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der Vertrag, durch welchen jemand sich mit einem andern, zu dem er nicht von vorneherein im Verhältniss des Ganerben steht, associirt, als vereinbarte Nachbildung des Ganerbenverhältnisses, also unter dem Gesichtspunct der Verbrüderung erscheinen. Die gedachte Farfenser

Urkunde liefert uns nicht bloss ein Beispiel, sondern zugleich in dem Worte affratare (anbrüdern) die älteste Bezeichnung des Gesellschaftsvertrags, zwar nicht für ein kaufmännisches, wohl aber für ein landwirthschaftliches Societätsverhältniss. Die Brüder Bonuald und Radulus sitzen auf Pachtgut. Da sie sich ausser Stande fühlen die schuldigen Zinse und Frohnden zu leisten, so gesellen sie sich mit Zustimmung ihres Herrn den Bruder ihrer Mutter als gleichberechtigten Genossen zu: te Martianulum.. in substantiuncula nostra affratamus et in tertia portione te haeredem esse uolumus. In ea uero ratione ut seu angarias siue census nobiscum pariter persoluere debeas et si aliquo tempore nos diuidere uoluerimus terras, uineas. . . uelut uterinus noster nobiscum diuidere debeas.

Das Registrum Farfense enthält u. a. einige Urkunden, welche für die vielbesprochene Frage von der Uebertragung des Grundeigenthums bei den Langobarden von durchschlagender Bedeutung sind. Eine Gerichtsurkunde von 791 (Nr. 154), welche schon Fatteschi mitgetheilt hatte, liefert uns den deutlich ausgesprochenen Rechtssatz, dass die Uebereignung von Grundstücken durch Begebung einer Carta erfolgen konnte, ohne dass es einer vorausgehenden oder ergänzenden reellen Tradition des Grundstücks bedurfte. Ich habe darüber in den Untersuchungen zur Rechtsgeschichte der Urkunde I S. 137 ausführlich gehandelt. Zweifelhaft mochte es bleiben, ob neben der Uebereignung per cartam noch eine andere volksrechtliche Uebereignungsform zu Gebote stand. Sohm hat sich kürzlich dagegen, ich habe mich a. a. O. Seite 139 dafür ausgesprochen. Nummer 45 des Regesto di Farfa, eine Gerichtsurkunde von 761, scheint mir die Frage in bejahendem Sinne zu beantworten. Die Kirche von Farfa klagt das Grundstück eines gewissen Eudo ein, welches dieser für eine durch Diebstahl verwirkte Busse von hundert Solidi dem Kloster in Zahlung gegeben hatte: et pro ipsa compositione. . coram praesentia testium tradidit nobis casalem suum . . unde testes habemus . qui sciunt qualiter ipse casalis nobis traditus et possessus est. Der Beklagte Campulus antwortete, derselbe Eudo habe auch ihm gegenüber durch Pferdediebstahl eine Busse von hundert Solidi verwirkt, die Zahlung durch Wadia versprochen und einen Bürgen gesetzt, qui et ipse fideiussor in loco pignoris tradidit michi duas casas massaricias de suprascripto casale.

Auf eine richterliche Anfrage über den Zeitpunct der Tradition behauptet die Kirche, dass ihr das Streitgut von Eudo in der zwölften Indiction tradirt worden sei, was die Zeugen bestätigen. Campulus dagegen erklärt, dass ihm das Gut von Seite des Bürgen im Monat Mai der dreizehnten Indiction tradirt wurde. Das Urtheil erkennt auf einen Eid der Kirche und spricht dieser das Streitobject zu, nach dem der Eid rechtsförmlich angelobt worden. „Eadem hora ipsas casas retradere fecimus ad partem monasterii “. Beide Theile hatten sich auf die Tradition des Gutes berufen. Die Tradition von Seite des fideiussor ist rechtlich ebenso wirksam wie die des Eudo, der ihn bestellt hatte, da nach langobardischem Rechte der Bürge Verfügungsgewalt über das Vermögen des Schuldners besitzt, um den Gläubiger zu befriedigen. Unter den beiden Traditionen entscheidet das höhere Alter. Dass die rechtlich relevanten Traditionen per cartam erfolgt seien, wird durch den Wortlaut der Gerichtsurkunde ausgeschlossen. Hätten Veräusserungsurkunden vorgelegen, so würde das Gericht, statt die Parteien und Zeugen nach dem Zeitpunct der Tradition zu fragen, einfach wie in einem verwandten Falle (Regesto Nr. 204) die Daten der Veräusserungsurkunden verglichen haben; überdies hat sich die Kirche im Monat März der 14. Indiction, also erst im zweiten Jahre nach der für den Rechtsstreit relevanten Tradition nachträglich von Eudo eine Carta ausstellen lassen, welche in Nummer 44 des Regesto vorliegt und augenscheinlich in dem Rechtsstreite Nr. 45 nicht mehr verwerthet wurde. Die Restitution des Streitgutes findet von Seite des Campulus vor Gericht zu Rieti statt. Das, retradere" ist sonach als eine dem fränkischen revestire in mallo analoge Handlung, als eine symbolische Investitur aufzufassen, wie denn in der That in spoletinischen Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit retradere und reuestire als gleichwerthig gebraucht werden.

