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I.

Das

sogenannte Zeitregister von Tschachtlan

gehört

dem XVII., nicht aber dem XV. Jahrhundert an.

Von

DR R. FETSCHERIN.

alt RRath, Mitglied d. allg. geschichtf. Gesellschaft d. Schweiz.

Den Verfasser dieser Abhandlung hat die Erforschung der politischen Gemeindverhältnisse von Bern im Verlaufe der Zeit zu den Burgunderkriegen, dem Glanzpunkte der Eidgenossen hingeführt eine neue, wie er glaubt, sorgfältigere und genauere Durchforschung bereits bekannter, verbunden mit derjenigen anderer erst in neuerer Zeit eröffneter Quellen dürfte, hofft er, manches zum Theil vielleicht nicht erwartete Resultat gewähren : aber eben diese Sichtung der Quellen lehrte auch grössere Vorsicht in deren Benutzung.

Seit einem Jahrhundert ungefähr finden wir von Bernischen Geschichtforschern bis auf die neusten Zeiten herab für die Geschichte der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts eine Schrift als gleichzeitige Quelle angeführt, welche derselben Zeit nicht angehören kann.

Theils die Seltenheit von Abschriften dieses Geschichtwerkes, theils die unglückliche Gewohnheit, ohne eigene Forschung, selbst da wo sie möglich ist, berühmten Vorgängern fast blindlings nachzufolgen, mag die Veranlassung gewesen sein, dass noch der neuste bernische Geschichtschreiber jene Schrift unbedenklich als gleichzeitige Quelle für die Geschichte Berns in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts angeführt hat. Wir reden von dem s. g. Zeitregister Tschachtlans.

Anshelm '), dem genaue Kenntniss der Quellen der Geschichte Berns seiner Zeit und der jüngstvergangenen niemand absprechen wird, kennt für die Zeit des Burgundischen Kriegs nur Schilling als gleichzeitige Quelle, dem er nicht ohne Grund Vorliebe für Frankreich und Hass gegen Burgund zuschreibt3) : eine Geschichte von Tschachtlan, einem so angesehenen Berner dieser Zeit, hätte ihm nicht wohl unbekannt bleiben mögen.

Warum Stettler ein Zeitregister von Tschachtlan nicht kennt, werden wir später zu erläutern suchen.

Lauffer im folgenden (achtzehnten) Jahrhundert führt gewöhnlich nicht Quellen an, hat aber diese Schrift wohl nicht benutzt, wie eine Vergleichung seiner helvetischen Geschichte in dieser Zeit von 1451 an zeigen mag), sie entweder als seltene Handschrift nicht gekannt, oder vielleicht auch, als der Zeit näher stehend, besser gekannt als seine Nachfolger. Man weiss übrigens auch, dass ihn der Tod vor Vollendung seiner Arbeit übereilte, nach welcher er vermuthlich über die von ihm benutzten Quellen nähern Aufschluss gegeben haben dürfte.

Der erste unseres Wissens, welcher diese Schrift bestimmt als gleichzeitige Quelle des XV. Jahrhunderts anführt und durch seinen bestimmten Vorgang wohl manche Spätere ihm nachzufolgen verleitet haben mag, ist der bekannte Geschichtforscher Alexander Ludwig von Wattenwyl'), damals Landvogt zu Nydau. Seine Histoire de la confédération Helvétique erschien zu Bern 1754 in 2 Theilen").

In der Vorrede zu seinem Werke giebt er die Quellen besonders der Geschichte von Bern an. Als älteste Quelle citirt er Justinger » der seine Geschichte «, wie er ganz richtig be

1) Anshelm hat die Rathsmanuale wohl benutzt.

2) Anshelm I, 98 und 113.

3) Thl. V. S. 225 fgg.

4) Alex. Ludw. v. Wattenwyl geb. 1714 war 1745 unter die CC gewählt, von 1752-1758 Landvogt zu Nydau; er starb 1780.

5) Die Handschrift derselben nebst einer noch ungedruckten Fortsetzung bis 1663 befindet sich unter seinen historischen Sammlungen in acht Bänden auf der Stadtbibliothek in Bern.

merkt, »bis 1421 fortgeführt habe «. Etwas sonderbar führt er dagegen in seinem Werke selbst unter den Quellen in den Noten Justinger noch bis zu den Jahren 1436-1446 an°). Justingers Chronik hiess nämlich auch die Stadt-Chronik, die verschiedentlich fortgesetzt immer noch den Namen des ersten Verfassers trug. » Ulrich Wagner von Schwyz habe dann « (fährt von Wattenwyl fort) » diese Chronik bis 1466 fortgesetzt»: gerade so weit unser gedruckte Tschachtlan geht'). » Benedict Tschachtlan (fährt von Wattenwyl weiter fort) des Raths, später Venner zu Bern, habe deren Geschichte bis zum Jahre 1471 fortgesetzt. Wie wir schon bemerkt haben, geht die s. g. gedruckte Berner-Chronik von Benedict Tschachtlan nur bis 1466 mit dem Brande von Frutigen in diesem Jahre endend und am Schlusse noch ausdrücklich3), auf die neuen Chroniken der Stadt Bern von den Burgundischen Kriegen und andern Sachen ) hinweisend.

