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Erstes Hauptstück.

Vom Ursprung des Burggrafthums Meißen, bis zur Erblichkeit der burggräflichen Würde.

§. 1.

Ueber den Ursprung des Burggrafthums Meißen.

Die höchft verschiedenartigen über die Zeit und die Art und

Weise des Ursprungs der Burggrafschaft Meißen verbreiteten Meinungen') lassen sich, wofern sie nicht auf einer ganz unrichtigen Voraussetzung beruhen - aus einem allgemeinen Gesichtspunkt betrachtet, mit einander sehr wohl versöhnen.

1) Am richtigsten führt Boehme Antiquitt. Burggraviat. Misnens. Spec. I. p. 8 (dessen Meinung Hasche, Geschichte der Burggrafen von Meißen S. 13 ff. falsch interpretirt hat) den Ursprung der Burggrafschaft auf König Heinrich I. zurück. Diejenigen, welche der irrigen Meinung sind, als seien die Burggrafen des Stiftes wegen eingesegt worden (f. §. 28), geben Kaiser Otto I. für den Gründer aus; andere dagegen, durch einen Irrthum des Fabricius (f. Note 9) verführt, nennen Kaiser Otto III. als Urheber. Franke in der Vorrede zu Kamprad's Leißniger Chronik, und M. Roch in Kreisigs Beiträgen Bd. V, S. 388 halten sich streng an den Titel, und finden daher unter Kaiser Friedrich I. den ersten Burggrafen zu Meißen; ja Gastel De statu publ. Europ. p. 790 segt die Entstehung der meißnischen Burggrafschaft in die Zeiten König Ferdinand's I. herab, der bekanntlich der Würde der Titularburggrafen aus dem Hause Plauen neuen Glanz verlieh.

Man ging von der irrigen Ansicht aus, als sei das Burggrafthum mit Einem Male rein ausgeschaffen worden, und ergriff nun die erste sich darbietende Erscheinung, um von da seinen Ursprung zu datiren, anstatt die verschiedenen Phasen seiner Bildung zu beobachten, welche sowol durch die Entwickelung der Landescultur im Allgemeinen, als auch des städtischen Wesens insbesondere bedingt war.

Ich meinerseits bin der Meinung, daß die ersten unvollkommenen Anfänge des Burggrafthums mit dem Ursprung der Stadt selbst zusammenfallen. Zwar liegt dies nicht ausdrücklich in den denkwürdigen Worten Ditmars), wodurch derselbe die Gründung Meißens meldet, noch wird es durch andere glaubwürdige Zeugen beståtigt; allein selbst abgesehn davon, daß es in der Natur der Sache begründet, und durch viele analoge Fälle erwiesen ist, daß man bei Stiftung einer Stadt zugleich auch auf einen Aufseher über dieselbe bedacht gewesen, was wollte wol der weise Bischoff durch die Worte, ut hodie in usu habetur, Underes andeuten, als daß die zu seiner Zeit rücksichtlich der Verwaltung und des Schußes der Stadt bestandenen Einrichtungen schon von König Heinrich I. herrührten? Und wirklich finden sich schon zu Ditmars Zeit deutliche Spuren von der Existenz einer meißnischen Burggrafschaft, was sich zunächst aus einer Stelle ergibt, wo derselbe3) (bei'm

2) Ditmar lib. I. p. 12 ed. Wagner ad ann. 922: Hic (scil. Rex Henricus) montem unum juxta Albim positum et arborum densitate tunc occupatum excoluit, ibi urbem faciens, de rivo quodam, qui in septentrionali parte ejusdem fluit, nomen eidem Misni imposuit, quam, ut hodie in usu habetur, praesidiis et impositionibus caeteris munivit. cf. Annal. Saxo, der dasselbe sagt, ap. Eccard Corp. histor. med. aev. T. I. p. 247 und Auct. incert. de fundat. quarund, eccles. ap. Leibnitz Scriptt. Rer. Brunsvic. T. I. p. 261. Vergl. auch Arndt progr.: Cur Henricus Misnam condiderit.

