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Chronologie der altchristlichen Sarkophage.

Von JOSEPH WILPERT, Rom.

Die älteren Archäologen wie Bosio, Aringhi, Bottari und Boldetti brachten der chronologischen Seite der Skulpturen begreiflicherweise ein geringes Verständnis entgegen. Wenn sie einmal das Alter eines Sarkophags bestimmen, so hat es mehr den Anschein des Ratens, bei dem man mitunter das Richtige trifft, in den meisten Fällen aber irrt.

In neuerer Zeit geht man rationeller vor: man sucht die Datierung durch Gründe zu stützen. Einige davon halten bei einer näheren Prüfung Stand; viele sind jedoch recht problematisch. Der lateranensische Sarkophag 119 mit den ältesten Jonasszenen liefert dafür ein beachtenswertes Beispiel. Nach Wittig stammt er aus dem Beginn des 2. Jahrhunderts, weil der Fischer darauf noch ,,reines Ornament" sei;') Wulff schreibt ihn wegen der ,,schwächlichen Gestaltenbildung, Proportionsfehler und mangelhaften Artikulation" dem,,4.",2) Mitius sogar erst dem,,Ende des 4. Jahrhunderts" zu, und zwar wegen des an die Stelle des Kürbis gesetzten ,,Epheus", der auf die bekannte Kontroverse zwischen den hhl. Hieronymus und Augustinus hinweise, deshalb nur aus jener Zeit sein könne.3) Alle drei Datierungen sind verfehlt; denn es gibt keine zweite Darstellung des Fischers, welche den symbolischen Charakter so offen zur Schau trüge, nur wenige Skulpturen, die so große stilistische Vorzüge besäßen, und wenige, auf denen die Kürbispflanze durch die flaschenförmigen Früchte schärfer

1) Die altchristlichen Skulpturen im Museum des deutschen Campo Santo 16 f. 2) Altchristl. und byzant. Kunst I 105. Zur Charakterisierung dieser Beurteilung der Skulpturen stellen wir diejenige J. Fickers, Lateran 61 gegenüber: ,,Das Ganze ist von vortrefflicher Ausführung. Die idyllischen Motive sind so reizvoll, wie die Freiheit, die in der Behandlung der Hauptszenen waltet." Fast ebenso anerkennend äußert sich V. Schultze, Katak. 177, und Pératé in Michel (Histoire de l'art I 64) schreibt: „C'est encore une œuvre charmante et où la décadence se fait à peine sentir . . ."

3) Mitius, Jonas 48 f, gegen dessen späte Datierung Strzygowski, Kleinasien 197 f protestiert. E. Becker, Quellw under 25 datiert den Sarkophag in die,,1. Hälfte des 4. Jahrhunderts", Leclercq, Manuel II 293 301, wegen der biblischen Szenen in die ,,Friedensperiode".

als Kürbis gekennzeichnet wäre. Der Sarkophag gehört auch nicht in das 3., wie andere glauben, sondern in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts, wie es sich bald zeigen wird.

§ 1. Erschwerende Umstände in der bisherigen Datierung.

Wurde bei dem Sarkophag 119 die unrichtige Zeitbestimmung durch Erwägungen verschuldet, die besonders für diesen Fall gelten, so handelt es sich sonst meistens um Ursachen allgemeinerer Art. Zwei Momente sind es namentlich, welche in der Frage nach dem Alter der Sarkophage bisher einen Stein des Anstoßes bildeten: einmal die These, daß es in den Jahrhunderten der Verfolgungen wenige oder gar keine Werkstätten von christlichen Bildhauern gegeben habe, und dann die Reliefs des konstantinischen Triumphbogens, d. h. die mit ihm gleichzeitigen. Nur unter dem Einfluß jener These war es beispielsweise möglich, daß ein Sarkophag wie der von der Via Salaria mit der Darstellung des katechetischen Unterrichts von einem hervorragenden italienischen Kunsthistoriker ,,der Zeit Konstantins" zugeschrieben wurde;1) und die Reliefs des Triumphbogens Konstantins haben es verschuldet, daß ein deutscher Gelehrter, von Alois Riegl verleitet,2) den Sarkophag des Junius Bassus, trotzdem derselbe die Depositions-Inschrift des Verstorbenen aus dem Jahre 359 trägt, „in die antoninische Zeit" verwies, und daß eine so abnorme chronologische Schätzung nicht bloß Beachtung,) sondern sogar begeisterte Anerkennung finden konnte.")

