dessen Behausung am Salzmarkt stand, oder, besonders in seinen letzten Jahren, bei Konrad dem Sohn des reichen Heinz Gross an der Brücke, dem reichsten Bürger der Stadt, welcher viele Jahre das SchultheissenAmt begleitete, im pfandweisen Besitze des Zolles und der Münze war, und nur aus eigenen Mitteln, das Spital zum heiligen Geist stiftete. Noch 1315 bestätigte er die Rechte der Stadt. und hier im Hause Ulrich Hallers wurde im Mai desselben Jahres der erste Brief ausgefertigt, der die junge Freiheit der Schweiz anerkannte, und die drei Waldstädte in des Reiches Schutz nahm. Weitaus das wichtigste für die Blüthe der Stadt geschah durch Ludwig in Hebung und Begünstigung ihres Haudels. Dieser, sowie der Fleiss und die merkwürdige Geschicklichkeit seiner Bewohner in Erzeugung der vielfältigsten Manufacte hatten Nürnberg emporgebracht und einzelnen Geschlechtern bereits ein fürstliches Vermögen verschafft. Da aber der Handel doch hauptsächlich auf die Vermittlung des Austausches der Producte des Nordens und Südens sich stützte, so sank er in der kaiserlosen Zeit durch die allgemeine Unsicherheit der Strassen und begann sich erst wieder zu heben seit der energischen Handhabung des Landfriedens durch Kaiser Rudolph. Zu ungewohnter Ausdehnung aber gedieh er, als der grosse Verkehr anfing die kürzeste Richtung durch die Mitte von Deutschland zu nehmen. Alle die Erzeugnisse des italischen und byzantinischen Kunstfleisses, die kostbaren Gewürze und Spezereien des Orients vereinigten sich in Venedig und nahmen von da durch Tyrol ihren Weg nach Angsburg und Nürnberg. Letzteres, recht wie zum Stapelplatze in Mitte Deutschlands ausersehen, liess dann ungeheuere Lieferungen in das nördliche Europa abgehen. Es stund, obwohl kein Glied der Hansa, im lebhaften Verkehr mit diesem mächtigen Bunde norddeutscher und rheinischer Städte, welche dagegen ihre nordischen Waaren über Nürnberg vermittelten. Regensburg sank, Augsburg und Nürnberg stiegen, und damals mag der Spruch:,,Nürnberger Hand geht durch alle Land" aufgekommen sein. Mit diesem Speditions-Geschäfte war der Vertrieb der eigenen Erzeugnisse eng verbunden. Zeichneten sich andere Städte durch hervorragende einzelne Manufacte ans, erreichte z. B. keine die Vortreflicheit der Regensburger Purpurfärber oder der Augsburger Weber, so fand sich doch nur in dem einzigen Nürnberg ein allgemeiner Inbegriff von Fabriken, und alles, was bald darauf zur höchsten Vollendung ausgebildet erscheint, blühte schon damals in dieser Stadt. Die Kunst der feinen Tuchmacherei holten sich die gewandten Meister aus den Niederlanden; damit Hand in Hand ging die Gewandschneiderei, gingen die Gewerke der Loderer, Färber, Tuchscheerer und Walker. Selon im Anfange des XIV. Jahrhunderts finden wir stattliche Verzeichnisse von Blecharbeitern und Flaschnern, von Messerschmieden, Messing schlägern und Glockengiessern kurz aller Gattungen von Metallarbeitern, die durch die Theilung der Arbeit in grosse Genossenschaften verbunden, aber nicht, dem innersten Wesen des Deutschen entgegen, in Fabrikgebäuden vereinigt, ihre Producte bald zur höchsten Vollendung brachten und durch fabelhaft billige Preise jeden Markt gewannen. Die Pergamentbereitung hatte einen hohen Aufschwung genommen; *) kurz was der gewinnlustige Kaufmann in der Fremde sah, wusste er mit Geschick auf seinen heimischen Boden zu verpflanzen wo es die fündigen Köpfe der Zunftgenossen gar bald verbessert hatten, und ihm mit feinem Geschmack