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unter den Völkern der Südsee abgeben zu können; ich hoffe aber, in einiger Zeit durch die Bemühungen des Hrn. Jung in der Lage zu sein, ein grösseres Material vorzuzeigen.

Hr. v. Luschan: Den Ausführungen des Collegen Steinbach möchte ich beifügen, dass von seinen drei Schädeln aus Nauru nur einer ausgesprochen polynesisch-malayischen Charakter hat, zwei aber jenem Typus angehören, den man mit Volz') am besten als ostmelanesisch bezeichnet. Besonders der von ihm als Nr. I beschriebene Schädel könnte geradezu als das Ideal eines solchen ostmelanesischen Typus bezeichnet werden. Die Erscheinung ist indess durchaus nicht überraschend; ich kann hier aus meiner eigenen Sammlung zwei Schädel von der Osterinsel und einen von den Marquesas vorlegen, welche rein ostmelanesisch aussehen. Aus der Arbeit von Volz geht genugsam hervor, wie weit dieser ostmelanesische Typus über ganz Polynesien verbreitet ist. Für Nauru speciell gewinnt der Befund erhöhtes Interesse dadurch, dass auf den Photographien, die wir von da haben, ein wesentlicher Theil der Leute auch sehr ausgesprochen kraushaarig erscheint. Es ist nur zu bedauern, dass von Nauru nicht mehr Schädel und Photographien vorliegen, gar keine Haarproben und keine Messungen, so dass über das numerische Verhältniss, in dem da Leute mit rein polynesischem und Leute mit rein ostmelanesischem Typus neben einander vorkommen, vorläufig nichts Sicheres gesagt werden kann. Jedenfalls aber ist der Befund, so wie er sich aus der Vorlage und den Mittheilungen Dr. Steinbach's ergiebt, von grösstem Interesse, schon als ein neuer Beweis dafür, wie sich so ganz verschiedene Typen trotz Jahrhunderte lang andauernder fortgesetzter Vermischung doch selbst in ihren extremen Formen rein erhalten können, und auch dafür, wie unvorsichtig es ist, nur auf sprachliche Verhältnisse allein gestützt und ohne den anthropologischen Thatsachen Rechnung zu tragen, weitgehende Schlüsse auf die ethnographische Stellung irgend einer Gruppe von Menschen ziehen zu wollen.

(29) Hr. v. Luschan giebt folgenden

Beitrag zur Kenntniss der Tättowirung in Samoa.

Noch niemals hat sich jemand bisher die Mühe genommen, correcte Abbildungen von der Tättowirung der Samoaner zu veröffentlichen. Da photographische Aufnahmen der auf der hellbraunen Haut in verschiedenen Tönen von blau erscheinenden Muster naturgemäss entweder ganz unbrauchbar werden oder im besten Falle höchst unvollkommen gerathen, so muss man auf eine mechanische Wiedergabe verzichten und bleibt auf das höchst mühevolle und zeitraubende Nachzeichnen angewiesen. Ein anderes und eigentlich sehr einfaches und höchst empfehlenswerthes Verfahren wäre ja, an Ort und Stelle selbst einen der noch lebenden Tättowir-Künstler, tu fuga), zu ersuchen, seine sämmtlichen Muster auf Papier zu malen; aber auch dieses Verfahren ist meines Wissens bisher noch niemals eingeschlagen worden. Was ich an Abbildungen samoanischer Tättowirung kenne, ist durchweg unbefriedigend; selbst die Zeichnung bei Ratzel') ist zwar erstaunlich viel besser als ihre Vorlage, eine schlechte Photographie im Godeffroy

1 Archiv f. Anthropologie, Bd. XXIII, 1895, S. 97 ff.

2) Sprich etwa wie tufunga; ich folge der auch in Samoa selbst jetzt fast allgemein üblichen Schreibweise g für jenen eigenthümlichen Nasallaut, den manche mit ng, andere mit zu schreiben versuchen.

3) Völkerkunde, 1. Aufl., Bd. II, S. 138.

Album, aber sie ist doch auch noch ganz unzureichend und giebt nicht entfernt eine richtige Vorstellung von den Einzelheiten der Tättowirung.