3) Ditmar lib. IV. p. 67 ed Wagner: Vuagio vero miles Bolizlaui ducis Boëmiorum, qui Heinricum cum exercitu comitatur, cum ad Misni redeundo perveniret, cum habitatoribus ejusdem pauca locutus, Frithericum, Rigdagi marchionis, tunc in Merseburg commorantis, amicum et satellitem ad ecclesiam extra urbem positam venire, ac cum eo loqui per internuntium postulat: Hic ut egreditur, porta post eum clauditur, et Rigdagus ejusdem civitatis custos et inclitus miles juxta fluvium qui Tribisa dicitur ab his dolose occiditur. Urbs autem praedicta Bolizlaui mox praesidio munita, eundem cito dominum et habitatorem suscepit. cf. Annal. Saxo 1. c. p. 343. Dieser Rigdag ist übrigens wohl zu unterscheiden von dem ebendaselbst genannten gleichzeitigen und gleichnamigen Markgrafen, welchen Unterschied am besten Ritter, Welteste meißn. Gesch. S. 104 ff., und Ursin, Ueberseß. des Ditmar S. 157 bemerkbar gemacht haben.

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Jahre 984) den Tod eines gewissen Rigdag erzählt, den er als civitatis (Misnensis) custodem et inclitum militem bezeichnet. Diesen haben wir jedenfalls als den ersten namentlich bekannten Stadtauffeher, oder (wie sie spåter hießen) Burggrafen zu betrachten; wie weit sich aber seine Civil- und Militair-Functionen erstreckten, läßt sich ebenso wenig bestimmen, als sein Verhältniß zu den Markgrafen. Eine gleiche Bewandtniß hat es unstreitig mit jenem Ozer, welchen Ditmar ad ann. 1002, bei Gelegenheit der nach Markgraf Ecards Tode durch Gunzelin veranlaßten Unruhen, dominum urbis nennt,) zugleich aber wird es dieser so verschiedenartig interpretirten3) Stelle nach sehr wahrscheinlich, daß dieser Ozer, außer der städtischen Verwaltung, auch den Oberbefehl über die sogenannten Vethenici gehabt. Mögen dieselben nun Cukesburgienses (d. h. Burgwächter), oder duces burgensium gewesen sein, jedenfalls sind es dieselben, von denen Markgraf Gunzelin, durch Herzog Boleslaus aufgefordert, ihm die Feste Meißen zu übergeben, sich entschuldigend sagt: Sunt mecum senioris mei satellites, qui talia non patiuntur,6) ein Ausspruch, welcher über die damalige Stellung der verschiedenen meißnischen Gewalten zu einander einiges Licht verbreitet.

Es waren aber diese stetigen kaiserlichen Satellites, neben der markgråflichen Mannschaft, nicht die Einzigen, auf welche die obigen Ditmarischen Worte: urbem — — praesidiis et impositionibus communivit,7) zu beziehen sind. Vielmehr war hier, wie auch

4) Ditmar lib. V. p. 114 sq.: (Misnenses), qui novis semper gaudentes in una dierum, cum praesidii maximam multitudinem ob requirendam equorum annonam exiisse comperirent, portam, quae orientem respicit, in ea parte, qua satellites habitant, dicti sclavonice Vethenici, Cukesburgienses, Gunzelino ad hoc duce irruunt, Breccionemque, Herimanni comitis satellitem primo occidentes, ad caminatam ejusdem omnes armati conveniunt, fenestram lapidibus impugnant grandibus, dominum urbis, Ozerum nomine, sibi ad occidendum reddi vociferantes.

5) Schöttgen, Nachlese Thl. VI. S. 199 hålt die Stelle für verderbt. Vergl. v. Braun, Monatl. Auszug aus der sächsischen Geschichte Ihl. I. S. 73, Note. Ursin, von Afra S. 68 f. und desselben Uebersegung des Ditmar a. a. D.; Ritter, Weltefte meißn. Gesch. S. 122 f.

