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damals hier oder in nächster Nähe der Stadt seinen Wohnsitz gehabt habe.

So wird z. B. ganz ausführlich von dem Zolle zu Lindau erzählt, den König Rudolf dem Ritter von Ramswag, seinem Lebensretter in der Schlacht im Marchfelde, geschenkt habe und über welchen dessen Erben »noch gegenwärtiga (d. b. um 1340) den Verleihungstitel besitzen und auf Verlangen vorweisen (S. 26.), Eine Geschichte aus dem Minoritenkloster zu Lindau erscheint mit allen Einzelnheiten (S. 63); eine Feuerbrunst in der nämlichen Stadt im Jahr 1339 hat in der Webergasse a ihren Ursprung genommen, durch Unvorsichtigkeit beim »Specksieden «, und ist vom Winde fürchterlich angefacht worden (S. 153). Die Verwüstungen, welche der hochangeschwollne See in Kirche, Kreuzgang, Garten und Küche des Minoritenklosters im Juni 1343 angerichtet hat, werden aufs Einlässlichste beschrieben (S. 181.); ein Gewitter am 6. September desselben Jahres, das » bis nach Mitternacht & gedauert hat und seine Wirkung auf den See wird nachdrücklich geschildert (S. 185.). Von Wucherern in Lindau und dem Benehmen ihrer Beichtväter, der Minoriten, ist Ao. 1344 die Rede (S. 213.). Die Ereignisse bei Einführung einer Zunftverfassung in der Stadt und die Versuche Verbannter, sich wieder in die Stadt einzudrängen, in den Jahren 1345 und 1346 bilden den Gegenstand der umständlichsten und offenbar aus naher Kenntniss hervorgegangnen, wenn auch vorsichtiger, alle Namen vermeidender Darstellung (S. 226. 232. 234.). Im Jahr 1347 wüthet eine zweite Feuerbrunst in der Stadt » Nachmittags bei Westwind « (S. 240. 241.). Sorgfältig wird endlich 1346 und 1347 die Zeit der Traubenblüthe in Lindau und der Umgegend angemerkt (S. 238. 244.). Auch ist auffallend, wie oft durch das ganze Werk hindurch einfach gesagt wird: Lindaudiae, Lindaudiam, Lindaudia; während bei andern Städtenahmen der Zusatz: oppidum, civitas, castrum, niemals oder doch höchst selten fehlt.

Diesem zufolge kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass Vitoduran die Jahre 1340-1347 in Lindau oder dessen nächster Umgebung zugebracht hat. Nur einmal finden wir ihn

während dieses Zeitraumes anderswo. Vom Jahre 1343 erzählt er als Augenzeuge aus dem » Albgau a (S. 193.), und aus dem gleichen Jahre Ereignisse aus Engen und dem nahegelegnen Dorfe Zimberholz (S. 175.). Uebrigens wären auch häufigere Wanderungen bei seinem Stande nicht auffallend.

Ob Vitoduran später seinen Stab nochmals weiter gesetzt, bleibt ganz ungewiss. Fast möchte die letzte Erzählung, in welcher seine Chronik abbricht, vermuthen lassen, er sei in ein Zürich näher gelegenes Kloster, als dasjenige von Lindau, gekommen. Er spricht dort von einem wunderthätigen Mädchen in Mellingen an der Reuss, das » mehrere meiner Mitbrüder « besucht haben (S. 251. 252.). Diess möchte auf eine solche Veränderung seines Wohnsitzes, Ende 1347 oder 1348, hinweisen. Nehmen wir an, er habe sich von dieser Zeit an im Minoritenkloster in Zürich befunden, so würde diess am natürlichsten erklären, dass sein Manuscript hier im Kloster zurückblieb und nach Aufhebung des letztern zur Zeit der Reformation an Bullinger gelangte.

Indess muss diess blosse Vermuthung bleiben. Denn von 1348 an, wo seine Chronik schliesst, verschwindet jede Kunde von ihm und wir wissen nicht, ob er damals (um das fünfzigste Jahr seines Lebens) gestorben ist, oder vielleicht noch länger gelebt und erst in spätern Jahren die Abschrift oder neue Bearbeitung seines Werkes unternommen hat, von welcher der zweite Theil unseres Codex (Blatt 89-93) einen Ueberrest bildet.

b. Werk des Verfassers.

