Imágenes de páginas
PDF
EPUB

hunderten zu Stande kam." Da er jedoch nur 55 Männer untersucht hat, so dürfte eine Ausdehnung der Personal-Recherche wohl als ein Desiderat zu bezeichnen sein.

Rud. Virchow.

La vie d'un homme. Carl Vogt par William Vogt. Paris et Stuttgart, Schleicher Frères et Erwin Nägele. 1896. fol. 265 p. avec 2 portraits par Otto Vautier.

Der stattliche Band ist ein würdiges Monument, welches treue Sohnesliebe dem Andenken eines grossen Vaters errichtet hat. Alle Seiten dieses so vielseitigen Geistes, alle Strömungen dieses so leicht erregten Herzens, alle Phasen dieses thätigen und so wechselvollen Lebens sind darin in möglichst treuer Weise, unter Beibringung zahlreicher Zeugnisse aus den Schriften und aus der Correspondenz des Dahingeschiedenen, dargelegt. Eine gewiss sehr schwierige Aufgabe für einen Sohn, der seinem Vater in der Grundstimmung seiner Seele so nahe steht und der immer wieder, je weiter er schreibt, neue Motive der Bewunderung in der Uebereinstimmung des Strebens findet. Dass seine Beurtheilung dabei häufig einen ausgemacht subjektiven Charakter annimmt, kann ihm nur zur Ehre angerechnet werden; würde man es doch kaum begreifen, wenn er die selbstgestellte Aufgabe, die Lebensgeschichte des Vaters in ihrer Gesammtheit vorzuführen, nach Art eines blossen Historikers zu lösen versucht hätte. Mit nicht geringem Geschick hat er durch die äussere Einrichtung seiner Darstellung sich einen gewissen Zwang auferlegt, den historischen Gang der Entwickelung seines Vaters festzuhalten; dadurch erzielte er eine Vollständigkeit in der Berichterstattung, welche auch die kleineren Verhältnisse und Erlebnisse in volles Licht stellt. In einer Reihe von grösseren und kleineren, kapitelartig getrennten und dadurch zu einer Art von Selbständigkeit entwickelten Abschnitten führt er uns durch alle Stadien dieses langen und so inhaltsreichen Lebens. So gewährt er dem aufmerksamen Leser die Mittel, sich selbst ein zusammenhängendes Bild der äusseren und der inneren Entwickelungsgeschichte des „Mannes“ zusammenzusetzen, und er versäumt es nicht, durch vor- und rückgreifende Bemerkungen, welche die Reihenfolge der historischen Darstellung zuweilen durchbrechen, den fortlaufenden Faden erkennbar zu machen, der unzerstörbar durch das ganze Leben bis zum Tode seine Continuität erhalten hat. Es ist in der That ein lehrreiches und erbauendes Werk, welches hier den Zeitgenossen und der Nachwelt geboten wird.

Für nicht wenige Leser unserer Zeitschrift werden grosse Abschnitte desselben, insbesondere die politischen, nur dann den tief sympathischen Eindruck hervorrufen, welchen der Verf. beabsichtigt, wenn sie sich über die aufregenden und oft verwirrenden Hergänge jener Zeit zu einem ruhigen, klärenden und zusammenfassenden Urtheil über die psychologische Grundlage eines solchen Mannes zu erheben wissen. Wer, wie ein scheinbar grosser Theil der Bewohner jener Stadt, in welcher Carl Vogt die letzten Jahrzehnte seines Lebens in steter wissenschaftlicher und patriotischer Arbeit verbracht hat, noch über den Tod hinaus das Gefühl der Erbitterung über sein stets freisinniges, unabhängiges und entschlossenes Handeln nicht zu überwinden vermag, dem wird auch dieses Lebensbild die Freiheit des Ausblickes auf den Charakter und die Ziele des Mannes nicht bringen. Ihm kann man nur die Handlungsweise eines Gelehrten entgegenhalten, der trotz aller principieller Gegensätzlichkeit und trotz herber persönlicher Erfahrungen kein Bedenken getragen hat, im entscheidenden Augenblick für den „Rebellen" einzutreten. Das war unser Leopold von Buch, der in der Zeit des aufsteigender Ruhmes des jungen Naturforschers, als die Glacialzeit in den Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses trat, in den heftigsten Streit mit ihm gerieth und nach empfindlichen, vor der Oeffentlichkeit geführten Verhandlungen von ihm besiegt wurde, und der doch, als es sich bald nachher um die Berufung des gefürchteten Materialisten und Liberalen auf den zoologischen Lehrstuhl in Giessen handelte, diese Berufung bei dem reactionären Ministerium durchsetzte.

