Urkundensammlung ber Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Gesellschaft für vaterländische Gesch i ch t e. Namens der Gesellschaft von A. L. J. Michelsen. Erster Band. I. S. H. L. Urkunden bis zum Jahre 1300. Mit einer Wappentafel Kiel, gedruct in der Königlichen Schulbuchdruckerei. 1 8 3 9. Vorbericht. Als in warmer Theilnahme und lebendigem Intereffe für die heimathliche Ge schichte, ihr Studium und ihre Bearbeitung, der historische Verein, in dessen Namen wir dieses Quellenwerk dem Publikum hiermit übergeben, für die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg gestiftet ward, geschah es von vornherein in der Hauptabsicht, um unserer Landesgeschichte im Ganzen wie in ihren einzelnen mehr hervortretenden Parthien durch Sammlung und Herausgabe vaterländischer Urkunden eine nothwendige Vervollständigung des Quellenstoffes zu bewerkstelligen. Es wurde daher als Zweck unserer Gesellschaft im Eingange unserer Statuten aufgestellt, zur Erweiterung und Verbreitung vaterländischer Geschichtskunde nicht allein Mittheilungen für heimische Staats- und Kirchengeschichte durch eine Zeitschrift zu veröffentlichen, sondern auch eine umfassendere Sammlung von ungedruckten oder bisher fehlerhaft gedruckten vaterländischen Urkunden zu veranstalten. Diese lettere Aufgabe haben wir bis jetzt auf die Weise zu lösen uns bestrebt, daß wir zuvorderst ein möglichst vollständiges Urkundenbuch zur Geschichte des Landes Dithmarschen herausgaben, gegenwärtig aber diesen ersten Band einer allgemeineren Urkundensammlung zur wissenschaftlichen Benußung vorzulegen uns im Stande sehen. Es gereicht uns zur innigen Freude, ein reicheres geschichtliches Material, welches in Staats-, Kloster- und Stadtarchiven unbenut und verborgen lag, jetzt endlich an das Licht stellen zu können, indem dadurch sowohl den Forschern und Bearbeitern der vaterländischen Geschichte ein neuer Stoff dargeboten wird, deffen die historische Wissenschaft auf ihrem gegenwärtigen Standpuncte nicht entbehren kann, als auch die nicht grundlose Besorgniß gehoben ist, daß die lehrreichen Diplome und Actenstücke aus der Vorzeit unserer Heimath, die wir hier gedruckt mittheilen, im Laufe der Zeit verderben und untergehen, also für die vaterländische Geschichtskunde für immer eingebüßt werden könnten. Dem schriftlichen Nachlafse unserer Vorfahren droht Brand und Feuchtigkeit, Måuse- und Mottenfraß, und bei Privatsammlungen oftmals Unkunde und Gleichgültigkeit der Besizer. Wer sich daher, ohne auf äußere Anerkennung rechnen zu können, dem mühsamen Unternehmen, die werthvolleren schriftlichen Ueberlieferungen der heimathlichen Vorzeit zu sammeln und herauszugeben, mit Fleiß und Beharrlichkeit unterzieht, dem mag die freudige Zuversicht, daß er für die Zukunft gearbeitet und unersehlichem Verluste vorgebeugt habe, nicht zu misgönnen seyn. Bir hegen dabei den Wunsch und die Hoffnung, daß die nicht unerhebliche Vermehrung solider Materialien, wie sie ein größerer Urkundenvorrath nunmehr gewährt, dem vaterländischen Geschichtsstudium zu neuer Erregung und Belebung gereichen möge. Die Zustandebringung dieser Sammlung verdanken wir gemeinschaftlichen Bemůhungen und einstimmigem Zusammenwirken mehrerer Freunde der vaterländischen Geschichte. Es besteht gegenwärtiges Urkundenbuch aus zwei Abtheilungen, von welchen die erste schleswig-Holstein- lauenburgische Urkunden bis zum Jahre 1300 enthält. Dieselbe umfaßt 140 Nummern. Von diesen sind 51 von dem Herrn Dr. Behn, WetteActuar zu Lübeck, aus dem vollen Archivschahe der Threse und der Stadtregistratur daselbst uns freundschaftlich geschenkt worden. Dieselben waren aber theils eigenhändige oder doch von ihm selbst verglichene Copien der noch vorhandenen urschriftlichen Diplome, theils Abschriften aus einem sogenannten Copiarius Privilegiorum, der auf Pergament sehr sauber und elegant geschrieben, zum öffentlichen Gebrauche auf Veranstaltung des städtischen Kanzlers Albert von Bardewik, der die Aufsicht über das Archiv und die Kanzelei und