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Tagebuch einer Reise durch die südlichen Provinzen von Marokko, 1862.

Von Gerhard Rohlfs aus Vegesack 1).

Es mochte 10 Uhr Morgens sein, als ich die Vorstadt oder vielmehr das Dorf erreichte, welches unter Agadir

1) In unserer Notiz über Herrn Rohlfs' Reise im VII. Heft dieser Zeitschrift (S. 276) wurde erwähnt, dass er nach längerem Aufenthalt in Algerien und in den nördlichen Provinzen von Marokko am 20. Juli 1862 Tanger verliess, um die südlichen Provinzen von Marokko zu bereisen, dass er der Westküste südlich bis Agadir folgte und von hier aus über Wadi Draa, Tafilet und Figig nach Geryville in Algerien ging. Da die Westküste von Marokko und ihre einzelnen Ortschaften ziemlich gut bekannt sind, so haben wir es unterlassen, den auf diesen ersten Theil der Reise bezüglichen Abschnitt des Tagebuches abzudrucken; wir entnehmen demselben nur folgende Bemerkung über die Unannehmlichkeiten, welchen ein Reisender in jenen Ländern ausgesetzt ist: ,,Mein Plan war, mich in Allem so zu halten, als ob ich Araber und Muhammedaner wäre. Es ist diess für die Christen in der That das einzige Mittel, diese Länder kennen zu lernen. Wie Wenige werden sich aber daran gewöhnen können, die Arabischen Sitten ganz anzunehmen! Ich rede nicht von den Läusen, denn diese sind schon für Einen, der Fes oder eine andere Stadt besucht, unvermeidlich, indem jeder Eingeborne vom Sultan an bis zu dem Niedrigsten damit behaftet ist, und wenn man sie auch nicht wieder ganz los wird, so kann man doch wenigstens ihr Überhandnehmen verhüten, wenn man jeden Tag seine Kleider visitirt. Dann aber das Essen. Abgesehen davon, dass es einförmig ist und meist nur aus Mehlspeisen ohne Fleisch und Fett besteht, wird es auf schmutzige Art zubereitet. Ich habe aus den vornehmsten Küchen gespeist und dennoch keine Schüssel gesehen, in der sich nicht Haare befunden hätten. Das kommt daher, weil Fett und Butter stets in behaarten Ziegenfellen aufbewahrt werden. Ferner essen Alle mit den Fingern. Unterwegs bist Du mit Maulthiertreibern oder Kameelwärtern zusammen, eben berühren sie die widerlichsten Gegenstände, jetzt setzen sie sich mit Dir an die Schüssel und fahren mit ihren ungewaschenen oder doch nur sehr oberflächlich abgespülten Händen in das Essen. Sie wollen höflich sein und ergreifen mit ihrer von Schmutz strotzenden Hand einen besonders guten Bissen, den sie Dir vorlegen, und aus Höflichkeit musst Du ihn hinunter würgen. An alles das muss sich ein unter diesem Volke Reisender gewöhnen, will er nicht gleich als Christ verschrieen sein, d. h. getödtet werden. Dazu kommt dann noch die unausstehliche Neugier und Fragelust der Araber. Was man in den Büchern von der Zurückhaltung, Schweigsamkeit und Ernsthaftigkeit der Araber liest, ist nur Schein und Dichtung. Kommt ein so vornehmer Reisender, wie der Französische General Daumas, in das Zelt eines vornehmen Arabers, dann allerdings ist Alles Schweigsamkeit, Ernst und Gemessenheit, aus der obersten Klasse darf man aber nicht auf das Volk schliessen, unter dieses muss man sich mischen, wenn man es kennen lernen will. Fast in jeder Stadt, in jedem Duar ist es mir vorgekommen, dass, noch ehe ich gegrüsst hatte, neugierige Müssiggänger auf mich zukamen und mit ,,Woher, weshalb kömmst Du hierher, wie heisst Du, hast Du Kinder, Brüder, Eltern?" mich anfuhren. Einen vornehmen Christen freilich wird Niemand mit solchen Fragen belästigen, das wäre gegen die Würde eines Gläubigen, meinen sie sich aber ungesehen, so kehren sie ihren wahren Charakter heraus. Eben so findet man bei ihren religiösen Übungen viel Schein und Heiligkeitskrämerei. Wie oft habe ich bemerkt, dass ein Tholab, der sich unbeobachtet wähnte, sein Gebet nicht verrichtete, es aber mit der grössten Andacht abhielt, sobald er glaubte, dass man auf ihn achte! An alles diess muss sich der Reisende gewöhnen und noch an manche andere Kleinigkeiten, als z. B. fortwährend auf nackter Erde zu schlafen, beständig schmutzige Wäsche zu tragen, denn ein reines Hemd würde die Aufmerksamkeit zu sehr auf sich ziehen, Hunger und Durst zu erleiden."

Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1863, Heft X.

unmittelbar am Meere liegt und dessen noch aufrecht stehende Häuser höchstens 500 Einwohner fassen. Die Bucht, die das Meer hier bildet und die den grössten Schiffen Sicherheit bietet, ist unstreitig die tiefste an der ganzen Atlantischen Küste des Marokkanischen Reiches, da jedoch die Stadt ohne Konsuln ist, so wird kein Seehandel getrieben. Die eigentliche Stadt liegt auf einem nach allen Seiten hin fast gleich abschüssigen Berge, der eine Höhe von 800 Fuss über dem Meere haben mag. Sie bildet ein längliches Viereck, dessen schmale Seite dem Meere zugewandt ist. Die hohen krenelirten Mauern so wie die Bastionen, die jene unregelmässig flankiren, sind, obgleich in gutem Stande, was das Äussere anbetrifft, doch aus so schlechtem Material aufgeführt, dass sie die Stadt fast ohne Widerstand gegen einen Angriff der Europäer lassen würden. Eben so sind die wenigen Kanonen, die sich in den Bastionen befinden, ihres Alters wegen fast unbrauchbar. Was das Innere der Stadt anbetrifft, so sind alle Häuser, ausgenommen das der Regierung, welches der Kaid bewohnt, so wie die Jemma, die sich in gutem Zustande befindet, halb oder ganz verfallen. Ich glaube die Einwohnerzahl schon zu gross anzugeben, wenn ich sie auf 1000 schätze. Der zweimalige Markt, der wöchentlich vor dem einzigen Thore der Stadt abgehalten wird, führt derselben einigen Handel zu und es sind hauptsächlich die Juden, die für die kleinen Bedürfnisse der Stadt sowohl als auch des umliegenden Landes Sorge tragen.

Instrumente zur Aufnahme seiner Route führte Herr Rohlfs, der, früher Student der Medizin, eine Reihe von Jahren hindurch dem Militärstand angehörte, augenscheinlich nicht bei sich, auch scheint es fast, als habe er die geographische Wichtigkeit seiner Reise kaum recht gewürdigt, sonst hätte er wohl ein genaueres Itinerar und auch sonst ausführlichere Nachrichten in seinem Tagebuche aufgezeichnet, denn er ist der erste Europäische Reisende, welcher die Marokkanischen Landschaften südlich vom Atlas gesehen hat, mit Ausnahme von Réné Caillié, der 1828 von Timbuktu kommend bei Wadi Draa vorbei nach Tafilet und nördlich weiter nach Fes und Tanger ging, also jene Landschaften nur auf einer Linie von Süd nach Nord durchschnitten hat, während Rohlfs im Allgemeinen die Richtung von West nach Ost und Nordost verfolgend eine weit vollständigere Kenntniss davon namentlich auch dadurch erhielt, dass er beträchtliche Seiten - Exkursionen machte, z. B. das Wadi Draa fast ganz bereiste, und sich an verschiedenen Orten längere Zeit aufhielt. Dadurch hat sein Tagebuch trotz der geringen Ausführlichkeit einen nicht unbedeutenden Werth und ausserdem hat er seine Befähigung gezeigt, unter der Maske eines gläubigen Arabers in noch unbetretene Gebiete Nord-Afrika's vorzudringen, so dass sein Plan, von Algerien nach Timbuktu zu reisen, Aussicht auf Erfolg zu haben scheint.A. P.