Gehen wir von dem Leben unseres Schriftstellers zu seinem Werke über, so wird in Kurzem anzugeben bleiben, in welchen Lebensjahren Vito duran sein Buch geschrieben, aus welchen Quellen es hervorgegangen und welches sein eigenthümliches Gepräge sei.

Ueber den ersten Punkt, die Jahre, in welchen die Chronik geschrieben worden, geben mehrere Stellen der Chronik, wie wir zum Theil schon berührt haben, Aufschluss. Bald nach dem Eingange des Werkes erzählt Vitodu

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ran von dem berühmten Prediger, dem Minderbruder Bertold, (der um 1255 blühte) und fügt bei, dass über denselben noch » gegenwärtig d. h. im Jahre 1540 Lebende Zeugniss geben (S. 15 unten). Nachdem die Erzählung dann bis zum Jahre 1339 fortgeführt ist, wird hier beiläufig bemerkt, der Erfolg einer damals von Papst Benedikt XII. zu den Tartaren gesandten Mission von Franziskanern » ist noch in der Fasten 1545 in Schwaben unbekannt gewesen a (S. 152. 153.). Hierauf fährt die Erzählung von 1339 weiter bis 1343 fort und hier treffen wir auf die Bemerkung, dass die von Papst Clemens VI. gegen den Kaiser erlassene Sentenz zum Vollzuge gekommen sei habe ich bis (jetzt) auf Sanct Lucas Tag 1343 noch nicht gehört «. (S. 191.). Endlich folgen die übrigen Erzählungen, die Jahre 1343-1347 betreffend, im Allgemeinen in richtiger Zeitfolge, doch mit manchen Abweichungen, von denen der Chronist niemals ermangelt, die Ursache anzugeben: seine Unkenntniss der Begebenheit zur Zeit als er sie hätte aufzeichnen sollen (z. B. S. 190. 192. 196. 206. u. s. f.).

Unwidersprechlich geht aus diesen Stellen hervor, dass Vitoduran seine Chronik im Jahr 1340 begann, dass er bis nachder Fasten 1343 die Erzählung von Kaiser Friedrich II. an bis auf das Jahr 1339 verfasst, bis zum Herbste 1343 sie durch die Jahre 1340 bis 1343 fortgeführt und dann in den Jahren 1344 bis 1347 das Uebrige allmälig aufgezeichnet hat, in der Reihenfolge wie sich die Begebenheiten ereigneten oder ihm zur Kenntniss kamen.

Aus dieser Entstehungsweise (die einzige Abweichung haben wir oben Einleitung S. XIII. berührt) erklären sich auch theils die ganze Anlage des Werkes, theils manche Irrthümer in den Zeitangaben für die erzählten Ereignisse, selbst der spätern Jahre. Die in den Jahren 1340-1343 niedergeschriebene Erzählung von Kaiser Friedrichs II. Zeit an bis 1343 nimmt ungefähr die ersten fünf Siebentheile des Werkes ein; fast einen Dritttheil aber der ganzen Chronik füllen die wenigen Jabre 1344 bis 1347, die mit unverhältnissmässiger Weitläufigkeit behandelt sind, weil hier die Aufzeichnung vorweg geschah, sowie nur

der Verfasser Kunde von etwas erhielt, das ihm merkwürdig schien.

Vitoduran hat somit sein Werk während seines Aufenthal tes in Lindau und nicht in seiner Vaterstadt geschrieben; daher auch sein so oft wiederholter Zusatz zu dem eignen Namen: » oriundus de Wintertur.«

Eine besondere Bewandtniss hat es indessen, wie oben schon erwähnt worden, mit dem letzten Stücke der Chronik, das den Zeitraum von Mitte 1347-1348 umfasst (Blatt 89-93 des Codex. S. 243-252 unten). Wie sich die entsprechenden Blätter der Handschrift sowohl äusserlich, als dem Inhalte nach, als etwas spätern Ursprungs denn die übrigen darstellen, haben wir bereits gesagt. Ob Vitoduran dieses Ende (?) seines Werkes und dessen ersten Theil, die Beschreibung der Zeiten vor Kaiser Friedrich II, welche er vor völligem Abschlusse des Ganzen wenigstens entwarf, noch 1348 oder erst später, in Lindau oder anderswo, verfasst hat, muss dahin gestellt bleiben.