einen gewissen zierlichen und kunstmässigen Anstrich zu geben wussten. All diesen Bemühungen griff nun der Kaiser so weit es an ihm lag kräftig unter die Arme, und wie oft mochte er sich, aus den Fenstern seiner Wohnung blickend an dem regen Gewühl der kaufmännischen Thätigkeit in den schon zu seiner Zeit gepflasterten Strassen erfreut haben? Aus dem Jahre 1318 stammt die Verleihung einer neuen Marktfreiheit, aus der die spätere Ostermesse entstund. Noch bedeutender sind die nach dem Mühldorfer Siege 1322 der Stadt ertheilten Freiheiten, welche sie gegen jede willkührliche Ausübung des verpfändeten Schultheissenamtes sicher stellten, und ihr die eigene Criminalrechtspflege anvertrauen. So folgten sich von Jahr zu Jahr neue Gnaden bezeigungen, bis der Kaiser 1332 der Stadt das wichtigste ihrer Privilegien, die Zoll- und Handelsfreiheit in den meisten Städten am Rheine, in den Niederlanden, durch ganz Alemannien, Burgund, Franken, Bayern und Niedersachsen und dem Königreiche Arelet verleiht. Dafür musste Jeder, der mit seinen Waaren zuerst an einen dieser befreundeten Orte kam, der Obrigkeit als Symbol ein Pfund Pfeffer, und ein paar Handschuhe an einem weissen Stäbchen überreichen. **) Auch der Abgabe für das Geleite wurde Nürnberg entledigt, blieb aber seiner Wohlthat theilhaftig. Nicht minder hob der Kaiser das so gefährliche Asylrecht der Burg und einiger Klöster für Diebe und Mörder auf, und verbriefte der Stadt, dass er sie nie in Pfandschaft geben wolle. So hatte Nürnberg nicht den geringsten Theil seines Wohlstandes der Fürsorge Ludwig des Bayern zu danken, hat ihm aber auch dafür unverbrüchlich Treue bewahrt. Diese Treue erstreckte sich, besonders bei der demokratischen Parthei, auch noch auf seinen ältesten Sohn Ludwig den Brandenburger, während die Patricier sich dem Luxem *) Noch bis zu ihrer letzten Stunde fertigte die Republik nicht blos Urkunden, sondern alle Briefe an hochstehende Personen auf dem schönsten Pergamente aus, **) Auf diesen Gebrauch bezieht sich ein noch in Nürnberg vorhandener Denkstein, dessen Abguss im National-Museum zu sehen ist, welches auch Handschuhe und Stäbchen auf bewahrt, die bei einer solchen Huldigung übergeben worden. burger Karl IV. zuneigten, der denn auch stets ein Patron der aristokratischen Parthei blieb. Im Mai des Jahres 1347 sah der Kaiser sein liebes Nürnberg zum Letztenmale; fünf Monate später ereilte ihn der Tod. Das wohlgelungene Bild der Privilegienverleihung durch Ludwig hat Rothbart, ein geborner Nürnberger, mit aller Liebe gemalt. Der Kaiser ist Porträt. 116. Kaiser Karl IV. stellt zu Nürnberg die Herrschaft der Geschlechter wieder her und gestattet das sogenannte Schönbartlaufen. 1350. Der Kampf zwischen Besitz und Handarbeit, zwischen der Aristokratie und Demokratie, welcher schon die Republiken des Alterthums so oft bis auf den Grund erschütterte, erhob sich auch in den Städten des Mittelalters, als der Bürger mehr und mehr zum Bewusstsein seiner intelligenten und materiellen Kraft gekommen. Die bisherigen Hörigkeitsverhältnisse und die erlangte Bedeutsamkeit im Staatsleben waren miteinander unverträglich geworden. Dass Nürnberg, damals eine der mächtigsten und blühendsten Städte des deutschen Vaterlandes, von jenen Kämpfen nicht verschont geblieben, ist um so begreiflicher, wenn man bedenkt, dass sein Flor ja eben hauptsächlich auf der Arbeit seiner Kleinmeister beruhte, und dass gerade hier der unkluge Hochmuth der Patricier ganz besonders