Imágenes de páginas
PDF
EPUB

ausgesandt worden. Mehrere hohe Schneegipfel befanden sich in der unmittelbaren Nähe des Lagers. Am 29. erreichte ich an dem schneebedeckten Abhang eines isolirten Gipfels eine Höhe von 19.500 Engl. (18.296 Par.) Fuss. Das Wetter war ungemein klar und ruhig, ich verweilte einige Zeit auf dem höchsten Punkt, um das grossartige Panorama zu untersuchen; in jeder Richtung breiteten sich hohe Bergketten aus, die durch grosse, mit Gletschern erfüllte Thäler getrennt sind."

Ausführliches über diese höchst interessante Periode der Forschungen Adolf Schlagintweit's wird ohne Zweifel das im Erscheinen begriffene grosse Werk seiner Brüder enthalten, und da auch die vollständigen Resultate der Englischen Vermessungen in nicht ferner. Zeit publicirt werden dürften, so wird man voraussichtlich ziemlich genau über den zweithöchsten Berg unterrichtet sein, wenn die nähere Beschaffenheit des Mount Everest noch in tiefstes Dunkel gehüllt bleibt.

Der Kintschindjunga und der Sikkim - Himalaya überhaupt.

(Mit Karte, s. Tafel 2.)

Ungleich besser als über die im Vorstehenden erwähnten beiden höchsten Berge der Erde ist man über den Kintschindjunga (Kantschain- oder Kuntschindjunga) unterrichtet, der eine Zeit lang für den Kulminationspunkt der Erdoberfläche galt, jetzt aber auf die dritte Rangstufe herabsteigen muss, denn obwohl von enormer Höhe (28.156 Engl. oder 26.419 Par. Fuss), überragt ihn doch der Karakorum Nr. 2 um 122 Engl. oder 114 Par. Fuss, der Mount Everest sogar um 846 Engl. oder 793 Par. Fuss. Fast genau nördlich von Calcutta, also von allen Gipfelpunkten des Himalaya am nächsten an der Hauptstadt Indiens gelegen, ist er schon aus diesem Grunde zugänglicher als die beiden höheren, überdiess steht der kleine Staat Sikkim, dessen Grenzen ihn umschliessen, unter Britischer Oberhoheit und schon von den äusseren, südlichsten Bergketten dieses Staates, die in neuerer Zeit der direkten Herrschaft der Englischen Regierung anheimgefallen sind, erblickt man sein zackiges Haupt in voller Majestät. Gegenwärtig, wo die Bengalische Eisenbahn von Calcutta bis Radjmahal am Ganges befahren wird, von wo der Fuss des Himalaya nur noch etwa 25 Deutsche Meilen entfernt ist, kann man in wenigen Tagen von Calcutta nach Dardjiling, dem Englischen Städtchen auf dem Nordabhang der äusseren Bergkette Sikkims, gelangen und sich so den Anblick jenes Bergkolosses ohne grosse Anstrengungen verschaffen. Sein Abstand von der Bengalischen Ebene beträgt nur ungefähr 17 Deutsche Meilen; ein rüstiger Gebirgswanderer, dem es gelingt, an seinen Abhängen bis an die Region des ewigen Schnee's hinaufzudringen, kann daher in verhältnissmässig sehr kurzer Zeit gleichsam alle Zonen von den Tropen bis zum eisumstarrten Pole durchreisen.

Solchen günstigen Umständen hat man es zu danken, dass der in Sikkim gelegene kleine, aber durch die gegenseitige Annäherung der organischen Formen aller Zonen

um so interessantere Theil des Himalaya genauer, minutiöser durchforscht worden ist als die meisten anderen Gruppen dieses Gebirges, und neben einer Reihe an sich werthvoller, aber an Umfang minder bedeutender Beiträge anderer Reisenden und Gelehrten waren es, wie bekannt, vorzugsweise die Arbeiten Dr. Joseph Dalton Hooker's, welche uns eben so vielseitige als gründliche Aufschlüsse über den SikkimHimalaya gaben. Diese Arbeiten, von der grössten Tragweite für den Himalaya überhaupt, haben zwar überall eine gerechte Anerkennung ihres Werthes erfahren, doch sind sie im Grunde für die Zwecke der physikalischen Geographie noch wenig ausgebeutet worden, bei Veranstaltung einer Deutschen Ausgabe der ,,Himalayan Journals" hat man zudem den Missgriff gethan, die wissenschaftlich äusserst werthvollen Appendices ganz fortzulassen. Es scheint daher noch jetzt ein Zurückkommen auf Hooker's Forschungen nicht überflüssig zu sein.

Diese Betrachtungen veranlassen uns, eine Bearbeitung des Hooker'schen Werkes, die wir bereits vor einer Reihe von Jahren begonnen und zu einem vorläufigen Abschluss gebracht hatten, wieder ans Licht zu ziehen. Sie sollte alles topographische und physikalisch-geographische Material aus Hooker's Werk, verglichen mit den Resultaten der Forschungen in anderen Theilen des Himalaya, umfassen und namentlich in Karten und Profilen anschaulich machen. Durch anderweitige Arbeiten verdrängt konnte sie in der beabsichtigten Weise nicht zur Ausführung und Publikation kommen, es dürfte aber vielleicht nicht ganz uninteressant sein, einige Bruchstücke daraus an diesem Orte mitzutheilen. 1. Skizze der politischen Entwickelung Sikkims. Über die Geschichte Sikkims weiss man nicht viel, nur aus den einzelnen Perioden, in denen die Ost-Indische Kompagnie sich in die Angelegenheiten des Landes mischte, sind Nachrichten aufbewahrt. Vor etwa 300 Jahren kamen Tibetaner in das Land, führten die buddhistische Religion bei den damals heidnischen Leptschas ein und nahmen die Regierung in die Hände. Die Würde des Fürsten oder Radja soll von jeher erblich gewesen sein. Der erste, dessen Name erwähnt wird,

