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I.

Die politische

Emancipation der Handwerker Basels

und der Eintritt ihrer Zünfte in den Rath.

Von

DR. D. A. FECHTER.

(Vorgetragen in der historischen Gesellschaft zu Basel den 22. Februar 1855.)

Unter den drei Factoren, welche die Geschichte des Mittelalters bedingen, die Kirche mit ihrer Macht, die kaiserliche und mit ihr deren Ausflüsse d. h. die Macht der weltlichen Fürsten überhaupt, und endlich die der städtischen Gemeinwesen, ist der letzte derjenige, welche in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit der Geschichtsforscher in besonders hohem Grade auf sich gezogen hat, sei es, weil an dieses Element in der zweiten Hälfte des Mittelalters mehr als einmal die Schicksale des Kaisers und des Reiches geknüpft waren, sei es, dass man, einem angeborenen Triebe folgend, sich hingezogen fühlte, das Streben einer nach Freiheit ringenden Bürgerschaft zu belauschen, sei es, dass man gerne den Boden erforschte, in welchem die Institutionen, die Gewerbthätigkeit, die Bildung unsers Zeitalters wurzeln, den Boden, mit welcbem wir noch durch hundert Anknüpfungspunkte verbunden sind. Für die Entwickelung der Freiheit Rom's hat man mit Recht als ein bedeutungsvolles Moment die Thatsache angesehen, dass die Plebejer den Zutritt zu den Magistraten erlangt haben; ein ebenso bedeutungsvolles Moment für die Entwickelung der städtischen Freiheit im Mittelalter ist die Thatsache, dass die Plebejer dieser Städte, d. h. die Handwerker, den Eintritt in den Rath, eine eigene Repräsentation in demselben erhalten. Nach den bisher bestehenden Ansichten ist dieser Fortschritt zur Freiheit im Jahre 1336 in unsrer Vaterstadt gemacht worden. Dieser Ansicht gegen

über möchten wir in diesem Vortrage nachweisen, dass die Repräsentation der Handwerker als solcher im Rathe wenigstens 70 Jahre vor diesem Zeitpunkte eintrat; und wenn es uns gelingen sollte, diesen Beweis zu leisten, so wäre zugleich damit die Thatsache festgestellt, dass unsre Vaterstadt unter die ersten gehört, welche diesen Schritt zur Freiheit thaten, wenn sie nicht überhaupt dann geradezu die erste wäre.

In Beziehung auf die Entwickelung der Städtefreiheit sind es vorzüglich die bischöflichen Städte, welche für die Geschichte unsrer Vaterstadt wegen der Gleichartigkeit der Verhältnisse von Bedeutung sind; und wenn sich auch für die Entwickelung derselben in Worms, Speyer, Strassburg, Regensburg, Mainz im Einzelnen manche Verschiedenheiten herausstellen, so ist doch im Grossen der Gang, den diese Entwickelung eingeschlagen hat, derselbe, wie auf eine treffliche Weise es Arnold in seiner » Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte « nachgewiesen hat. Es ist das Ringen der Bürger (cives) im mittelalterlichen Sinne und später der Handwerker gegenüber der weltlichen Macht des Bischofs um Theilnahme an der städtischen Verwaltung, um Regimentsfähigkeit.

Die Zeit der Ottonen und Heinrichs II. war es, welcher die Bischöfe einen grossen Theil ihrer weltlichen Macht verdankten. War früher der Bischof mit seinem Capitel in patriarchalischer Weise der Vater und Vorsorger seiner Angehörigen gewesen, so wurde er nach und nach der Machthaber, welcher durch seine Dienstmannen Recht und Gerechtigkeit und die von Königen und Kaisern ihm übertragenen weltlichen Befugnisse verwalten liess, der Herr, unter welchem selbst die in der Stadt angesiedelten Altfreien in eine gewisse Art von Abhängigkeit kamen, während die Handwerker unter dem Hofrecht stehende unfreie Leute waren, welche dem Falle und dem Heirathszwange und andern Lasten unterworfen sein mochten. Nachdem aber namentlich in der stürmischen Zeit der Regierung Heinrichs IV. die Bevölkerung der Städte so zugenommen hatte, dass gar manche derselben, und unter diesen auch unsre Vaterstadt, eine Erweiterung erhielten, da tauchten allmählig

