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geistlichen Brüdern ins Franziskanerkloster nach Luzern. Dort konnte den volksthümlichen Kanzelredner und gewandten Streitschriftenmacher die damalige Regierung sehr wohl gebrauchen zum Kampfe gegen die ihr auch aus materiellen Gründen verhasste neue Lehre; denn schon 1523 schrieb sie an Bern, dessen » Kätzer und Kätzerei « sei schuld, dass dem Stifte Münster Zinse und Zehnten verweigert werden). (Bern Staatsarchiv, P. 218. 219. 227.)

Murner war zuerst Lesemeister oder Prof. theol. im Kloster, dann aber auch Pfarrer oder Caplan, wie er sich selbst nannte, in der Kleinstadt, als welcher er den untüchtigen ersten Pfarrer Bodler, von Comthur Schmid zu Küssnacht Bodenleer geheissen), meist ersetzte. Der Zudrang zu seinen Predigten war so gross, dass er auf dem Fischmarkte predigen musste, wo gewöhnlich auch die Fastnacht- und Osterspiele aufgeführt wurden. Um auch schriftlich für den alten Glauben zu wirken und für die Luzerner Regierung, deren Häupter die Schultheissen Hug und Damm (vergl. Anshelm VI. 356 über Damm) sich besonders eifrig für den alten Glauben zeigten, errichtete er éine Druckereio), deren Einrichtung er kannte, weil sein Bruder Beat, Buchdrucker in Frankfurt war. Jedoch entschuldigt er sich in der Ausgabe der Disputation zu Baden der vielen Druckfehler halb, » vss vnerfarenheit min den ich kein tracker bin. «

Da wurde er nun häufig und heftig angegriffen, weil er in Luzern eigentlich allein von geistlicher Seite den alten Glauben

4) Ueber damalige Zehntweigerung wurde auf dem Tag zu Baden verhandelt 1524: Vnd alls sich dan ettlich aber lassen mercken den Zehenden nit zu geben wie von allter har, ist ein mandat in das Thurgöw geschriben, dass sie den Zehenden wie von allter har geben, dan welcher das nit dätten vnd solichs vff Inn kuntlich würde man an sinem lib und gutt straffen." Vgl. Cysat Collect. M. 113. P. 81 b. Bürgerbibliothek in Luzern.

5) Vgl. Beiträge der hist. Gesellschaft in Basel. V. 2 92.

6) Es war die erste in Luzern. Vgl. Konrad Scheuber von Göldlia II. 261 zu Beromünster die erste in der Schweiz. II. 187,

in Wort und Schrift öffentlich vertheidigte. Nach seinem Streite mit Luther ergoss sich eine Fluth von Schmähschriften gegen ihn, die ihn voll beissender Schmähungen auch bildlich auf die roheste Weise verspotteten. Selbst seine Kindheit wurde nicht geschont (vgl. Murnarus Leviathan). Kein Wunder, wenn er daher die Schaale seines Zorns und auch der gemeinsten Rohheit über seine Gegner ausgoss und Nichts schuldig bleiben wollte, wie er selbst sagt:

>> Werden sie mein nit vergessen

So wil ich inen besser messen. «<

Die rohe Ausdrucksweise war freilich ein Merkmal seiner Zeit. Besonders ärgerte es ihn stetsfort, dass man ihn zum unbedingten Vertheidiger der alten Lehre oder wie er sich ausdrückt zum » babstgeiger « mache, da er die Missbräuche der alten Kirche und ihrer Diener gar wohl einsehe, und selbst beftig, wie etwa in der Narrenbeschwörung und geistlichen Badenfahrt angegriffen habe. Er billige hierin Luther, aber in Anderm nicht; daher müsse man eine anständige Für- und Gegenred halten und dann den Abspruch einem allgemeinen christlichen Concilium überlassen. (Siehe seine Vorrede zum grossen lutherischen Narren etc. 1522).

