Imágenes de páginas
PDF
EPUB

Wie vortrefflich sich bei Patienten mit Defecten der Hände zuweilen deren Functionsfähigkeit gestaltet, kann ich unter Demonstration der Gypsabgüsse von 2 Patienten berichten. Mit einer nur aus 3 Fingern, vermuthlich Daumen, Zeigeund Mittelfinger, bestehenden rechten Hand (Fig. 3 und 4) vermag der betreffende Kranke so vorzüglich den Bogen zu dirigiren, dass er als Concertmeister an einem hiesigen grösseren Institut fungiren kann. Der zweite Abguss entstammt einem 9 Jahre alten Mädchen. Es schliessen sich bei ihm linkerseits an die kurze Handwurzel, die auf die normalen Vorderarmknochen folgt, nur 2 Metacarpalknochen, die ihrerseits wieder mit 2 zweigliedrigen Fingern articuliren (Fig. 5). Die beiden Mittelhandknochen sind derartig gelenkig mit der Handwurzel verbunden, dass sie ausser Flexions- und Extensions- noch Ab- und Adductionsbewegungen gegen einander auszuführen im Stande sind, wobei eine zwischen beiden Mittelhandknochen ausgespannte schwimmhautähnliche Falte mehr oder minder gedehnt wird. Obwohl nun die Möglichkeit einer Opposition der beiden vorhandenen Glieder mangelt, vermag die kleine Patientin dennoch mit grossem Geschick die Hand zum Nähen, Sticken und ähnlichen Leistungen zu benutzen, ja so vorzüglich zu schreiben, dass sie alle Mitschülerinnen ihrer Klasse hierin übertrifft. An der rechten Hand der Kleinen finden sich 3 dreigliedrige Finger (Fig. 6), die noch theilweise mit einander verwachsen sind; der rechten unteren Extremität fehlt das ganze Wadenbein und dem entsprechenden Fuss eine Zehe, so dass das linke Bein die einzige an der Patientin wohlausgebildete Extremität darstellt').

Defecte an den Fingern und Händen combiniren sich bekanntlich häufig mit solchen mehr centralwärts gelegener Theile. Ich bin in der Lage, hierfür drei ausgezeichnete Beispiele zu demonstriren:

Bei einer 11 jährigen Kranken findet sich, ausser der Deformität der rechten Hand (Fig. 7), eine Defectbildung der entsprechenden vorderen Brust

Fig. 8.

Fig. 7.

1) G. Joachimsthal: Ueber congenitale Finger-Anomalien. Zeitschr. f. orthop. Chir, Bd. II, S. 441; Ueber angeborne Defecte langer Röhrenknochen. Deutsche med. Wochenschrift 1894, Nr. 52.

wandhälfte. Die verbildete Hand besitzt nur 3 Finger, von denen die beiden ulnarwärts gelegenen wieder mit einander verwachsen sind. In der den Daumen und diese beiden Finger verbindenden Schwimmhaut stecken die beiden, ohne Finger endigenden rudimentären Mittelhandknochen, von denen der mehr radialwärts gelegene bis an den Rand der Schwimmhaut herabreicht, während der ulnarwärts gelegene mehrere Centimeter weiter proxinal wärts endet. Die einschlägigen Verhältnisse gelang es mir deutlich an einer Röntgen-Aufnahme darzustellen. Bei der Betrachtung der vorderen Brustwand findet sich rechterseits eine tiefe Einsenkung im Gegensatz zu einer buckelartigen Erhebung der linken Brustseite (Fig. 8). Ausser der Anomalie am Knochengerüst constatirt man ein Fehlen der Brustund Rippenportion des grossen Brustmuskels, so dass man deutlich die einzelnen Rippen durch die Haut hindurchsieht, während die Schlüsselbeinportion des Muskels erhalten ist.

Unter den 89 in der Literatur bisher bekannt gewordenen Fällen derartiger einseitiger Defectbildungen der vorderen Thoraxwand und deren Muskulatur sind 11 mal gleichzeitige Deformitäten der Hand der afficirten Seite beschrieben. Meist bestanden hier Verwachsungen der einzelnen Finger; nur einmal fehlte die Hand ganz, ein anderes mal lief sie in einen einzigen Finger aus.

Fig. 9.