6) Vid. Ditmar lib. V. p. 128; ursin (Uebersehung des Ditmar S. 283) bezieht den Ausdruck Satellites auf die wechselnde Garnison der umwohnenden kaiserlichen Vasallen (wovon sogleich mehr), doch scheint mir dies weniger passend, zumal, da kurz zuvor die Vethenici schon satellites genannt wurden.

7) Diese praesidia will Schurzfleisch De Marchia Misnensi §. 1 lediglich auf den Markgrafen beziehen, da er von der Idee besessen ist, daß das Burggrafthum erst unter Kaiser Otto I. entstanden sei.

bei anderen Hauptfestungen, die Einrichtung getroffen, daß die großen, innerhalb des Sorbenlimes anfäffigen, weltlichen und geistlichen Lehnsträger sich in Besehung der Burg Meißen regelmȧßig ablösen mußten; denn Ditmar lib. VI. pag. 171 fagt ad ann. 1010: Interea praedictam urbem (Misni) Brun comes, frater Gunzelini, ordine vicis suae custodiebat. Im Spátjahr 1012 aber war Bischof Ditmar selbst auf Besaßung in Meißen; denn er sagt lib. VI. pag. 183: Fui praesidio in Misni. Ferner geht aus lib. VII. pag. 213 hervor, daß Ditmar im Herbst 1015 abermals Meißen befeßte, und lib. VII. pag. 233 sagt er nochmals: Pridie (scil. Calend. April ann. 1017) ego Misni praesidio veniebam. Nach lib. VII. pag. 216 war es auch im Decbr. anno 1015 ein Graf Wilhelm, qui ordine suo eandem tunc custodivit civitatem.®)

Es scheint aber, als håtte diese Besaßung einander monatlich abgelöst; denn nachdem Ditmar lib. VI. pag. 171 ad ann. 1010 gesagt hatte: Rex - praesidii continuatione ab hostibus Misni muniens, eamque ad tempus providendum Fritherico committens,') erzählt er lib. VII. pag. 214 ad, ann. 1015 im October: abivimus, committentes urbem Fritherico comiti ad IV. hebdomadas.

Als nun in der Folge die Mark durch jene gemeinsamen Bemühungen vor den Empörungen und den Einfällen der Slaven ge= sichert war, hörten die Hülfswachdienste der Nachbarn von selbst auf, und es trat in dem Hauptorte, Meißen, an die Stelle jenes

8) Man hüte sich, aus der Aehnlichkeit des Ausdruckes zu schließen, daß obiger Rigdagus civitatis custos auch nichts Underes gewesen sei, als ein benachbarter Lehnstråger, der, wenn ihn die Reihe traf, nach Meißen auf Wache zog; wåre er dies gewesen, so würde der umständliche Ditmar gewiß nicht unterlassen haben, auch hier, wie in allen den angegebenen Fållen, ausdrücklich anzudeuten, daß seine Functionen nur sehr temporár gewesen seien.

9) Diesen Graf Friedrich (genannt von Eilenburg, aus dem Hause Wettin) hat man seit Fabricius (Annall. urbis Misn. ad an. 1017), welchem Albin, Leuber, Spangenberg, Hönn und der Verf. des Aufsages in der Sammlung vermischter Nachrichten, Thl. 1. S. 6, gefolgt find, fälschlich für den ersten Burggrafen von Meißen ausgegeben, welche Meinung aber bereits von Joh. Gottl. Böhme in Antiquitt. Burggraviat. Misn. specim. II hinreichend widerlegt ist. An einer andern Stelle (Origg. Sax. lib. V. p. 516) lenkt Fabricius wieder ein, und meint, Friedrich sei nur der erste Burggraf aus seinem Geschlechte gewesen. Jedenfalls aber ist es thôricht, mit Marche Ms. (S. unten §. 36, Note 2) die Ansprüche des Hauses Wettin auf die Burggrafschaft Meißen von diesem Friedrich von Eilenburg herzuleiten, da derselbe keine männliche Nachkommenschaft hinterließ, und überhaupt das burggråfliche Umt noch nicht erblich war.

