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Staaten und über die Landesgrenzen hinaus auf Zehn- und Hunderttausende gestiegen ist, kann man freilich auch das Arbeitsangebot bei guter Organisation dieser Wanderarbeit rasch vermehren beziehungsweise vermindern; aber nicht ohne die große Gefahr, daß doch einmal aus besonderen Ursachen die Wanderarbeiter ausbleiben.

Wo, wie im agrarischen deutschen Osten, die ganze Landwirtschaft an einem viel zu geringen ansässigen Arbeitsangebot leidet, ist die Schwierigkeit, das heimische Angebot zu vermehren, hauptsächlich darin begründet, daß man durch Kolonisation, Ansiedlung von LandArbeitern, Wohnungsbeschaffung für sie wohl für eine Zukunft in 10-20 Jahren, aber niemals rasch helfen kann.

c) Die Nachfrage nach Lohnarbeit setzt sich aus zwei Teilen zusammen, die von überwiegend verschiedenen, nur teilweise gleichen Ursachen beherrscht sind. Diejenige nach persönlichen Dienern und Gesinde, nach Unterbeamten, Soldaten, geht von den Familien, Personen, Korporationen aus, welche der Arbeit hauptsächlich für persönliche Zwecke und für öffentlichen Dienst bedürfen. Dieser Teil der Nachfrage charakterisiert sich durch eine erhebliche Dringlichkeit und eine relative Gleichmäßigkeit, ändert sich nur langsam. Es ist aber der kleinere Teil der Nachfrage, umfaßte zum Beispiel in DeutschLand 1895 etwa 2-3 Millionen gegen die 12,8 Millionen Lohnarbeiter, die in Unternehmungen der drei Hauptberufsgruppen tätig find, 1907 2,5 Millionen gegen 17,8 Millionen. Von der Gesindezahl läßt sich sagen, sie sei in Zeiten und Ländern mit reicher Aristokratie, niedrig stehenden Volksmassen, roher Kultur und primitiver Technik sehr zahlreich, gehe aber mit höherer Kultur, Arbeitsteilung und höherer Unternehmungsform relativ zurück. Absolut kann sie deshalb doch noch wachsen, zumal wenn man die niedrigen Arbeitsgehilfen von Staat, Gemeinde, Korporationen hinzurechnet.

Die Gesindelöhne der im Familiendienst der höheren Klassen stehenden Personen sind neuerdings stark und rasch gestiegen, einmal weil die begehrten, gutgeschulten Leute nicht sehr zahlreich sind, dann weil die Nachfragenden sehr hohe Löhne zahlen können, ohne sich dadurch beschwert zu fühlen. Aber auch die übrigen Gesindelöhne sind stark gestiegen, weil sie früher abnorm niedrig waren und weil ein großer Teil dieser Leute heute in Industrie und Handel besser bezahlte und teilweise auch leichtere, kürzere Arbeit mit mehr persön= licher Freiheit findet.

Der andere Teil der Nachfrage geht von den Unternehmern aus, welche der Lohnarbeit bedürfen, um Waren und Leistungen auf den

Markt zu bringen. Er ist der weitaus größere und wichtigere Teil der Arbeitsnachfrage; er ist nicht so gleichmäßig, so dringlich; er hängt vom Markt, von der Konjunktur, vom Absah ab; die Unternehmung fragt nach, je nachdem der Bedarf wächst oder zurückgeht. Wir fassen zuerst den Absah im ganzen ins Auge, dann erst die spezielle Arbeitsnachfrage.

Es ist klar, daß alle Ursachen, welche die Nachfrage überhaupt be= einflussen, mehr oder weniger auch die Arbeitsnachfrage bestimmen; die Arbeit spielt unter den Produktionsfaktoren stets eine kleinere oder größere Rolle. Wir werden sagen können, die Nachfrage nach Waren und Leistungen hänge in jedem Lande a) von seinem Wohl= stande, seiner Konsumtionskraft, seinem Einkommen und dessen Verteilung ab; b) von der Aus- und Einfuhr und allen Ursachen, die sie beherrschen, also von seiner Handels- und Kolonialpolitik, seiner Schiffahrt, seinem kaufmännischen Geiste. Schon Ad. Smith bemerkte, daß Blüte, Stabilität oder Rückgang der ganzen Volkswirtschaft das Entscheidende für die Lohnhöhe sei. Wir fügen bei: keine andere Klasse der Gesellschaft habe deshalb an Blüte oder Rückgang ein solches Interesse, wie die Arbeiter; selbst die Unternehmerklasse, im übrigen die meistbeteiligte, könne ungünstige Veränderungen noch eher aushalten als die Arbeiter, da sie im Durchschnitt viel mehr Reserven haben. Die neuere Hebung der Arbeiterklasse hat auch die Folge ge= habt, daß sie die Gesamtveränderungen der Nachfrage nachhaltig mit dem lebendigsten Interesse verfolgt.