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Als drittes Hindernis in der Chronologie nennen wir das bei einer ganzen Klasse von Gelehrten vorherrschende Bestreben, alle höhere und bessere Kunstbetätigung in den Bann des Orients zu zwängen. Was ist nun von den drei Hindernissen zu halten?

A. Leugnung christlicher Skulpturen vor Konstantin.

Die These von der geringen Zahl christlicher Bildhauerwerkstätten in den drei ersten Jahrhunderten enthält zwar ein Körnchen Wahrheit, ist aber in hohem Grade einzuschränken. In unserer Frage fällt sie jedenfalls gar nicht ins Gewicht. Wie wir anderswo zeigen werden, gab es schon im 2. Jahrhundert vatikanische, salarische und appische Werkstätten, die christliche Sarkophage verfertigten. Wenn daher 1) Adolfo Venturi, Storia dell'arte I 419.

2) Riegl, Spätrömische Kunstindustrie 93 f.

3) J. E. Weis-Liebersdorf, Christus- und Apostelbilder 83 16 f. 89. 4) Wittig, Campo-Santo 13 ff.

5) J. Strzygowski in Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 19. Januar 1903.

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A. de Waal in seiner 1900 erschienenen Monographie über den Bassussarkophag (S. 8) erklärt, „daß es in der vorkonstantinischen Zeit kaum eine christliche Skulptur gab," so benötigt ein solcher Ausspruch ebensowenig einer Wiederlegung, wie das nicht viel günstigere Urteil V. Schultzes1) und O. Marucchis.2)

Gegen die These im Allgemeinen haben sich schon einige Gelehrte erhoben. René Grousset ist der erste, der in seiner Studie über die christlichen Sarkophage viele Skulpturen in die vorkonstantinische Zeit datiert.3) Unter den späteren hat sich Alois Riegl mit dieser Frage am ausführlichsten befaßt. Auch er legt für die Existenz von vorkonstantinischen Offizinen christlicher Bildhauer in Rom eine Lanze ein. Leider beurteilt er die Skulpturen lediglich vom Standpunkt des Ästheten und läßt die Archäologie viel zu wenig zu Worte kommen. Er berücksichtigt auch nicht alles an einem Kunstwerk, sondern nur, was gerade mundgerecht vorliegt. Das Bedenkliche seines Vorgehens erhellt besonders aus seiner aprioristischen, gewaltsamen Datierung des Bassussarkophags, bei der er, dank seiner Hintansetzung aller archäologischen Grundsätze, selbst den Ort, an welchem die Inschrift angebracht ist, verdächtigen konnte und sich um den Deckel gar nicht kümmerte, als wäre das eine Bagatelle. Überhaupt haftet er zu sehr am Äußern, an der Oberfläche der Bildwerke; der Inhalt, die Seele, wird als Nebensache behandelt, und wenn er ihn einmal streift, geschieht es in möglichst schiefer Weise, sodaß er in den Darstellungen Dinge sieht, die diesen fremd, und solche übersieht, die darin enthalten sind. Deshalb begreift es sich, daß die Sarkophage, die er (neben den auch von andern schon als älter anerkannten) für die Periode der Verfolgungen in Anspruch nimmt, sämtlich aus dem 4. Jahrhundert, die meisten sogar aus der 2. Hälfte stammen.