Gerade die Schilderung dieser und der kurz vorhergegangenen Zeit, insbesondere der fortschreitenden Arbeiten über die Entwickelungsgeschichte der Fische und über die Stellung ihrer paläontologischen Reste, die in dem kleinen Kreise der um Louis Agassiz in Neufchatel gesammelten Schaar durchgeführt wurden, und dann die gewaltige Aufgabe der Gletscher-Erforschung gehören zu den, durch ihre Klarheit und ihr Detail an

ziehendsten Abschnitten des ganzen Werkes.

Heutzutage, wo die „Gletschertheorie" Allgemeingut des Volkes geworden ist, gewährt es ein Bild ungetrübter Freude, das Hôtel des Neufchâtelois, jenen gewaltigen Felsblock auf dem Aar-Gletscher, und die Gesellschaft rüstiger Arbeiter, unter denen neben Vogt die sympathische Gestalt des lieben Desor hervorragt, sich von Neuem zu vergegenwärtigen.

Ein nicht minder dramatisches Capitel bringt die ersten Nachrichten über die Entdeckung der Pfahlbauten in den schweizer Seen, über die Auffindung der ältesten Manufakte aus gehauenem Feuerstein in der Picardie und endlich das Auftreten Darwin's. Wie schnell und wie bestimmend Vogt in die gewaltige Bewegung eingriff, welche dadurch entfesselt wurde, ist allgemein bekannt. Wer erinnert sich nicht seines Zuges durch ganz Europa, wo er als Apostel der Steinzeit vor der erstaunten Zuhörerschaft mit der Meisterschaft seines Vortrages die neuen Aufschlüsse schilderte, welche unabhängige Forschung zu Tage gebracht hatte! Jahre hindurch erfüllte dieses Studium seine Seele; wohin er kam, da regte er zu eigener Beobachtung und zu hingebender Forschung an. Er stand auch an der Spitze der Männer, welche den Gedanken einer deutschen anthropologischen Gesellschaft erfassten und schnell verwirklichten. Erst vor wenigen Jahren haben wir in Innsbruck, von wo 1869 der Aufruf zur Gründung der Gesellschaft unter Vogt's persönlicher Mitwirkung erging, das 25jährige Jubelfest in dankbarer Erinnerung gefeiert. Unsere Berliner Gesellschaft ertheilte ihm damals die seltene Ernennung zu ihrem Ehrenmitglied.

Schon im Beginn der Periode, welche durch Darwin's Namen geziert ist, veröffentlichte Vogt die grosse und genaue Arbeit über die Mikrocephalen oder, wie er sie in seinem Enthusiasmus nannte, die Affenmenschen. Damit war der Grund gelegt zu jenen zahllosen und erbitterten Angriffen, die ihn und seine „Affentheorie" bei der grossen Menge in Missachtung zu bringen suchten. Ref. darf wohl daran erinnern, weil es in dem Buche wiederholt zur Sprache gebracht wird, dass er zu den ersten gehört hat, welche sowohl dem „Affenmenschen", als der „Affentheorie" entgegengetreten sind. Aber es waren rein wissenschaftliche Gründe, die ihn leiteten, und seine Hochachtung vor dem Manne nnd seine Anerkennung des Ernstes seiner Forschung ist dadurch nicht geschwächt worden. Vogt selbst hat die „Affenmenschen" seitdem in den Hintergrund gestellt, und erst das vorliegende Buch hat den Ref. darüber belehrt, dass kurz vor seinem Tode durch eine französische Arbeit über den atavistischen Charakter der Mikrocephalie eine Art von Wiederbelebung des alten Lehrsatzes in ihm stattgefunden zu haben scheint. Es wäre so mehr befremdend, als Vogt selbst lange vorher in seinem Kampfe mit den -phantastischen" Darwinisten selbst die Affentheorie aufgegeben hatte und zu objektiven Untersuchungen über die Entwickelungsreihen der höheren Organismen zurückgekehrt war. Diese Wandlung wird in dem Buche, wenn auch nicht in aller Klarheit, so doch unter Einfügung zahlreicher Citate dargestellt. Es mag hier namentlich sein Urtheil über die Darwinisten (p. 136) erwähnt werden. Der Verf., der in den Fragen der Anthropogenie den späteren kühleren Standpunkt seines Vaters nicht ganz bewahrt, und der auch von dem Pithecanthropus in leicht begreiflicher Weise erregt ist, hat doch in anerkennenswerther Treue durch Originalnachweise jedem Leser ein reiches Material zur Bildung eines eigenen Urtheils über die Stellung des grossen Zoologen geboten.