Bei dem nunmehr folgenden 11jährigen Knaben combinirt sich linkerseits das Fehlen des Daumens und des dazu gehörigen Mittelhandknochens mit einem Fehlen des Radius (Fig. 9). Die Ulna ist verdickt, stark ulnarwärts convex gekrümmt und 4 cm kürzer, als auf der anderen Seite. Das Olecranon sitzt fest in seiner Fossa humeri, wie überhaupt der Bandapparat des Ellbogengelenks ein äusserst straffer ist, so dass keine abnormen Rotations-Bewegungen zu Stande kommen können. Flexion und Extension finden in normalen Grenzen statt. Pro- und Supination sind aufgehoben. Die Handwurzelknochen liegen mit ihren Articulationsflächen an der Radialfläche der Ulna; der Processus styloides ulnae ragt an dem unteren Ende des Vorderarms schroff hervor; oberhalb desselben zeigt die Haut eine narbenartige Einziehung. Was die Bewegungen im Handgelenk anbetrifft, so sind Flexion und Extension, sowie die Radialabduction unbeschränkt; die Ulnarabduction ist passiv so weit zu führen, dass noch etwa 30° an der geraden Stellung fehlen. Der Knabe ist im Stande (ähnlich wie in einer Beobachtung von Sayre) bei gebeugtem Vorderarm die Hand oberhalb des Ellbogengelenks an die Vorder-, bezw. Hinterseite des Oberarms anzulegen. Rechterseits fehlt der Daumen gleichfalls. Dafür sass der Radialseite des Zeigefingers, dort, wo wir noch jetzt eine kleine Narbe finden, ein rudimentärer Finger auf, welcher innerhalb des ersten Lebensjahres entfernt wurde.

Wir treffen diesen rudimentären Finger, der, wie auch eine Photographie mit Röntgen-Strahlen erweist, zwei dünne, durch ein Gelenk verbundene Phalangen zeigt, noch bei dem jetzt 9 Jahre alten Bruder des Knaben, ebenfalls auf dessen rechter Seite (Fig. 10). Schwieriger deuten sich bei ihm die Veränderungen auf der

Fig. 10.

linken Seite. Die ganze Extremität, mitsammt dem Schultergürtel, ist hier in der Entwickelung zurückgeblieben, so dass sämmtliche Knochen, vom Schulterblatt angefangen bis zu den Fingern, sich als kürzer und dünner erweisen, als auf der rechten Seite. Ebenso ist die Muskulatur, und zwar in höherem Grade, als es dem geringeren Gebrauch des Gliedes entspräche, atrophisch, namentlich der Deltoides, so dass man deutlich die einzelnen Gelenk - Constituentien des Schultergelenks durch ihn hindurch nicht nur fühlt, sondern auch sieht. Der äusserst dünne Humerus endet nach unten in zwei wohlgebildete Condylen, zu denen das Olecranon in normalen Beziehungen steht. Unterhalb des Condylus.

internus humeri zeigt sich an der normalen Stelle des Capitulum radii eine Lücke, und die weitere Untersuchung ergiebt ein Fehlen des Radius in seinem obersten Abschnitte. Weiter unten lässt sich der letztere deutlich neben der hier gerade verlaufenden Ulna nachweisen. Im Ellbogengelenk ist die Pro- und Supination aufgehoben; der Vorderarm steht in starker Pronationsstellung. Auch die Flexion und Extension sind wesentlich eingeschränkt, letztere um etwa 35-40°. Der Hand fehlt wiederum der Metacarpus pollicis und der Daumen.

Fig. 11.

Recht interessant in Bezug auf Vererbung angeborner Hand-Anomalien sind dann die beiden Hände einer jetzt 27 jährigen Patientin (Fig. 11), die ich leider nur an Gypsabgüssen zu demonstriren vermag. Die fragliche Anomalie findet sich nehmlich auch bei der älteren und jüngeren Schwester der Kranken und deren Kindern, während ein Bruder selbst frei ist, dagegen einen Sohn besitzt, der die gleichen Deformitäten aufweist. Die Affection besteht beiderseits in einer Verkürzung des Zeige- und besonders des Mittelfingers, als deren Ursache sich das Fehlen einer Phalanx dieser Finger ergiebt.

Wir kommen endlich zu einer kleinen Gruppe von Verbildungen, bestehend in Verschiebungen, bezw. Verrenkungen einzelner Finger oder der ganzen Hände.

Angeborene dorsale Verrenkungen der Daumen in den Gelenken mit den dazugehörigen Mittelhandknochen, eine sonst bisher nicht beschriebene Affection (Fig. 12), zeigt eine 34 jährige Frau, übrigens die Mutter der beiden vorher demonstrirten Knaben mit Radiusdefecten und des Mädchens mit der Verdoppelung des Zeigefingers (Fig. 2). Die Daumen, die sich in fixirter Flexionsstellung finden, sind gegenüber

Fig. 12.

der Norm rudimentär entwickelt. Daneben bestehen, wahrscheinlich ebenfalls angeboren, permanente Beugestellungen in dem Gelenk zwischen erster und zweiter Phalanx des kleinen Fingers.