ist Rup Chiring; er residirte zu Dardjiling und starb im Jahre 1782. Sein Reich umfasste ausser dem heutigen Sikkim noch die östlichsten Theile von Nipal und einen kleinen Landstrich am Fusse des Himalaya westlich vom Mahanaddy-Fluss. Nach Norden erstreckte es sich dagegen nur bis Tschungtam und erweiterte sich erst später durch das Zurückweichen der Tibetaner zuerst bis Semu Samdong, dann bis Tallum Samdong und endlich bis zum Kongra-Lama - Pass. Unter der Regierung seines Sohnes Chhawa Radja fielen die kriegerischen Ghorkas mit etwa 6000 Mann von Nipal aus in Sikkim ein und belagerten 1788 die Hauptstadt und damalige Residenz Sikkim, die südöstlich von Pemiongtschi lag. Der Radja zog sich nach der Tibetanischen Grenze zurück und schloss einen Vertrag mit dem Radja von Bhotan, wonach dieser ihn mit Truppen unterstützen sollte, er dagegen eine gewisse Summe als Tribut an ihn zahlte. Mit Hülfe dieser Truppen entsetzte er noch in demselben Jahre die Stadt Sikkim und zwang die Ghorkas, sich nach Ilam zurückzuziehen, wo sie ein Fort errichtet hatten. Doch bald darauf starb der Radja und hinterliess einen noch unerwachsenen Sohn Namens Kurin Namki, und da auch die Bhotanesischen Truppen wieder abzogen, unterwarf sich der grösste Theil des Landes den Ghorkas, welche Festungen anlegten, u. a. zu Dardjiling und Tassiding, Steuern erhoben und einen Gouverneur einsetzten. Der junge Radja flüchtete nach Tibet, aber der Anführer der Leptschas, ein tapferer und energischer Mann, setzte sich in Gandhok, einer Festung zwischen den beiden Quellflüssen der Tiesta in der Gegend von Tschungtam, fest und erhielt so dem Radja einen nicht unbedeutenden Landstrich, der ihm 7000 Rupien jährliche Revenuen einbrachte. Im J. 1809 kehrte Kurin Namki nach Sikkim zurück und versuchte mit Hülfe von 500 Tibetanern die Ghorkas aus dem Lande zu vertreiben; da aber sein tapferer Heerführer bald darauf starb, konnte er Nichts ausrichten und musste sich auf das ihm gebliebene Gebiet von Gandhok beschränken 1). Erst 1815 bekam er durch einen Vertrag der Britischen Regierung mit Nipal sein früheres Reich wieder, wobei er sich unter das Protektorat von England stellen musste. Noch ein Mal, im Jahre 1817, wurde er von den Ghorkas vertrieben, aber dem Vertrage gemäss durch die Englische Regierung wieder eingesetzt, welche dadurch dem weitern Vordringen der Nipalesen nach Osten hin eine Grenze setzte. In den folgenden Jahren gingen in Sikkim keine bemerkenswerthen Veränderungen vor, bis im Jahre 1836 die Englische Regierung das Gebiet von Dardjiling für eine jährliche Rente von 6000 Rupien dem Radja abkaufte und daselbst 1840 ein Sanatarium gründete. Hier schlug nun der Superintendent Sikkims, Dr. Campbell, seinen Sitz auf, während der Radja seine Residenz nach Tumlung verlegte. Dardjiling, früher ein unbedeutender Ort, wuchs seitdem zu einer ansehnlichen Grösse heran; zur Zeit, als Dr. Hooker es besuchte, zählte es schon 4000 Einwohner und hatte den ganzen Handel mit Sikkim an sich gezogen, der hauptsächlich in Moschus, Salz, Goldstaub, Borax, Soda, wollenen Stoffen und Pferden besteht. Sein Aufblühen glich dem einer Australischen Kolonie.

Obgleich sich Sikkim immer sehr unabhängig von der Englischen Regierung zu erhalten wusste, fanden doch der Radja und besonders sein Minister das gelegentliche Einmischen des Protektors in die Angelegenheiten des Landes sehr unbequem und suchten zu wiederholten Malen, aber ohne Erfolg, den bestehenden Vertrag zu ändern. Eine günstige Gelegenheit, ihre Pläne auszuführen, schien ihnen gekommen zu sein, als Dr. Campbell im Herbst des Jahres 1849 den Dr. Hooker nach dem Tschola - Pass begleitete. Sie liessen beide gefangen nehmen und verlangten von dem erstern mehrere Koncessionen, die er aber trotz langer Gefangenschaft und grausamer Behandlung zu geben sich weigerte. Auf energische Demonstrationen von Seiten des General-Gouverneurs von Indien wurden sie endlich zurück nach Dardjiling gebracht, aber die verlangte Genugthuung, namentlich die Bestrafung des Ministers erfolgte nicht. Darauf hin wurde dem Radja im folgenden Jahre der ihm zugehörige Terai-Distrikt und der ganze südliche Theil seines Gebietes bis zum Grossen Rungiet - Fluss genommen und ihm zugleich eine jährliche Geldstrafe von 6000 Rupien auferlegt, die ihm aber gegen die früher bezogene Rente erlassen wurde. Dadurch ist das Gebiet von Sikkim auf 781 Geogr. Quadrat - Meilen mit 61.766 Einwohnern eingeschränkt worden 2). Wie es heisst, soll die Britische Regierung in neuester Zeit auch diesen Rest dem Indischen Reich einverleibt haben, weil während des grossen Aufstandes im J. 1857 Unruhen daselbst vorgefallen seien.

1) Francis Hamilton, Account of the Kingdom of Nepal etc., pag. 118 ss.

2) Statistical Papers relating to India, London 1853, pag. 23.

2. Physikalisch-geographische Grundzüge des Landes. Sikkim liegt fast genau nördlich von Calcutta und nur 400 Engl. Meilen vom Bengalischen Meerbusen, zwischen 26° 40′ und 28° N. Br. und zwischen 88° und 89° Östl. L. von Gr. Es bildet einen etwa 60 Engl. Meilen breiten Theil des Himalaya und wird im Osten von Nipal, im Westen von Bhotan begrenzt. Seine Südgrenze ist leicht zu bestimmen, denn die Berge erheben sich plötzlich aus der Bengalischen Ebene als Ketten von 6000 bis 10.000 Engl. Fuss Höhe, bis zu ihren Gipfeln dicht mit Wald bekleidet. Die nördliche und nordöstliche Grenze befindet sich jenseit der Region des vielen Regens und ist keine natürliche, sondern eine politische, zwischen Sikkim und Tibet vom Kintschindjunga nordöstlich nach dem Tschomiomo und von da östlich über den Kongra - Lama - Pass und den Kamm des Kintschinjhow nach dem Donkiah (Powhunry Oberst Waugh's) gezogene Linie.

