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dieses Dolches zeigt am oberen Ende eine zum Aufhängen der Waffe dienende Ausweitung, eine characteristische Eigenthümlichkeit, die das klassische Alterthum nicht kannte und welcher wir in Europa nur bei den Skythen Südrusslands wieder begegnen.

Die zweite Dolchscheide des Goldfundes, die wir eigentlich nicht mehr als einen typisch skythischen Gegenstand bezeichnen dürfen, trotzdem aus einem Grabe des Pontusgebietes das einzige Gegenstück zu ihr nachweisbar ist, zeigt uns ebenso, wie der Dolchgriff, an dem Ornamente, welches die Oeffnung umgiebt, die Technik des Auflöthens von Golddrähten: gedrehte und geperlte Fäden, Doppelspiralen und eine schleifenartige Verzierung wechseln mit einander ab. Den gleichen Filigranschmuck finden wir an der Goldfassung des Serpentinkeiles, an dem Hängezierrath und dem Ohrringe in Anwendung. Die leeren Kapseln des Ohrgehänges waren wohl einst mit Email gefüllt, und vermuthlich enthielten auch die aufgelegten Schleifen der Goldscheide und der anderen Zierstücke Emaileinlage. Ausdrücklich sei jedoch hervorgehoben, dass wir mit der Erwähnung der Email- und Filigrantechnik nicht sagen wollen, sie seien specifisch skythischer Gebrauch gewesen; sie gehören vielmehr im vollsten Masse der klassischen Goldschmiedekunst an, aber wir müssen deshalb hier auf sie hinweisen, weil wir dem Irrthume zu begegnen haben, dass sie etwa nur der Völkerwanderungszeit zukämen.

Die übrigen Stücke des Fundes von Vettersfelde, Zierplatte, Fisch, Hals- und Armring, Schleifstein u. s. w., lassen wir ausser Acht, da sie, obwohl wir als ihren Verfertiger einen griechischen Künstler aus den Colonien am schwarzen Meere und als ihren einstigen Träger einen vornehmen Skythen annehmen müssen, uns nichts bieten, was als besonders characteristisch für Südrussland oder überhaupt für die Skythenregion anzusprechen wäre.

Es ist vielleicht nicht unrichtig, wenn wir in Verbindung mit dem Goldschatz von Vettersfelde aus unmittelbarer Nachbarschaft das Vorkommen von dreikantigen Bronzepfeilspitzen, welche in West- und Mitteleuropa zur eigentlichen Bronzezeit vollständig fremd sind, hervorheben. Derartige Stücke sind bisher ausschliesslich auf dem „Heiligen Lande" bei Niemitsch (Kreis Guben) gefunden worden, und zwar in der älteren Culturschicht dieses grossen Burgwalles'). In welchem Zusammenhange hier jedoch diese Pfeilspitzen mit drei Schärfen, welche aus dem ganzen östlichen Deutschland die einzigen zu sein scheinen, angetroffen wurden, ist vor der Hand nicht nachzuweisen, zumal da in dieser prähistorischen Verschanzung keine umfassenden systematischen Ausgrabungen stattgefunden haben.

1) Z. f. Ethn. 1891, XXIII, Verh. S. 588, Fig. 11 (Jentsch über Funde aus dem Kreise Guben).

I.

Die skythischen Alterthümer im mittleren Europa.

(Hierzu Taf. I.)

Von

PAUL REINECKE.

Vorgelegt in der Sitzung der Berliner anthropologischen Gesellschaft
vom 19. October 1895.

