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SITZUNG VOM 8. JÄNNER 1858.

Gelesen:

Über die Durchstechung der Landenge von Suez.

Von dem c. M. Freiherrn von Czoernig.

Ein grosser Gedanke von unermesslicher Tragweite beherrscht gegenwärtig die gebildete Welt und erstreckt seine Wirkungen selbst über die Grenzen derselben hinaus: es ist der Gedanke an die Vereinigung des Mittelmeeres mit dem östlichen Ocean durch die Anlegung des Canales von Suez. Wo immer der Blick das geistige Leben der Gegenwart erfasst, begegnet er der Erörterung über dieses folgenreiche Unternehmen. Die gelehrten Gesellschaften, als die Repräsentanten des wissenschaftlichen Fortschritts, wie die Handelskammern, als die Förderer der materiellen Interessen, die Regierungen wie die Parlamente, Departements- und Municipal-Corporationen, der Klerus wie die technischen Vereine, die Theilnehmer an öffentlichen Versammlungen, wie die gewichtige Stimme des gesammten Journalismus in hunderten von Blättern, kurz alle Organe der staatlichen Belange und der öffentlichen Meinung in Frankreich und in Italien, in Spanien und in Russland, in England, in Deutschland und in Österreich, in Griechenland und in der Türkei, in Syrien und in Ägypten, in Vorder-Asien und in Amerika wenden ihre Aufmerksamkeit dieser Frage zu, prüfen die Ausführbarkeit des Projectes, untersuchen die entgegenstehenden Hindernisse und drücken für die baldige Zustandebringung des Unternehmens, tief überzeugt von dessen wohlthätigen Wirkungen, die lebhaftesten Wünsche aus.

Eine Frage, welcher auf so hervorragende Weise die allgemeine Sympathie der Zeitgenossen sich zuwendet, in Bezug auf welche die widersprechendsten Ansichten, die entgegengesetztesten Bestrebungen

sich einigen, muss die grossen Interessen der Menschheit betreffen und die Abhilfe für ein allgemeines tiefgefühltes Bedürfniss bezwecken. Diese Ansicht rechtfertigt sich vollkommen, denn es handelt sich um den wichtigsten Cultur-Fortschritt der Gegenwart, um eine grosse geschichtliche Thatsache, welche unsere Zeit zu dem Ausgangspuncte einer neuen Ära der materiellen Entwickelung, der Ausbreitung der Civilisation und der allgemeinen Wohlfahrt stempeln wird 1). Eine solche Frage, welche überdies im engsten Zusammenhange mit der gedeihlichen Ausbildung unseres Vaterlandes steht, verdient auch in Ihrem Schoosse zur Erörterung gebracht zu werden, und ich folge gern der Anregung Ihres Herrn Präsidenten, indem ich mir erlaube, die nachstehenden Betrachtungen, welche zunächst auf den österreichischen, oder richtiger ausgedrückt, auf den mitteleuropäischen Charakter der Frage Bezug nehmen, Ihnen vorzutragen.

Gleichwie die organischen Gebilde gewisser eigenthümlicher Zustände der Atmosphäre und des Bodens bedürfen, um zu gedeihen, so müssen für die Ideen, sollen sie zur fruchtbringenden That reifen, die ihrer Entwickelung günstigen Verhältnisse eintreten es muss in der Stufenfolge der menschlichen Ausbildung jener Punct erreicht sein, wo der Funke zündet und das weithin leuchtende Feuer allgemeiner Theilnahme, ja der in die Massen dringenden Begeisterung anfacht. Ohne diese Voraussetzung mag die Idee ein Gegenstand abstracter Beleuchtung oder gelehrter Erörterung werden; für das Culturleben der Menschheit aber bleibt sie ein todter Keim. So erging es der Frage über die Vereinigung des Mittelmeeres mit dem arabischen Meerbusen. Seit 25, ja wahrscheinlich seit 37 Jahrhunderten nimmt sie in jeder Epoche der Culturgeschichte ihren ständigen Platz ein. In der Zeit der Blüthe Ägyptens zur theilweisen Lösung gebracht, verschwand sie unter der rohen Herrschaft der islamitischen Völker gänzlich und blieb, als sie später von Gelehrten zur Sprache gebracht wurde, ohne Anklang. Kaiser Napoleon I., das grösste Genie der

1) Petermann, Mittheilungen aus dem Gebiete der Geographie 1855, S. 364, sagt hierüber: „Wenn es möglich wäre, eine Brücke von Calais nach Dover oder gar von Europa nach Amerika zu schlagen, so würde das auf den Weltverkehr und die Machtstellung der Völker der Erde bei weitem nicht den Einfluss haben, als die Zerstörung der Brücke des schmalen terrestrischen Bandes, welches Asien mit Afrika verbindet. Denn für den grossen Weltverkehr sind die Meere und Meerengen unsere Brücken, sie allein bringen die Continente näher zusammen und stellen die rasche Inter-Communication fern wohnender Völker her."

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