die Elemente der Gährung auf, und das Ferment dieses Gährungsprocesses war der durch Handel und steigende Gewerbthätigkeit herbeigeführte Wohlstand, welcher neben dem Grundbesitz auch das Kapital zur Geltung kommen liess und die Handwerker allmählig aus ihrer Lage der Hofhörigkeit in selbstständigere Verhältnisse führte.

Das erste Stadium in der Entwickelung der Freiheit der bischöflichen Städte gegenüber dem Bischofe bildet bekanntermassen die Aufstellung eines Rathes. Wenn wir daher mit etwas sicherem Schritte an unser Ziel gelangen wollen, so können wir uns nicht der Nothwendigkeit entziehen, die verschiedenen Stadien nachzuweisen, welche bis 1260 der Rath von Basel durchlaufen hat. Ich unterscheide derselben drei: 1) den Rath bis 1212, 2) den Rath von 1212 bis 1218, und 3) den Rath von 1218 bis 1260. Der Grund dieser Eintheilung bietet sich mir in der bekannten Urkunde Friedrichs II. vom 13. Sept. 1218 dar, durch welche Friedrich den damals in Folge eines von ihm früher gegebenen Privilegiums bestehenden Stadtrath cassierte (consilium, quod usquemodo quocunque modo Basileae fuit, revocamus, deponimus atque totaliter infringimus, atque privilegium, quod inde habent Basilienses cassamus omnino, nec eo ipsos de cetero uti volumus). Es ist zwar keine Urkunde mebr vorhanden, welche die Ertheilung jenes Privilegiums enthält. Dennoch aber lässt sich die Zeit, in welcher dasselbe ertheilt wurde mit ziemlicher Gewissheit herausfinden. Der junge König Friedrich war vor 1218 zwei mal in Basel, das erste Mal im September 1212, als er, gleich einem Flüchtlinge aus Italien kommend, bei Constanz durch die Gunst des Schicksals und durch die Verwendung des Abtes Ulrich VI. von St. Gallen seine Laufbahn unter günstigen Auspicien begonnen hatte. Am 24. September zog er in Basel ein. Basels Bischof und Bürgerschaft schlug sich auf seine Seite. Hier war es, wo Friedrich ein Heer gegen Otto IV. sammelte, hier, wo die Grafen von Kyburg und Habsburg zu ihm stiessen, hier, wo der Bischof von Strassburg ihm ein Heer zuführte. Den Hobenstaufen musste die Entschiedenheit Basels für ihn zu Anfang seiner Laufbahn und in seiner

damaligen Lage von Bedeutung sein. Von Basel aus sind (26. Sept.) drei Urkunden datirt, in deren einer er dem König Ottokar in Böhmen den Thron bestätigt. Das zweite Mal kam Friedrich im November 1214 in unsre Vaterstadt und hielt sich vom 21. November bis zu Ende dieses Monats hier auf; während dieses zweiten Aufenthaltes stellte er 12 Urkunden aus. (S. HuillardBréholles hist. diplomatica Friederici II.) Wenn wir aber die Lage ins Auge fassen, in welcher Friedrich im Jahre 1212 war, und wie folgenreich die Entschiedenheit Basels für ihn sein musste; wenn wir ferner eine Anerkennung davon in der den Urkunden von 1212 angehängten ehrenvollen Bezeichnung »in nobili civitate Basiliensi a erblicken, während die spätern bloss datiert sind » apud Basileam «<, so wird sich wohl die Wagschaale zu Gunsten von 1212 neigen, wenn es sich um das Jahr handelt, in welchem Friedrich jenes Privilegium den Baslern gegeben hat. Also ein Rath zu Basel nach dem Privilegium Friedrichs des II. von 1212-1218.

