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Ausserordentliche Sitzung vom 28. März 1896

im Passage-Panopticum.

Vorführung eines tunesischen Harems.

Hr. Maass, auf dessen Veranlassung die Direction des Passage-Panopticums die Gesellschaft eingeladen hatte, eröffnete die Sitzung mit einigen einleitenden Worten, in denen er zunächst dem Director des Panopticums, Hrn. Neumann, den wohlverdienten Dank dafür aussprach, dass er diese Vorführung eines ächt arabischen Harems mit gewohnter Bereitwilligkeit möglich gemacht hatte. Er führte dann weiter aus, dass der hier in Berlin noch nie gesehene und auch im Orient den Männern, zumal Nicht-Muhamedanern, nie gestattete Anblick eines Harems-Innern nur durch ganz besonders günstige Umstände bewirkt worden sei. Bei seiner Anwesenheit in Tunis, im Januar d. J., wurde Hrn. Neumann der Vorschlag gemacht von einem reichen Einwohner von Kairowan, der in Vermögensverfall gerathen war, seinen ganzen Harem mit den dazu gehörigen Kindern, Sclavinnen, Haremswächtern, dem arabischen Koch und anderen Dienern, kurz seinen ganzen arabischen Haushalt, käuflich zu erstehen und hier in Berlin öffentlich zu zeigen. Auch der frühere Besitzer des Harems selbst war hierher gefolgt und nahm auf der Bühne seine frühere Stelle als Hausherr ein, aber nur auf der Bühne.

Die ganze Gesellschaft kommt direct aus Kairowan und ist dies eine Gewähr dafür, dass das hier vorgeführte Leben ein ächt arabisches Harems-Leben ist und kein nachgemachtes. Kairowan oder Kirwan ist eine Stadt von 10000 Einwohnern, 100 Kilometer südlich von der Stadt Tunis gelegen. Sie wurde gegründet Ende des 7. Jahrhunderts bei der Eroberung Nord-Africa's durch die Araber, und galt mehrere Jahrhunderte hindurch, bis zum Emporblühen von Tunis, als die Hauptstadt des muhamedanischen Africa. Sie ist noch heute die „heilige Stadt“, wie Mekka im asiatischen Arabien, weil in seiner grossen Moschee Dschaini Saidi el Owaib der Bart des Propheten aufbewahrt wird. Auch darf kein Nicht-Muhamedaner die Stadt betreten, oder doch nur mit den allergrössten Schwierigkeiten.

Als ganz besonders interessant ist zu bemerken, dass in einem der hier vorgeführten Bilder eine, von einem Sclavenhändler zu verkaufende Sclavin auftritt, mit welcher es folgende Bewandtniss hat: Der Sohn des Bey von Tunis hatte eine Lieblingssclavin, die in ganz Tunis als gefeierte Schönheit bekannte Aziza, für welche er unglaubliche Summen verschwendete. So hatte sie einen eigenen Palast und Dienerschaft, höchst wertvolle Diamanten und Geschmeide, sowie die kostbarste Garderobe. Der alte Bey, erzürnt über die Verschwendung seines Sohnes, befahl ihm, die schöne Aziza zu verkaufen. Der Sohn aber konnte sich nicht ganz von ihr trennen und trat mit Hrn. Neumann in Unterhandlung. Dieser hat es unternommen, die junge Schöne auf zwei bis drei Monate, bis sich der Zorn des Bey gelegt haben wird, aus Tunis verschwinden zu lassen. Er hat sie hierher mitgenommen und so tritt sie nun hier als Mitspielerin auf.

Der Inhalt der ganzen Vorstellung ist nicht als eine Theatervorstellung, sondern nur als ein entsprechendes lebendes Bild anzusehen.