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tumultuarischen Zustandes eine geregeltere Ordnung der Dinge. Ein deutliches Zeichen hiervon ist die nunmehrige Erscheinung eines Stadtpráfekten. 10) Der erste von ihnen ist um's Jahr 1068") Burchardus Misnensis praefectus, jener Günstling Kaiser Heinrichs IV., welcher, wenn wir den Erzählungen der erbitterten Scribenten 12) Glauben beimessen dürfen, seinen Herrn zu manchem bösen Streich verleitet, haben soll. In Folge dieses guten Vernehmens, in welchem er zum Kaiser stand, gerieth Burchard in viele Mißhelligkeiten mit dem Markgrafen und dem Bischof Benno zu Meißen, des Kaisers heftigen Feinden, was auch die nächste Veranlassung zu seinem frühzeitigen Tode gegeben haben mag. Er ward nämlich im Jahre 1076, bei einem Volksaufstand, in einer ihm untergebenen Stadt ermordet. 13) Aus dem Umstand nun, daß Bruno a. a. D. (dem die Uebrigen nachgeschrieben haben) sagt: in quadam sua, cui praeerat, urbe ab urbanis invaditur, will man schließen, daß schon zu Burchards Zeit der burggråfliche Wirkungskreis bedeutend erweitert worden sein müsse. Allein, abgesehen von diesem noch sehr zweifelhaften besonderen Beweisgrund,11) dürfen wir nur die damaligen Verhältnisse im Allgemeinen betrachten, um

10) Vergl. Einleitung, Note 11.

11) Bei diesem Jahre erwähnt ihn zuerst der Annalista Saro.

12) Chron. Magdeburg. p. 290. ap. Meibom. Scr. Rer. Germ. T. II. und Bruno hist. belli Saxon. ap. Freher. Scr. Rer. Germ. T. I. p. 177, wo das bekannte Uriasstückchen von der Ermordung jenes kaiserlichen Rathes Conrad umständlich erzählt wird, wovon übrigens, was auffallend ist, Lambert von Aschaffenburg gar nichts weiß. S. die Kritik über Bruno, in Stenzel Gesch. d. frånk. Kaiser, Thl. II. S. 55 ff.

13) Bruno 1. c. p. 208. Annal. Saxo p. 536. Chron. Magdeburg. 1. c. p. 307. Paul. Lang. Chron. Citiz. ap. Pistorium, T. I. p. 777. Emser Vita Bennonis ap. Mencken, T. II. p. 1862.

14) Man hat jene Worte auf Lommagsch beziehen wollen, damals der einzigen Stadt (außer Meißen), welche in dem burggräflichen Amtsbezirke lag; allein wer verbürgt uns denn, daß schon Burchard zugleich auch hier Pråfect war? Wir dürfen daraus, daß seine Nachfolger einige burggräfliche Gerechtsame daselbst ausgeübt (s. unten §. 14 u. 15 und §. 22 unter Lommagsch), von denen man übrigens bis jest fast nichts wußte, nicht sogleich schließen wollen, daß auch er 'schon in dieser Stadt befehligt habe. Was nun das quadam betrifft, so darf man es damit wohl nicht so genau nehmen, und es hindert uns dies nicht, unter dieser gewissen Stadt geradezu Meißen zu verstehen. Ein ähnlicher Gebrauch dieses Wortes findet sich auch bei dem Monach. Pegaviens., wo er von dem, ihm sehr wohl bekannten, Wipprecht von Groitsch sagt: Wippertus quidam, ein Ausdruck, der den Historikern ebenfalls viel zu schaffen gemacht hat.

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