Wollen wir uns von der Stellung dieses Rathes und seinen Befugnissen eine Vorstellung machen, so giebt uns eine zweite Urkunde König Friedrichs vom 12. September 1218 einige Anhaltspunkte. In dieser conferiert er die neue Abgabe, genannt Ungelt, welche in Folge einer baslerischen Verordnung und einer königlichen Schenkung creiert worden war, dem Bischof Heinrich von Thun (novum theloneum, quod vulgo appellatur Ungelt, in civitate Basiliensi, institutione Basili ensi et largitione regia, contulimus episcopo memorato). Es geht daraus hervor, dass der Rath von Basel in der Periode 1212-1218 mit königlicher, nicht mit bischöflicher Einwilligung Abgaben (Ungelt) decretieren konnte. Das Privilegium gab demnach dem Rathe eine gewisse Unabhängigkeit vom Bischofe, und würde das nicht aus dieser so eben eingeführten Urkunde hervorgehen, so würde zu diesem Schlusse auch noch der Zusatz zu der Cassationsurkunde vom 13. Sept. 1218 berechtigen, wo es heisst: inhibemus, ne Basilienses de cetero consilium vel aliquam institutionem novam, quocunque nomine possit appellari, faciant aut instituant sine episcopi sui assensu et volun

tate. Der Rath von 1212 bis 1218 war demnach kein bischöflicher, er genoss durch königliches Privilegium eine gewisse Unabhängigkeit.

Dass ein Rath, wie ihn nun 1212-1218 unsre Vaterstadt hatte, eine völlig neue Behörde sein sollte, welcher keine andere ähnliche Erscheinung vorangegangen wäre, aus welcher er sich in dieser Gestalt hätte heraus bilden können, das darf wohl eine historische Unmöglichkeit genannt werden. Wenn auch über den Rath vor 1212 keine Data vorhanden sind, so lebrt doch die Analogie, wie die Räthe allmählig im XII. Jahrhundert in Trier, in Mainz, in Köln, in Speyer und Regensburg entstanden sind (s. Arnold I. S. 173 ff.), dass auch bei uns der Bischof anfangs aus freiem Willen zu den Dienstmannen angesehene Bürger (honesti viri, discreti viri, sapientiores, honorabiliores, prudentiores) zu Rathe gezogen haben mag. Ja wenn Maldoner in seinen Regesten angibt, dass im J. 1202, wahrscheinlich in Folge der durch den Zwiespalt zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV. herbeigeführten Parteiungen, die bischöfliche Pfalz zu Basel zerstört worden sei, und dass die Bürger von Innocens III. zum Wiederaufbau derselben verurtheilt worden seien, so setzen diese Ereignisse einen Zustand voraus, in welchem die Bürger unter einer gewissen Leitung gestanden haben Wir characterisieren daher den Rath vor 1212, als einen bischöflichen, anfangs ganz vom Bischofe nach dessen freiem Willen zu sich berufenen, während der Rath von 1212 bis 1218 ein vom Bischofe unabhängiger war.

mussten.

Wir gehen zu dessen drittem Stadium über. Man hat aus der oben vorgeführten Cassations- oder Widerrufsurkunde Friedrichs den Schluss ziehen wollen, dass in Folge derselben der Rath zu Basel aufgehört habe zu sein. Doch einerseits nöthigt der Wortlaut derselben durchaus nicht zu diesem Schlusse; denn es wird nur der Rath widerrufen, insofern er nicht mit des Bischofs Einwilligung bestand (sine episcopi sui assensu et voluntate), ein vom Bischof unabhängiger war, wie ihn das Privilegium hingestellt hatte; anderseits verstosst diese Annahme gegen sprechende Thatsachen. Der Rath

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