suchte, desto mehr aber dass er über den Kindern dieser Verbindungen seine Landeskinder vergass und ihr Wohl oft auf ziemlich gewissenlose Weise hintansetzte, um das jener Sprösslinge zu fördern. Noch jung und rührig, vom Schaffenstrieb beseelt, noch ungeschwächt von Sinnlichkeit, und freier von unmittelbarem, pfäffischen Einfluss, führte, wie seine Schmeichler rühmend verkündeten, Karl Theodor ein augusteisch Zeitalter für die Pfalz herauf. Ja, selbst der klarblickende und scharfsinnige Lessing nennt Mannheim eine Vorhalle der Kunst und Kunstbildung. Kunst und Wissenschaft freilich galten mehr nur als schmückendes Beiwerk zum Glanze des Hofes, aber neben gar manchem Prunkenden und Hohlen, was dessen Treibhauswärme erzeugte, rief ihre Förderung doch Viel des wahrhaft Guten in's Leben. So entstund vier Jahre nach der bayerischen eine pfälzische Akademie der Wissenschaften, die besonders für Bearbeitung der älteren Geschichte des Landes, die trefflichsten Arbeiten hervorrief. Aber ein Zeichen des waltenden Geistes unter ihren Mitgliedern finden wir Lessing, ja selbst Voltaire und Holbach, während der Beitritt jedem nicht katholischen Inländer verschlossen blieb. Früher schon hatte sich eine physikalisch-ökonomische Gesellschaft gebildet, welcher der Kurfürst eine prächtige Sternwarte erbauen liess. Ein gelehrter Zeitgenosse schreibt:,,Es wird schwer halten vor dem Jahre 1760, ich will nicht sagen ein in unserer Muttersprache richtig und mit Geschmack geschriebenes Werk, sondern auch nur ein einziges, erträgliches Gedichtchen, ja nur ein einziges Blatt in reiner der Sache angemessener Schreibart aufzufinden, das in der Pfalz wäre gedruckt worden." So weit hatten es hier der ganz verkümmerte Volksunterricht, die Scheu der Jesuiten vor nationaler Bildung, die rein gelehrte Richtung aller bessern Köpfe und der französirende Ton des Hofes gebracht. Dieser schreienden Vernachlässigung der eigenen Sprache zu begegnen, wurde um dieselbe Zeit, durch Klopstock angeregt, die deutsche Gesellschaft gegründet, unter deren ordentlichen Mitgliedern die beiden Dalberg, Lessing, Sambuga, Klopstock, Wieland nebst seiner Jugendfreundin Sophie Laroche, die damals berühmte Karschin, Schiller, Babo, Kästner, Adelung und andere namhafte Deutsche prangen. Das Vorbild ihrer Statuten bot die Academie française, und seltsam ist es, dass gerade von diesem halbjesuitischen, halbfranzösischen Hofe eine solche Förderung der deutschen Bildung ausging. Auch für die Landesuniversität sorgte Karl Theodor mit fürstlicher Munificenz durch reiche Mehrung der Attribute, Erweiterung der Lehrthätigkeit, Creirung neuer Lehrstühle und Heranziehung frischer jüngerer Kräfte. Demungeachtet blieb in Heidelberg der geistliche Einfluss massgebend und neben den die ganze theologisch-philosophische Facultät beherrschenden Jesuiten finden wir unter den Lehrern noch Carmeliter, Franciscaner und Dominicaner. So kam es, dass die Hochschule sich gegen jede geistige Bewegung ängstlich absperrte und deren Censoren Wedekind und Flad in den poetischen Schriften, die das Publicum mehrentheils als sinnund geistreich verehret, nur schlechte und liederliche Bücher erkennet, in deren wenigsten einige Moral aber desto mehr Freigeisterei stecke," womit sie jedoch über gar viele, damals hochgepriesene nun längst vergessene Werke ein vollkommen gerechtes Urtheil fällten. Die bändereiche Hofbibliothek wurde durch kostbare Handschriften, namentlich durch die Sammlung des Camerarius vermehrt, das Münzcabinet ansehnlich bereichert, ein