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Worte des Philochoros zeigen nur eine leichte literarische Umgestaltung; man erkennt wie diese archaisierende und erklärende Kalender-Literatur aus der Inschrift hervorwächst. Etwas jünger mag der Versuch des Simmias von Rhodos sein, den dorischen Kalender in poetischer Form und mit ähnlichen Erklärungen zu bieten. Als Titel wählte er bekanntlich Mives. Die hellenistische Literatur wächst hier aus der attischen, die poetische aus der prosaischen hervor.

Die in jedem Monat wiederkehrenden heiligen oder doch bedeutungsvollen Tage müssen in einem solchen Werk bei dem ersten Monat besprochen werden; es ist nur natürlich, wenn Philochoros die Bedeutung der tetpás im ersten Buche auseinander setzte (Fr. 1). Genau so verfährt ja Verrius in den Fusti Praenestini, an die wohl jeder Leser schon gedacht hat; auch er wird in der Buchausgabe, die ich mit Mommsen annehme, weit mehr auf das Privatleben eingegangen sein, als in der offiziellen Inschrift. Den Beweis bietet Ovid. Daß wir den Zusammenhang dieser römischen Kalenderliteratur mit der griechischen jetzt einigermaßen erkennen, scheint mir der Hauptgewinn aus dem neuen Philochoros-Fragment.

Eine Einzelheit, welche vielleicht beleuchtet, wie die ganze Technik der Erklärung von dem griechischen Vorbild mitbeeinflußt ist, sei es erlaubt, herauszugreifen, um ein vernachlässigtes Fragment des Varro dabei zu erläutern, welches sich bei Johannes Lydus de mens. IV 2 (p. 64, 18 Wünsch) findet: 6 Báppov èv tỷ τεσσαρεσκαιδεκάτῃ τῶν θείων πραγμάτων φησὶν αὐτὸν (den Janus) παρὰ Θούσκοις οὐρανὸν λέγεσθαι καὶ ἔφορον πάσης πράξεως, καὶ Ποπάνωνα διὰ τὸ ἐν ταῖς καλένδαις ἀναφέρεσθαι πόπανα. Den lateinischen Namen hat Agahd (Jahrbb. f. Phil. u. Paed. Supplem. XXIV 120) richtig erkannt; er kann, da das пóлavoν des Janus den Namen Ianual führt, nur Ianualis sein. Die Verwendung des Namens zeigt Ovid Fast. 1, 125:

praesideo foribus caeli cum mitibus Horis,
it redit officio Iuppiter ipse meo.
inde vocor Ianus, cui cum Ceriale sacerdos
imponit libum1) farraque mixta sale,

nomina ridebis, modo namque Patulcius idem

et modo sacrifico Clusius ore vocor.

hilft er wenigstens die Existenz derartiger Inschriften in der Zeit vor Philochoros bezeugen.

1) Also das ianual.

Die Gebetsformel bei diesem ersten Opfer war also (Iane) lanualis Patulci Clusi. Hierfür spricht auch Verrius, der in den Fasti Praenestini den Monatsnamen Ianuarius von dem Beinamen des Gottes Ianualis ableitet: (appellat)ur in Latio - (sacrific)at libo, quod (ianual vocatur). Weil die griechischen Exegeten den runden Opferkuchen mit dem Himmel verglichen, war Varro überzeugt, daß sich selbst in der durchsichtigen Formel Ianualis Patulci Clusi das erste Wort nur auf den Himmel und sein Abbild, den Kuchen, beziehen könne. So löste er es von den folgenden, eng anschließenden Worten los, was Verrius wenigstens nicht ganz getan hat, wenn er auch die Deutung auf die Himmelstüren mit annahm. Wie dann Janus als Himmelspförtner dem Alóv angeglichen ward, muß ich an anderer Stelle auszuführen suchen.

De scismate Grandimontanorum

(vier lateinische Rythmen von 1187).

Von

Wilhelm Meyer aus Speyer

Professor in Göttingen.