Nach diesen Worten des Herrn Maass ging der Vorhang aus einander und es zeigte sich ein arabisches Zimmer, die Wände mit Koran-Sprüchen bemalt. Mit seidenen Festkleidern angethan, sitzen gegen zwanzig Frauen und Kinder theils auf erhöhten Polstern an den Wänden und in den Nischen, theils auf der Erde an einem niedrigen Tische, der mit allerlei Nippsachen, auch mit einem Schachspiel bedeckt ist. Sie singen, lachen und plaudern. Ein, angeblich verschnittener, junger Neger, als Thürhüter, kündet eine Hausirerin an, welche tief verschleiert, während die anwesenden Frauen und Kinder nicht verschleiert sind, hereintritt und allerlei werthlosen Tand anpreist, der dann auch mit grosser Freude angenommen und gegen, zum Theil sehr werthvolle Gegenstände, wie ächte Ringe u. s. w., eingetauscht wird. Da wird der Hausherr angekündigt; die Trödlerin verschwindet und der Herr tritt ein, begrüsst seine Frauen und Kinder mit einer Handbewegung und lässt sich auf einem Divan nieder. Dort ruft er jede einzelne seiner Frauen, eine nach der anderen, zu sich heran und giebt ihnen werthvolle Geschenke, jeder einzelnen, denn es widerspricht der Sitte, nur eine einzige zu beschenken. Alle danken ihm nach empfangenem Geschenk: die Frauen, indem sie ihm die Hand küssen, die Kinder, indem sie ihm die Stirn zum Kusse bieten. Jetzt kommt der Kafetschi und bietet Allen eine kleine Tasse Kaffee an; ebenso reicht der Tabekschi dem Herrn einen Tchibuk, nachdem er ihn in Brand gesetzt hat. Nun lässt der Herr seine Hauskapelle eintreten, bestehend aus einem Handtrommelund einem Guitarren-Spieler. Zu dieser, für deutsche Ohren grässlichen Musik treten nun verschiedene Frauen und Kinder auf und tanzen nach einander den höchst unästhetischen Bauchtanz, der bekanntlich darin besteht, dass die betreffenden Personen, ohne ihre Stelle zu verändern, durch Einziehen und Hervorstossen des Bauches und zeitweises Schütteln der Brüste einen sinnlichen Reiz auf die Zuschauer auszuüben versuchen.

Nachdem auch dieses vorüber ist, wird ein Sclavenhändler gemeldet, der die bekannte Schönheit Aziza zum Kauf anbietet. Nach vielem Feilschen wird man einig und tief verschleiert wird Aziza hereingeführt. Nachdem der Händler gegangen, nimmt der Herr ihr den Schleier ab und begrüsst sie, sowie sämmtliche Frauen und Kinder, mit grosser Freude. Sie muss sich neben ihm auf den Divan setzen, wo er sie zärtlich anblickt und liebkost. Nach einer Weile tritt sie selbst in die Mitte der Bühne und singt mit einer allerdings nicht sehr angenehmen Stimme, während die Frauen sie begleiten, ein Lied Zum Schlusse lässt der Hausherr ein italienisches Pulcinell - Theater hereinbringen, auf welchem die Marionetten sich in den üblichen Purzeleien ergehen; zuletzt tanzen zwei recht hübsche junge Neapolitanerinnen die Tarantella.

Damit schloss die Vorstellung auf der Bühne. Die Hauptdarstellerinnen traten dann in den Saal unter die Gesellschaft und es war nun den meisten der Anwesenden Gelegenheit gegeben, die jungen, meist sehr hübschen, Frauen und Kinder und ihre, manchmal höchst eigenthümlichen Tättowirungen auf den Armen (meist Koransprüche) und im Gesicht zu studiren. Aziza ist wirklich eine Schönheit, nur etwas fett und von bräunlicher Hautfarbe. Die Kinder waren lieblich und zutraulich.

Die ganze Vorstellung war überaus interessant und lehrreich. Eine Unterhaltung mit den nur arabisch sprechenden Darstellern war leider ausgeschlossen. Ein französisch sprechender arabischer Dolmetscher war zwar vorhanden, konnte aber in dem Gedränge nicht gut benutzt werden.

Sitzung vom 18. April 1896.

Vorsitzender: Hr. Waldeyer.

(1) Die Gesellschaft hat durch den Tod ihr hochverdientes correspondirendes Mitglied, den Präsidenten des letzten internationalen prähistorischen Congresses in Moskau, Professor Dr. Anatol Bogdanow verloren. Sie wird sein Gedächtniss in Ehren halten.

(2) Direktor Karl Humann in Smyrna, der Vertreter der deutschen Archäologie in Kleinasien, dessen Arbeiten wir vorzugsweise den Besitz der pergamenischen Schätze verdanken, ist uns durch den Tod entrissen.

(3) Professor Dr. Fritz Pfuhl in Posen wünscht wieder in die Gesellschaft einzutreten. Es wird ihm dies bewilligt.