Die wichtigsten Merkmale des Landes sind der 28.156 Engl. Fuss hohe Kintschindjunga im Nordwesten und der Fluss Tiesta, welcher die ganze Länge des Landes durchströmt und einen Lauf von mehr als 90 Engl. Meilen in gerader Linie hat. Beinahe alle Quellen der Tiesta liegen innerhalb Sikkims und ausgenommen einige verhältnissmässig unbedeutende Flüsse, welche von den äussersten Bergreihen herabkommen, hat dieses Land keine Wasserläufe als die Tiesta und ihre Zuflüsse, welche das grösste der Himalaya -Thäler zwischen dem Tambur in Ost-Nipal und dem Matschu in West-Bhotan einnehmen.

Ein ungeheurer, 60 Engl. Meilen langer Kamm erstreckt sich vom Kintschin südwärts nach den Ebenen Indiens; er heisst Singalelah und trennt Sikkim von Ost-Nipal. Die Gewässer von seiner westlichen Seite fliessen in den Tambur, die von der östlichen in den Grossen Rungiet, einen Nebenfluss der Tiesta. Zwischen diesen beiden letzteren Flüssen kommt vom Kintschindjunga herab ein zweiter Gebirgskamm, der in den Tendong ausläuft.

Die Ostgrenze gegen Bhotan wird zum grössern Theil durch die Tschola-Kette gebildet, die sich von dem riesigen, 23.186 Engl. Fuss hohen und 50 Engl. Meilen ostnordöstlich vom Kintschindjunga gelegenen Donkiah nach Süden hinzieht; wo sich die Grenzlinie den Ebenen Indiens nähert, folgt sie dem Laufe der Tiesta und ihres Nebenflusses Rinkpo, der von der Tschola-Kette herabkommt. Diese Kette ist weit höher als die des Singalelah und die Gewässer ihres Ostabhanges ergiessen sich in den Matschu, dessen oberer Theil in Tibet, der untere in Bhotan fliesst.

Der Donkiah, obgleich 5000 F. niedriger als der Kintschin, ist der Kulminationspunkt einer viel ausgedehnteren und höheren Gebirgsmasse. Er entsendet von seiner Nordwest-Seite einen ungeheuren Bergzug, der nach West und dann nach Südwest zum Kintschin verläuft und die Wasserscheide aller entfernten Quellen der Tiesta bildet. Dieser Bergzug hat eine mittlere Erhebung von 18.000 bis 19.000 Engl. F. und mehrere seiner Gipfel, wie der Tschomiomo, steigen bedeutend höher auf. Obwohl schon in Tibet gelegen, bildet er doch durchaus nicht die eigentliche Achse des Himalaya, denn die auf seinem Nordabhang entspringenden Gewässer ergiessen sich nicht in den Tsampu oder Tibetanischen Burramputer, sondern in den Arun von Nipal, welcher nördlich vom Donkiah entspringt und viele Meilen südwestlich durch Tibet verläuft, ehe er in Nipal eintritt und sich südwärts dem Ganges zuwendet.

Auf diese Weise umgrenzt besteht Sikkim aus einer Masse von Gebirgszügen, die bis zur Höhe von 12.000 Engl. F. mit Wald bekleidet sind. Im ganzen Lande giebt es keine flachen Thäler oder Ebenen, keine See'n oder Abgründe von Belang unterhalb jener Höhe und wenige oder keine nackten Abhänge, obschon die letzteren durchgängig steil sind. Sein eigenthümlicher Charakter ist nur zu verstehen, wenn man auf Klima und Vegetation Rücksicht nimmt.

Der grössere Theil des Landes zwischen Sikkim und dem Meere ist eine ununterbrochene Fläche, welche von dem Delta des Ganges und Burramputer eingenommen wird. Das Aufsteigen der Ebene nach dem Fusse des Gebirges hin geht so allmählich vor sich, dass ihre Oberfläche da, wo der Himalaya unmittelbar aus ihr emporsteigt, nur 300 F. über dem Meere liegt. Die natürliche Folge dieser Lage ist, dass der vorherrschende Südwind mit Dünsten geschwängert an der ersten Hügelkette ankommt. Derselbe Luftstrom wird, wenn er östlich nach Bhotan oder westlich nach Nipal und dem nordwestlichen Himalaya ablenkt, von den Khassia- und Garrow - Bergen (südlich von Assam und dem Burramputer) im ersteren, von den Radjmahal-Hügeln (südlich vom Ganges) im letzteren Fall unterbrochen und von einem grossen Theile seiner Feuchtigkeit befreit. Sikkim ist daher die feuchteste Gegend des ganzen Himalaya.

Von der Bengalischen Ebene aus der Ferne gesehen bietet Sikkim die allen Gebirgsländern gemeinsame Erscheinung aufeinanderfolgender paralleler Bergrücken, die von Ost nach West verlaufen; sie sind alle bewaldet, mit einer schönen Reihe schneeiger Gipfel besetzt und zeigen hie und da Einschnitte in den vordersten Reihen, durch welche sich die Flüsse herausdrängen. Eine Aussicht auf den Himalaya, namentlich aus einer hinreichenden Entfernung, um die weiter gelegenen Schneegipfel die äusseren Ketten überragen zu sehen, ist indessen selten, weil den grössern Theil des Jahres hindurch beständig Dünste über den waldbekleideten Bergen lagern und in den Wintermonaten die trockene Luft der Ebenen neblig ist. Am Ende der Regenzeit, wenn der Südost-Monsun andauernd zu wehen aufgehört hat, erhält man mitunter aus einer Entfernung von beinahe 200 Engl. Meilen eine gute Aussicht auf den Himalaya. Auf den Ebenen sieht man die höchsten Gipfel unter einem so kleinen Winkel, dass sie sehr tief am Horizont wie weisse Flecke erscheinen, den niedrigen schwarzen und bewaldeten äussern Ketten aufsitzend, welche stets aus einem Nebelgürtel emporragen und, wahrscheinlich wegen der Dichtigkeit der unteren Luftschichten, niemals auf dem sichtbaren Horizont ruhend gesehen werden. Die auffallende Niedrigkeit der ganzen ungeheuren Masse am Horizont ist jedes Mal ein enttäuschender Anblick für den neu Ankommenden, welcher Gipfel von schwindelnder Höhe in die Luft hinausragen zu sehen erwartet. Kommt man näher, so sinken die Schneeberge hinter die bewaldeten zurück, lange noch ehe die letzteren gigantische Verhältnisse angenommen haben, und wenn diess geschieht, so erscheinen sie als eine düstere, dunkle, graugrüne Masse von Vegetation ohne Pracht und Mannigfaltigkeit der Farben. Keine Unterbrechung zeigt sich in diesem Walde, weder durch Felsen und Abgründe noch durch Anbau. Einige Ausläufer springen näher hervor und einige Thäler scheinen weiter in das Innere der vordersten Hauptkette zurückzutreten, welche alles andere Land jenseits ausschliesst.