Vorgelegt in der Sitzung am 17. März 1906.

Die von Schmeller 1847 herausgegebenen, sogenannten Carmina Burana, d. h. die aus dem Kloster Benedictbeuern nach München gekommene lateinische Handschrift 4660 (13. Jahrh.), enthalten den reichsten und wichtigsten Schatz mittelalterlicher weltlicher Lyrik in lateinischer Sprache. Dieses Gold mittelalterlicher Lyrik ist zur Zeit etwas verdunkelt durch den Unfug, welcher seit Giesebrecht in diesem Literaturgebiet mit den 'Vaganten' getrieben wird: doch jedenfalls bringt uns diese Sammlung viele herrlichen lyrischen Gedichte in herrlichen Formen. Ueber die Handschrift und die ganze Sammlung dieser Lieder, wie über ihre schönen Formen habe ich schon Mancherlei geschrieben, vgl. die Fragmenta Burana in der Festschrift der Gesellschaft d. Wiss. 1901, dann den Index meiner Ges. Abhandlungen zur mittellateinischen Rythmik II S. 394, allein immer schmerzlicher habe ich empfunden, wie unzulänglich die öfter nachgedruckte Ausgabe Schmellers ist. Sowohl für die Gestaltung des Textes wie für das Verständniß der Gedichte ist theilweise Vieles theilweise. Alles noch zu thun. Die Aufgabe des Philologen ist es, das Gestrüpp zu beseitigen, welches die Jahrhunderte hier haben wuchern lassen, und für jedes Lied sowohl den Plan möglichst klar zu machen, nach dem es einst entworfen worden ist, wie die Art, wie dieser Plan im Einzelnen ausgeführt ist. Diese Aufgabe ist schön, aber bei den Carmina Burana ist ihre Ausführung

Kgl. Ges. d. Wiss. Nachrichten. Philolog.-histor. Klasse 1906. Heft 1.

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ungemein mühsam und schwierig. Jedes dieser Lieder ist ein Einzelwesen; der Ursprung wie die Ueberlieferung eines jeden Liedes kann ganz anders sein als der Ursprung und die Ueberlieferung aller anderen.

Gut der 4. Theil dieser Lieder kommt auch in anderen Handschriften vor: aber wie gewöhnlich bei Volksliedern, so weichen auch bei diesen Liedern die verschiedenen Abschriften oft gewaltig von einander ab. Nicht nur kommen viele verschiedenen Fassungen einzelner Ausdrücke zum Vorschein, sondern in den einzelnen Abschriften sind oft Zeilen oder Strophen weggelassen oder zugesetzt oder umgesetzt; oft sind 2 Gedichte wie eins geschrieben, oft ist 1 Gedicht in 2 getrennt. Deßhalb ist eine Vergleichung der verschiedenen Abschriften die unentbehrliche Grundlage für weitere Untersuchungen. Hier besonders gilt der Satz, daß eine gute Handschrift mehr werth ist als der Scharfsinn vieler Gelehrten.

Die hier zusammengestellten Lieder besingen weltliche Gegenstände jeder Art: die meisten besingen die Liebe, viele Wein und Wirthshaus, etliche das Vagantenleben; andere betreffen die Launen des Glückes, Geiz, Ueppigkeit, Hofleben, Simonie und Verderbtheit der Geistlichen, Kreuzzüge; dazu gesellen sich Schauspiele über Christi Geburt oder Leiden und Auferstehung. Ebenso bunt sind die Formen der Lieder, für welche der Sammler ganz besonderes Interesse hatte: schlichte Lieder in gleichen Zeilen und Reimpaaren, Lieder in kunstreich aufgebauten Strophen, Sequenzen, Leiche, ja Singspiele, zusammengefügt aus ganz verschiedenen Strophen und Liedarten. Allein diese Sammlung ist nur eine Auslese, die gewiß durch viele Zufälle bestimmt worden ist. Wie vom Archipoeta nur die Confessio ganz und aus anderen Liedern nur einige Bruchstücke hier vorkommen, welche ohne Kenntniß der Göttinger Sammlung nur halb verständlich wären, so steht es mit vielen Gedichten dieser Sammlung. Das Verständniß ihrer Formen oder ihres Inhalts ist vielfach bedingt durch die Kenntniß der anderen weltlichen Rythmen aus dieser Blüthezeit der mittellateinischen Dichtung. Deßhalb ist zum Verständniß der Sammlung der Carmina Burana vielfach nothwendig die Kenntniß der übrigen mittellateinischen weltlichen Lyrik, welche ja von Wright, Mone und Duméril nur theilweise bearbeitet worden ist.

