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licher Geltung brächte 2). Allerdings zweifle ich auch nicht, Puchta würde, wenn er noch lebte, mir erwiedern, es sei ihm nie in den Sinn gekommen, jenen Verfassungsgrundsatz behaupten zu wollen. Aber ich begreife eben nicht, wie ohne denselben von eigentlicher Autonomie der Glieder einer Kirche dem Regiment derselben gegenüber, und namentlich von einer solchen die Rede sein könnte, vermöge welcher sie auch Kirchengesetze aufzuheben befugt wären, während doch Puchta selbst auch ein dem geschriebenen Recht derogirendes kirchliches Gewohnheitsrecht annahm, also, indem er dieses durchaus als autonomisches auffassen wollte, auch eine Autonomie der Kirchenglieder von der ebenbezeichneten Art annehmen musste.

Ich weiss mir das nur auf die Weise zu erklären, die ich oben andeutete, indem ich sagte, Puchta habe zu der Auffassung des kirchlichen Gewohnheitsrechts als eines autonomischen nur wie zu einem Nothbehelf gegriffen. Er wollte damit nur der, wie ihm schien, ausserdem unvermeidlichen Nothwendigkeit entgehen, ein nationales Rechtsbewusstsein als Grundlage des nothwendig nicht nationalen kirchlichen Gewohnheitsrechts anzuerkennen, dachte sich dabei aber doch das, was er als stillschweigende Uebereinkunft der Kirchenglieder bezeichnete, nicht als eine wahre Uebereinkunft, sondern als eine ähnliche Uebereinstimmung der Kirchenglieder, wie das rechtliche Volksbewusstsein nicht eine Uebereinkunft, sondern eine Uebereinstimmung der Volksglieder ist, ohne dass er es vermochte, diesen Gedanken sich völlig klar zu machen, und sich zu vergegenwärtigen, wie das „übernatürliche" christliche Bewusstsein in der aus Gläubigen und Ungläubigen gemischten Gesammtheit der

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2) Denn so müsste es vorausgesetzt, dass die gewohnheitsrechtliche Rechtsbildung Akt der Autonomie wäre, immer gedacht werden. Die etwaige stillschweigende Zustimmung der jeweiligen Inhaber der Kirchengewalt könnte daran nichts ändern; sie wäre immer als etwas Zufälliges zu betrachten; die stillschweigende Uebereinkunft der dem Kirchenregiment als solchem gegenüberstehenden Kirchenglieder bliebe stets das eigentlich Entscheidende, wodurch der Rechtssatz entstünde, auch wenn die Inhaber der Kirchengewalt nicht damit einverstanden wären. Man vgl., was Puchta selbst im 1. Thl. des GR. S. 207 ff. über Autonomie sagt.

Glieder eines äusserlichen Kirchenwesens gar wohl eine natürliche einheitliche Rechts überzeugung in Beziehung auf kirchliche Dinge zu erzeugen fähig sei. Es war meines Bedünkens ein gewisser falscher Spiritualismus, der Puchta anzuerkennen verhinderte, dass in der äusserlichen Kirche zwischen Gläubigen und Ungläubigen ein nicht bloss rechtlicher und äusserlicher, sondern auch geistiger und innerlicher Zusammenhang bestehe, soweit nur die ungläubigen Glieder einer äussern Kirche sich nicht gänzlich der Einwirkung des Geistes Christi mittels des Worts und der Sakramente entziehen. Es ist das derselbe Spiritualismus, der ihn in seiner Einleitung in das Recht der Kirche S. 78 dazu verführte, der Taufe die rechtliche Bedeutung abzusprechen, dass sie den Getauften zum wirklichen Kirchengliede mache, wogegen Höfling in seinen Grundsätzen evangelisch-lutherischer Kirchenverfassung (3. Aufl. 1853) S. 208 mit Recht einwendete, dass damit von Puchta die Wirkung der Taufe viel zu gering angeschlagen werde.