Es ist eine verwandte Formulierung dieser Zusammenhänge, wenn man sagt, die jeweilige Produktivität der Volkswirtschaft und ihrer Zweige beherrsche die Lohnhöhe. Unter Produktivität der Volkswirtschaft, beziehungsweise ihrer Zweige, verstehen wir einen Tatsachenkompler dahingehend, daß sie über reiche und zahlreiche Naturkräfte, über gutgeschulte und organisierte, kluge und technisch hochstehende Menschen (Unternehmer, Beamte, Arbeiter), verfügt. Wo diese Bedingungen zutreffen, besteht die Wahrscheinlichkeit reichlicher Versorgung, steigender Produktion und Konsumtion, wachsender Nachfrage nach Arbeit. Daher in Ländern mit reichem, noch überflüssigem Boden, auf dem eine hochstehende Kulturrasse kolonisiert, der höchste Lohn; daher in allen Kulturländern auf gutem Boden (alles übrige gleichgedacht) höhere Löhne als auf schlechtem; daher mit steigender Leistungsfähigkeit der Unternehmer und Arbeiter durchschnittlich guter, steigender Lohn als Folge des blühenden Gewerbes, des wachsenden Handels. Wo die Volkswirtschaft stabil bleibt, stockt leicht die Ar

beitsnachfrage; noch mehr, wo sie zurückgeht. Wo sie stockt, die Bevölkerung noch wächst, die Grundrente noch steigt, die Monopol= gewinne der organisierten Geschäftsaristokratie noch wachsen, be= obachten wir gedrückte Löhne. Wir kommen auf diese Zusammen= hänge zwischen Lohn und Gesamtentwicklung der Volkswirtschaft nachher da zurück, wo wir von den großen Schwankungen und Ver= änderungen der Nachfrage sprechen.

Haben wir im bisherigen angenommen, steigende und fallende Nachfrage nach Gütern bedeute steigende und fallende Nachfrage nach Lohnarbeit, so haben wir jezt zu konstatieren, daß das bis auf einen gewissen Grad, aber nicht überall und jederzeit richtig sei. Die Lohne arbeit ist ein Element der Produktion neben anderen; die Lohnarbeit ist teilweise ersehbar durch Kapital, durch Maschinen. Und wir haben so nach den Ursachen zu fragen, die, innerhalb des Rahmens der bisher geschilderten Vorgänge, die relative Stärke der Nachfrage nach Lohnarbeit gegenüber der Nachfrage nach anderen Produktionselementen bestimmen. Fassen wir diese zusammen unter dem Begriff des Kapitals, so wird man sagen können, es frage sich, ob jeweilig mehr Produkte des Kapitals oder mehr Produkte der Arbeit begehrt werden, ob Kapital oder Arbeit unter den Produktionselementen stärker wachse; nach der relativen Größe dieser Begehrungen, sowie nach den disponiblen Mengen von Arbeit und Kapital bestimme sich die Nachfrage und der Wert der Lohnarbeit, wenigstens in den Ländern der kapitalistischen Großunternehmung, welche in der Regel imstande ist, an die Stelle der Arbeit Kapital, respektive Maschinen zu sehen. Aber mit dieser abstrakten Formel ist das Problem so wenig ganz aufgeklärt, wie mit der an sich richtigen Bemerkung, daß überall da, wo technisch sowohl Arbeit als Kapital für denselben Zweck an= gewandt werden kann, die Höhe des Zinsfußes oder des Lohnes die Bevorzugung des einen oder anderen Produktionselementes bestimme; allerdings erklärt es sich durch lekteren Sah, daß in einem Lande der billige Lohn zum Beispiel Garten- und Handelsgewächsbau, im anderen der billige Zinsfuß zum Beispiel Viehzucht und feine Textilgewerbe hervorruft oder begünstigt.

Aber um ganz klar zu sehen, müßte man für lange Zeiträume genau verfolgen können, wie in den einzelnen Zweigen der Volkswirtschaft sich die Nachfrage nach Kapital und Arbeit verschoben hat, und wie derselbe Prozeß sich für die Gesamtheit der nationalen Produktion stellt. Man müßte zugleich nach beiden Richtungen verfolgen, wie mit der Veränderung der Betriebsformen die frühere Arbeit des

Bauern, Handwerkers, Kleinhändlers sich nach und nach zum Teil in Geldlohnarbeit, für die eine Nachfrage auf dem Markt stattfindet, umseßt; man müßte für jeden Zweig und die ganze nationale Produktion jederzeit das Arbeits- und das Kapitalangebot kennen. Vielleicht ist heute eine solche Untersuchung vollständig zu machen noch unmöglich. Wohl aber werden wir folgendes sagen können.

