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Menschliches Bewußtsein.

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sches Hilfsmittel nicht benötigt werden soll, das Spiel der Phantasie sind uns doch wirklich bewußt. Mit den inneren Entscheidungen, aus denen eine Handlung resultiert, verbindet sich das Gefühl des Willens. Lust und Unlust sind keine Märchen, sondern die wohlbekannten Begleiterinnen unserer Erlebnisse. Sogar von den einfachsten Sinnesreizen haben wir bewußte Empfindungen. Bewußtsein ist aber doch wohl nichts Physikochemisches! Scheint es da nicht, als wenn die ganze Methode der Sparsamkeit, die uns zur Ausdehnung der mechanistischen Hypothese auf den Menschen zwang, eben hierdurch ad absurdum geführt worden wäre?

Das trifft nicht zu. Wir haben von einem psychischen Faktor gesprochen. Die Ursachen des Verhaltens, auch des menschlichen, sind für uns ausschließlich physikochemische. Also würde die Existenz des menschlichen Bewußtseins nur dann vernichtend für unsere Methodik sein, wenn es sicher wäre, daß das Bewußtsein auf den Verlauf des Verhaltens ursächlichen Einfluß nimmt. Davon ist, wie die Erfahreneren wissen, keine Rede. Die Mehrzahl der Psychologen leugnet vielmehr die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhanges zwischen Bewußtsein und Bewegung. Das Psychische mit seinem wechselnden Gehalt gilt ihnen als ein ,,Parallelvorgang" der das Verhalten allein bestimmenden Nervenprozesse, als ihre „subjektive Seite",

als Zuschauer, der sich in den Gang der Dinge nicht einmischt und nicht mischen kann. Und wenn auch die aufgestellte These von ihren Anhängern selbst nicht immer mit völliger Konsequenz gehandhabt wird, so gibt sie doch jedenfalls uns, denen die Autorität der stammesgeschichtlich-ökonomischen Beweisführung zur Seite steht, vollends das Recht, dem menschlichen Bewußtsein die Eigenschaft eines wirkenden „Faktors" abzusprechen. In der Rolle einer wirkungslosen subjektiven Spiegelung der physikochemischen Nervenprozesse fällt aber das Bewußtsein gänzlich aus dem Rahmen unserer kausalen Untersuchung und berührt ihre Resultate nicht.

Immerhin ist die Bewußtseinsfrage historisch und sachlich so eng mit der Verhaltungslehre verknüpft, daß auch wir noch einen Moment bei ihr verweilen und ihre Tragweite für die Tierwelt ermessen wollen. Nehmen wir an was uns die Vorsicht zunächst gebietet, Bewußtsein komme nur dem Menschen zu, so führt uns die Frage, warum es existiert, in eine seltsame Situation. Da für den Ablauf der Hirn- und Nervenprozesse unser Bewußtsein vollkommen „unnütz und überflüssig" ist (ZIEHEN 28), kein einziger von ihnen durch den Hinzutritt des psychischen Parallelvorganges im allergeringsten einfacher oder begreiflicher wird, ist der Gesichtspunkt des stammesgeschichtlichen Fortschrittes hier nicht anwendbar. Gleichviel auf welchen Grün

Tierisches Bewußtsein.