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Die Stadt liegt so zu sagen auf der südwestlichen Spitze des Atlas, und während nach Osten und Norden hin das Auge Nichts wahrnimmt als sich über einander häufende Berge, verliert sich nach Süden zu die Aussicht in die unendliche Ebene, die den L'ued-Sus vom L'ued-Nun trennt. (L'ued, wie ich es schreibe und wie es ausgesprochen wird, heisst,,der Fluss", das L' dient für elder.) Der L'uedSus selbst ergiesst sich Stunde südlich von der Stadt in die Meeresbucht. Gleich beim Eintritt in die Stadt wurde ich überrascht, indem ich über dem Thore neben einer Arabischen Inschrift eine mit Lateinischen Buchstaben geschriebene bemerkte; ich war so glücklich, sie später unbemerkt kopiren zu können. Sie lautet:

VREEST. GOD. ENDE. EERT DEN KONING. 1746.

Diese Holländische Inschrift, deren obere Linie wohl einen Namen in abgekürzter Form enthält, ist für uns Deutsche leicht zu entziffern und bedeutet ,,Ehrt den König". Welchen Zusammenhang und welche Bewandtniss es damit hat, konnte mir Niemand angeben, obgleich ich Mehrere darüber befragte. Ich begab mich zuerst in ein Kaffeehaus, weil man dort am besten unterrichtet wird, wo man logiren kann; zu meinem Erstaunen erfuhr ich denn, dass gar kein Funduck vorhanden sei, jedoch hatte ein Bewohner, ein Abkömmling eines Spaniers, die Liebenswürdigkeit, mir seine Tischlerwerkstätte als Logement anzubieten, was ich mit Dankbarkeit annahm; er hatte ausserdem noch die Zuvorkommenheit, mir während meines Aufenthaltes Essen zu schicken, obgleich ich es nicht berührte, da mir der Kaid der Stadt die Nahrung schickte oder ich bei ihm

ass.

Derselbe hatte nämlich kaum meine Ankunft erfahren, als er mich rufen liess. Ich glaubte schon, es gälte, ein Examen bestehen zu müssen, woher, wohin, weshalb? u. s. w.; davon war jedoch keine Rede, der arme Mann lag auf dem Schmerzenslager. Eine wahrscheinlich zu schnell geheilte Uretritis hatte sich auf die Prostata geworfen und diess verursachte ihm solche Schmerzen, dass er nicht im Stande war, sich aufzurichten. Er fragte mich, ob ich im Stande sei, ihn zu heilen oder ihm Linderung zu verschaffen. Ich versprach es ihm, und da keine Blutegel in der Stadt zu finden waren (obgleich unfern der Stadt, etwa 3 Meilen südlich, sich ein grosser Sumpf befindet, den ein in Mogador wohnender Europäer durch die Eingebornen ausbeuten lässt und der so viele Blutegel abwirft, dass ein Theil nach Europa verschickt wird), so wusste ich nichts Besseres zu thun, als ihm eine Quecksilbersalbe zu bereiten, da glücklicher Weise ein Jude im Besitze einer genügenden Menge dieses Metalls sich befand. Die Salbe

verschaffte ihm denn auch Besserung, nach zwei Tagen konnte er sogar aufstehen.