Soweit die älteren Theorieen vom kirchlichen Gewohnheitsrecht nach meiner Ueberzeugung bereits durch das widerlegt sind, was Puchta über das Gewohnheitsrecht im Allgemeinen ausgeführt hat, und womit ich ja im Wesentlichen ganz übereinstimme, kann es mir natürlich nicht einfallen, meinerseits dagegen auf eine besondere Polemik hier eingehen zu wollen. Eben so wenig aber kann es in meinem Plan liegen, hier auf eine Bestreitung neuerer Behandlungen des kirchlichen Gewohnheitsrechts durch katholische Schriftsteller mich genauer einzulassen, soweit ich dabei nur ihre besondern kirchlichen Prämissen angreifen müsste, während es mir ja hier doch eigentlich nur um das Gewohnheitsrecht der evangelischen Kirche zu thun ist. Es wird genügen, wenn ich darüber Folgendes bemerke.

Indem Phillips (Kirchenrecht Bd. 3. [1850.] S. 716) Puchta's Herleitung des kirchlichen Gewohnheitsrechts aus einer der Kirche (gegenüber dem Kirchenregiment) zustehenden Autonomie im eigentlichen Sinn nimmt, sagt er dawider nicht mit Unrecht, es sei das eine mit den Irrthümern des Kollegialsystems zusammenhängende Fiktion. Andrerseits stimmt er S. 712 Puchta darin bei, dass von einem natio

nalen, aus dem Volksbewusstsein hervorgehenden Gewohnheitsrechte auf dem Gebiete der Kirche keine Rede sein könne, nimmt aber, wie ich, eine wirkliche Analogie zwischen dem nationalen und kirchlichen Gewohnheitsrecht an, die er S. 713 fg. darauf begründet, dass auch das rechtserzeugende Volks bewusstsein sich eigentlich, solange es nicht ausarte, immer nur innerhalb von Oben gegebener Schranken zu bewegen habe, ein Verhältniss, welches allerdings die Parallele zwischen nationalem und kirchlichem Gewohnheitsrecht gestatte. Seiner eigentlichen und ursprünglichen Bedeutung nach", fährt er fort, sollte auch jenes in allen wesentlichen Punkten nur eine Uebung des objektiv gegebenen Gesetzes sein, und nur in indifferenten Dingen, die durch dasselbe nicht speciell angeordnet waren, nach dem Sinn und der Analogie desselben, eine mehr selbstständige Wirksamkeit haben. Wurde dies Verhältniss gestört, und überwucherte die Gewohnheit der in autonomischer Freiheit von dem Gesetze sich lossagenden Menschen dasselbe, so lag die Ursache davon darin, dass die Obrigkeit nicht stets Auktorität und Macht genug hatte, die Gewohnheiten wieder in die durch das Gesetz gezogenen Grenzen zurückzuführen." Wenn in der Kirche Rechtsgewohnheiten, die nicht Uebungen des positiven göttlichen Gesetzes seien, anerkannt würden, so gehe hiebei die Kirche von dem Gesichtspunkte und von dem Vertrauen aus, dass die Menschen, deren Leitung als Christen sie ohnehin in der Hand behalte, auch da, wo specielle Vorschriften nicht bestehen, sich in ihrer Handlungsweise von der christlichen Basis nicht entfernen werden; wenn also im Laufe der Zeit sich in einem grössern oder kleineren kirchlichen Kreise eine auf Rechtsverhältnisse bezügliche gleichmässige Uebung ausbilde, so weise die Kirche den Richter darauf an, zu prüfen, ob jene Uebung die erforderlichen Bedingungen habe, und wenn dies der Fall sei, auch nach derselben zu sprechen.

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Mit diesen Andeutungen, auf welche sich Phillips beschränkt, hat er die Frage nach dem Ursprung des kirchlichen Gewohnheitsrechts mehr umgangen, als gelöst. Man sieht, es kommt ihm eigentlich nur darauf an, zu erörtern, in wiefern die Kirchengewalt neben ihren Gesetzen kirch

liches Gewohnheitsrecht zulassen könne und solle, wie er denn auch S. 742 sich so ausspricht: „Da die Kirche durch Gesetze und nach Gesetzen regiert wird, so erscheinen die Gewohnheiten ihr zunächst nur als Thatsachen, die sie als Ausnahmen bestehen lässt, und als rechtlich gültig anerkennt, sobald Rationabilität und Alter dieselben unterstützen.“