Wenig bekannt und wenig beachtet sind unter den Denkmälern vorgeschichtlicher Zeiten aus Mitteleuropa einige Alterthümer, merkwürdig wegen ihrer fremdartigen Form, welche in ihrer prähistorischen Umgebung räthselhaft erscheint, noch merkwürdiger wegen der Beziehungen, die sie zu sehr entlegenen Gegenden darbieten. Es muss überraschen, auf dem Boden Deutschlands und der Karpathenländer sibirischen Typen, Funden skythischer und skythisch-griechischer Herkunft, Gegenständen, welche einem so grundverschiedenen Culturkreise angehören, zu begegnen, und schwerlich vermöchte jemand eine richtige Deutung der Anwesenheit so differenter Alterthümer inmitten wohlbekannter, gut definirter, vorgeschichtlicher Zeitalter zu geben. An der Spärlichkeit des in Betracht kommenden Materiales muss eine befriedigende Erklärung dieser seltsamen Erscheinung vorläufig noch scheitern, aber trotz der Spärlichkeit lassen uns diese Denkmäler, welche einem anders gearteten Volke entstammen, den wahren Zusammenhang wenigstens ahnen und erlauben uns sehr interessante Vermuthungen, über deren Berechtigung allerdings die Zukunft zu entscheiden hat, wenn sich die Zahl der einschlägigen Funde vergrössert.

Mehrere Male wurde schon auf jene merkwürdigen Fremdlinge in Mitteleuropa hingewiesen, aber stets nur mit negativem Resultat, ohne dass unsere Kenntniss hinsichtlich dieses Gegenstandes dadurch wesentlich gefördert worden wäre. Vielleicht gelingt es den folgenden Zeilen, auf die richtigen Bahnen hinzudeuten oder auch nur den Anlass zu erneuten Forschungen in dieser Richtung zu geben.

Der erste, welcher, soweit mir bekannt ist, das Vorhandensein sibirischer (ural-altaischer) Typen im mittleren Europa feststellte, war Aspelin, und zwar in einem Aufsatze über die Chronologie des uralaltaischen Bronzealters, den er dem internationalen Congresse in Budapest

Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1896.

1

(im Jahre 1876) vorlegte 1). Er hob als eine überraschende Thatsache hervor, dass unter den vorgeschichtlichen Alterthümern aus Ungarn, welche auf der bei Gelegenheit des Congresses arrangirten Ausstellung vereint waren, sich einige Dolche befanden, deren Form an die bekannten Kurzschwerter der sibirischen Bronzezeit erinnerte. Die Bemerkungen, welche Aspelin an diese unerwarteten Analogien knüpfte, vermochten jedoch nicht Interesse für diese Fragen zu erwecken.

Von neuem wurde die Aufmerksamkeit der Forscher auf diese seltsamen Beziehungen durch den Goldfund von Vettersfelde gelenkt. Wir verdanken Furtwängler eine richtige Erklärung und eingehende Würdigung dieses räthselhaften Fundes), und seinen Ausführungen können wir uns, abgesehen von seiner Zeitbestimmung, nur rückhaltlos anschliessen. Ein jeder Kenner der südrussischen Alterthümer wird keinen Augenblick über die Herkunft des im Boden Norddeutschlands entdeckten Goldschatzes im Zweifel sein, und auch bezüglich seiner Zeitstellung werden keine Bedenken obwalten können, da wir an den Gestaden des schwarzen Meeres eine Reihe vortrefflicher Gegenstücke, welche sich mit ziemlicher Sicherheit datiren lassen, zu den Waffen und Schmucksachen von Vettersfelde antreffen.

In sehr unbestimmter Form gab Sophus Müller im Jahre 1882 in seiner Arbeit „Den europaeiske Bronzealders Oprindelse og første Udvikling, oplyst ved de aeldste Bronzefund i det sydøstlige Europa" 3), im Anschlusse an seine Untersuchungen über die Herkunft der Bronzecultur in Europa, auch einige Andeutungen hinsichtlich des Vorkommens sibirischer Alterthümer in Ungarn. Auf eine kritische Besprechung dieser Arbeit. können wir uns hier unmöglich einlassen, obwohl gewisse Bemerkungen unser Thema streifen und Bezug auf die Fragen nehmen, mit denen wir uns hier beschäftigen. Die sachlichen Mittheilungen, welche S. Müller über den uns interessirenden Gegenstand machte, brachten jedoch nichts wesentlich Neues, sondern waren eher geeignet, Verwirrung hervorzurufen und eine Vermengung ganz differenter Begriffe herbeizuführen.