Antiquitäten-Cabinet und naturhistorische Sammlungen angelegt. Noch weit mehr geschah für die Kunst. Wie alle wittelsbachische Regenten hegte auch Karl Theodor eine grosse Baulust. Bibiena musste die prächtige Jesuitenkirche zu Mannheim im Style des Vaticans und das grosse Kaufhaus am Paradeplatz erbauen, ebenso den rechten Flügel des Schlosses, dessen Prunksaal ein grosses treffliches Fresko von Krahn schmückt. In Heidelberg liess der Kurfürst das stattliche Karlsthor und die neue Neckarbrücke erbauen, in Frankenthal den Rhein-Kanal graben, der für den Handel dieser, durch seine Fürsorge äusserst gewerbthätigen Stadt, von den wohlthätigsten Folgen war. Schon 1757 war in Mannheim eine Zeichnungs- und BildhauerAkademie errichtet, und zu deren Director der tüchtige, in Italien gebildete Hofbildhauer und Architekt Peter von Verschaffelt aus Gent ernannt worden. Er hatte auch das grosse Zeughaus in Mannheim und die freundliche Loretto - Kirche in Oggersheim erbaut, welche Karl Theodor so gefiel, dass er den Meister in den Adelstand erhob. Unter ihren Professoren sind besonders nennenswerth der berühmte Landschafter Ferdinand Kobell, ein Meister im Radiren, der 1799 als Galleriedirector in München starb, dann Lorenz Quaglio, der StammVater einer Künstlerfamilie, die besonders im Decorationsfache Treffliches leistete, und Joseph Brouillot, ein beachtenswerther Historienmaler. An die Akademie schloss sich das Kupferstich- und Zeichnungen - Cabinet, unter dem Hofmaler und Architekten Krahn, welches vierhundert Mappen voll der seltensten Stiche und mehrere tausend Handzeichnungen, darunter von den ersten Meistern enthielt. Es bildet den Grundstock der Münchner Sammlungen, die sich jetzt, dem gelehrten Dr. von Hefner-Alteneck anvertraut, der umsichtigsten und bessten Leitung erfreuen. Der 1767 errichtete Saal der Statuen, dessen herrliche Gypsalgusse der antiken Meisterwerke den Kunstbestrebungen in Deutschland so reiche Nahrung gegeben, und deren Eindrücke Lessing und Goethe lebhaft angeregt, war ein Attribut der Kunst-Akademie. Auch die von seinen Vorfahren angelegte und erweiterte Gallerie zu Düsseldorf, welche Perlen aus allen Schulen zählte, in der aber vorzüglich die niederländische überaus reich vertreten war, wurde durch neue Erwerbungen ansehnlich gemehrt. Sie kam bei der Abtretung des Herzogthums als Familien-Fideicommiss nach München, wo dieselbe nun, vereint mit den Gemälden, welche die bayerischen Kurfürsten schon seit Albrecht V. gesammelt, die alte Pinakothek bildet. Dass die Lieblingsunterhaltung jener Zeit, das Theater, von dem prachtliebenden Fürsten nicht unbeachtet blieb, ist wohl selbstverständlich. Bibiena hatte für die italienische Oper einen prachtvollen Saal erbaut, wo sie und die reichen französischen Ballete mit so viel Aufwand und solidem Pomp wie nirgendwo in Deutschland in Scene gesetzt wurden. Karl Theodor hielt es jedoch, wie die meisten Fürsten jener Zeit, unter seiner Würde den Eintritt bezahlen zu lassen und gewährte ihn unentgeldlich für geladene Gäste aus allen Schichten der gebildeten Gesellschaft. Um die Mitte der siebziger Jahre spielte die deutsche Truppe des Theobald Marchand in Mannheim. Der Kurfürst, dem sie gerühmt worden, überzeugte sich,,incognito" selbst von ihrer Güte, und beschloss dem Geiste der neu erwachten National - Dichtung in Deutschland eine Stätte zu gründen. Wieland und Lessing wurden persönlich zu Rathe gezogen, die französischen Schauspieler entlassen, der Bau eines, des jetzt noch stehenden Hauses durch Quaglio