Die derartigen Lieder sind freilich meistens ohne Namen der Dichter oder mit Decknamen wie Golias, Primas, Archipoeta in die Handschriften geschrieben, und meistens, um diese oder jene leere Stelle zu füllen. Deßhalb ist es zunächst mühsam und schwierig, in den Handschriften-Katalogen die einzelnen Abschriften

aufzufinden, dann wird es der freundlichen und nachsichtigen Hilfe der Bibliotheksvorstände bedürfen, um die einzelnen Abschriften ausnützen zu können.

Welch verschiedene Verhältnisse oft bei dieser Arbeit ineinander greifen, dafür können die folgenden vier Rythmen ein Beispiel geben.

(D) Die Handschrift der Carmina Burana, der Codex latinus Monacensis 4660, enthält auf Bl. 6b ein Gedicht 'In Gedeonis area', 6 Strophen über einen Streit im Orden von Grandmont. Dasselbe Gedicht findet sich in der Handschrift in Oxford, Bodleianus Add. 44 Bl. 126 als no 77; doch fehlt hier eine Strophe und eine andere Strophe ist umgesetzt. In der Historia prolixior priorum Grandimontensium (Martene, Ampl. Collectio VI Sp. 128/9) ist zu 1217 gesagt, dies Gedicht, von dem eine sonst unbekannte Schlußstrophe (bei meinem Abdruck, die 7. Strophe) ausgeschrieben ist, sei damals gedichtet worden; darnach haben manche Neueren den hier berührten Streit um das Jahr 1217 gesetzt.

(IV) Da der Inhalt des eben erwähnten Rythmus mir vielfach dunkel blieb, freute ich mich zu sehen, daß B. Hauréau in den Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque Nationale XXXII, part. I p. 279 (= Hauréau, Notices et extraits VI 1893 p. 303) einen andern Rythmus über denselben Streit im Grandmontenser Orden veröffentlicht hat: 'Respiciat Emanuel': no. IV unten. Hauréau hat nur die pariser lat. Hft Nouv. Acquis. 1544 (15. Jahrh.) Bl. 89 abgedruckt, aber er citirte, nach den Monumenta Germ. historica, Scriptores XX 106, eine andere Abschrift aus dem 13. Jahrh. auf dem Umschlagblatt der römischen Hft Casanatensis A. III, 29. Auf meine an den Leiter des preußischen Instituts in Rom, Paul Kehr, gerichtete Bitte hat das Mitglied dieses Instituts Herr Dr. Fedor Schneider diese Hft verglichen, wobei viele und treffliche Besserungen des von Hauréau gedruckten Textes sich ergaben. Solche Besserungen hätte Hauréau freilich näher haben können.

(II III IV) Hauréau citirt nemlich selbst, daß Guibert in dem Werke 'Destruction de l'ordre de Grandmont' 1877 p. 104 aus der 'Complainte satirique sur la querelle des clercs et de convers, qui paraît remonter aux dernières années du XIIe siècle', in der pariser latein. Hft 15009 Bl. 257 und 258, Bruchstücke gedruckt hat. Freilich hatte schon die Histoire litéraire de la France XV 141 citirt: on trouve dans un manuscrit de SaintVictor quatre complaintes (no IV Z. 63-93 ist als neues Gedicht

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