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wahres, tiefes und lebendiges Eindringen in das Wesen der Confessionen unmöglich sey, müsse sich das Verhältniß derselben zu dem Evangelium und den Principien einer christlich erleuchteten Vernunft von selbst herausstellen, und die Uebereinstimmung der einen, so wie der Widerspruch der andern mit allseitig erkannten Wahrheiten sich ergeben. Es sind dieß unstreitig die Grundsätze, die auch vom protestantischen Standpunkt aus als die einzig richtigen anerkannt werden müssen. Ohne daß über den Werth oder Unwerth des einen oder des andern Lehrbegriffs nach einer bestimmten kirchlichen Ansicht voraus ein entscheidendes Urtheil gefällt wird, wird vielmehr Lehrbegriff neben Lehrbegriff, Confession neben Confession nur so gestellt, daß jeder an und für sich der gleiche Anspruch auf Wahrheit zukommt, und erst auf dem Wege der strengsten wissenschaftlichen Untersuchung soll sich ergeben, welchen Vorzug etwa die eine vor der andern haben möge. Kann nun auch, wie natürlich, das Resultat einer solchen Untersuchung immer nur zum Vortheile der Kirche ausfallen, welcher der Untersuchende angehört, so wird doch auch hiemit nur eine Forderung der Wissenschaft erfüllt, da, wie sich von selbst versteht, niemand zu einer solchen Untersuchung schreiten kann, ohne aus wissenschaftlichen Gründen auf der einen oder der andern Seite seine feste entschiedene Stellung genommen zu haben. Diese Stellung macht es aber an sich keineswegs unmöglich, dem gegenüberstehenden Lehrbegriff vor allem die Gerechtigkeit zu Theil werden zu lassen, daß man in ihm eine Wurzel seines Ursprungs anerkennt, aus welcher er als ein freies und selbstständiges Erzeugniß hervorgewachsen ist, das seinem innern Princip nach das gleiche Recht der Eristenz hat, wie andere Erzeugnisse derselben Art, die mit und neben ihm demselben Boden entsprossen sind. Auch Möhler trägt daher kein Bedenken, dem Protestantismus eine solche Wurzel seines Ursprungs zuzugestehen, und hiemit auch die Pflicht des Symbolikers anzuerkennen, die symbolischen Lehrbegriffe in diesen Sinne organisch zu reconstruiren. Weit entfernt, in den Ton einzustimmen, in welchem sonst katholische Schriftsteller über

den innern Gehalt des protestantischen Dogma's und seinen Ursprung aus dem Princip der Reformation abzusprechen gewohnt sind, spricht Möhler (Vorr. S. X.) vielmehr die offene Anerkennung aus, daß gerade aus der wahren Kenntniß des Zwiespalts die Einsicht gewonnen werde, daß derselbe aus dem ernstesten Bestreben beider Theile hervorgegangen sey, die Wahrheit, das reine ungetrübte Christenthum, festzuhalten. Es kündige einen ungemein beschränkten Verstand an, wenn man den Fortbestand der Confessionen (also unstreitig auch den Ursprung derselben) nicht tiefer, als in den niedrigen Motiven des Hochmuths, Uebermuths, eines hohlen Dünkels, einer frivolen Unabhängigkeitsliebe, und andern dergleichen Ursachen, auf welche man von katholischer Seite gar zu gerne zurückgehe, aufsuchen wolle. Im Gegensatz gegen diese unter vielen Katholiken herrschende Meinung hält es Möhler für keinen geringen Gewinn, die Aufmerksamkeit ganz auf die Sache selbst zurückzulenken, und die Ueberzeugung zu fördern, daß innere Intereffen durch den Gegensatz zwischen Protestantismus und Katholicismus vertheidigt werden, eine Ueberzeugung, welche, da sie dem Gegner Ernst und Aufrichtigkeit zutraue, vielfach beruhigende Wirkungen hervorbringen müsse, und auch einzig den Plan zu fördern geeignet sey, welchen die göttliche Vorsehung bei Zulassung eines so schweren Zerwürfnisses im Auge habe. In diesem Sinne spricht Möhler sogar von irenischen Zwecken seines Werkes, die er gerade durch die schårfste und rückhaltloseste Bezeichnung der Gegensätze, bei welcher niemals und nirgends dahin gestrebt würde, dieselben zu verkleiden und zu verhüllen, habe erreichen wollen. Alles dieß kündigt demnach zwar einen sehr entschiedenen, aber in dieser Entschiedenheit eben so sehr nur von einem rein wissenschaftlichen Interesse gez leiteten Gegner an, und der Protestant kann sich daher nur freuen, nunmehr auch in einem katholischen Gegner einer Polemik zu begegnen, welche, frei von allen kleinlichten Interessen und Rücksichten, nur die Sache der Wahrheit im Auge haben will. Das Recht zu dieser Voraussetzung kann man sich auch dadurch nicht nehmen lassen, daß Möhler (Vorr. S. XII.)