begonnen und dasselbe am 7. October 1779 von Marchands Gesellschaft eröffnet. War auch der Hof bereits nach München übergesiedelt und der Versuch Lessing zu gewinnen gescheitert, so wurde doch unter der im Ganzen verständigen Leitung des Freiherrn Heribert von Dalberg *) die neue Schöpfung bald die erste in Deutschland. Ein glücklicher Fall, die Auflösung des Theaters zu Gotha, führte des unvergesslichen Eckhoff's Zöglinge, Iffland, Beil, Böck, Backhaus und Beck, die Kummerfeld und Wallerstein, das Meyer'sche Ehepaar und andere nach Mannheim. Hier begann auch Schillers dramatische Muse ihren Triumphzug über die Bühnen der Welt, hier gingen seine,,Räuber" 1782 zuerst in die Scene. Es ist aber kein erfreuliches Bild, wie Dalberg in kleinlicher, höfischer Bedenklichkeit sich stets herausnahm den Meister zu meistern, und immer Bleigewichte an die Schwingen des Genius hing, der jetzt auch seinen Namen gleichsam am Saume des Gewandes mit in die Unsterblichkeit trägt. Peinlich ist es zu vernehmen, wie die Excellenz dem jungen, vertrauensvoll entgegenkommenden Dichter einen elenden Vorschuss von hundert Gulden weigert, ihm anfangs kalt und zurückhaltend entgegentritt, und ihn dann mit knickerigen Verträgen - er sollte binnen Jahresfrist drei Stücke liefern und mit ,,entsetzlichem Drängen" auf's Krankenbett wirft. Im Jahre 1785 verliess Schiller Mannheim und lös'te seine pfälzischen Verhältnisse für immer. *) Einem älteren Bruder des allerdings weit höher stehenden Karl von Dalberg, des spätern Kurerzkanzlers und Grossherzogs von Frankfurt. Vorzüglich hob sich unter Karl Theodor die Musik, in welcher er selbst nicht gewöhnliche Kenntniss und Fertigkeit besass. Bald hatte sein Hof den Ruhm, das erste Orchester in Deutschland zu besitzen, und dem Musikdirector Stamitz aus Böhmen gebührt das Verdienst, der Schöpfer desselben gewesen zu sein. Was er für die InstrumentalMusik und deren Ausübung, das leistete der berühmte Abt Vogler, ein Würzburger, für den Unterricht. Im Jahre 1775 nach Mannheim berufen gründete er dort als erster Capellmeister eine Schule, aus der die tüchtigen, damals weitberühmten Tondichter Winter, dessen unterbrochenes Opferfest noch heute unvergessen ist, und Danzi, dann dessen Tochter, die treffliche Sängerin Franziska Lebrun, die reizendste Bühnenerscheinung ihrer Zeit, und Raff, damals Deutschlands erster Tenor, hervorgingen. Den noch immer vielbesuchten und vielbewunderten, mit seinen Wasserfällen, Tempeln, Moscheen, Burgen und Ruinen freilich in grossartige Spielereien ausartenden Schlossgarten zu Schwetzingen, liess gleichfalls der Kurfürst durch seinen Oberbau - Director Pigage anlegen. Nach noch vorhandenen Rechnungen hat Karl Theodor die ungeheure Summe von fünfunddreissig Millionen Gulden für Förderung von Kunst und Wissenschaft verwendet. Aber trotz dieser, wahrhaft kaiserlichen Munificenz finden wir, jedoch schwerlich von ihm selbst ausgehend, Belege kleinlicher Knickerei und es kommt, so recht im Geiste der Grand-Seigneur - Wirthschaft vor, dass während der Leibkutscher dreihundert Gulden erhält, ein Professor der Philosophie, wie Häusser klagt, sich mit zweihundert Gulden begnügen muss. Möglicher Weise war aber die Philosophie darnach, und jeder bekam dann doch was er verdiente. Auch lastet, ungeachtet des, von feilen Federn hochgepriesenen geistigen Schutzes, auf allen literarischen Bestrebungen der erdrückende Alp pfäffischer Censur, dem nur hie und da der unver wüstliche Mutterwitz des Pfälzers ein gelungenes Schnippchen schlägt. Das