Deshalb erschien es mir geboten, die Anwesenheit einer grösseren Gesellschaft von Samoanern, die im Spätherbst 1895 im Berliner Passage-Panopticum gezeigt wurden'), aber leider nicht gemessen werden konnten), meinerseits wenigstens zu einer näheren Untersuchung ihrer Tättowir-Muster zu benutzen.

An dieser Stelle die Wichtigkeit gerade der polynesischen Tättowirungen zu betonen, ist vielleicht überflüssig; aber ich möchte doch darauf hinweisen, dass uns da vielfach alte, sonst vergessene, beinahe könnte man sagen prähistorische Muster entgegentreten, und ich kann andererseits nicht verschweigen, dass durch die Ungunst der Verhältnisse, vor Allem durch die Schwierigkeit, diese Muster zu photographiren, aber auch durch die Indolenz vieler Reisenden, sowie durch den Eifer, den viele Missionare in ihrem Kampfe gegen die alten Sitten entwickelt haben, Vieles schon dahin ist, unwiederbringlich, unersetzbar und für alle Zeit verloren. Ich gehe kaum zu weit, wenn ich sage, dass für die Mehrzahl der polynesischen Inseln die alte typische Art der Tättowirung niemals wieder genau wird ermittelt werden können. Um so mehr muss es uns als Pflicht erscheinen, jetzt zu retten, was noch zu retten ist und in letzter Stunde festzuhalten, was sonst gleichfalls in den Abgrund vollständigen Nichtwissens hinabgleiten würde.

Die Notizen, welche ich selbst zur Tätto wirung der Samoaner sammeln konnte, sind nur dürftig und jedenfalls weit davon entfernt, eine abschliessende Untersuchung des Gegenstandes zu ermöglichen. Zu einer solchen reichen schon meine sprachlichen Kenntnisse nicht aus; gleichwohl gebe ich, was ich habe, vor Allem in der Erwartung und Hoffnung, dadurch Andere zu weiterem Studium der Sache anzuregen und ihnen über die ersten Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Meine Bemühungen waren nach zwei Seiten gerichtet: zunächst wollte ich eine möglichst authentische Wiedergabe einer samoanischen Tättowirung versuchen, dann aber auch die Bedeutung und die Namen der einzelnen Muster ermitteln.

Die Abbildungen A, B, C und E sind nach der Natur, die Abbildungen D und F nach in Samoa gefertigten Photographien hergestellt worden. Die Bedeutung der einzelnen Muster zu erfahren, ist mir nur in wenigen Fällen gelungen; die Namen derselben sollen aber hier angeführt werden, so gut wie ich sie durch vieles Kreuzund Querfragen ermitteln konnte. Die Abbildungen, welche Hr. Fresenius unter meiner persönlichen Controle zeichnete, dürften nur in nebensächlichen Punkten einer Verbesserung fähig sein; vor Allem wird es sich empfehlen, sie in Samoa, besonders auf den entlegensten Dörfern der Inselgruppe, recht vielen Eingebornen. zu zeigen und sie von ihnen selbst corrigiren zu lassen. Die individuellen Abweichungen in der Tättowirung der Männer scheinen sehr gering zu sein; soweit es mir möglich war, die in Berlin anwesenden Leute überhaupt neben einander zu bekommen und die Einzelheiten ihrer Tättowir-Muster vergleichen zu können, habe ich greifbare Unterschiede in denselben nicht wahrnehmen können. Hingegen zeigt die unter D reproducirte Photographie eines anderen Samoaners einige ganz leichte Abweichungen von dem Typus bei den ersteren, der in der Zeichnung A festgelegt ist. Eine wesentliche Verschiedenheit scheint lediglich in der Anzahl der später zu erwähnenden saimûtu-Streifen zu liegen; von diesen

1) Vergl. diese Verhandl. 1895, Bd. XXVII, S. 673.

2) Gemessen wurden in Berlin nur sieben Männer, welche 1890 in Berlin waren, vgl. Rud. Virchow, diese Verhandl. 1890, Bd. XXII, S. 387 ff.

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scheint der gewöhnliche Mann drei zu haben, während die kleinen Häuptlinge, tulafâle, nur zwei, die grossen Häuptlinge, aliî, aber vier haben sollen ').