strebte, den zünftigen Mann in der alten Abhängigkeit zu erhalten. Aeusseren Ausdruck fanden aber diese Gegensätze, als sich in dem Kampfe zwischen Karl IV. und Günther von Schwarzburg um die deutsche Krone, auch die Bürgerschaft Nürnbergs wie das ganze Reich in zwei Partheien spaltete. Die Patricier, also die Regierung der Stadt, stunden auf Seite des Böhmenkönigs, die Zünfte auf jener des Schwarzburgers. So kam es 1349 zum blutigen Kampfe innerhalb der Mauern. An der Spitze der Volkspartei stunden Pfauentritt und Gaisbart. Sie vertrieben den Rath, und die Zünfte rissen das Regiment an sich Als sie aber Karls Vogt Konrad von Heideck gefangen nehmen wollten, liess dieser alle Nürnberger, die gegen ihn ausgezogen waren und in seine Gewalt fielen, aufhängen; sie hatten ihm Gleiches zugedacht. Noch in demselben Jahre starb jedoch Günther, und nun wandte sich das Blatt. Karl suchte die Stadt mit aller Strenge heim, bestrafte und vertrieb die Zünfte von der Herrschaft, und setzte den alten Rath wieder ein. Da war es nun, dass er den Metzgern und Messerern (den heutigen sogenannten Russigen), welche aus Jenen allein dem Rathe treu geblieben, das Recht verlieh, jährlich besondere Fastnachtspiele und vermummte Umzüge zu halten. Diess ist der Ursprung des berühmten Schönbartlaufens zu Nürnberg; Schönbart oder Schempert heisst aber noch heute dort und weitum in Franken eine Gesichtsmaske, zuweilen auch das Gesicht selbst, und hat sich das Spiel nur mit seltener Unterbrechung vom Jahre 1350 bis 1539 erhalten. Einem oder zwei Hauptleuten, zumeist aus patricischen Familien, wurde die Leitung des Festes übertragen. Der grosse Zug, manchmal viele Hunderte von Theilnehmern zählend, und vom Zunfthause der Metzger unterhalb der Veste ausgehend, ward von den Pikelhäringen eröffnet, die mit Kolben und Pritschen Platz machten. Ihnen folgten Reiter, welche Nüsse, Aepfel und mit Rosenwasser gefüllte Eier, zuweilen aber auch minder angenehme Dinge unter die Zuschauer warfen; dann folgte der eigentliche Zug der Schönbartläufer, die phantastisch, meistens gleich gekleidet, Fahnen, stumpfe Beile und Schwerter schwingend, einen Tanz aufführten, bei dem sie sich gegenseitig an ledernen Würsten hielten. So bewegte sich die Menge nach dem Rathhause und von da nach dem Heilsbronner Hofe in dessen weitem Raume dann die eigentlichen Spiele begannen, deren hauptsächlichste, dem kriegerischen und tapfern Sinne unsrer Vorfahren entsprechend, in gewandten und sicher ausgeführten Waffentänzen und Scheinkämpfen bestunden, in welchen die Metzger ihre blitzenden Beile, die Messerer ihre Schwerter schwangen, hoch in die Luft warfen, und kunstgerecht wieder auffingen. Auch possenhafte und allegorische Darstellungen fanden statt, einfach und unstudiert, handgreiflich und derb, aber in jener aufgeweckten und leicht erregbaren Zeit hinreichend, um Darsteller und Zuschauer zur ausgelassensten Fröhlichkeit hinzureissen. Da wurde einmal von den Metzgern ein langer, buntbemalter Balken mitgefahren, um den sich eine sechzig Ellen lange, mit Blumen geschmückte Wurst schlang, und auf dem, zum Jubel des Volkes kleine Ferkel, an farbigen Bändern festgehalten, herumsprangen. Ein andermal bewegte sich ein riesiges Schiff auf versteckten Rädern im Zuge, besetzt mit scheusslich bemalten Teufeln und allerlei Thiermasken *), aber auch mit Doctoren und Schwarzkünstlern. Vom Herold aufgefordert, von Kriegsknechten angegriffen, vertheidigte • es sich tapfer mit