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selbst gesteht, zur Herausgabe seiner Symbolik habe ihn auch die Zeiterscheinung bestimmt, daß in Folge des neuesten Umschwungs der Dinge sich auch wieder der alte orthodore Protestantismus erneuert habe: wie dieser gleich anfangs sein Verhältniß zur katholischen Kirche bezeichnet, und sie von seinem Standpunkt aus mit allen ihm zu Dienste stehenden Mitteln bestritten habe, desto mehr stelle sich für Katholiken das Bedürfniß heraus, sich ihm gegenüber genau zu orientiren, und wieder zum klaren Bewußtseyn ihrer Stellung gegen ihn zu gelangen. Es kann das Interesse nur erhöht werden, je mehr man sich vom Standpunkt der Wissenschaft aus in die lebendige Mitte eines im Leben geltenden Gegensahes versezt sicht. Auch in dieser Hinsicht kann es daher dem Protestanten nur erwünscht seyn, wenn er durch eine Polemik, wie die hier sich ankündigende ist, sich veranlaßt sieht, aufs neue einen kritischen Blick auf das System seiner Kirche zu werfen, und sich die ihm nun auch im Interesse der Wissenschaft vom Katholicismus vorgehaltene Frage zu beantworten, auf welchen Grundsäßen und Grundansichten in lezter Beziehung der Gegensatz des Katholicismus und Protestantismus beruhe, und ob der leztere noch immer guten Grund habe, in seiner ursprünglichen Opposition gegen das dogmatische System der katholischen Kirche zu beharren?

In allen diesen sowohl durch den Namen des Werks als durch die ausdrücklichen Erklärungen des Verfassers erweckten Erwartungen sieht man sich jedoch bald genug getäuscht. So richtig und achtungswerth die ausgesprochenen Grundsåke sind, so hångt doch alles davon ab, wie weit ihnen die in dem Werke selbst gegebene Ausführung entspricht, und dadurch erst kann die Frage zur Entscheidung kommen, ob es dem katholischen Theologen eben so möglich ist, wie dem protestantischen, von dem Standpunkt aus, auf welchen ihn seine Kirche stellt, bei der Auffassung und Beurtheilung des entgegenstehenden Lehrbegriffs überall nur das reine, durch keine einseitige und engherzige kirchliche Ansicht getrübte, wissenschaftliche Interesse festzuhalten. Daß Möhler in dieser Hinsicht nicht geleistet hat, was man von ihm zu erwarten berechtigt war, daß das protestantische Dog