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den die phylogenetische Vervollkommnung beruhen mag, auf den „Erwerb" des Bewußtseins um seiner selbst willen haben sie sicher nicht hingewirkt. Sondern das Psychische könnte dem Menschen nur als ein zufälliger Fund in den Schoß gefallen, als Folge von anatomischen oder funktionellen Verbesserungen seines Nervensystems in die Erscheinung getreten sein. Aber wo sind im Bau des menschlichen Gehirns, wo in seinen Funktionen Neuerwerbungen von solcher Eigenart und ausschlaggebenden Bedeutung, daß das Auftauchen des Bewußtseins sich mit einiger Wahrscheinlichkeit durch sie begründen ließe? Wir wissen ja von früher, daß auch in diesen Dingen die Grenze zwischen Mensch und Tier nicht scharf gezogen ist, sondern verschwimmt. Als wir den Blick vom Tierreich aufwärts zur Höhe der menschlichen Entwicklungsstufe richteten, da hielten wir es aus Mangel einer scharfen Grenze nicht für erlaubt, in dem Verhalten des Menschen prinzipiell neue Geschehensgründe anzunehmen. Jetzt ist die Lage ähnlich, nur umgekehrt. Wir kennen aus unmittelbarer Erfahrung und den Aussagen anderer das menschliche Bewußtsein, aber wir sehen, da die Grenze nach abwärts verschwommen ist, nicht ein, warum es sich gerade beim Menschen den physikochemischen Prozessen des Nervensystems neuerdings beigesellt haben sollte. Also drängt uns das Prinzip der Sparsamkeit zu der Hypothese,

daß das Bewußtsein kein menschlicher Spezialbesitz, sondern auch bei Tieren vorhanden sei. – Freilich wird diese Hypothese, da das Kriterium des Nutzens hier absolut versagt, sich nie beweisen lassen; wie auch die Einzelfragen nach dem Umfange des tierischen Bewußtseins, der Qualität seiner Inhalte, der Stelle seines ersten Aufdämmerns in der Stammesgeschichte unerforschbar sind.

Und worin liegt der früher in Aussicht gestellte besondere Gewinn, der aus der mechanistischen Auflösung der Tierpsychologie für das kausale Problem des Lebens im allgemeinen erwachsen sollte?

Die Annahme eines „,psychischen Faktors", einer zwecktätigen Grundlage des menschlichen und tierischen Verhaltens hat in dem Streite um Mechanismus und Vitalismus insofern eine hervorragende Rolle gespielt, als gerade diese Annahme vielen sehr sicher begründet, ja eines Beweises kaum bedürftig schien. So sahen die Vitalisten in der vermeintlichen Gewißheit zwecktätigen Geschehens auf psychologischem Gebiet den stärksten Rückhalt für ihre eigenen, auf die Erklärung der Zweckmäßigkeit in Stammesgeschichte und Ontogenesis gerichteten Lehren.

Erstaunlich weit geht in dieser Beziehung ein

Mechanismus und Vitalismus.

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Teil der Neo-Lamarckianer, deren Meinung in PAULY'S 29 Buch über „Darwinismus und Lamarckismus“ am besten zum Ausdruck kommt. Diese Schule verwirft die Selektionstheorie. Ich habe sie hier nicht zu verteidigen. Nach meiner persönlichen Ansicht steht die Zuchtwahllehre, seit ihr in Mutation und Orthogenesis die Fundamente, deren sie noch bedurfte, gegeben worden sind, fest genug. Auch spricht in hohem Grade für ihre Richtigkeit, daß Selektion nichts anderes ist, als eine ins Riesenhafte ausgedehnte Anwendung genau derselben Methode, nach der im Gebiete des Verhaltens offenkundig die zweckmäßigen Ziele erreicht, nützliche Richtungen gefunden werden: der Überproduktion von Möglichkeiten und Erhaltung des Passendsten. Wie die „Phantasie" unter der Fülle zur Auswahl gestellter Eindrücke auch den brauchbaren bringt, wie das „suchende" Umherschweifen der Amoebe die zweckmäßige Begegnung mit heilsamen Reizen vorbereitet, so liefert die Variabilität der verbesserungsbedürftigen Spezies einen Streukegel von Möglichkeiten, wovon die passendste bleibt. Und äußere Einflüsse oder innere, im Stoffwechsel kaum zu vermeidende Selbstveränderungen können das Keimplasma ebensogut zum Variieren bringen wie die Amoebe zum Wandern. Was setzt nun PAULY an Stelle des anspruchlosen, auf jede Art von Keim

protoplasma vollkommen anwendbaren Selektions

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