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Ich war gezwungen, längere Zeit in Agadir zu bleiben, da ich wieder einen Fieberan fall bekam. Es ist auffallend, wie kalt das Klima in Agadir und an der umliegenden Küste ist. Vor Mittag durchdringt die Sonne den dichten Nebel nie und selbst in der Sonne ist es dann nicht übermässig warm. Die Einwohner versicherten, dass selbst im hohen Sommer diese aus dem Meere aufsteigenden Nebel selten vor Mittag zerstreut würden. Die Preise der Lebensmittel im Lande und in der Stadt sind unglaublich niedrig, ein Französisches Pfund d. h. 20 Fünf-Francstücke Fleisch verkauft sich für nicht ganz 2 Sous; für 1 Sou bekommt man 6 Eier, an den Markttagen 8 oder 10. Im Frühjahr sollen die Preise noch mehr fallen. Ich hatte eigentlich vor, bis zum L'ued-Nun vorzudringen, doch einestheils zwingt mich meine Gesundheit, meinen Weg abzukürzen, um so bald wie möglich das Französische Gebiet zu erreichen, anderntheils liegt auf dem Wege dahin die Sauija-Sidi-Hamed-Mussa, deren jetziger Besitzer, der Scherif Sidi-Hossein, mich, wie alle Leute versicherten, auf jeden Fall köpfen würde. Da fast das ganze Land zwischen dem L'ued-Sus und dem L'ued-Nun ihm gehört, so ist es unmöglich, ihm zu entkommen. Dieser grausame Mensch hat seinen Bruder und seinen leiblichen Sohn köpfen lassen, ausser unzähligen anderen Mordthaten, die man nicht der Mühe werth findet zu erwähnen. Zwei Spanier, die sich nach dem L'ued - Nun begeben wollten, hat er ebenfalls hinrichten lassen. Dennoch wallfahrten aus den naheliegenden Provinzen Tausende von Leuten zu ihm, die ihm ihr Geld opfern, um seinen Segen zu empfangen. Einem Abkömmling des Propheten verzeiht das Volk Alles. Es ist gerade jetzt die Zeit der Wallfahrten und der ganze Weg mit Pilgern bedeckt; man nennt diese Periode ,,Mogor".

Nach einem siebentägigen Aufenthalt in Agadir fühlte ich mich stark genug, meinen Weg fortzusetzen, ich stieg deshalb in die untere Stadt hinab, um mit einer durchpassirenden Karawane nach Tarudant zu gehen. Von hier aus ist es nämlich unmöglich, allein weiter zu reisen; mit eigenen Augen hatte ich in Agadir zwei Individuen ankommen sehen, denen man unfern der Stadt alle Kleider und was sie sonst besassen abgenommen hatte. Denselben Abend noch kam eine Karawane, der ich mich sogleich anschloss, und nach Sonnenuntergang machten wir Halt in einem Dorfe, denn Duar haben die Berber nicht, das ist die eigentliche Behausung des Arabers. Hier bekamen wir eine Probe von dem Räuberwesen des Landes zu kosten, denn gleich in der ersten Nacht wurde uns ein Kameel gestohlen. Von Justiz ist hier keine Rede, wohl begaben

