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rieren muß. Und nur das eine möcht ich hier betonen: wenn der 'Albertus scolasticus' von 1217 und der von 1251 wirklich dieselbe Person sind, dann kann diese nicht, was Baesecke S. 375 immerhin für möglich hält, 1190 'mit 20 Jahren' die Metamorphosen begonnen haben: es war 'Meister Albrecht' der sie schrieb; ein angehender, blutjunger Stiftsgeistlicher wäre mit dieser Arbeit nicht betraut worden.

Zur Überlieferung des Herbort von Fritzlar.

Von

Edward Schröder.

Vorgelegt am 30. März 1909.

Daß wir, wenn die deutsche Litteraturgeschichte des Mittelalters wirklich zu einer Geschichte der geistigen Kultur unserer Vorfahren ausgebaut werden soll, auch die äußere Überlieferung der einzelnen Werke genauer studieren müssen, ist wohl allgemein zugestanden, aber selten beherzigt worden. Ich könnte reichlich Belege anführen, daß sich Fachgenossen die Frage, ob etwa ein Werk auf den engsten Kreis des Verfassers oder Bestellers beschränkt geblieben sein könnte, gar nicht vorgelegt haben. Die Bekanntschaft und Beschäftigung mit den Dichtern der mhd. Blütezeit und den Epigonen im ganzen und im einzelnen räumlich und zeitlich zu umgrenzen, ist durchaus keine gleichgiltige Aufgabe - aber was ist zu ihrer Bewältigung bisher geschehen? Die Epen Wolframs von Eschenbach, das weiß man wohl, sind viel weiter nach Norden und Osten gedrungen, als die epischen Dichtungen des Konrad von Würzburg; aber auch für Süddeutschland ist nichts verkehrter, als etwa die stillschweigende Voraussetzung, daß der stilistische Einfluß des fruchtbaren Baselers Dichters immer von seinen Werken selbst ausgehen müsse, und die naive Annahme, daß ein beliebiger Dichter vom Ende des 14. Jahrhunderts alle oder so gut wie alle Dichtungen Konrads bequem gelesen haben könne. Ich habe oben S. 81 ff. für Albrecht von Halberstadt wahrscheinlich zu machen gesucht, daß es die Originalhs. seiner Metamorphosen war, welche dem Jörg Wickram vorgelegen hat, und daß die Oldenburger Pergamentblätter einem Kodex entstammen, der

in der zweiten Hälfte des 13. Jh.s direkt aus dem Original schöpfte und dann frühzeitig an einen kleinen norddeutschen Hof gelangt ist. Damit ist nicht das litterarhistorische Interesse, wohl aber die geschichtliche Bedeutung des Werkes eingeschränkt. Hier will ich vorlegen, was sich über die Verbreitung des dem Jechaburger Ovidverdeutscher nahestehenden ältesten deutschen Bearbeiters der Trojanersage ermitteln läßt: es ist nicht viel, und obendrein manches unsicher, aber nicht nur Resultate, auch Erwägungen können förderlich sein. Und da Herbort zu den Autoren gehört, von denen nur ihre eigene Überlieferung und kein direktes Zeugnis der Zeitgenossen und der Nachfolger Kunde gibt, so verdienen es die Hss., daß wir ihnen abfragen was immer sie uns sagen können.