ma seiner wahren und ursprünglichen Gestalt nach beinahe durchaus ein ganz anderes ist, als es sich dem Verfasser der Symbolik durch die Vermittlung seines katholischen Standpunkts darstellte, daß eben deßwegen die Scheidung des katholisch· kirchlichen und des rein wissenschaftlichen Interesses nicht so durchgeführt ist, wie es der wissenschaftliche Begriff der Symbolik erfordert, wird die folgende Untersuchung lehren. Aber auch schon in die Darlegung jener allgemeinen Grundsåße hat sich so manches eingemischt, was gleich anfangs das gerechte Bedenken erwecken muß, ob es auch nur die ernstliche Absicht des Verfassers sey, die ausgesprochenen Grundsätze als die seinigen anzuerkennen, und sie durch die That zu befolgen. In der ersten Ausgabe zwar gibt sich in dem einleitenden Theile des Werkes *) noch eine gewisse Vorsicht und Mäßigung zu erkennen, es soll, wie man sieht, vorerst noch alles vermieden werden, was den Protestanten einen zu auffallenden Anstoß geben könnte. Allein schon in der zweiten Ausgabe hat Möhler, wie wenn es nun nach dem ersten gelungenen Versuch nicht mehr eben so nöthig wäre, sich zurückzuhalten, und die angekündigte Rückhaltlosigkeit noch einen andern Sinn håtte, sich weit we niger gescheut, sogleich in seiner wahren Gestalt hervorzutreten. In dem in der zweiten Ausgabe (S. XXI—XXVIII.) neu hinzugekommenen und in der dritten und vierten Ausgabe (Einl. S. 7. f.) unverändert beibehaltenen Abschnitt spricht der Ver= fasser von der Wichtigkeit der Schriften der Reformatoren für die Symbolik, zugleich aber auch von einer sehr beachtenswerthen Differenz zwischen dem Gebrauch katholischer Schriftsteller und der Reformatoren zum Behuf des Beweisens und Erlåuterns in der Symbolik. Die Reformatoren stehen nämlich in einem ganz eigenthümlichen Verhältniß zur Glaubenslehre ihrer

*) Doch ist nicht zu übersehen, daß auch schon die erste Ausgabe (S. 65.) von der tiefen, mit keinem Namen hinlänglich zu be-= zeichnenden, Berkehrtheit der Reformation und von der Sinn, und Verstandlosigkeit des protestantischen Lehrbegriffs (S. 29.) spricht.

Anhånger, in einem ganz andern als katholische Kirchenlehrer zum katholischen Dogma. Luther, Zwingli und Calvin seyen die Schöpfer der unter den Ihrigen geltenden Ansichten, während kein katholisches Dogma auf irgend einen Theologen, als seinen Urheber, zurückgeführt werden könne. Das protestantische Dogma sey mit den Ursachen, die zu seiner Hervorbringung zusammenwirkten, gleich subjektiv, und habe keinen andern Halt und Werth, als eben sie, während dagegen bei den einzelnen katholischen Theologen, da sie das Dogma schon als ein ihnen Gegebenes vorfanden, ihr Besonderes und Eigenthümliches auf das Genaueste von dem Gemeinsamen (dem von der Kirche ausgesprochenen Dogma) zu unterscheiden sey. Den Protestanten müsse diese Auseinanderhaltung überaus schwer fallen, da ihr ganzes System nur ein zum Allgemeinen erhobenes Individuelle sey. Es sey in Luther die ungeordnete Geltendmachung eines Ichs gewesen, welches eigenmächtig als Mittelpunkt hervortreten wollte, um den sich alle sammeln sollen, eines Ichs, welches sich als den universellen Menschen `aufstellte, in dem sich Jedermann zu spiegeln habe, kurz: es fey formell die Erhebung an die Stelle Christi selbst gewesen, der allerdings als Individuum zugleich die erlöste Menschheit repråsentire, ein Vorzug, der lediglich ihm eigen sey, nach ihm aber nur der Gesammtkirche, und zwar übertragen von ihm. In consequenter Entwicklung betrachte sich in der neuern Zeit in immer weitern Kreisen jeder Protestant als einen Christus im Kleinen, und damit nun diese Erscheinung nicht gar zu toll sich herausnahme, habe man die versöhnende Auskunft erfunden, einem jeden das Seine zu lassen, d. h. ihm zu gestatten, fein eigener Erlöser zu seyn, und eben sich selbst zu repråsentiren, als das die erlöste Menschheit Repräsentirende aber nur die äussersten Linien zu betrachten, worin alle Einzelne zusammentreffen. Das Gemeinsame der Protestanten könne jezt nur noch in abstrakten Formeln bestehen, die auch sehr vielen Nichtchristen genehm seyn müssen; da ein jeder sich als Christus benommen habe, sey der wahre Christ, das eigentlich Anstößige für die Welt, nothwendig hinweggefallen; da ein jeder sich

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