sich unsere Leute am folgenden Morgen zu dem Scheich der Gegend, der ihnen auch versprach, Nachforschungen anzustellen, das war jedoch, wie sie selbst sagten, vergebliche Mühe. Sie hatten das Kameel für 90 Mitkal oder etwa 170 Francs gekauft. Nachdem wir die Ladung, die aus Zucker bestand, auf die übrigen Kameele vertheilt hatten, machten wir uns auf den Weg, der sich fortwährend ganz in östlicher Richtung hinzog. Links erhob sich die hohe Atlas-Kette, die sich in nordöstlicher Richtung erstreckt und den Alpen, wie man sie von der Lombardei und dem Venetianischen aus sieht, ganz ähnlich ist. Rechts hatte man den L'ued-Sus, der von Osten kommend seiner Richtung gegen Westen immer gleich bleibt. Das Thal des Flusses ist ein wahrer Garten, ein Haus neben dem anderen; Öl, Argan, Feigen, Stachelfeigen, Granaten und Mandeln sind es hauptsächlich, die das Klima hier hervorbringt. Jeder Mann geht hier mit der Flinte bewaffnet, und entfernt er sich nur Stunde von seinem Hause, so hat er sein Schiessgewehr auf dem Rücken; ausserdem hat Jeder einen krummen Dolch mit meist aus Silber gearbeiteter Scheide. Es ist eigenthümlich, dass diese Berber, die auf allen Seiten von Arabern umgeben und, falls sie Tholba sind, in Arabischer Sprache zu beten gezwungen sind, auch ihre Bedürfnisse grösstentheils von den Marktplätzen beziehen, wo nur Arabisch gesprochen wird, seit 1000 Jahren ihre Sprache erhalten haben, die bis auf wenige Unterschiede mit der in der Grossen Kabylie und am Riff gesprochenen identisch ist. Gegen Mittag hatte ich mich etwas von der Karawane entfernt, als auf ein Mal zwei bewaffnete Männer mich anhielten, und während der Eine fragte: Was giebt es Neues in Agadir? spannte der Andere den Hahn seines Gewehres; sie hatten unstreitig die Absicht, sich meiner Kleidung zu bemächtigen, als glücklicher Weise zwei Leute der Karawane, die ebenfalls zurückgeblieben waren, zu mir stiessen und mich so der Gefahr, ausgeplündert oder gar getödtet zu werden, überhoben. Man sieht hieraus, dass es unmöglich ist, einzeln im Lande zu reisen, man müsste sich denn halb nackt auf den Weg machen.

Das Gebirge wird immer höher, je weiter man nach Osten vordringt, obgleich man fortwährend in der Ebene marschirt. Unendlich viele leere Flussbetten, vom Atlas kommend und dem Sus zulaufend, unterbrechen den Weg, aber auf der ganzen Strecke von Agadir bis Tarudant findet sich nur ein einziger vom Atlas kommender Fluss, der das ganze Jahr hindurch sein Wasser behält. Abends machten wir Halt in einem Hause, das zufälliger Weise von Arabern bewohnt war, die wenig oder gar nicht Schellah verstanden. Welch' ein Unterschied im Empfange! Während uns am Abend vorher, als wir in einem grossen Dorfe

übernachteten, Niemand Etwas zu essen brachte, sondern wir gezwungen waren, uns selbst zu beköstigen, versorgte hier der Hausherr die ganze Karawane mit Speise auf die freigebigste Art. Man hat viel davon geschrieben, dass die Berber eben so gastfrei wie die Araber seien, ich habe jedoch nicht ein Mal, sondern überall gefunden, dass diess nicht der Fall ist.

Am folgenden Morgen waren wir schon vor Sonnenaufgang wieder unterwegs, wir hatten heute nur einen halben Marsch zu machen und mussten Mittags in Tarudant eintreffen. Rechts am anderen Flussufer tauchte jetzt ebenfalls eine Bergkette auf, die von Nordosten kommend sich südwestlich hinzog. Je näher man der Stadt kam, desto angebauter wurde die Gegend, obgleich vom ganzen Lande wie überall kaum der zwölfte Theil nutzbar gemacht wird. Unterwegs hatte ich Gelegenheit zu bemerken, dass die Kameeltreiber sich nicht die Mühe nahmen, ihre Nahrung zu kochen; eine Partie Mehl mit Wasser und Salz zu einem Teig geknetet, demselben eine gute Partie Arganöl hinzugefügt, das bildete ihr Frühstück. Ich war gezwungen, davon zu kosten, und obgleich der Geschmack nicht übel war, so gehört doch, glaube ich, ein tüchtiger Magen dazu, diese Nahrung zu verdauen. Kurz vor Mittag fragte man mich, ob ich die Stadt nicht sähe; auf meine Verneinung zeigte man mir einen nahen Palmenwald und sagte mir, diess sei die Stadt, man könne aber wegen der Palmen und hohen Oliven-Bäume die Gebäude nicht bemerken, So war es in der That, fortwährend in einem Ölbaumwald fortmarschirend befanden wir uns plötzlich vor dem Thore, ohne vorher das Geringste von der Stadt wahrgenommen zu haben. Es war gerade Mittag, als wir in dieselbe einzogen; ich verliess die Karawane sogleich, um ein Unterkommen zu suchen, und war auch so glücklich, in einem Funduck ein Zimmerchen zu finden, dessen Thür so niedrig war, dass ein grosser Jagdhund nicht aufrecht hineingehen kann. Der Länge nach konnte ich mich darin ausstrecken, die Breite jedoch betrug höchstens eine halbe Körperlänge.