Von Dardjiling aus erweist sich die Erscheinung paralleler Bergrücken als eine Täuschung, die den einander berührenden Ausläufern langgewundener Bergketten zuzuschreiben ist, welche sich von Nord nach Süd durch die ganze Länge von Sikkim hinziehen, indem sie tiefe bewaldete Thäler abtheilen, welche die Betten grosser Flüsse bilden. Die Schneegipfel haben hier, bei einer Entfernung von durchschnittlich 30 bis 40 Engl. Meilen, das Ansehen einer langen, ostwestlich streichenden Reihe von Bergen; dringt man aber weiter in das Land ein, so erweist sich auch diese Erscheinung als eine Täuschung und die Schneekette löst sich in isolirte, auf den meridionalen Bergrücken gelegene Gipfel auf; ihre schneebedeckten Ausläufer, östlich und westlich hervortretend, durchkreuzen einander und scheinen, da sie durchweg weiss sind, die Gipfel zu einer grossen ununterbrochenen Kette mit einander zu vereinigen. Die Flüsse entspringen, anstatt ihre Quellen in den Schneegebirgen zu haben, weit jenseit derselben; viele ihrer Quellen sind von der Ebene über 100 Engl. Meilen in gerader Linie entfernt in einem sehr merkwürdigen Lande, welches durchschnittlich bei weitem höher als die von ihm nach Süden auslaufenden Bergketten, jedoch im Vergleich mit diesen von Schnee entblösst ist. Dieser hintere Theil der Gebirgsregion ist Tibet, wo alle Flüsse Sikkims, Nipals und Bhotans als kleine Bergströme entspringen, an Umfang zunehmend, sobald sie den Abfluss der schneeigen Theile der Bergzüge erhalten, von welchen sie in ihrem Laufe begrenzt werden. Ihre Ufer, zwischen 8000 und 14.000 Fuss, sind durchgängig mit Rhododendren bekleidet, bisweilen mit fast gänzlichem Ausschluss jeder anderen Waldvegetation, besonders in der Nähe der Schneeberge, weil eine kühle Temperatur und viel Feuchtigkeit die günstigsten Bedingungen für das üppige Gedeihen dieser Gattung sind.

Die Quelle dieser Feuchtigkeit ist der südliche oder Seewind, welcher andauernd vom Mai bis Oktober in Sikkim weht und das ganze übrige Jahr hindurch, wenn nicht als eigentlich sogenannter Monsun, doch als eine Strömung der feuchten Atmosphäre über dem Ganges-Delta vorherrscht. Er rauscht nordwärts nach den luftdünnen Gegenden Sikkims die grossen Thäler hinauf und erscheint nicht wesentlich gestört durch den Nordwestwind, welcher in den Wintermonaten des Nachmittags über die Ebenen und längs der Abhänge der äusseren Kette weht und zufolge der Tages - Sonnenhitze ein trockener Flächenwind ist. Wenn man bedenkt, dass der Südwind, nachdem er hohe Berge auf der äussern Kette passirt hat, 80 bis 100 Engl. Meilen Alpen durchstreichen muss, ehe er die ganze Waldregion befeuchtet hat, so wird es einleuchten, dass seine Feuchtigkeit verbraucht sein muss, bevor er Tibet erreicht.

Der warme, dunstgeschwängerte Luftstrom legt die Hauptmasse seiner Feuchtigkeit auf dem Rücken des Sintschul nieder, welcher über

Dardjiling bis zur Höhe von 8600 Fuss aufsteigt. Indem er weiter nach Norden geht, erfolgt auf dem Tendong, der mit dem Sintschul ziemlich gleiche Höhe hat, nur wenig Niederschlag, aber viel auf dem Mainom (11.000 F.) und der entsprechenden Breite des Singalelah-Kammes, wo der Luftstrom, noch mehr abgekühlt, weniger Fähigkeit hat, den Wasserdampf festzuhalten. Steigt er bis 15.000 F. auf der Singalelah - Kette und am Tuktscham, so wird er hinreichend abgekühlt, um im Winter und Frühjahr Schnee abzulagern, und wenn während dieser Zeit mehr Schnee fällt, als im Sommer schmelzen kann, so wird er perennirend. Auf dem Gipfel des Kintschin fällt sehr wenig Schnee und man muss bezweifeln, dass die südliche Luftströmung jemals diesen erstaunlich hohen isolirten Gipfel erreicht. Das Areal über 20.000 F. Höhe ist aber auch zu beschränkt und zu sehr in einzelne Spitzen gebrochen, um den schon beinahe entleerten Luftstrom noch zu entwässern, dessen verdichtete Dünste sich jenseit des Parallels des Kintschin als Nebel dahinwälzen, am Tage über den trockenen Gebirgen Tibets sich zerstreuen und des Nachts sich auf die abgekühlte Oberfläche des Bodens niederlegen.