Ich zeige dann an 3 Kranken eine Affection, auf die neuerdings von Herzog in München die Aufmerksamkeit gelenkt wurde. Dieselbe besteht darin, dass die Endglieder des Daumens nicht die direkte geradlinige Fortsetzung des ersten Gliedes bilden, sondern nach der ulnaren Seite hin abweichen, wodurch von den 2 Gliedern ein ulnarwärts offener Winkel gebildet wird. Die Affection hat am meisten Aehnlichkeit mit der am Kniegelenk als X-Bein oder Genu valgum bezeichneten Deformität, auch darin, dass sie, wie diese, in der Beugestellung verschwindet. Ich möchte daher für die Verbildung die Bezeichnung Pollex valgus, bezw. bei Abweichung nach der entgegengesetzten Seite, Pollex varus vorschlagen. Die Anomalie findet sich auf beiden Seiten bei einer 41 jährigen Frau (Fig. 13) und deren 10 jährigem Sohne (Fig. 14), bei letzterem

[merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][ocr errors]

combinirt mit einem rechtsseitigen angebornen Klumpfuss. In der fraglichen Familie waren noch ausserdem 3 weitere Mitglieder mit der gleichen HandAnomalie behaftet'). Die Affection in geringerem Grade zeigt dann noch die 5jährige Tochter der mit den angebornen Verrenkungen der Daumen behafteten Frau.

Der Aehnlichkeit halber demonstrire ich dann 2 Gypsabgüsse, entstammend einem 8 jährigen Knaben mit Verschiebungen der ganzen Hände nach der ulnaren Seite herüber. Die Affectionen gehören eigentlich streng genommen nicht in mein Thema; es handelt sich nehmlich um die Folgen vererbter Syphilis. Wegen des durch diese Krankheit herbeigeführten verstärkten Wachsthums nur des einen der beiden Vorderarmknochen, des Radius, musste dieser Knochen selbst sich krümmen und die Hand nothgedrungen eine Abweichung nach der ulnaren Seite einnehmen. Interessant ist, dass eine erfolgreiche antisyphilitische Behandlung auch die Stellung der Hände wesentlich zu bessern im Stande war?).

Schliesslich zeige ich noch 2 Fälle der nicht allzu seltenen angebornen Abschnürung ganzer Theile der Extremität. Zumal nachdem es gelungen ist, bei der Geburt der betreffenden Individuen gleichzeitig das abgeschnürte Stück aufzufinden, nimmt man an, dass es sich hierbei um intrauterine Amputationen, be

1) G. Joachimsthal: Ueber angeborne seitliche Deviationen der Finger-Phalangen. Verhandl. der Berliner medicinischen Gesellschaft, Sitzung vom 7. December 1892; Zeitschrift f. orthop. Chir., Bd. II, S. 265.

2) Derselbe, Ueber Knochen-Deformitäten bei hereditärer Lues. Deutsche medicinische Wochenschrift 1894. Nr. 21.

dingt durch einschnürende Stränge von Seiten des Amnion oder der Nabelschnur handelt. Es befindet sich die Abschnürungsstelle, sowohl bei dem 20jährigen, wie bei dem 5jährigen Patienten, an der Grenze des oberen und mittleren Drittels des Vorderarms.

-

(23) Hr. F. v. Luschan zeigt eine grössere Anzahl menschlicher Schädel, darunter:

1. drei trepanirte Schädel von Tenerife.

Dieselben sind bereits in meinem Anhange zu Hans Meyer, die Insel Tenerife, Leipzig 1896, kurz beschrieben worden. Alle drei haben völlig glatte Narben, so dass die Operation jedenfalls von vollständiger Heilung der Knochenwunde gefolgt gewesen sein muss. Bei dem einen der Schädel befindet sich am Grunde einer sehr flach trichterförmigen Narbe am rechten Scheitelbein ein grosser, unregelmässig länglicher, perforirender Defect von etwa 36 mm Länge und 22 mm Breite; bei dem zweiten Schädel trifft ein ähnlicher, aber kleinerer Defect das linke Scheitelbein, bei dem dritten (Fig. 1) das Stirnbein, etwa fingerhreit über der

[merged small][graphic][merged small]

linken Augenhöhle, also etwas zu hoch, als dass man noch an eine Operation wegen Quintus-Neuralgie denken könnte; man sieht aber etwas, wie eine geheilte Fractur, vom unteren Rande der Trepanations-Narbe zum oberen Rande der Augenhöhle sich hinziehen; es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass man in diesem einen Falle im Anschluss an eine traumatische Verletzung des Stirnbeins trepanirt hat. In den beiden anderen Fällen wurde aber zweifellos aus anderen Gründen

« AnteriorContinuar »