Ich musste mehrere Wochen in Tarudant bleiben und überstand während dieser Zeit eine förmliche Krankheit. Den zweiten Tag nach meiner Ankunft liess mich der Kadi der Stadt rufen. Er unterwarf mich einem förmlichen Examen, woher ich komme, warum ich hier sei, wohin ich von hier ginge, warum ich Muhammedaner geworden sei, ob ich beten könne, welches die beste Religion sei s. w.; ich glaubte schon, da er immer sehr ernsthaft blieb, dass er mich trotz meiner genügenden Antworten als Sohn eines Christen ins Gefängniss senden würde, als er plötzlich die Unterhaltung auf die Medizin brachte und ein Mittel gegen Gichtschmerzen von mir verlangte. Zu

u.

gleich wurde Thee servirt und ausserdem ein gut zubereitetes Frühstück aufgetragen. Das Gespräch ging dann hauptsächlich auf die christliche Civilisation über und ich sah mit Erstaunen in einem Kadi einen dem Fortschritt huldigenden Mann vor mir. Nach beendigtem Frühstücke. verabschiedete er mich und sagte, er würde mich rufen lassen, damit ich in seiner Gegenwart die Medizin bereite. Den anderen Tag gegen Abend liess er mich rufen; da ich nichts Anderes zu thun wusste, so bereitete ich eine Kampfersalbe und liess ihn Einreibungen damit machen. Ich musste wieder Thee mit ihm trinken und zu Abend essen und beim Abschiede liess er einen grossen Korb mit Datteln, einen kleineren mit Mandeln und eine Schüssel mit einer Art süssen Backwerks bringen, das sich fast Jahre lang hält wie Schiffszwieback. Obgleich Datteln und Mandeln diessjährig und von ausgezeichneter Güte und Grösse waren, so verkaufte ich doch den grössten Theil derselben. Das Pfund Mandeln verkauft sich hier jetzt zu 6 Sous. Den dritten Tag trat wieder das Fieber ein und zwar auf so heftige Art, dass ich schon glaubte, von einem Typhus befallen zu sein; acht Tage lang musste ich meine Höhle hüten. Ich nahm die letzte mir übrig gebliebene Dosis Chinin und genoss die ganze Zeit hindurch bloss Wasser und Brod und alle Tage einige Granatäpfel, die mir der Funduck-Besitzer aus seinem Garten brachte.

Ich habe Gelegenheit gehabt, mich in der Stadt umzusehen, mich jedoch sehr getäuscht gefunden und wieder die Bestätigung gehabt, dass man sich auf die Aussagen der Einwohner fast nie verlassen kann. Man hatte mir Tarudant als eine Stadt geschildert, die man nur mit Fes und Marokko vergleichen könne, sowohl was Grösse und Einwohnerzahl als was den Handel anbeträfe. Der Umfang der Stadt ist allerdings gross, jedoch ist fast Alles, was innerhalb der Stadtmauer sich befindet, Garten. Diese Stadtmauer, in sehr verfallenem Zustande, hat durchschnittlich eine Höhe von 20 Fuss und an der Basis 4 oder 6 Fuss breit ist sie oben da, wo sie noch die ursprüngliche Höhe hat, 2 Fuss breit. Sie ist eine unregelmässige Linie, ohne Plan oder Kunst angelegt. Alle 50 Schritt flankiren die Zickzacke eine Art Thürme, die jedoch nicht höher als die Mauer selbst sind. Was das Material betrifft, aus dem sie so wie alle Häuser gebaut sind, so besteht dasselbe aus mit Häckerling gemischtem und zwischen zwei Brettern gegossenem Lehm, kann also Europäern keinen Widerstand leisten, zumal nicht einmal Gräben vorhanden sind. Die Stadt ist so zu sagen ein einziger grosser Garten, nur im Centrum befinden sich die Buden, wo man verkauft und arbeitet, die Funducks u. s. w. Einen eigentlichen besonderen Handelszweig hat die Stadt nicht, so wie keine der Manufakturen etwas Besonderes