Es giebt aber auch wirklich Forsetzungen von Justinger, die bis zum Jahr 1471 reichen. Auf der Stadtbibliothek von Bern finden sich handschriftlich zwei Bände Folio. Justinger Band I (bis 1421 gehend) und Justinger Band II (1421-1471 gehend) überschrieben, wo unmittelbar auf den Schluss (vom gedruckten Tschachtlan) den Brand von Frutigen 1466 folgt: 1466 Bund von Bern und Solothurn mit Mülhausen und unmittelbar hierauf wieder der Anfang des Kriegs zwischen der Herrschaft von Oestreich und gemeinen Eidgenossen. » Da man zelt von Gottes Geburt 1467 Jar erbubent sich die Stöss zwischen der Herrschaft von Oestreich und gemeinen Eidgenossen « u. s. w. Dieser Theil endet mit dem Twingherrenstreit im Jahr 1470: auf der letzten Seite steht: »> In dem Jar als man zelt von der Geburt Christi » 1470 Jar ward diese Chronik geschrieben und gemalet durch » den fürnemmen Bendicht Tschachtlan, Venner und der Rats

6) De W. hist. de la conf. Helv. I, 228–259 in den Noten. 7) Bendicht Tschachtlans Berner-Chronik von 1421-1466: herausgegeben von Stierlin und Wyss. Bern 1820.

$) B. Tschachtlans Berner Chronik S. 335.
9) Offenbar auf Diebold Schilling hindeutend.

>> ze Bern auch durch Heinrich Tidlinger Schriber diss Buchs » und ist gezogen diss Buch uss der rechten Chronik der Stadt » Bern«. Später folgt noch ein anderer kurzer Auszug von 1460 an, der mit dem Zuge nach Chalons 1480 (wie bei Schilling) endet. Von Wattenwyl fährt nun in jener Quellen-Aufzählung fort"): » Le même Tschachtlan est auteur des Memoires du Tems, » qui finissent en 1477. Theobald Schilling apres avoir copié >> Tschachtlan, nous donne la guerre de Bourgogne, dans la» quelle il avait servi, il termine son histoire en 1480 «"). Durch obige Stelle wie durch die Anführungen aus dieser sog. Schrift Tschachtlans in von Wattenwyls Werke glauben wir seien die nachfolgenden Schriftsteller irregeführt worden.

Dieser für seine Zeit sehr verdienstlichen Forschung von Wattenwyls ist kurz darauf Tscharner 3) nachgefolgt in seiner Historie der Eidgenossen, deren erster Theil bald nachher (im Jahr 1756) erschienen ist"). Diese Geschichte der Eidgenossen

10) Vorrede S. 1. 2.

11) Offenbar meint von W., Schilling habe dieses Zeitregister, diese mémoires du Tems von Tsch. abgeschrieben.

12) Schon die Herausgeber der Chroniken von Justinger und Tschachtlan dachten (s. Vorrede zu Letzterm S. XIV.) an eine neue verbesserte Ausgabe von Schilling. Wenn man an die gräulichen Versetzungen (besonders auf den ersten 18 Seiten) die vielen Druckfehler und sonstigen mannigfachen Gebrechen der gedruckten ersten zu Bern erschienenen Ausgabe von 1743 denkt immerhin für jene Zeit jedoch eine sehr verdienstliche Arbeit die mehr Aufmunterung verdient hätte wäre gewiss eine neue Ausgabe dieser Schrift mit Benutzung der zahlreichen guten Handschriften auf hiesiger Bibliothek, so wie der s. g. Sternerschen Chronik (im Besitze des Grafen Heinrich von Diessbach zu Freiburg) so wie mit Beiziehung der Rathsmanuale und anderer Quellen eine sehr verdienstliche Arbeit. Manches hiefür hat auch der Verfasser dieser Abhandlung gesammelt.

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13) Bernhard Tscharner geb. 1728, gest. 1778, von Aubonne oder von Bellevue zubenannt, Mitglied des Grossen Raths, Bruder des durch Pestalozzi bekannten Arner.

14) Ohne Druckort wahrscheinlich zu Zürich: der II. Thl. von 1758; der dritte erst 1768. Eine neue Auflage erschien (nach des Verfassers Tode) 1789 zu Zürich.

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