Die einzige Hs. die uns Herborts 'Lied von Troja' vollständig überliefert, ist der Heidelberger cod. Pal. germ. 368, welcher 1333 in Würzburg entstanden ist (zuletzt beschrieben bei Behaghel, Eneide S. V und bei Bartsch, Heidelberger Handschriften S. 110). Hier steht die Dichtung sehr passend vor der 'Eneide', und der Schreiber, welcher den Herbort (für den Deutschordensritter Wilhelm von Kirweiler aus dem Elsaß) von der ersten bis zur letzten Zeile geschrieben hat, ist auch an der auf zwei Kopisten verteilten Abschrift des Heinrich von Veldeke beteiligt.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß das 'Lied von Troja' als eine ergänzende Vorgeschichte zu Veldekes Aeneis von Herbort übersetzt wurde und als solche vom Landgrafen Hermann geradezu in Auftrag gegeben war. Danach wär es an sich wohl möglich, daß die Editio princeps in demselben Bande mit einer Hs. der 'Eneide', also mit einer solchen von originaler Abkunft und guter Textgewähr, ans Licht trat. So und nicht anders ist im Anfang des 12. Jh.s die 'Exodus' publiziert worden: als eine Fortsetzung der 'Genesis', die wohlgemerkt! reichlich ein Menschenalter älter war1).

Aber wenn Baesecke Recht behielte mit seiner frühen Datierung Albrechts und Herborts (Zs. f. d. Alt. 50, 377 ff.), dann wäre auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß man am thüringischen Hofe nach Vollendung der 'Eneide', die B. (S. 380) nicht abgeneigt ist in dasselbe Jahr 1190 zu legen, in welchem Albrecht und Herbort ihre Arbeit begonnen haben sollen, alsbald eine 'Gesamtausgabe' veranstaltete, in der "Trojanerkrieg' und 'Eneide'

1) Etwas anders liegen die Verhältnisse bei 'Recht' und 'Hochzeit sowie bei 'Erinnerung' und 'Priesterleben'.

gleichzeitig vor ein größeres Publikum hintraten, nachdem sich an Veldekes Dichtung wohl bereits ein engerer Kreis erfreut hatte. Das wäre also ein Editionsverhältnis, wie es bei 'Nibelungenlied' und 'Klage' tatsächlich vorliegt: es gibt bekanntlich keinerlei Anhalt dafür, daß eines dieser beiden Werke, so wie wir sie kennen, jemals für sich ediert worden sei.

Freilich wär es dann merkwürdig, daß von den sieben vollständigen Handschriften der 'Eneide' nur die eine Heidelberger Pergamenths. den Herbort festgehalten hätte, aber zu erklären wäre eine solche nachträgliche Abstoßung allenfalls (auch die 'Klage' ist ein paarmal aus jüngern Nibelungenhss. fortgeblieben), und es gibt einen scheinbaren Anhalt, wenigstens eine zweite derartige Handschrift (Herbort und Veldeke) zu erschließen.

Mit der Heidelberger Hs. H der Eneide aufs engste verwandt ist, wie ihr Entdecker sofort erkannte und Behaghels Stammbaum S. XXXVI ausweist, die Eybacher Papierhs. des 14. Jh.s, E, über welche zuerst F. Pfeiffer, Quellenmaterial zu altdeutschen Dichtungen I, 16 ff. gehandelt hat. Ich hätte sie gern persönlich eingesehen und mit der von Heidelberg freundlichst hergesandten Hs. H konfrontiert, aber laut einem Briefe des Herrn Grafen K. von Degenfeld-Schonburg (vom 2. 3. 09) war der Kodex 'trotz gründlicher Nachforschung nicht zu finden'. In E hat die 'Eneide', welche den einzigen Inhalt der Hs. bildet, eine Einteilung in (6) Distinctiones (s. die genauen Angaben bei Behaghel S. III): eben diese Einteilungsweise in Leseabschnitte, die mir sonst aus den Hss. altdeutscher Dichtwerke nicht weiter bekannt ist, treffen wir in dem 'Trojanerlied' der Hs. H— in der 'Eneide' fehlt sie hier.

Es ist aber so gut wie sicher, daß in der gemeinsamen Vorlage von HE (Behaghels Y') auch die Eneide diese Bezeichnung größerer Textabschnitte hatte 1). Zunächst fallen nämlich die Textabschnitte in E (mit einer Ausnahme) mit den einzigen durch große Initialen markierten Absätzen in H zusammen; es finden sich diese zweifarbigen Initialen außer im Eingang (Bl. 120′ Sp. a., V. 1) an folg. Stellen:

=

H Bl. 136 Sp. a, V. 2529
H Bl. 143 Sp. b, V. 3741
H Bl. 176 Sp. a, V. 7965 =

E 'Distinctio secunda'

E 'Distinctio tertia'

E 'Distinctio quinta'

H Bl. 181 Sp. b, V. 9735 = E 'Distinctio sexta'.