Andere Erscheinungen von nicht geringerer Bedeutung als die Vertheilung der Feuchtigkeit und mehr oder weniger davon abhängig sind die Dauer und Kraft der solarischen und terrestrischen Ausstrahlung. Von der Ebene bis nach Dardjiling hin ist die Sonne in der Regenzeit selten sichtbar, sowohl wegen der beständigen Bewölkung des Himmels als wegen des Nebels auf der Oberfläche des Bodens. Die Folge davon ist Mangel an Licht und Wärme südlich vom Parallel des Kintschin. Jenseit dieses Parallels herrschen in derselben Jahreszeit niedrige Nebel vor, ohne jedoch in gleichem Maasse Licht und Wärme zu beeinträchtigen, und in der Breite des Kintschinjhow hat man bereits viel Sonnenschein und helles Licht. Des Nachts wiederum fehlt die terrestrische Ausstrahlung von den Ebenen bis an den Fuss des Kintschin, entweder strömt anhaltender Regen, in einigen Monaten sogar mit zunehmender Heftigkeit, oder die gesättigte Atmosphäre verdichtet sich in einen dicken weissen Dunst, welcher über der üppigen Vegetation schwebt. In der Höhe von 6000 bis 10.000 F. ist eine klare, sternenhelle Nacht in den Sommermonaten fast unbekannt, häufig dagegen im Dezember und Januar und mit Unterbrechungen zwischen Oktober und Mai, wobei jedoch die Vegetation von der Kälte der nächtlichen Ausstrahlung wenig afficirt wird. In den Gegenden nördlich vom Kintschin kommen sternenhelle Nächte häufiger vor und in 14.000 F. Höhe ist die von der Ausstrahlung erzeugte Kälte gegen das Ende der Regenzeit im September oft streng. Dennoch ist heiteres Wetter während der Nächte nicht sehr häufig; sobald der Wind bei Sonnenuntergang sich legt, klärt sich der Nebel für eine oder zwei Stunden auf, allein der zurückkehrende kalte Nordwind macht bald darauf die Luft wieder erstarren und Dunstmassen wälzen sich in der Höhe dahin oder fegen über die Oberfläche der Erde die ganzen Sommernächte hindurch. In den Tibetanischen Gegenden herrschen andererseits sogar in den wärmsten Monaten helle Nächte und selbst scharfe Fröste vor. Die meridionalen Bergketten streichen nicht in gerader Linie, sondern verlaufen wie alle Gebirgszüge in Windungen oder Zickzacklinien. Ausläufer gehen abwechselnd von jeder Kette ab, so dass dem Ursprung eines Nebenzweiges auf der einen Seite die Quelle eines Flusses (d. h. der obere Theil eines Thales) auf der anderen entspricht. Diese Flüsse vereinigen sich mit der Tiesta und ihr Lauf bildet einen grösseren oder kleineren Winkel mit dem der letzteren. Die Nebenzweige von der Ostseite eines Höhenzuges kreuzen sich an ihren Enden mit denen von der Westseite eines anderen und so entstehen querlaufende Thäler, die hinsichtlich ihrer Lage, Temperatur und Feuchtigkeit viele klimatische Modifikationen darbieten.

Die Strassen von den Indischen Ebenen nach der Wasserscheide in Tibet kreuzen stets diese seitlichen Ausläufer. Der Hauptrücken ist zu gewunden und rauh und den grössten Theil seiner Länge nach zum Bewohnen zu hoch, während das Flussthal, immer sehr gewunden, unterhalb 4000 Fuss für den grösseren Theil des Jahres ungesund und dazu oft schlundartig eng und felsig ist. Die Dörfer liegen immer oberhalb der ungesunden Gegend auf den seitlichen Ausläufern, welche der Reisende bei jedem einzelnen Tagemarsche mehrmals zu überschreiten hat, denn von diesen Ausläufern gehen kleinere Zweige aus und von diesen wieder andere dritten Grades, wesshalb das Land in eben so viele Zweige, Bergrücken und Gebirgsketten zerschnitten ist, als Bäche, Flüsse und Ströme zwischen seinen Bergen sich finden.

Obgleich die Hauptströmung der Luft nach Norden gerichtet ist, so macht sich diess in Wirklichkeit doch nur selten fühlbar, ausgenommen wenn sich der Beobachter auf einem sehr ausgesetzten Berggipfel befindet oder die Bewegungen der obern Luftschichten beachtet. Nie

dere Luftströmungen rauschen den ganzen Tag hindurch die Haupt- und Seitenthäler hinauf und in Folge des schlangenförmigen Verlaufs der Flussbetten und der im Allgemeinen querlaufenden Richtungen ihrer Zuflüsse wird die Strömung oft zu einer östlichen oder westlichen. Selbst in den nach Norden sich öffnenden Seitenthälern findet man einen thalaufwärts wehenden Wind; kurz überall herrscht ein aufsteigender warmer und feuchter Luftstrom, welchen Lauf die Thäler, denen er folgt, auch nehmen mögen. Die Seiten eines jeden Thales werden daher gleichmässig mit Feuchtigkeit versehen, obwohl örtliche Umstände auf der einen oder andern Seite den Boden mehr oder weniger feucht und einer üppigen Vegetation günstig machen. Solche Umstände sind z. B. ein trockener, der Sonne zu sehr ausgesetzter Boden auf der Nordseite bei niederer Erhebung, wo die Sonnenstrahlen, wenn auch nur vorübergehend, den Grund aufs Schnellste austrocknen, wo der Regen zwar sehr heftig, aber doch nur von kürzerer Dauer ist und wo zufolge der Eigenschaft der erhitzten Luft, die Feuchtigkeit zurückzuhalten, Tagesnebel verhältnissmässig selten sind. In den nördlichen Theilen Sikkims dagegen haben einige der Seitenthäler eine solche Lage, dass der feuchte Wind die nach Süden gerichtete Seite trifft und sie sehr feucht erhält, während der rückkehrende kalte Luftzug von den benachbarten Tibetanischen Gebirgen gegen die nach Norden blickende Seite anschlägt, welche daher von Vegetation mehr entblösst erscheint.

Die Lage und die Höhe des ewigen Schnee's richtet sich je nach den einzelnen Bergketten und ihrer Lage gegen den Südwind. Der Ausspruch, dass der ewige Schnee auf den südlichen Abhängen des Himalaya-Gebirges niedriger und tiefer liege als auf den nördlichen, giebt eine falsche Vorstellung. Besser sagt man, der Schnee liege tiefer und niedriger auf den südlichen Seiten der einzelnen Berge und Höhenzüge, welche den mit Schnee bedeckten Theil des Himalaya bilden. Die Achse der Kette selbst befindet sich im Allgemeinen weit nördlich von der Lage der Höhenzüge, welche allen Schnee auffangen, und trägt verhältnissmässig sehr wenig Schnee, am meisten noch auf nach Norden frei liegenden Stellen.