Diese Mässigkeit hielt er aber selbst nicht lange fest, namentlich zeigte er sich nun bei seinem Aufenthalte in der Schweiz überaus heftig, freilich nicht ungereizt. Zwei Punkte suchte er vor Allem festzuhalten. Erstlich: Das Messopfer sei eine evangelische Einrichtung und wolle man das Gegentheil behaupten, so spreche man gegen das Evangelium. Jedenfalls sei die Messe keine Abgötterei. Zweitens: Eine rechtmässige kirchliche Stiftung aufzuheben sei nicht nur ungerecht, sondern ein Diebstahl. Letzteres machte er in eigener Angelegenheit beim Strassburger Rath durch die Regierung von Luzern geltend, worauf er endlich für seine Ansprüche an den Klosterunterhalt, seine ihm entrissenen Habseligkeiten und Guthaben (49 fl.)') (Scheible 14te Zelle. p. 586) einen Jahresgehalt von 52 fl. erhielt. (Scheib

7) Baukosten im Kloster.

le's Kloster 14te Zelle, p. 588. 593 ff.) Jenen ersten Satz suchte er festzustellen in einem sonst ganz mässig gehaltenen lateinischen Schreiben an die Zürcher Regierung, welches sich von ihm selbst geschrieben zu Luzern findet. Beide Sätze wollte er dann an der Disputation zu Baden) vertheidigen, wo er sie an der Thüre der Hauptkirche und sonst öffentlich anschlagen lies. Er erwartete den ihm tödtlich verbassten Zwingli') als Gegenredner, allein vergebens. Die Erinnerung an Hussen's Schicksal mochte Zwingli fernhalten; die Leidenschaft war beidseitig gross. Doch erschienen Oekolampad u. a. Ein ruhiges, sicheres Endergebniss durfte kaum erwartet werden, wie man Murner's Schmähen auf den abwesenden Zwingli ersieht. (Vgl. die Disputation zu Baden Rr. iij.) Murner hat an deren Schluss ▼ Ulrich Zwingli da offenlich, mit siner leren vierzigmal Erlos vssgerüfft etc.

Noch vor deren Druck, der sich verzögerte"), weil er an schweren Krankheiten litt und mit Geschäften überladen war"), erschienen zwei heftige Streitschriften gegen ihn. In seiner Antwort hebt Murner besonders hervor, dass man ihn fälschlich für einen Gegner des Rathes zu Zürich ausgebe; er schreibe nur gegen Zwingli. In einem Schreiben an den Rath zu Strassburg 1526, (Scheible 14te Kloster Zelle p. 595.) gibt er als einen argen Verdreher der Disputation zu Baden einen Wolff Köpfflin "*) an und auch Capito. Weil er nun beide hart angriff und ihre Schriften Schelmenbüchlein nannte, musste er sich beim Rathe zu Strassburg vertheidigen. Er suchte zu zeigen, wie sie, namentlich Köpfflin, nicht nur die Wahrheit verdreht, sondern auch die Eidgenossen vielfach geschmäht: die Wahrheit werde durch die Herausgabe der Badener Disputation an den Tag komAus derselben, die er getreu herausgegeben hat, wie

men.

$) Ueber deren Anordnung und Theilnahme vgl. Anshelm VI. p. 360. 9) Siehe Beiträge der hist. Gesellschaft in Basel. VI. 292.

10) Vgl. Kirchhofer, B. Haller p. 77.

11) Vgl. Disput. zu Baden Rr. 11j.

12 Buchdrucker in Strassburg.

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sich aus dem 1720 aufgefundenen Original ergibt, geht hervor, dass Köpfflin sich nicht streng an der Wahrheit hielt.