leistet. Die Kupferschlägerei ist noch die Haupthandarbeit und wird stark betrieben, jedoch beschränkt sie sich bloss auf Kessel, kleine Geschirre und Sachen, die eben mit den Händen gearbeitet werden können. Das Kupfer selbst wird aus den Minen, die sich in der kolossalen Gebirgsmasse im Norden der Stadt befinden, geholt. Die Einwohner haben mich versichert, dass nicht nur dieses Metall, sondern auch Eisen, Silber, Gold und der Magneteisenstein in grosser Quantität vorhanden seien, man verstände es nur nicht, dieselben zu gewinnen, das Kupfer jedoch befinde sich so zu sagen am offenen Tage. Welche Reichthümer mögen wohl im Atlas noch stecken! Moscheen giebt es eine grosse Anzahl, grössere jedoch, die ein Minaret haben, nur fünf. Die Hauptmoschee, Jemma - kebira oder Grosse Jemma schlechtweg genannt, zeichnet sich durch nichts Besonderes aus. Den inneren grossen Hof, in den man Orangen gepflanzt hat, umgeben ungemein plumpe Säulen, die eben so unförmliche Bogen tragen. Die zweite Hauptmoschee, fast eben so gross, ist dachlos, von den übrigen ist keine bedeutend. Eben so habe ich in der ganzen Stadt kein einziges nur etwas geschmackvolles Gebäude gefunden, alle Häuser mit wenigen Ausnahmen sind einstöckig.

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Endlich fand ich Gelegenheit abzureisen. Ich verliess die Stadt mit einer Karawane, die sich nach dem Draa begiebt. Sie zählt etwa 20 Mann und 30 Stück beladenes Vieh, lauter Maulesel und Esel. Die Leute selbst sind Wüstenbewohner aus dem Draa. Ich war ihnen von einem Tholab angelegentlich empfohlen und daher gut aufgenommen worden. Ich muss hier vorausschicken, dass das Land Draa in der Wüste Sahara liegt und eine lange Oase ist, die durch den vom Atlas kommenden L'ued-Draa gebildet wird; der Fluss selbst verliert sich in der Wüste. Von Tarudant hat man 8 Tagemärsche, d. h. man marschirt 8 Tage lang von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ununterbrochen fort, um das Land Draa zu erreichen. Es war also eine harte Tour für mich, da ich mich noch äusserst schwach fühlte. Den ersten Tag folgten wir immer dem L'ued-Sus, der an beiden Seiten lachende Gärten bildete. Rechts und links hohe Berge, jedoch die links im Norden liegende Atlas-Kette ist noch ein Mal so hoch als der südliche Zweig, der nur ein Filialast vom grossen Atlas zu sein scheint. Gegen Mittag machten wir bei einem Dorfe der Beni - Lahia Halt; es wurde dort Markt abgehalten und die Leute wollten noch Getreide einkaufen, um es mit in ihr Land zu nehmen. Nach beendigtem Einkauf machten wir uns wieder auf. Ich weiss nicht, durch welchen Zufall es kam, dass der Theil der Karawane, bei dem ich mich befand, von dem anderen sich trennte, kurz, wir verloren den Weg und es war, glaube ich, Mitternacht, als wir das Dorf erreichten, wo die Anderen seit

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