Die technisch und betriebsmäßig vollendetsten Produktionen der großen maschinell ausgebildeten Stapelindustrien haben sicher seit 100 Jahren immermehr an Arbeit gespart an Kapital angewandt. Die Löhne machen heute zum Beispiel in der nordamerikanischen Wollindustrie nur noch 16, in der dortigen Baumwollindustrie noch 23 % vom Ver= kaufswert der Produkte aus, während das Verhältnis vor 50-100 Jahren wahrscheinlich das drei- und mehrfache war. Anders steht es in anderen Industrien; zum Beispiel machen in den schlesischen Kohlenindustrien die Löhne heute noch 46-50 % aus. Es früge sich, wie diese Relation in allen Produktionszweigen sich geändert hat. Es früge sich dann aber weiter, wieviele Prozente des Einkommens und der nationalen Nachfrage zum Beispiel auf Textilwaren fällt, bei denen die Arbeit wesentlich durch Kapital ersetzt wurde, wieviele auf andere Waren und Leistungen, wo das nicht der Fall ist; zum Beispiel im Baugewerbe, in der Landwirtschaft, in vielen Nahrungsgewerben wird das Kapital nicht so vorgedrungen sein. Und daneben steht die steigende Arbeitsnachfrage für das Verkehrs- und Gastwirt= schaftsgewerbe, den Lehrer- und Beamtenstand usw. Wir werden so annehmen können, daß der abnehmenden Arbeitsnachfrage in vielen hochstehenden Industrien doch in den volkswirtschaftlich voran= schreitenden Staaten eine wachsende Gesamtnachfrage nach Arbeit gegenübersteht. Ich führe zum Beweise für sie nur folgende Zahlen an. Preußen zählte 1816 1,3, 1867 3,9, Deutschland 1882 10,7, 1895 12,8, 1907 17,8 Millionen in Unternehmungen tätige Lohnarbeiter; Giffens Rechnung für das vereinigte Königreich geht dahin: 1836 9 Millionen, 1886 13,2 Millionen Lohnarbeiter mit 171 und 550 Millionen Gesamteinkommen und 19 und 413 Pfd. St. jährlichen Kopfeinkommens.

Auch aus den Berechnungen, welchen Anteil am Gesamteinkommen der Nation die Löhne in verschiedenen Zeiten und Ländern ausmachen, kann man Rückschlüsse darauf machen, ob die zunehmende Kapitalanwendung dauernd in den letten 200 Jahren die Nachfrage nach Lohnarbeit absolut oder relativ eingeschränkt habe. Aber es würde das hier zu weit führen.

11. Lohnbewegung und Lohnsystem. Ergebnisse.

a) Haben wir uns im bisherigen klarzumachen versucht, wie im ganzen die dauernde Größe von Angebot und Nachfrage auf den Arbeitslohn wirke, so lohnt es sich, zur Ergänzung hier noch zu untersuchen, wie die großen Veränderungen der Volkswirtschaft an sicht den Lohn, beziehungsweise das Angebot und die Nachfrage der Arbeitskräfte beeinflussen. Wir denken dabei an die Folgen 1. der Geldwerksänderungen, 2. der Ernte- und Konjunkturschwankungen und 3. an den historischen Aufstieg und Niedergang der einzelnen Volkswirtschaften im Laufe der Geschichte überhaupt.

Es handelt sich um die Wirkungen großer Ereignisse, teils bloß wirtschaftlicher, teils halb politischer und halb wirtschaftlicher Art, die von Jahr zu Jahr, mehr noch von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, von Jahrhundert zu Jahrhundert sich vollziehen, und zwar zum überwiegenden Teil so, daß Individuum und Einzelwirtschaft nicht viel dagegen zu tun imstande sind ; selbst die Regierungen und die leitenden Organe der Volkswirtschaft können nur in beschränkter Weise eingreifen, wenn auch gute oder schlechte Gesamtleitung von Staat und Volkswirtschaft immerhin für eine Anzahl der großen Veränderungen mitverantwortlich sind.

Wenn man die Geldwertsänderungen und ihre Rückwirkung auf Preise und Löhne untersucht, so wird man finden, daß das Sinken des Geldwertes 1500-1650 die Arbeiter schädigte, wie das Steigen des Geldwertes (die sinkenden Preise der meisten wirtschaftlichen Güter) 1875-1896 sie begünstigte. In der ersteren Epoche war der Arbeiter wenig fähig, entsprechend den höheren Preisen sich einen höheren Lohn zu erkämpfen; er hatte bei gleichbleibendem Nominallohne einen ge= ringeren Reallohn. Die Geldwertsänderungen von 1650–1850 waren nicht so stark und nicht so allgemein, um sie hier in Betracht zu ziehen; sie waren vielfach mehr Geldwertsausgleichungen zwischen der= schiedenen, bisher durch keinen großen Verkehr verbundenen Gegenden. Für die Zeit von 1850-1875 nimmt man im allgemeinen ein Sinken des Geldwertes, 1875-1896 ein Steigen, dann eine gewisse Stabilität an; von 1905-1914 eher wieder ein mäßiges Sinken. Die Preissteigerung von 1850-1875 hat dem Arbeiter nicht soviel ge= schadet, weil er in den meisten Ländern und Gewerben infolge des sonstigen allgemeinen Geschäftsaufschwunges fähig war, seine Löhne zu steigern. Als dann von 1875 bis gegen 1896 die meisten Preise sanken, ohne entsprechendes Sinken der Löhne in den Hauptkultur

Schmoller, Klassenbildung, Arbeiterfrage, Klassenkampf.

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