fleissige Bild Palme's bietet, schon wegen der vielen angebrachten Porträts eine anziehende Composition. Der Künstler wählte Schiller's Eintritt unter Dalberg's Führung in eine Versammlung der Kunstnotabilitäten von Mannheim zum Vorwurfe. Den Eintretenden zunächst kniet Brouillot, mit einer Mappe beschäftigt. Ihm gegenüber sitzt die schöne und liebenswürdige Franziska Danzi am Klavier. Sie, die schon mit fünfzehn Jahren ganz Mannheim entzückte und sich später mit dem Hoboe-Virtuosen Lebrun vermählte, feierte in Italien, England und Frankreich die grössten Triumphe, starb aber, erst fünfunddreissig Jahre alt, plötzlich zu Berlin, Neben ihr sitzt Kobell und hinter diesem, in einer Gruppe vereinigt stehen, von der Rechten zur Linken zuerst Iffland, dann Verschaffelt, Beck und Stamitz. Zunächst der Danzi sitzt Karoline Ziegler, Becks erste vielgefeierte Gemahlin, neben ihr der berühmte Vogler, neben diesem die hochgebildete Josepha Schäfer, die mit ihrer wunderbar seelenvollen Stimme noch im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts zu München, besonders in Mozartischen Opern, glänzte, und neben dieser endlich die ausgezeichnete Blumenmalerin Katharina Treu aus Bamberg, welche schon mit zehn Jahren sich mit Glück ihrer Kunst widmete, bis sie der Kurfürst als CabinetsMalerin anstellte. 100. Herzogin Maria Auna bestimmt den Herzog Karl von Zweibrücken den Verzicht auf die bayerischen Lande zu Gunsten Oesterreichs, zu verweigern 1778. Die Ehe Max III., wie jene seines Vetters, des Herzog Clemens, war kinderlos geblieben, und der Kurfürst hegte für das Schicksal Bayerns um so mehr Sorge, als ihm die Bemühungen Oesterreichs besonders wegen Niederbayerns nicht unbekannt waren. Desshalb wurde schon, besonders auf Betrieb der Herzogin Clemens, der gescheiten hochgebildeten und energischen Maria Anna, 1752 bei Anwesenheit ihres Schwagers Karl Theodor in München, Einleitung zum Abschluss eines Haus-Unions-Vertrags getroffen, dem 1766 ein ErbverbrüderungsVertrag und eine gegenseitige Successions-Ordnung folgte, bis endlich, bei abermaliger Anwesenheit des Kurfürsten von der Pfalz am 26. Februar 1771 der so wichtige Haus- und Successions-Vertrag wirklich abgeschlossen wurde, welcher als Grundlage jenen von Pavia feststellend, die gegenseitige Verpflichtung enthielt, demselben als einem unwiderruflichen pragmatischen Hausgesetze treu zu bleiben, und die Freiheiten der einzelnen Landestheile ungeschmälert zu belassen. Auch sollte München für ewige Zeit die Residenzstadt des jeweiligen Herrn sein. Bei den damals stattgefundenen Festlichkeiten wurde auch ein KammerConcert veranstaltet, in welchem Max Joseph, ein Meister auf dem Violoncell, sich zu Ehren seines Gastes hören lièss. Der wollte an Aufmerksamkeit nicht zurückstehen, griff sogleich zur Flöte und secundirte, worauf der eben anwesende Kurfürst von Trier, Clemens Wenzeslaus eine Violine nahm und auf derselben mitspielte. Wahrlich, ein seltenes Concert von drei Kurfürsten ausgeführt. Maria Anna, die aufrichtige Freundin ihres Vaterlandes und desshalb die entschiedene Gegnerin der österreichischen Politik, war die Seele all dieser Unterhandlungen, deren endlichen Abschluss sie um so dringender erachten mochte, als durch die 1765 erfolgte Vermählung Josephs II. mit des Kurfürsten einziger Schwester Josephine, ein weiterer Ring zu der Kette von vermeintlichen Ansprüchen auf Bayern oder einzelne Theile desselben gefügt worden war, die man am Wiener Hofe stets bei passenden Gelegenheiten zum Vorschein brachte. Darum ver |