Dieselben Umstände, welche auf die Vertheilung von Feuchtigkeit und Vegetation einwirken, bestimmen auch die Lage, die Menge und die Dauer des Schnee's. Der bedeutendste Schneefall wird, wie vorher gezeigt wurde, da vorkommen, wo die meridionalen Bergketten zuerst eine hinlängliche Höhe erreichen und die Luft dem zufolge unter 0° sich abkühlt; diess findet bei wenig mehr als 14.000 Fuss Statt, denn bei dieser Höhe kommen selbst im Sommer vereinzelte Schneefälle vor; diese schmelzen jedoch sofort und auch der reichliche Winterschnee verschwindet vor Juni. Wie sich die Regenmenge weiter gegen Norden nach den höheren Theilen der meridionalen Bergketten hin vermindert, eben so auch der Schneefall. Das Liegenbleiben des Schnee's wiederum ist abhängig: 1) von der Tiefe der angehäuften Massen, 2) von der mittleren Temperatur des Platzes, 3) von der schmelzenden Kraft der Sonnenstrahlen, 4) von dem Vorherrschen und der Stärke der austrocknenden Winde. Nun ist bei 14.000 Fuss, obgleich die Anhäufung ungeheuer ist, die von den Sonnenstrahlen geschmolzene Menge unbedeutend und es giebt hier keine austrocknenden Winde, aber die mittlere Temperatur ist so hoch und die zerstörende Gewalt des Regens (welcher den Sommer hindurch reichlich fällt) und der warm und feucht aufsteigenden Luftströme ist so gross, dass der Schnee nicht ausdauert. Bei 15.500 F. dagegen bleibt er liegen und seine Permanenz bei dieser geringen Erhebung wird sehr begünstigt durch die Anhäufung und Zurückhaltung von Nebel über der üppigen Vegetation, welche von den Ebenen bis hierher sich vorfindet, so wie durch die hohen, jenseit gelegenen Berge, welche ihn vor den rückkehrenden trockenen Luftströmungen von Norden schützen. Weiter gegen Norden nehmen alle Umstände, welche auf die Zertheilung des Schnee's hinwirken, zu, während die Menge seines Niederschlags abnimmt. Bei 15.500 Fuss Höhe diesseit des Kintschindjunga ist der Schneefall enorm und die Schneelinie niedrig, 16.000 F., während am Kintschinjhow wenig niederfällt und die Grenze des ewigen Schnee's in 19.000 und 20.000 F. Höhe liegt. Daher die Anomalie, dass die Schneelinie höher wird, je weiter man gegen Norden nach den kältesten Himalaya - Regionen kommt. Da die Lage der höchsten Bergspitzen und der grössten Massen ewigen Schnee's gewöhnlich als Anzeichen eines Gebirgsrückens und einer Wasserscheide angenommen wird, so haben Reisende, indem sie nur nach einzelnen Bergen auf den meridionalen Ketten schlossen, die Behauptung, dass der Schnee länger und tiefer auf der nördlichen als auf der südlichen Abdachung des Himalaya - Rückens lagere, zu einer Zeit unterstützt, zur anderen bestritten.

Die grosse Schneeanhäufung bei 15.000 Fuss Höhe diesseit des Kintschin übt einen entschiedenen Einfluss auf die Vegetation aus. Die Alpen-Rhododendren kommen in den breiten Thälern und auf den abgerundeten Gebirgszweigen der Tunkra- und Tschola-Pässe kaum bis zu 14.000 F. hinauf vor, während dieselben Species in der Breite des Kintschinjhow bis zu 16.000, eine sogar bis 17.000 F. steigt. Noch weiter gegen Norden hindert jedoch die grosse Trockenheit des Klima's ihr Wachsthum und in Tibet fehlen sie im Allgemeinen, selbst bei einer Höhe von nur 12.000 u. 14.000 F. Gletscher wiederum ziehen sich in den gewundenen Schluchten des Kintschindjunga bis 15.000 F. herab, aber auf den Trümmern, welche sie herabführen, wachsen keine Pflanzen, noch findet sich an ihrem Fusse Rasen oder Krautwuchs, indem die unmittelbar umgebende Atmosphäre durch enorme Anhäufungen von Schnee stark abgekühlt wird und die Sommer-Sonne den Boden nur selten erwärmt. In der Breite des Kintschinjhow dagegen kommen die Gletscher nicht bis unter 16.000 F. herab, aber ein grüner Pflanzenteppich zieht sich hinauf bis an ihren Fuss; Zwerg - Rhododendren bedecken die Moränen und Kräuter wachsen auf den von letzteren herabgeführten Flecken Erde, welche von dem häufigeren Sonnenschein und der Wärme-Ausstrahlung der unbeschneiten Wände des den Eisstrom umschliessenden Thales aufgethaut werden.

Sehen wir östlich oder westlich auf die Karte von Indien, SO bemerken wir, dass die Erscheinung des ewigen Schnee's überall von denselben Gesetzen geregelt wird. Von der Länge Ober-Assams in 95° bis zu der von Kaschmir in 75° Östl. L. v. Gr. ist die niedrigste Grenze des ewigen Schnee's 15.500 bis 16.000 Fuss und eine StrauchVegetation nimmt die feuchtesten Stellen in ihrer Nähe, in 12.000 bis 14.000 Fuss Höhe, ein. Sobald wir uns von den Ebenen Indiens mehr entfernen und in die Gebirge eindringen, wird das Klima trockener, die Schneelinie steigt höher und die Vegetation vermindert sich, die Höhe des Landes mag zu- oder abnehmen; Pflanzen findet man bis 17.000 und 18.000 Fuss, die Schneelinie steigt bis 20.000 Fuss. Um extreme Fälle zu erwähnen, so liegt die Schneelinie von Sikkim unter 27° 30′ N. Br. in 16.000 Fuss Höhe, wogegen Dr. Thomson in 35° 30′ N. Br. auf den Gebirgen in der Nähe des Karakorum-Passes die Schneelinie in 20.000 Fuss und Vegetation bis hinauf zu 18.500 Fuss antraf, eine Erscheinung, die auch Sikkim unter dem 28. Breitengrade bietet.

Der Himalaya nördlich von Nipal und von da ostwärts nach der Krümmung des Jaru - Tsampu hat zu seinen geographischen Grenzen im Süden die Ebenen Indiens und im Norden das Flussbett des Jaru. Alles zwischen diesen Grenzen ist eine Gebirgsmasse, wovon Tibet, obgleich irrthümlich so oft eine Ebene genannt, keine Ausnahme macht. Die sogenannten Tibetanischen ,,Ebenen" sind die flachen Thalsohlen und die Terrassen an den Ufern der Flüsse, welche sämmtlich zwischen ungeheuren Bergen dahinströmen. Der Ausdruck ,,Maidan" (Marktplatz), der von den Eingebornen so oft auf Tibet angewendet wird, bezeichnet nicht eine Ebene gleich der von Indien, sondern einfach eine offene, trockne, baumlose Gegend, im Gegensatz zu den dicht bewaldeten Regionen des schneeigen Himalaya südlich von Tibet. Die Gewässer von der Nordseite des Himalaya fliessen in den Tsampu und die von der Südseite in den Burramputer in Assam und in den Ganges. Die allerdings sehr gewundene Linie, welche die Quellen dieser Gewässer von einander trennt, ist die Wasserscheide und der einzige Führer, der uns die Achse des Himalaya zeigt. Dieselbe ist hier nie von Europäern überschritten worden, ausgenommen von Captain Turner's Gesandtschaft im Jahre 1798 und der des Captain Bogle im J. 1779, welche beide den Fluss Jaru erreichten. In dem von Captain Turner herausgegebenen Bericht ist der höchste Punkt der Wasserscheide nicht streng dargethan und es wird mitunter irrthümlich die Grenze zwischen Tibet und Bhotan dafür gehalten, an diesem Punkt bildet aber ein südlicher Ausläufer des Tschumulari die Grenze 1). Östlich von den Quellen des Tsampu scheint die Wasserscheide des Himalaya einen sehr gewundenen Lauf einzuhalten und überall nördlich von den Schneegipfeln zu liegen, die man von den Indischen Ebenen aus sieht. Auf allen unseren Karten wird die Achse des Himalaya als eine durch diese Schneegipfel gehende Linie dargestellt, weil dieselben von den Ebenen aus das Ansehen haben, als seien sie auf einem ostwestlichen