Jedenfalls scheint diese höchst eigenartige Tättowirung, welche ungefähr dieselben Flächen einnimmt, die wir bei uns mit einer Badehose zu bedecken pflegen, ganz ausschliesslich nur auf die Männer beschränkt zu sein. Wenigstens wurde mir übereinstimmend von allen Samoanern, die ich darüber befragte, ganz bestimmt versichert, dass niemals Frauen in dieser Art tättowirt würden. Damit stimmt auch die von Turner), sicher einem der besten Kenner der Inselgruppe, mitgetheilte samoanische Erzählung, die beiden Tättowir-Göttinnen Taema und Tilafaiga3) hätten, als sie von Fidschi nach Samoa schwammen, um dort das Tättowiren einzuführen, anstatt immer zu wiederholen: „Tättowirt die Weiber, nicht tättowirt die Männer," unterwegs ihren Vers in Unordnung gebracht und schliesslich immer nur wiederholt: „Tättowirt die Weiber nicht, tättowirt die Männer." Leider geht aus Turner's Nachsatz (hence the universal exercise of the art on the men rather than the women) nicht mit Entschiedenheit hervor, was ihm eigentlich über die Tättowirung der Frauen auf Samoa bekannt war. Ich selbst konnte nicht bei einer einzigen unter etwa 30 Samoanerinnen, die ich daraufhin untersucht habe, auch nur eine Spur von guter alter Tättowirung bemerken. Freilich waren sie fast alle tättowirt, aber nur auf den Armen, als ob sie Ringe oder Armreifen gehabt hätten, oder mit irgend einem kurzen Spruche oder mit ihren eigenen Namen in grossen lateinischen Initialen, also durchwegs in zweifellos ganz moderner und daher für uns eigentlich belangloser Art.

Hingegen verdanke ich Hrn. Marine-Stabsarzt Dr. Krämer, dem ich auch sonst für vielfache Unterstützung dieser Arbeit zu Dank verpflichtet bin, Kenntniss einer Photographie einer Samoanerin, bei der es sich um eine alte und typische, jedenfalls von Europa nicht beeinflusste Art der Tättowirung zu handeln scheint. Wie Fig. F zeigt, sind auf der Vorderfläche beider Oberschenkel reihenweise Gruppen von je vier kleinen, mit einer Spitze nach oben stehenden, etwa gleichseitigen Dreiecken angeordnet. Ich gebe die Zeichnung, so gut wie sie nach der Photographie herzustellen war, betone aber ausdrücklich, dass mir sonst gar nichts weiter über diese Art der Tättowirung von Frauen auf Samoa bekannt ist. Keinesfalls ist sie gegenwärtig sehr häufig; ja es ist selbst nicht ausgeschlossen, dass es sich da um ein Mädchen aus ganz fremdem Stamme handelt, die vielleicht von einer ganz anderen Inselgruppe nach Samoa verschlagen wurde.

1) Eine nähere Untersuchung dieses Verhältnisses wäre sehr erwünscht. Ich selbst bin nicht einmal über die Stellung der tulafâle zu den aliî genau orientirt. Vergl. F. W. K. Müller, Samoanische Texte, gesammelt von O. Stübel, Veröffentl. a. d. Kgl. Mus. f. Völkerkunde, Berlin 1896, passim und besonders S. 97. Danach scheint es, als ob ein Häuptling nur in reiferem Alter, also wenn er längst tättowirt ist, zum aliî oder Malietoa gemacht werden kann. Dann dürfte es aber schwer sein, in die anscheinend in sich geschlossene Tättowirung noch einen vierten saimútu-Streifen hineinzubringen. 2) Samoa, London 1884, p. 55.

3) Vergl. F. W. K. Müller a. a. O. S. 154. Danach waren Taema und Tilafaiga Zwillings-Schwestern, die nach Art der Siamesischen Zwillinge" mit einander verwachsen waren, aber später einmal gelegentlich erschreckt wurden, in's Meer sprangen und dabei von einander frei kamen. Von ihrem Zusammenhange mit dem Tättowiren ist in den von F. W. K. Müller herausgegebenen Originaltexten keine Rede. Hingegen hat Turner keine Angabe, dass die Gottheiten des Tättowirens Zwillinge waren; seine zusammengewachsenen und freigewordenen Zwillings-Schwestern sind Taema und Titi. Sicher liegen hier Verschiebungen vor, deren völlige Aufklärung im hohen Grade erwünscht wäre.

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