das um

Diese kurzen Ausführungen mögen genügen, um das Buch der Aufmerksamkeit der Fachgenossen und aller derer, welche die Entwickelungsgeschichte der modernen Anthropologie studiren wollen, zu empfehlen. Sie werden zugleich den Mann kennen und, wie wohl sicher zu erwarten steht, schätzen lernen, der während seines, durch eine Fülle unabhängiger Arbeiten und durch eine im höchsten Maasse uneigennützige Thätigkeit ausgezeichneten Wirkens nie aufgehört hat, auch für rein humanitäre Zwecke mit Einsetzung aller seiner Kräfte einzutreten. Niemand wird ohne Rührung lesen, wie er nach der Niederwerfung der Revolution 1849 und dann wieder nach der Vernichtung der französischen Heere 1871 persönlich beschäftigt war, den Besiegten Hülfe zu bringen, ihnen Mittel zu neuer Existenz und zur Aufrichtung in ihrer Noth zu verschaffen. Möge keiner der Leser vergessen, dass der Zweck des Buches nicht in erster Linie eine Geschichte der Zeit ist, sondern eine Geschichte des Mannes und seiner unerschütterlichen „männlichen“ Haltung. Rud. Virchow.

Verhandlungen

der

Berliner Gesellschaft

für

Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.

Redigirt

von

Rud. Virchow.

Jahrgang 1896.

BERLIN.

VERLAG VON A. ASHER & CO.

Berliner Gesellschaft

für

Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.

1896.

Ehren-Präsident:

Dr. Rudolf Virchow, Professor, Geh. Med.-Rath.

Vorstand, 1. Januar 1896.

Dr. Wilh. Waldeyer, Professor, Geh. Med.-Rath, Vorsitzender.

[blocks in formation]

Ausschuss, 25. Januar 1896.

Dr. Lissauer, Sanitätsrath, Obmann, Bibliothekar der Gesellschaft.

Dr. A. Bastian, Professor, Geh. Regierungs- Dr. phil. Wilh. Joest, Professor.
rath, Dir. des Museums für Völkerkunde. Dr. jur. v. Kaufmann, Geh. Regierungsrath,
Dr. med. et phil. Paul Ehrenreich.
Professor.

E. Friedel, Geh. Regierungsrath, Stadtrath. Dr. med. et phil. v. Luschan.

Dr. phil. F. Jagor.

Dr. med. et phil. K. von den Steinen, Prof.

Ehrenmitglieder, 1. Januar 1896.

1. Frau Gräfin Uwaroff, Präsident der Kaiserlich Russischen Archäologischen. Gesellschaft, Moskau, erwählt den 21. December 1889.

2. Fräulein Johanna Mestorf, Director des Museums vaterländischer Alterthümer in Kiel, erwählt den 18. Juli 1891.

3. Ministerialrath, Freiherr Ferdinand v. Andrian-Werburg, Präsident der Wiener anthropologischen Gesellschaft, Aussee, Steiermark, erwählt den 14. Juli 1894. 4. Direktor Dr. Fraas, Stuttgart, erwählt den 14. Juli 1894.

5. Prof. Dr. Johannes Ranke, erster Vorsitzender der Münchener Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, General-Secretär der Deutschen anthropolog. Gesellschaft, München, erwählt den 8. März 1895. 6. Geheimer Bergrath, Prof. Dr. Ernst Beyrich, Verwaltungs-Director der geologisch-paläontologischen Abtheilung des Königl. Museums für Naturkunde. in Berlin, erwählt den 19. October 1895.

« AnteriorContinuar »