Den Inhalt der dreihundert im ersten Bande des Regesto di Farfa vorliegenden Urkunden erschöpfend zu analysiren kann natürlich meine Aufgabe nicht sein. Es kam mir vielmehr nur darauf an für den die italienischen Privaturkunden betreffenden Abschnitt meiner kürzlich erschienenen Untersuchungen zur Rechtsgeschichte der Urkunde hier in der Form eines selbständigen Aufsatzes eine kurze Nachlese aus dem Regesto di Farfa zu liefern und zugleich an einzelnen Beispielen zur Anschauung zu bringen, wie bedeutsam der Dienst ist, welchen die Herausgeber dieses Urkundenwerkes nicht nur der Geschichte Italiens, sondern zugleich der langobardischen und damit der deutschen Rechtsgeschichte geleistet haben.

Der Fortsetzung des Regesto di Farfa soll in kürzerer oder längerer Frist eine Fortsetzung dieses Aufsatzes folgen.

II.

Der Umfang des böhmischen Reiches

unter Boleslaw II.

Ein Beitrag zur Kritik der älteren böhmischen Geschichte

von

J. Loserth.

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Wenn man den Worten des Cosmas von Prag glauben schenken darf, so hat das böhmische Herzogthum unter dem zweiten Boleslaw (967-999) den Höhepunct seines Glanzes und seiner Machtentfaltung nach Aussen hin und zwar durch das Schwert erlangt. Merkwürdiger Weise gibt derselbe Geschichtsschreiber, der dies erzählt, ihm den Beinamen des Frommen, wobei man natürlich mehr an einen Klosterbruder als an einen Kriegshelden zu denken geneigt ist. Ich habe hier nicht nachzuweisen, wiewohl dies weder schwer ist noch besonders von der eigentlichen Sache ablenken könnte, dass dieser Beiname in den Thatsachen nicht begründet ist. Im Ganzen sind nur sehr wenig bedeutendere Thaten dieses Herzogs bekannt und doch wird derselbe von dem ehrwürdigen Prager Domdechanten mit überströmendem Lobe überschüttet. Dieser Umstand muss jedem Forscher auffallen und in der That hat schon vor nahezu 50 Jahren ein solcher 1) die Bemerkung gemacht, dass an diesem Lobe die spätere Geschichte weder etwas zuzusetzen noch abzunehmen gefunden habe, und dass so Boleslaws Ruhm fortstrahle im Glauben an die erste Ueberlieferung, obgleich diese an Thatsachen nicht reich genug sei, um solchen Ruhm zugleich einleuchtender und dadurch für die Nachwelt erwärmender zu machen.

Ich habe in einer Studie2) den Nachweis erbracht, dass von den Berichten des Cosmas über Boleslaw II im Allgemeinen und speciell von dem hohen Lobe, welches demselben zu Theil wird, nicht besonders viel zu halten ist. Es ist hiebei das Ergebniss zu Tage gefördert worden, dass Cosmas, der von diesem Herzog nichts in Erfahrung gebracht hat, als was er etwa in einem Prager Necrolog, in kurzen annalistischen Aufzeichnungen oder in der Adalbertslegende des Canaparius fand, seine Unkenntniss hinter Phrasen versteckt, die er wortgetreu der Characteristik entnommen hat, die Regino von Prüm dem Ostfrankenkönige Ludwig dem Deutschen zu Theil werden liess.

1) Palacky, Geschichte von Böhmen 1, 225.

2) Studien zu Cosmas von Prag. Ein Beitrag zur Kritik altböhmischer Geschichte, Archiv für öst. Gesch. 61, 8 f.

Mittheilungen II.

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