Aepfeln, Nüssen und zierlich ausgeschnittenen weissen Rüben und schleuderte aus grossen Spritzen wohlriechendes Wasser unter die herandringenden Feinde. Da kam einmal ein Riese, welcher Kinder frass, ein andermal ein hässliches Ungethüm, das alte Weiber fing und in seinen Käfig sperrte; oder ein Backofen in dem Narren gebraten wurden, oder eine Mühle, aus der alte Weiber verjüngt hervorgingen; auch ein Vogelheerd, auf dem Frauen alte und junge Männer in Narrenkleidung mit allerlei verfänglichem Köder zu fangen wussten. — Wahrscheinlich wurden auch die einfachen Possen der ältern Meister *) Das germanische Museum in Nürnberg hat mehrere derselben aufbewahrt. sänger, hesonders Hanns Rosenpluets, des Schnepperers, bei dieser Gelegenheit zur Darstellung gebracht. Als die Reformation Boden gewonnen, erschienen die im Sinne der Zeit natürlich derb genug gehaltenen, confessionellen Satyren und man kann sich wohl denken, mit welchem schallenden Gelächter und Jubel eine Galeere aufgenommen wurde auf der lauter Mönche und Nonnlein, in bedeutungsvollen Paaren angeschmiedet rudern mussten oder eine Donnerbüchse grössten Kalibers, die Schuss für Schuss einen dicken Mönch in die Luft schnellte. Alle diese Darstellungen fanden auf einem grossen Gerüste statt, welches mitgefahren wurde, die Hölle hiess und gewissermassen den Mittelpunkt des Festes bildete. Dieses war inzwischen immer glänzender geworden, da der stolze und wohlhabende Adel bald anfing, sich dabei zu betheiligen. So veranstaltete dieser einmal ein grosses Stechen auf Schlitten, ein andermal liefen wahrscheinlich zu Ehren Merkurs, des Schutzgottes der Stadt, einhundert und fünf und dreissig aus den Geschlechtern ganz in weissen Atlas gekleidet mit goldnen Stäben in den Händen und goldnen Flügeln an den Fersen und den weissen Atlashüten. Ein besonders prächtiger Einzug des türkischen Kaisers, an dem viele eben in Nürnberg anwesende, reiche Wallonen theilnahmen, führte aber zu einem heftigen Kampfe zwischen dem Adel und den Gewerken, den der Rath nur mit Mühe zu schlichten vermochte. So dauerte das heitere Fest beinahe zwei Jahrhunderte hindurch und noch lange wäre vielleicht dem Volke seine harmlose Freude unverkümmert geblieben, wenn es sich begnügt hätte, seinen Witz nur an armen Mönchen und Nonnen zu üben. Als jedoch den Schönbartläufern der unglückliche Gedanke kam, ihr Müthehen an einem der gestrengen Herrn Prädikanten zu kühlen, da ward dem lustigen Treiben bald ein Ende gemacht. Der zelotische Andreas Osiander stund in den dreissiger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts im Dienste der Stadt, eiferte in Wort und Schrift gegen jede Volksbelustigung, und vorzüglich gegen die sündhafte und heidnische Mummerei des Schönbarts. Das durfte natürlich nicht ungestraft bleiben und so erschien denn im Jahre 1539 auf der Hölle ein Schiff worin Osiander zum Leben getroffen stund, heftig perorirend und statt der Bibel ein Brettspiel schwingend; ihm zur Seite ein Doktor und ein Schalksnarr. Der Prediger beklagte sich bei dem Rathe, die Uebelthäter wanderten in den Thurm, der Schönbart dieses Jahres blieb der Letzte. Dem Künstler ist es unsers Dafürhaltens gelungen, mit grosser Treue das heitere, derblustige Treiben dieses Festes darzustellen. Von der Burg herab windet sich der Zug gegen das Rathhaus, und auf dem Throne vor demselben sitzt der Kaiser, dem neueingesetzten Rathe und den Aeltesten der beiden treugebliebenen Zünfte die Privilegien ver |