Fragen wir zweitens nach den Quellen, aus denen der Verfasser geschöpft hat, so nennt er diese theils im Allgemeinen im Eingange seiner Chronik, theils in bestimmten Anführungen im Verlaufe des Werkes. Für die Zeit, die seinem Leben vorangegangen, hat er Chroniken benutzt, die ihm zu Gesichte kamen, und die Zeugnisse solcher Personen eingeholt, die das Erzählte selbst noch mit erlebt haben (S. 1.). Jene Chroniken nennt er nicht mit bestimmten Namen, ungeachtet er sich wiederholt auf sie beruft (cronica, libri annales etc. S. 79 u. s. f.). Da er übrigens seinen Stoff nicht bloss auszog, sondern nach eigener Weise zusammenstellen wollte (S. 1.), und da seine kurzen Mittheilungen für diese ältere Zeit weniger Bedeutung haben, so würde sich eine Untersuchung, welche Chroniken er benutzt habe, der Mühe nicht verlohnen. Dagegen darf um so mehr Gewicht auf dasjenige gelegt werden, was er aus dem Munde noch lebender Zeugen, auf die er sich oft mit Nachdruck beruft, aufgezeichnet hat (S. 15. 16. 33. u. s. f.).

Ueber seine eigene Zeit spricht er theils aus persönlicher Erfahrung (S. 1.) als Augen- oder Obrenzeuge; theils nach

öffentlicher Kunde, wie sie allgemein bekannt war; theils aber auch nach dem mündlichen oder schriftlichen Berichte bestimmter Zeitgenossen. Oft hat er von Kriegszügen aus dem Munde Betheiligter, von fremden Ländern aus dem Munde oder aus Briefen von Wanderern, namentlich von Ordensmitbrüdern, erzählen hören (S. 94. 109. 133. 196. 197. 208. 211. 212. 252. u. a. m.). Allein nicht bloss einige Chroniken und mündliche Erzählungen kannte Vitoduran. Er ist auch in der gesammten Litteratur seiner Zeit, heiliger und profaner, nicht unbewandert. Die heilige Schrift kennt er gründlich. Aus den Büchern Mosis, den Propheten, vorzüglich Jesajas, den Psalmen, den Evangelien und Episteln nimmt er die Sprüche, in die er seine moralischen Betrachtungen einkleidet. Geistliche Schriften wie die Homilien Gregors (S. 60.), die Bauernpredigten des Minderbruder Bertold (S. 15.), das Hexaëmeron des Ambrosius (S. 195.), die Werke berühmter Meister seiner Ordens, des Nicolaus de Lira, des Wilhelm von Occam, sind ihm wohlbekannt (S. 88. 89. 239.). Im Jus canonicum, in den Dekretalen der Päpste ist er wohl bewandert; er gibt an, welche Päpste Bücher derselben erlassen, und citirt sehr oft Stellen daraus (S. 2. 3. 60. u. s. f.). Von der weltlichen Litteratur sind ihm bekannt des Aristoteles Liber de animalibus (S. 195.) und Metaphysica (S. 93.), des Aesopus Fabeln (S. 221.), die Ars poetica des Horaz (S. 221.), des Isidorus Liber Etymologiarum (S. 195.), das Reisebuch, das der Minderbruder Odoricius von Padua nach der Rückkehr aus dem Oriente auf Bitte seiner Ordensbrüder verfasst hat (» opusculum valde solaciosum et delectabile «. S. 206. 207.) u. a. m.

So ist es sich denn nicht zu verwundern, wenn Vitoduran den Versuch macht, selbst den Griffel des Dichters zu ergrei fen, und über das Zerwürfniss zwischen Kaiser und Papst (S. 202 u. ff.), über den Tod Kaiser Ludwigs (S. 244.) sich in eigenen, freilich mehr gutgemeinten als guten Versen ergiesst.

Sollen wir endlich noch sagen, wie er schreibt? Gewiss, es ist nicht ein Geschichtswerk, wie das edle Buch seines höherstehenden Zeitgenossen, des gelehrten und welterfahrnen Abtes von Victring, was Vito duran uns bietet. Weder in Ab

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