1) Zwischen dem Donkiah und dem Tschumulari liegt eine den oberen Lauf des Matschu-Flusses in sich schliessende Abtheilung von Tibet, welche im Osten von Bhotan, im Westen von Sikkim begrenzt wird. Als Turner den Simonang-Pass überschritt, stieg er westwärts in das Thal des Matschu hinab und war noch auf dem Indischen Flussgebiet.

Kamme gelegen, während sie, wie oben erörtert wurde, auf meridionalen Nebenrücken aufsitzen. Eben so verläuft die Grenzlinie zwischen den Tibetanischen Provinzen und denen von Nipal, Sikkim und Bhotan meist über oder längs dieser Nebenrücken, weil die enormen SchneeAnhäufungen eine wirksamere natürliche Schranke bilden als die grössere Höhe des weniger beschneiten Centralkammes.

Obgleich nun aber unsere Karten die Achse durch die Schneegipfel ziehen, lassen sie doch die Flüsse jenseit derselben, und zwar auf ihren nördlichen Abdachungen, entspringen und durch Lücken in der Achse südwärts fliessen. Eine solche Ansicht lässt sich nur mit der Hypothese vereinbaren, dass die Kette eine doppelte sei, wie man diess von den Cordilleren von Peru und Chile in geographischem Sinne sagt und wie es in geologischem Sinne dort unbezweifelt auch der Fall ist; allein mit den Cordilleren bietet der Himalaya keinen Vergleich dar. Die Resultate von Dr. Thomson's Forschungen im nordwestlichen Himalaya und Tibet, so wie von Dr. Hooker's Untersuchungen im äussersten Nordosten von Sikkim und in Tibet gaben zuerst eine Einsicht in den wirklichen Bau dieses Gebirges. Der Berg Donkiah ist der Gipfelpunkt einer ungeheuer hohen Gebirgsmasse von grösserer mittlerer Höhe als die eines gleich grossen Areals rings um den Kintschindjunga. Sie umfasst den Tschumulari und viele andere weit über 20.000 Fuss hohe Berge, obgleich keiner dem Kintschindjunga, Djunno und Kubra gleich kommt. Auf ihr befinden sich die grossen See'n Ramtschu und Tscholamu und die auf ihr entspringenden Flüsse strömen nach verschiedenen Richtungen: Der Painomtschu nordwestlich in den Jaru, der Arun westlich nach Nipal, die Tiesta südwestlich durch Sikkim, der Matschu südlich und der Patschu südöstlich durch Bhotan. Alle diese Flüsse haben ihre Quellen weit jenseit der grossen Schneeberge, am augenscheinlichsten von allen der Arun, welcher vollständig an der Rück- oder Nordseite des Kintschindjunga hinfliesst. Die nach Süden strömenden durchbrechen keine Kette, noch treffen sie auf irgend welche Zusammenziehung auf ihrem Laufe durch die schneeigen Theile des Gebirges, welche die Thäler, in denen sie fliessen, begrenzen, sondern sie werden begrenzt von einförmigen Reihen hoher Berge, welche schneereicher werden, je mehr sie sich den Ebenen Indiens nähern. Diese Thäler verengen sich indessen allmählich, je weiter sie herabkommen, indem sie in Sikkim und Nipal weniger offen sind als in Tibet, obgleich hier von rauhen Gebirgen umgeben, welche bei ihrem Mangel an Schnee und Vegetation nicht denselben Eindruck von Höhe machen wie die isolirten spitzigen Gipfel, die sich aus einem dichten Wald erheben und auf denen die Schneegrenze 4000 bis 5000 Fuss niedriger ist.

Die Thatsache, dass die Sohle der Flussthäler gegen die Wasserscheide zu flacher wird, steht im Zusammenhang mit der anderen, dass die Flüsse in diesem Theil ihres Laufes einen geringeren Fall haben; es ist diess die Folge der grossen Breiten-Ausdehnung des höchsten Theiles des Gebirges. Wenn wir die Tiesta als Beispiel wählen und ihren Fall an drei Punkten ihres Laufes messen, so werden wir die Resultate sehr verschieden finden. Von ihrer Hauptquelle am TscholamuSee an fällt sie zwischen 17.000 und 15.000 Fuss Höhe 60 Fuss auf 1 Engl. Meile; zwischen 15.000 und 12.000 Fuss Höhe beträgt der Fall 140 Fuss auf die Engl. Meile; in der dritten Abtheilung ihres Laufes zwischen 12.000 und 5000 Fuss fällt sie 160 Fuss auf die Engl. Meile und in dem untersten Theile zwischen 5000 Fuss und den 300 Fuss hohen Ebenen hat sie einen Fall von 50 Fuss auf die Engl. Meile. Diese Abtheilungen haben keine strengen Grenzen, das Thal verengt sich allmählich und eben so allmählich wird der Lauf rascher. Es verdient bemerkt zu werden, dass der Fall in demjenigen Theil des Thales am stärksten ist, wo die Seiten des letzteren am meisten mit Schnee beladen sind, wo die alten Trümmerhaufen am auffallendsten und wo die Aufhäufungen von Erdstürzen u. s. w. am ausgedehntesten sind.

