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Unter den vielfachen Argumenten, die seit Thausing für einen ersten Aufenthalt Dürers in Venedig um das Jahr 1494 in's Feld geführt worden sind, nehmen ohne Zweifel die von Franz Wickhoff im dritten Heft des ersten Bandes dieser Zeitschrift beigebrachten eine hervorragende Stellung ein. Und in der That ist es wohl kaum möglich schwerwiegendere Gründe für die erste italienische Reise geltend zu machen, als den nachweisbaren Einfluss der Antike auf denjenigen Künstler, der sich auch während seines zweiten Aufenthaltes in Venedig hartnäckig den italienischen Eindrücken verschloss und bei aller Würdigung der welschen Kunst voll und ganz ein Deutscher blieb.

Reminiscenzen an die Antike, ja selbst an lokale Eigenthümlichkeiten der Lagunenstadt finden sich, wie Wickhoff nachgewiesen, mehrfach in Zeichnungen und Formschnitten, die vor die Jahre 1505-1507 fallen. Wir finden sie in der Apokalypse, im Marienleben und endlich im Kupferstich Adam und Eva von 1504.

Wie Wickhoff in übersichtlicher Zusammenstellung gezeigt hat, lässt sich die leicht bewegte zierliche Pose des Adam in den Studien Dürers vor und nach der Entstehung des Kupferstichs verfolgen. Ohne die Zusammengehörigkeit der bei Wickhoff aufgeführten Studien in Frage zu stellen, wollen wir doch den Versuch machen, dieselben auf zwei verschiedene Urbilder zurückzüfuhren.

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Die Beinstellung ist im Allgemeinen die gleiche und nur die Haltung der Arme weicht auf dem kopflosen Act der Uffizien (Fig. a.) und der von Wickhoff nicht angezogenen, mit 1514 datirten Berliner Zeichnung (Fig. b.) von den übrigen Proportionsstudien und den Entwürfen zum Adam und Apollo ab.

Die Berliner Zeichnung steht mit dem Florentiner Skizzenblatt offenbar in Zusammenhang und ist sehr wahrscheinlich nur eine Reminiscenz an dasselbe. Dürer mag im Jahr 1514 gelegentlich der auch von Thausing angenommenen Revision seiner Zeichenmappen 1) das Blatt mit Monogramm und Jahreszahl versehen haben. Jedenfalls ist es vor 1514 entstanden. Zu dieser Annahme berechtigt vor Allem der Umstand, dass die Berliner Zeichnung gewissermassen als die verbesserte Wiederholung der Florentiner erscheint. Auf der Zeichnung der Uffizien musste der Kopf fortgelassen werden, weil er mit dem Kopf des auf demselben Blatt befindlichen Pferdes in Collision kam. Der linke Arm erhielt eine mehr gestreckte Lage als in der späteren Wiederholung, weil er sonst in den weit ausladenden Brustharnisch des Streitrosses gerathen wäre. So fällt er nur mit der Spitze desselben zusammen. Neben dem Act nun, über dem liegenden Kinde deutete Dürer mit wenigen Federstrichen eine mantegneske Blattbildung für dieselbe Körperhaltung an. Auf der Zeichnung mit der Jahreszahl 1514 ist der Kopf hinzugefügt, der linke Arm erhoben und der Körper mit den bei Mantegna bräuchlichen Pflanzengebilden bedeckt.

Thatsächlich findet sich das Vorbild dieser Gestalt bei Mantegna, nämlich auf dem Bacchanal mit der Kufe B. 19. Die Pose des Jünglings mit dem Füllhorn (Fig. c.) links von der grossen Weinkufe ist genau dieselbe wie auf Dürers Zeichnung im Berliner Kabinet, der Kopf in der gleichen Verkürzung von unten gesehen und der linke Arm erhoben. Zum Ueberfluss scheint sogar Mantegnas Art die Schattenparthien durch schräge Parallelschraffirung zu geben nachgeahmt; wenigstens ist das Bestreben unverkennbar, wenn sich auch die flachen schwunglosen Linien der italienischen Stichweise unter Dürers geübterer Hand leicht biegen und dem Körper grössere Modellirung verleihen.

Aus dem Vorstehenden erhellt somit, dass das Studienblatt der Berliner Sammlung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht 1514 entstand, sondern mindestens ein Jahrzehnt früher. Vielleicht sogar gehen wir nicht fehl, wenn wir diesen Zeitraum doppelt nehmen.

1) Thausing, Dürer p. 87.

So erhielten wir das Jahr 1494, und in diesem copirte Dürer auch den Tritonenkampf und das Bacchanal mit dem Silen B. 17 und 20 nach Mantegnas Stichen.

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Werfen wir nun einen Blick auf den Adam des Kupferstichs, oder besser auf die bei A. R. v. Lanna in Prag befindliche Zeichnung dazu aus demselben Jahre 1504 (Fig. e.), so wird sich auch dem widerstrebendsten Auge die ganz auffallende Aehnlichkeit mit einem der vornehmsten Werke der antiken Kunst, mit dem Apoll vom Belvedere (Fig. f.) aufdrängen.

Wohl mag dieser Gedanke, dem unseres Wissens bisher noch nicht öffentlich Ausdruck gegeben wurde, von Vielen als gar zu barock zurückgewiesen werden; dennoch wollen wir versuchen für die Annehmbarkeit unserer Hypothese (denn eine solche bleibt es immerhin) einige Gründe anzuführen.

Der Apoll vom Belvedere wurde gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Porto d'Anzo, dem alten Antium gefunden und zwar, wie der Stich von Marcanton B. 330 beweist, wohlerhalten bis auf die fehlende linke Hand und die Finger der Rechten. Als Dürer nun im Jahre 1494 in Italien weilte, mögen Zeichnungen des berühmten Fundes auch nach Venedig gedrungen sein, und der deutsche Meister kann deren eine für seinen Adam benutzt haben. Er ergänzte die Finger der rechten Hand, die den Apfel hält, und liess die Linke den Baumast umfassen. Dass er dem antiken Gott einen modern deutschen Kopf aufsetzte, kann nicht befremden. Dürer hat stets seine Eigenart auch als Copist bewahrt und hier copirte er nicht, sondern entlehnte nur was ihm zusagte.

Die Aehnlichkeit mit der antiken Statue lässt sich natürlich auch auf die Zeichnung des Apollo im British Museum (Fig. d.) ausdehnen.

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