(4) Als neue Mitglieder werden angemeldet:

Hr. Oberarzt an der Provinzial-Irrenanstalt Dr. H. Bresler zu Freiburg

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(5) Als Gast wird begrüsst: Hr. Wm. J. Birgham aus Honolulu.

(6) Hr. M. Bartels zeigt an, dass durch die für diesen Sommer veränderte Besuchszeit des kgl. Museums für Völkerkunde die Bibliotheks-Stunden der Gesellschaft nicht beeinflusst werden. Die Bibliothek ist auch fernerhin vom 1. April bis 30. September wochentäglich von 9-3 Uhr geöffnet.

(7) Von Dr. W. Kobelt (Schwanheim, Main) und Dr. K. Oppermann ist eine Einladung für die Abtheilung No. 10 (Ethnologie, Anthropologie und Geographie) der vom 21.-26. Sept. d. J. in Frankfurt a. M tagenden 68. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte eingelaufen, zugleich mit dem Ersuchen, Vorträge und Demonstrationen bis Ende Mai anzumelden.

(8) Die kaiserlich russische archäologische Gesellschaft in Moskau, welche unter dem Präsidium unseres Ehrenmitgliedes, der Frau Gräfin Uwarow steht, übersendet eine Einladung zu dem vom 1. bis 20. August (alten Styls) in Riga stattfindenden X. Archäologischen Congress.

Derselbe zerfällt in folgende 11Abtheilungen: 1. Vorhistorische Alterthümer. 2. Geschichtliche, geographische und ethnographische Alterthümer. 3. Denkmäler der Kunst und Malerei. 4. Häusliches und gesellschaftliches Leben, Rechtskunde und Kriegswesen. 5. Kirchliche Alterthümer. 6. Urkunden der Sprache und Schrift. 7. Klassische, byzantinische und westeuropäische Alterthümer. 8. Baltische Alterthümer. 9. Alterthümer des Orients. 10. Münz- und Siegelkunde. 11. Archäographische Denkmäler. Es sind 209 Fragen formulirt, welche auf dem Congresse ihre Erledigung finden sollen.

(9) Hr. Jentsch in Guben zeigt in einem Schreiben an, dass die diesjährige Hauptversammlung der Niederlausitzer anthropologischen Gesellschaft für die erste Juli-Woche (nicht für die Pfingstzeit) geplant ist, und dass auf eine reiche Betheiligung gerechnet wird. -

(10) Von dem Provinzial-Conservator, Geheimen und Landes-Baurath Bluth in Berlin ist unter dem 2 April ein Exemplar der im Auftrage der ProvinzialCommission für die Denkmalspflege in der Provinz Brandenburg ausgearbeiteten Anleitung für die Pflege und Erhaltung der Denkmäler in der Provinz Brandenburg übersendet worden, welche die Aufgaben der Vertrauensmänner bei der Pflege und Erhaltung der Denkmäler, bei Aufdeckung von Funden u. s. w. behandelt und die durch Gesetze, sowie Verordnungen zum Schutze der geschichtlichen und vorgeschichtlichen Denkmäler erlassenen Bestimmungen bekannt giebt.

(11) Die Direktion des Märkischen Provinzial-Museums überwies der Gesellschaft das I. Heft ihrer neuen Veröffentlichung: Hervorragende Kunstund Alterthums-Gegenstände des Märkischen Provinzial-Museums in Berlin. Dasselbe enthält aus der Feder der HHrn. E. Friedel, R. Buchholz und E. Bahrfeld eine mit vortrefflichen Tafeln verzierte Abhandlung über „Die Hacksilberfunde".

Der Schriftführer spricht dem Hrn. Provinzial - Conservator und dem Hrn. Direktor des Märkischen Provinzial-Museums Namens der Gesellschaft den verbindlichsten Dank für die sehr erwünschte Gabe aus.

(12) Hr. Jentsch in Guben übersendet mit Schreiben vom 17. April Mittheilungen über

Niederlausitzer Funde aus provinzialrömischer und älterer Zeit.