In Bezug auf den Kintschindjunga sind diese Thatsachen von Wichtigkeit, weil sie zeigen, dass die Höhe an sich in der physikalischen Geographie von untergeordneter Bedeutung ist. Dieser hohe Berg erhebt sich auf einem Ausläufer der grossen Donkiah-Kette, weit entfernt von der Wasserscheide oder der Achse des Himalaya; die Flüsse, welche seine nördliche, wie die, welche seine südliche Seite bespülen, fliessen in den Ganges. Könnte man den Himalaya um 18.000 Fuss niederdrücken, so würden der Kubra, Djunno, Pundim u. s. w. eine kleine Gruppe felsiger, 1000 bis 7000 Fuss hoher Inseln in der Nähe des Kintschin bilden, welcher selbst als ein 10.000 F. hohes Kap, durch eine niedrige, schmale Landenge mit einem ausgedehnten und gebirgigen Landstrich im Nordosten verbunden, erscheinen würde; jenes nordöstliche Gebirgsland würde der Donkiah bilden. Nördlich vom Kin

tschin würde eine tiefe Bucht das gegenwärtige Arun-Thal einnehmen und im Norden von der Achse des Himalaya begrenzt sein, welche einen jenseit gelegenen zusammenhängenden Landstrich darstellen würde.

Längs der ganzen Kette des Himalaya, östlich von Kumaon, befindet sich ohne Zweifel eine Reihe eben so hoher Gebirgsmassen wie der Donkiah, von welcher eben so mächtige Nebenrücken ausgehen, als der, auf welchem der Kintschin sich erhebt. Diese Ansicht wird dadurch unterstützt, dass wir alle Flüsse weit jenseit der Schneegipfel entspringen sehen, welche durch unbeschneite, zwischen den grossen weissen Massen der Nebenrücken gelegene Kämme von einander getrennt werden. Gleich westlich vom Kintschindjunga existirt keine Fortsetzung eines Schnee-Himalaya, wie er gewöhnlich genannt wird; eben so giebt es zwischen dem Donkiah und Tschumulari keinen ewigen Schnee und das Thal des Matschu ist sehr breit, offen und verhältnissmässig flach. Eine andere Gebirgsmasse wie die des Tschumulari und Donkiah ist die von R. und H. Strachey vermessene in der Umgebung der Mansarowar-See'n, welche augenscheinlich das Centrum des Himalaya bildet. Von ihr herab fliessen die Ströme Gogra, Sutledj, Indus und Jaru sämmtlich nach der Indischen Seite Asiens und von ihr zweigen sich vier Gebirgsketten ab, von denen zwei besser bekannt sind als die anderen. Dieselben sind: 1. der östliche Himalaya, dessen Achse nördlich von Nipal, Sikkim und Bhotan nach der Krümmung des Jaru verläuft, dessen Thal sie von den Ebenen Indiens scheidet; 2. der nordwestliche Himalaya, welcher das Thal des Indus von den Indischen Ebenen absondert. Hinter diesen und wahrscheinlich mit ihnen parallel liegen zwei andere Ketten: 3. der Kuenluen oder die Karakorum-Kette, welche den Indus von dem Jarkand-Flusse trennt; 4. die Kette nördlich vom Jaru, von welcher Nichts bekannt ist. Alle Gewässer von den beiden ersten dieser Ketten fliessen in den Indischen Ocean, wie auch die von der südlichen Abdachung der dritten und vierten; die von der Nordseite des Kuenluen und der nördlich vom Jaru gelegenen Kette fliessen in das grosse Becken des See's Lhop. Aus dieser Anschauung geht hervor, dass die Gebirgsmasse von Pamir oder Bolor, zwischen den Quellen des Oxus und denen des Jarkand-Flusses, als ein Centrum betrachtet werden kann, von welchem die drei grössten Gebirgssysteme Asiens ausgehen. Diese sind: 1. eine grosse Kette, welche in nordöstlicher Richtung bis zur Behring-Strasse verläuft und alle Flüsse Sibiriens von den in den Stillen Ocean münden den trennt; 2. der Hindukusch, der sich durch Persien und Armenien hindurch in den Taurus fortsetzt, und 3. der Mustag oder Karakorum, welcher sich wahrscheinlich genau östlich nach China hinein ausdehnt, sich jedoch nördlich von den Mansarowar-See'n in die bereits aufgezählten Ketten auflöst.

3. Vegetationszonen.

Im engsten Zusammenhange mit der physikalischen Konfiguration und den meteorologischen Erscheinungen des Sikkim-Himalaya steht seine Vegetation. Durch die ungleiche Vertheilung der Feuchtigkeit und des Sonnenlichts im Norden und Süden erklärt sich die Verschiedenheit der Flora auf den äusseren und inneren Bergketten, das hohe Emporsteigen tropischer Pflanzen auf den südlichen Abhängen und die Depression der unteren Grenze der Rhododendren und vieler gemässigter Gattungen nach Norden zu. Parallel mit der Schneelinie erheben sich fast alle Zonenlinien von Süden nach Norden, entsprechend der allmählichen Abnahme der feuchten Niederschläge in dieser Richtung und der Zunahme der allgemeinen Erhebung des Bodens.

Wegen des plötzlichen Emporsteigens des Himalaya aus der nie-· drigen Ebene Indiens bis zu den höchsten Höhen der Erde finden sich in Sikkim die Floren aller Zonen, von der tropischen bis zur arktischen, beisammen und durch die centrale Lage des Landes sind in ihm die Pflanzen des südlichen, westlichen, nördlichen und östlichen Asiens vertreten. Alle diese Verhältnisse sollen bei der Schilderung der einzelnen Pflanzenzonen näher erörtert werden, jetzt wollen wir nur noch auf die eigenthümlichen Erscheinungen der Entwickelung der Blüthen und Früchte in verschiedenen Höhen aufmerksam machen, welche durch den früheren oder späteren Beginn des Frühlings und Eintritt des Winters, so wie durch die je nach der geringeren oder bedeutenderen Höhe verschiedene Anzahl der sonnigen Tage bedingt sind.

Von Mitte Oktober bis Mitte Mai sind die Höhen über 14.000 F. fast gleichförmig mit Schnee bedeckt und daher vegetationslos. Von November bis Mitte April gilt dasselbe von den Höhen über 10.000 F., nur dass einige wenige Bäume und Sträucher hier erst im Dezember ihre Früchte zur Reife bringen. Während der drei Wintermonate, Dezember, Januar und Februar, ruht die Vegetation über 6000 Fuss, so dass also eine um etwa 4000 Fuss höhere Lage die Verspätung des Frühlings um einen Monat bedingt. So treiben die Gattungen und

« AnteriorContinuar »