Inzwischen erschienen eine Menge Streit- und Schmähschriften) gegen die alte Lehre und deren Anhänger; z. B. ein >> Ablassbrief und Spottkalender « auf die Stände Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg, Solothurn und Wallis, worin diese als Abgötterer und der Hölle Verfallene dargestellt wurden. Da Murner den öffentlich genannten Verfasser, einen gewissen Doktor Kop, nicht, sondern Zwingli für den eigentlichen Urheber ansah, so kannte seine Wuth gegen diesen und seine Anhänger keine Grenzen mehr, wiewohl er den » ehrsammen, wysen Ratt der lob. Statt Zürich unangetastet haben wollte mit samt allen frummen alten Zürichheren.« So machte er nun auch einen Kalender der Ketzer und Kirchendiebe, wie er besonders die nannte, welche die Wegnahme der Messgeräthschaften und die Aufhebung der frommen Stiftungen veranlasst hatten. In den beigedruckten Abbildungen erschien Zwingli am Galgen. Eine Anzahl Zeichen tadeln auf das Heftigste den Gebrauch des Kirchensilbers zum Geldschlagen"). Von Zwingli heisst es beim 20. Jänner: >> Ulrich Zwingly ein Kirchendieb, und ein stolzer Feigenfresser in der heiligen Schrift, ein Geiger des heiligen Evangeliums, und ein lautenschlaber des A. und N. Testaments und Magister artium in Theologia.« Schicklichkeit und Anstand nach den Begriffen unserer Zeit sind darin auf das Gröbste verletzt 15).

Inzwischen entschied sich der Rath zu Bern nach langem

13) Scheible hat sechs Schriften gegen Murner abgedruckt, worin er unter Anderm auch als scheusslicher Drache abgebildet ist, meist ohne Namen der Verfasser, was Murner ärgerte, da er sich in seinen Schriften nannte. Auch verdross es ihn, dass man ihm seinen Namen immer in Murnarr mit einem Katzenkopf verdrehte und ihn überhaupt wegen seines Körpers und sogar mit Brüchen darstellte.

14) Er heisst die es thun evangelische Diebe und Schelmen.

15) Scheible hat ihn mitunter fehlerhaft abgedruckt. Ein schönes Manuscript findet sich in der Stadtbibliothek in Bern mit einem lat. Spottgedicht auf Murner von Huldr. Grob.

Schwanken für die neue Lehre ") und beschloss um sie zu allgemeiner Geltung zu bringen eine Disputation innerhalb der Mauern seiner Residenz abzuhalten. Die Anhänger der alten Lehre waren noch zahlreich besonders unter den regierenden Familien, wie von Diesbach, Caspar von Mülinen, Anton von Erlach u. a. m. Berchthold Haller war früher sogar, als schon einmal die freie Lehre gestattet war, nicht sicher auf der Strasse, also dass ihn die » Steinhütteng'sellen « warnten und mit ihren » Bicklen und Degen « zu schützen sich erboten (Anshelm VI, 249). Jetzt sollte eine sichere Bahn betreten werden, zumal die Neugläubigen, an ihrer Spitze Probst Niklaus von Waltenwil und der thatkräftige und geistreiche Niklaus Manuel, die Mehrheit im Rathe errungen hatten "). Man wünschte ein allgemeines Gespräch, wobei beide Glaubensparteien in ihren Häuptern vertreten wären. Th. Murner, den Niklaus Manuel den Evangelist der altgläubigen Priester p. 347) nannte, (vgl. Grüneisen, N. Manuel) sollte dann auch seinen Ketzerkalender vertheidigen, wie Haller an Zwingli schrieb. Auf Berns freundliches- Schreiben, Luzern wolle den hochgelehrten Pfarrer Dr. Murner an die Disputation senden (Bern Staatsarchiv Missiv. Q. 330.) entgegnet Luzern, es sei zu verwundern, dass man ihren biderben Kilchherrn Murner, den man doch wegen des Drucks der Disputation zu Baden angreife, nun in Bern zu einer solchen haben wolle; übrigens könne Luzern nicht ohne die acht Orte handeln und weil ihm auch, wie diesen, die Disputation zu Baden genüge, so habe es seinen Pfarrer heissen zu Hause bleiben. (1. 1.)

Murner selbst vertheidigt sein Nichterscheinen in der Schrift: »Vrsach vnd verantwurtung, worum Doctor Th. Murner kilchherr zu Lutzern nit ist vff der Disputation zu Bern gehalten erschinen. Er sagt darin, er sei eigentlich nicht berufen worden auf die Disputation nach Bern. Nur Schultheiss Hug") habe

16) Vgl. über Berns damalige Lage Kirchhofer, Bertold Haller oder die Reformation in Bern. Zürich. 1828. p. 98.

17) Vgl. B. Haller von Kirchhofer. p. 99.

18, Ein gewaltiger Reisläufer und Pensionenreicher genannt. Vgl.

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