch von Iowa gesehen. Die Cherokees, die Creeks, die Chicasaws können Beispiele der Art aufweisen. Aber die den helleren Chicasaws ehedem in Mississippi angrenzenden Choctaws, wie auch unsere Süd-Carolinischen Catawbas und, wie ich auf dieser Seereise zufällig sah, die Mickmacks von Cape Breton zeigen den zweiten, weit mehr Mongolischen, Typus. Dem letzteren Typus nähert sich der Eskimo in mancher Beziehung beträchtlich, dem ersteren nicht im mindesten. Besonders fand ich, dass eine Mischung von Europäischem und Eskimo-Blut den zweitgenannten Typus zuweilen mit ganz täuschender Ähnlichkeit hervorbrachte, nur ist die Farbe frischer und lichter. Nun möchte ich aber auf den Unterschied zwischen dem Eskimo und dem zweiten Indianer-Typus aufmerksam machen.

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Die Eskimos sind sehr kurz. Ein von uns gemessener war 4 Fuss 10 Zoll, ein anderer 5 Engl. Fuss hoch. In der Gestalt ihrer Nasen fand ich grössere Verschiedenheit, als man gewöhnlich bei ausser-Europäischen Racen vorfindet, doch waren sie immer kurz im Verhältniss zu der Oberlippe. Ihre Farbe lässt sich kaum unter dem Schmutz erkennen, doch scheint sie gelblich zu sein. Ein Schwedischer Matrose, den wir bei uns hatten, rief aus:,,Das sind ja Finnen!" und ich citire ihn, weil mir der Ausruf eines nicht an Beobachtungen gewöhnten Menschen hier von Wichtigkeit erscheint. Mich erinnerten die Eskimos mit ihrer kurzen Statur, gelben Farbe und flachem Gesicht etwas an die der Gesandtschaft angehörigen Japanesen, die ich so eben in New York gesehen hatte, doch fehlte die hohe Stirn und der intellektuellere, wiewohl verschlossenere und unzutraulichere Gemüthsausdruck jener Orientalen. Wir sahen einen jungen Eskimo nahe bei Nain mit wirklich ganz schönem Antlitz, meistens sind sie aber ganz niederträchtig hässlich. Besonders ist diess bei den Frauen der Fall, deren Reize auch der possierliche Anzug, der aus Seehundsfellen gemachte,,Nut-tschak", und der fetttriefende Schmutz nicht eben erhöht.

Von den Halbblut-Eskimos zu Domino, welche gut Englisch sprechen, sich unter einander aber ihrer eigenen Sprache bedienen, lernte ich einige Eskimo-Wörter, welche sich auf das Phänomen bezogen, das uns so weit von Hause weggelockt hatte. Eine totale Sonnenfinsterniss heisst ,,Suchunik illunane tallinga lucktok", eine partielle aber ,,Suchunik iwunga tallinga nucktok". Suchiniulp" heisst Sonne,,,suchunik" ist, so viel ich ersehen konnte, der Genitiv.,,Tallinga nucktok" oder „,lucktok" heisst Dunkel, ,,illunane" bedeutet gänzlich, vollkommen, und „iwunga” halb oder theilweis. Interessant ist, dass das Nordkap des Festlandes von Labrador den einheimischen Namen ,,Oppernavik" trägt, was sofort an den Grönländischen Ortsnamen Uppernavik erinnert. Das Wort bedeutet, wie mir der Polarfahrer Dr. Hayes mittheilt,,,Sommerwohnung". Das Vorkommen desselben Wortes in beiden Gegenden deutet auf Sprachähnlichkeit hin.

Die Eskimos verlassend wenden wir uns jetzt zu den Vierfüsslern. Hier will ich keine Liste aufführen, sondern

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