hauptsächlich den Geschäftskreis der jetzigen Syndici hatte, im Jahre 1295 zusammengetragen, und gegenwärtig im Dreyer'schen Museum auf der Stadtregistratur zu Lübeck befindlich ist. Derselbe ist spåter, jedoch nur sehr unvollständig, fortgeseht worden, und umfaßt auf den ersten 327 Blåttern 213 Urkunden, von Kaifern, Påpsten, Königen, Fürsten und Herren ausgestellt, und manche der darin abgeschriebenen Urkunden sind jeht im Original verloren. Alsdann folgt in dem Coder das Fragment einer Chronik, welches Grautoff in seinen Lübeckischen Chroniken im ersten Bande hat abdrucken lassen, und endlich schließt derselbe mit dem alten Lübeckischen Seerechte. Auch enthielt die gütige Mittheilung des Herrn Dr. Behn die in dieser Sammlung abgedruckten Lübeckischen Testamente aus dem dreizehnten Jahrhundert, welche aus einer höchst schäßbaren, von dem Senior Jacob von Melle zu Lübeck 1 eigenhån= dig nach den Originaltestamenten abgeschriebenen, jetzt dem Herrn Dr. Bruns in Lübeck gehörenden Sammlung entnommen sind, deren Titel folgendermaaßen lautet: ',,Testamenta Lubecensia e membranis authenticis accurate descripta. MDCCXXXVIII.” 1 Es stehen darin auf 692 sehr eng aber sorgfältig geschriebenen Folioseiten nicht weniger als 1139 Testamente, ihrem vollständigen Inhalte nach, durchgängig in chronologischer Ordnung, worunter 8 aus dem dreizehnten Jahrhundert, das ålteste von 1289. Die ganze Sendung des Herrn Dr. Behn, die uns bereits unterm 24. December 1834 zuging, betrug 80 Urkunden, und zwar sämmtlich, in lateinischer Sprache abgefaßt, aus dem dreizehnten Jahrhundert, die wir aber aus verschiedenen Gründen nicht alle, wie bemerkt, in vorliegendes Urkundenbuch aufgenommen haben. Die ganze werthvolle Mittheilung wurde uns in der Art als Geschenk zugestellt, daß für unsere Gesellschaftskaffe eigentlich keine Kosten dadurch entstanden sind, und der geehrte Einsender rühmte in seinem gefälligen Begleitungsschreiben mit wahrer Erkenntlichkeit, daß ihm nicht allein von dem hohen Senate der freie Zutritt zum Archive ohne Schwierigkeit gestattet, son= ́dern auch jede nur irgend wünschenswerthe Erleichterung bei der Benußung der Urkuns denvorräthe gewährt worden sey; so wie, daß die beiden Archiv- Herren, die Senatoren Dr. Torkuhl und Dr. Sievers mit der größten Freundlichkeit und Bereitwilligkeit den durch das Unternehmen für sie veranlaßten Mühewaltungen sich unterzogen haben; auch daß durch die außerordentliche Gefälligkeit des Archivars, Herrn Dr. Winckler, die Arbeit nicht wenig erleichtert worden sey. Es sind uns ferner für diese Sammlung 17 Nummern durch den Herrn Pastor Masch, damals Rector zu Schönberg, aus dem Raheburger Domarchive gütigst zuge= stellt worden. Dieses alte bischöfliche Archiv, von welchem und genaue handschriftliche Repertorien Herr Director Arndt in Naheburg und Herr Dr. von Duve in Mölln zuzusenden die Gewogenheit hatten, befindet sich gegenwärtig in Neustrelit. Herr Pastor Masch, mit diesem Archive sehr gründlich vertraut, erbot sich freundlich zur Besorgung der für unsern Zweck wünschenswerthen Copien, wenn zuvor die Erlaubniß der Großherzoglichen Regierung erlangt seyn würde. Unterm 22. September 1833 erhielten wir von Sr. Königl. Hoheit, dem Großherzoge, die gnädigste Resolution, daß der Rector Masch in Schönberg beauftragt und durch Zufertigung der betreffenden Archivalurkunden in den Stand gesetzt worden, dem Vorstande unserer Gesellschaft dié ge= wünschten Abschriften mitzutheilen. Derselbe hat darauf von den gedachten Urkunden im Großherzoglich Geheimen Archive des Fürstenthums Raßeburg uns nicht allein mit größter Bereitwilligkeit zuverlässige Abschriften besorgt, sondern diese auch mit gelehrten Unmerkungen begleitet, von welchen wir die heraldischen, die sich auf die Siegelkunde der mitgetheilten Diplome beziehen, hier mit aufzunehmen nicht ermangelt, hingegen die übrigen in dem nächstfolgenden Bande unseres gesellschaftlichen Archivs für vaterländische Staats- und Kirchengeschichte abdrucken zu lassen die Absicht haben. |