Fast ein Decennium später wies Schumacher auf jene wenig gekannten Verbindungen mit dem Osten hin). Er knüpfte seine Betrachtungen an die Besprechung eines Bronzespiegels, welcher in einem reich ausgestatteten gallischen Grabe bei Dühren (Baden) gefunden wurde. Schumacher hebt hervor, dass diese Spiegelform auf keinen Fall aus

1) Compte-rendu du Congrès international etc. à Budapest, T. I, (Budapest 1877),

p. 685.

2) A. Furtwängler, Der Goldfund von Vettersfelde. Dreiundvierzigstes Programm zum Winkelmannfeste der archäologischen Gesellschaft in Berlin. Berlin 1883.

3) Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed. Kopenhagen 1882, S. 279-356. Deutsche Uebersetzung im Archiv für Anthropologie XV, 1884, S. 323–368.

4) W. Schumacher, Barbarische und griechische Spiegel. Zeitschr. f. Ethnologie, XXIII, 1891, S. 81-88.

Italien stamme, sondern auf griechische Vorbilder zurückgehe, und findet die nächsten Analogien zu ihr in den Ländern nördlich vom schwarzen Meere und am Nordabhange des Kaukasus. Die Entscheidung, ob dieser Spiegeltypus wirklich aus dem Osten, von den pontischen Colonien, herzuleiten oder etwa hierbei an eine Ausstrahlung von Massalia aus zu denken sei, wagt jedoch Schumacher nicht zu treffen und lässt somit die Beantwortung der Frage nach der eigentlichen Provenienz dieses Stückes noch offen.

Aus jüngster Zeit besitzen wir von Hampel eine vortreffliche Arbeit über die skythischen Alterthümer, welche im Boden Ungarns gefunden wurden'). Er stellt das ganze, bis dahin nachweisbare Material aus den Karpathenländern zusammen, beschränkt sich aber nur darauf, die ungarischen Fundstücke mit den identischen skythischen und sibirischen Typen zu vergleichen, ohne weiter auf eine exacte Zeitbestimmung einzugehen. In seinem Aufsatze bespricht er Schwerter, Bronzespiegel, Metallkessel und eigenthümliche Ziergegenstände; eine Kategorie der herangezogenen Alterthümer, die hohen cylindrischen Bronzekessel, gehört jedoch nicht in diese Reihe, da gerade diese Form bedeutend jünger ist und unmöglich den Namen „skythisch" beanspruchen darf. Sonst sind wir jedoch Hampel zu grossem Danke verpflichtet, weil er von Neuem auf die Wichtigkeit dieses Gegenstandes aufmerksam machte und ein reiches Material, welches bis dahin theilweise noch unedirt oder seiner Bedeutung nach nicht richtig erkannt und gewürdigt war, veröffentlichte.

Im Anschlusse an seine Abhandlung erschienen im vorletzten Jahre noch einige kurze Notizen, in welchen wiederum neue Mittheilungen über skythische Denkmäler aus Ungarn und Rumänien gemacht wurden 2).

Eine deutsche Bearbeitung seines Aufsatzes gab Hampel im letzten Jahre in den „Ethnologischen Mittheilungen aus Ungarn" heraus3). Zu seinen früheren Nachweisen fügte er hier noch die nachträglich publicirten Funde hinzu, so dass an dieser Stelle das ganze, die Karpathenländer betreffende Material gesammelt ist.

Werfen wir nun einen kurzen Blick auf diejenigen unter den mitteleuropäischen Funden vorgeschichtlicher Zeit, welche durch ihre Form und ihre fremdartige Stylrichtung eine östliche, vom schwarzen Meer ausgehende, skythisch-sarmatische Herkunft verrathen.