Die große Initiale für 'Distinctio quarta' V. 5001 ist von dem Abschreiber (B) nicht beachtet worden. An den beiden letzten

1) Das hat schon Bartsch, Heidelberger Hss. S. 110b unten ausgesprochen.

Stellen aber, wo derselbe Schreiber (A) wie beim Herbort tätig war, ist vor dem Absatz noch eine Zeile freigelassen: in diese sollte der Rubricator das 'Distinctio quinta' resp. 'D. sexta' einfügen, so wie wir es ein paarmal im Herbort ausgeführt sehen (s. u.).

Hat also die 'Eneide' der Vorlage von H diese Einteilungsweise höchst wahrscheinlich besessen, so läßt sich für den "Trojanerkrieg' in H direkt beweisen, daß der Schreiber sie, in nachlässiger Weise, aus seiner Vorlage übernahm. Von den 21 Distinctionen, in welche die Dichtung Herborts eingeteilt war, sind nämlich nur 10 mit Zahlen versehen, diese Zahlen aber sind immer in Ordnung:

.II..... VIII.X..XIII XIIII. XVI XVII XVIII XVIIII XX. Dazu ist die Art der Bezeichnung ganz verschieden. Die Einrichtung der Vorlage war unzweifelhaft die, daß vor jedem durch eine größere (zweifarbige) Initiale markierten Abschnitt eine Zeile freiblieb, in welche der Rubricator die genaue Bezeichnung der Distinctio eintrug. Ausgeführt ist dies aber in H nur zweimal: vor V. 7657 (Bl. 50 Sp. a) steht das Rubrum Distinctō X, vor V. 10429 (Bl. 67 Sp. b) ebenso Distinctō XIII. In weitern 8 Fällen ist die Numerierung zwar mit kleinen Lettern. rechts neben oder über der Zeile für den Rubricator vorgemerkt, aber von diesem nicht ausgeführt worden, also nicht bei V. 1233 (Scd distico), 6053 (VIIIo distīcō), 11135 (XIIII di.), 13141 (. XVI.), 13873 (XVII), 14983 (XVIII), 15840 (XVIIII distō), 16726 (XX. do).

Bei 11 Abschnitten (s. oben die Punkte) fehlt also die Zahl ganz. Damit sind aber die Unsauberkeiten noch nicht zu Ende. Die Überschriftzeile ist, wie bemerkt, in zwei Fällen ausgefüllt, in 13 Fällen leer geblieben, aber in 6 Fällen hat schon der Schreiber vergessen sie frei zu lassen, und bei zweien davon fehlt auch die größere Initiale: der Einschnitt bei V. 13141 (Bl. 85' Sp. a.) wird durch die Zahl . XVI. gesichert, für den Beginn der 7. Distinction aber sind wir auf die Vermutung angewiesen, denn hierfür fehlt Freizeile, Zahl und Initiale: sie kann mit V. 4601 (Bl. 30 Sp. b) und mit V. 4629 (Bl. 30 Sp. a) begonnen haben.

Wir haben also konstatiert, daß die 'Distinctionen' des Herbort aus der Vorlage von H stammen, und daß die Vorlage von H für Veldeke gleichfalls 'Distinctionen' bot, die in E erhalten sind, in H nur Spuren hinterlassen haben. Danach steht zunächst fest, daß die Vorlagen beider Werke aus der gleichen Schreibstube stammen daß sie von dem gleichen Schreiber herrührten, dagegen besteht ein leises Bedenken: beim Trojanerkrieg' entfällt

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