1. Kleine Fensterurne von Sadersdorf, Kreis Guben.

Unter den zahlreichen Funden des Sadersdorfer Gräberfeldes aus der La Tèneund der provinzial-römischen Zeit) ist in dem dieser letzteren Periode angehörigen Theile ein kleines Thongefäss von 3 cm Höhe, von 3,5-5,5 cm konisch erweitert, hervorzuheben, innen ein wenig convex, von Farbe röthlich grau. Die Masse ist bröcklig, mit Quarzkörnchen und Glimmerspänchen durchsetzt. Es gleicht der unserer übrigen Niederlausitzer Thongefässe (Fig. 1 a u. b). Im Boden, der von Rauch geschwärzt und rissig ist, ist eine Oeffnung ausgeschnitten, auf der Aussenseite in Gestalt eines Quadrats, dessen Grundlinie 1,5 cm beträgt; auf der Innenseite, wo sie die ganze Bodenfläche einnimmt, hat sie etwa die Gestalt eines

1) Vgl. Verhandl. d. Berliner anthropolog. Gesellschaft 1895, S. 565 f und Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde 1896, S. 5, IV; Niederlausitz. Mittheil. IV, S. 1–142.

unregelmässigen Fünfecks; hier sind die Ränder ungleichmässig ausgezackt. Von aussen her ist ein Glasstück eingelegt, das auf der Innenseite zwar eben, aber körnig und porös erscheint, während die Aussenfläche glatt geschmolzen und die Masse hier nach einer Ecke des Quadrats hin zu einem Tropfen zusammengelaufen ist (Fig. 2).

Fig. 1.

Fig. 2.

a

b

Ihre Farbe ist hier grünlich weiss, innen theils durchscheinend grünlich, theils milchglasartig gelblichweiss. Die Einlage erinnert an die, allerdings meist erheblich grösseren Fensterurnen aus provinzialrömischer Zeit, die von Hrn. R. Virchow in den Verhandl. der Berliner anthropolog. Gesellsch. 1889, S. 63 ff., 252 besprochen sind. Die Einfügung des Glasstückes entspricht derjenigen an den Exemplaren im Museum zu Stendal. Der obere, hin und wieder etwas beschädigte Rand des kleinen Gefässes passt gerade in einen kleinen Pokal von 4,5 cm Höhe hinein (abgebildet Niederlausitz. Mittheil. IV, S. 64, Fig. 22), mit welchem das Stück in demselben Grabe gefunden ist; dass es als Deckel (vgl. d. cit. Verhandl. 1884, S. 126) aufgestülpt gewesen wäre, konnte nicht mehr festgestellt werden. Das kleine Fenstergefäss steht unter den allerdings nicht sehr zahlreichen provinzial-römischen Grabfunden unserer Landschaft und eines weiteren Umkreises isolirt.

2. Wellenlinien an vorslavischen Gefässen und Deckeldosen.

In der Sammlung des Hrn. Rittergutsbesitzers Paschke auf Neuendorf bei Lübben i. L. befinden sich die Ergebnisse einer Ausgrabung auf der östlich vom Dorfe gelegenen, 3 Morgen grossen Flur Lidda. Erhalten sind ein Gefäss mit stumpfwinklig gebrochener Seitenwand, das über ein milchnapfartig konisch erweitertes (14 cm hoch, 22 cm weit offen) gestülpt war, ferner ein 25 cm hoher Topf, mässig ausgebaucht, unter dem Rande ein wenig eingezogen, und zwei eimerartige Gefässe, eines von 10 cm Höhe ohne Verzierung, das zweite mit oberer und unterer Begrenzungs- und einer mittleren Furche, in dessen beide über einander liegende Zonen dreifache Zickzacklinien eingefurcht sind; auch ein kleines, fast pokalartiges Töpfchen mit wagerecht ausgelegtem Rande, mit senkrechter Seitenwand, nach unten absatzweise zum Fusse hin verengt. Zwei Gefässe sind von seltenerer Art: eine konisch nach oben erweiterte Deckeldose (9 cm hoch, Boden 5, Oeffnung 7 cm) mit 2 Oehsen, von denen eine erhalten ist; die Aussenseite ist durch schräg zwischen zwei wagerechten Strichen spiralig verlaufende Furchen verziert (Fig. 3). Der Deckel mit Falzrand ist durch 5 flüchtig und unregelmässig gezogene concentrische Kreise gezeichnet. In dem übergreifenden Rande ist er an zwei correspondirenden Stellen durchbohrt. Das Geräth erinnert an die Deckeldose von Coschen, Kreis Guben (abgebild. Zeitschr. f. Ethnol., Bd. 9, 1877, Taf. 14, No. 5

Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1896.

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