Am weitesten nach Westen führt uns ein Grabfund, welcher im Jahre 1865 bei Dühren unweit Sinsheim (Baden) durch Zufall zum Vorschein

1) Hampel J., Skythiai emlékek Magyarorszagban (Skythische Denkmäler in Ungarn), Archaeologiai Ertesit, N. F. XIII, 1893, S. 384-407.

2) Archaeologiai Értesit, N. F. XIV, 1894, S. 356 357, 872 - 373, 385388, 450.

3) Bd. IV, Heft 1, Budapest 1895, S. 1-26.

kam'). Es wurden hier, angeblich mit den Resten nur eines Skelets, in grosser Anzahl interessante Gegenstände ausgegraben, leider nicht von sachkundiger Hand oder dass ein Sachverständiger die Fundverhältnisse genau hätte feststellen können. Aus der Reihe der Beigaben bieten uns prächtige Mittel-La Tène-Fibeln aus Silber, Bronze und Eisen, charakteristische gläserne Armringe, ein gehenkelter Bronzekrug, welcher an campanisch-etrurische Arbeiten erinnert, sowie eine gallische Silbermünze, die mit den Münztypen der Volcae Tectosages grosse Verwandtschaft besitzt, den nöthigen chronologischen Anhalt. Wir werden für das Rheingebiet den Beginn der mittleren La Tène-Periode, welcher hier noch der Abschnitt mit der Früh - La Tène - Fibel und sodann der Beginn des keltischen Styles (Grabhügelfunde von Rodenbach, Dürkheim, Wald-Algesheim, Weisskirchen u. s. w.) vorausgehen, kaum vor 250 v. Chr. anzusetzen haben, so dass für den Dührener Fund im Wesentlichen das zweite vorchristliche Jahrhundert in Betracht käme.

Aus dem reichen Inhalt dieses Grabes interessirt uns ein Bronzespiegel von verhältnissmässig einfacher Form (Taf. I, Fig. 1). Er besteht aus einer runden, flach gewölbten Scheibe und einem langen, mit einem Grat versehenen Griff; beide Theile sind aus einem Stück. Nahe dem unteren Ende des Griffes ist der Grat nachträglich entfernt: an dieser Stelle machen sich Löthspuren bemerkbar, ein Anzeichen, dass hier ehemals wohl eine Zierplatte befestigt war. Es ist unzweifelhaft, dass dieser Spiegel ausserhalb Italiens entstanden sein muss, weil in Italien bisher noch nicht ein einziges Stück dieser Art angetroffen wurde, und da wir in den Skythen-Kurganen Südrusslands diesen Typus in ungefähr gleichaltrigen Gräbern wiederfinden, sind wir berechtigt, in ihm einen Einfluss des nordpontischen Gebietes zu erkennen.

Ob eine flache. runde Bronzescheibe mit einem Ueberzuge von Zinn zu den kleinen Weissmetallspiegeln aus den kaukasischen Nekropolen der römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungsperiode in irgend welcher Beziehung steht, wie Schumacher annehmen möchte, halte ich wegen der beträchtlichen zeitlichen Differenzen, welche sich hierbei ergeben, kaum für möglich. Wir werden weiter unten nochmals auf diese Weissmetallspiegel zurückzukommen haben.

Die vollständige Prachtausrüstung eines vornehmen Skythen tritt uns in dem Goldschatze von Vettersfelde (Kreis Guben, Niederlausitz) entgegen. Furtwängler's Publication brachte eine richtige Beurtheilung

1) W. Schumacher, Ein gallisches Grab bei Dühren (etwa 200 v. Chr.), Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, N. F., V, Freiburg i. Br. 1890, S. 409–424, mit Tafel III; ferner Schumacher, Ueber den Stand und die Aufgaben der prähistorischen Forschung am Oberrhein u s. w., Neue Heidelberger Jahrbücher, II, Heft 1, 1892, S 136–137.

2) Zeitschr. f. Ethn. XXIII, 1891, S. 84. Anm. 1: abgebildet Zeitschr. f. Geschichte d. Oberrheins, N. F. V, Taf. III, Fig. 35.

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