1) Archäol. d. christl. Kunst, München 1895, 245: „Nur weniges davon führt in die vorkonstantinische Zeit zurück. Das 4. und das 5. Jahrhundert, letzteres noch mehr als das erstere, leben darin fort.“

2) Nach Marucchi (Laterano 6) sind die Sarkophage,,,allgemein gesprochen, nicht vorkonstantinisch, bloß sehr wenige aus dem 2. und 3. Jahrhundert." Für die spätere Zeit stellt er folgende Regel auf: „Nur die besten können der Periode Konstantins zugewiesen werden; die weniger eleganten sind aus der 2. Hälfte des 4., und die am meisten vernachlässigten - i piu trascurati aus dem 5. Jahrhundert." Auch Ch. Bayet läßt die christliche Skulptur erst mit dem Frieden Konstantins beginnen: „Ce fut seulement après le triomphe du christianisme, que l'usage se répandit de sculpter sur les bas-reliefs funéraires des sujets exclusivement chrétiens" (Recherches 27 f.) Einen vielversprechenden Anlauf zur Chronologisierung der Sarkophage nahm Ohlsen in Venturis L'Arte 1906, 81-95; er ist aber unterwegs stecken geblieben.

3) Etude sur l'histoire des sarcophages chrétiens, Paris 1885, 13 f. 16 18 25 30 45 47 51 54 f. 57 ff. 61 f. 65 f. 68 ff.

A. Riegls Art, die christlichen Skulpturen zu datieren. fand bei vielen Anerkennung, und nicht am wenigsten bei L. von Sybel, dessen Abbildungen von Sarkophagen, die er dem zweiten Band seiner ,,christlichen Antike" beigegeben hat, ebenfalls in einer chronologisch geordneten Serie vorgeführt sind. Er beschränkt sich aber nicht, wie A. Riegl, auf die stilkritischen Merkmale, sondern zieht unter anderem auch die Haartracht, den Bart und die Gewandung, letztere allerdings mit so vielen Verwechselungen heran, daß ihm aus diesem Detail nicht immer der Vorteil erwachsen ist, den er daraus hätte gewinnen können. Als „Anfänger" in der christlichen Archäologie, als den er sich selbst qualifiziert,1) ist er natürlich viel auf andere angewiesen. Da hängt nun alles davon ab, wer diese andern sind. Ist es z. B. A. Riegl, so bewahrheitet sich, wir sagen zwar nicht der Vorder-, wohl aber der Nachsatz von Mt 15, 14:,,ambo in foveam cadunt." Dazu nimmt er mitunter es auch nicht so genau mit der Untersuchung der Skulpturen auf Ursprünglichkeit und Ergänzungen hin, was zu allerlei unliebsamen Überraschungen führt. Wir werden denn auch sehen, daß namentlich seine Chronologie einer Revision bedarf.

B. Die Reliefs des Triumphbogens Konstantins.

Die Reliefs des Triumphbogens Konstantins haben bei den Archäologen und Kunsthistorikern bekanntlich eine verschiedene Beurteilung und Verwendung gefunden. Wir können sie nur in soweit berücksichtigen, als sie mit den Skulpturen der christlichen Sarkophage in Verbindung gebracht worden sind. Nach J. Ficker,,zeigt schon ein Vergleich des Grabes des Junius Bassus mit den Reliefs . . ., daß von einem einheitlichen Charakter und einer einheitlichen Entwicklung der altchristlichen Plastik in Rom nicht gesprochen werden kann.“2) ,,Das heißt aber so ungefähr auf die Anwendung der stilkritischen Methoden verzichten", bemerkt dazu L. von Sybel.3) Doch so ganz hat Ficker in seinem Versuch, die Sarkophage chronologisch zu ordnen, darauf nicht verzichtet. Nur kann sich sein System schon deshalb nicht auf den Beinen halten, weil der eine der zwei Sarkophage, um die er die übrigen gruppiert, der berühmte mit der Darstellung der Trinität, von ihm unrichtig datiert ist.

Die Reliefs sind, von der künstlerischen Seite genommen, ein überaus wertvoller Markstein, weil sie den größten Tiefstand anzeigen, in welchen die profane Plastik zu Anfang des 4. Jahrhunderts herab

1) A. a. O. II 198.

2) Lateran 47.
3) A. a. O. II 167.

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