Wissenschaftlich genügend kann ich demnach das, was Phillips über das kirchliche Gewohnheitsrecht wirklich sagt, nicht finden. Aber auf einer sehr richtigen Spur scheint er mir zu sein, wenn er die Analogie zwischen dem nationalen und dem kirchlichen Gewohnheitsrecht darauf zurückführt, dass auch jenes ursprünglich auf einem „objektiv gegebenen Gesetz" beruhe.. Denn das ist jedenfalls sehr verwandt mit dem Gedanken, welcher, nach meiner Ueberzeugung, zur richtigen Einsicht von der wahren höheren Einheit des nationalen und des kirchlichen Gewohnheitsrechts führt, dem Gedanken nämlich, dass so zu sagen die Triebkraft für die Entwicklung wie eines nationalen, so eines kirchlichen einheitlichen Rechtsbewusstseins in der mehr oder weniger klaren und richtigen Erkenntniss des göttlichen Willens im Betreff der menschlichen Gemeinschaftsverhält nisse enthalten ist. Eine solche Erkenntniss erzeugt je in dem einzelnen Volke, wie in der einzelnen Kirchengemeinschaft ein einheitliches Bewusstsein von einer theils unbedingten, theils bedingten Nothwendigkeit einer bestimmten Handlungsweise in den dem staatlichen, beziehungsweise dem kirchlichen Leben angehörenden Gemeinschaftsverhältnissen; dieses einheitliche Bewusstsein wiederum erzeugt die nationalen und kirchlichen Rechtsgewohnheiten, und insofern diese wirklich auf solchem Wege erzeugt sind, beherrschen sie mit Nothwendigkeit das Rechtsleben in Staat und Kirche neben den aus dem gleichen Bewusstsein, aber unter der Vermittlung einer reflektirenden Thätigkeit der staatlichen und kirchlichen Obrigkeiten, hervorgehenden Staats- und Kirchengesetzen.

Der strenggesetzliche Charakter des römisch-katholischen Kirchenwesens, wie ihn Phillips in jenen vorhin angeführten Worten andeutet: „die Kirche (d. h. die römischkatholische Kirche) wird durch Gesetze und nach Gesetzen

regiert“, müsste, wenn er je zu ganz vollkommener Entwicklung gelangen könnte, die Anerkennung alles Gewohnheitsrechts als des ohne Gesetz, d. h. ohne absichtliche Thätigkeit einer höchsten Gewalt, in rein natürlicher Weise entstehenden Rechts, innerhalb jener Kirche völlig ausschliessen. Es ist daher sehr begreiflich, wenn Kanonisten, welche den römisch-katholischen Standpunkt streng festhalten, indem sie das Dasein kirchlichen Gewohnheitsrechts doch nicht in Abrede stellen können, wenigstens sein Zustandekommen als eine Art von gesetzlicher Rechtsbildung aufzufassen suchen, wie diess z. B. Moy in seiner Abhandlung „Naturrecht und Gewohnheitsrecht als Quellen des Kirchenrechts" Archiv für katholisches Kirchenrecht I. Bd. (1857) S. 65 ff. gethan hat. Ihm ist die Bildung eines Gewohnheitsrechts zwar stillschweigende Hervorbringung einer allgemeinen Rechtsregel", aber nur mittels „rechtmässiger" Handlungsweise „eines bestimmten rechtlich verbundenen Gesellschaftskreises" und in gemeinsamem Einverständniss von Haupt und Gliedern“. „Da Haupt und Glieder (in einem solchen Gesellschaftskreis) rechtlich von einander wechselseitig abhängen, so kann darin die stillschweigende Hervorbringung einer Rechtsregel nicht einseitig, namentlich nicht durch die Glieder ohne Zustimmung und wenigstens stillschweigendes Zugeständniss des Hauptes geschehen, es sei denn der Gegenstand der Rechtsregel rechtlich und gesetzlich ihrer unbedingten Gewalt, ihrer Autonomie anheimgegeben." Folgerichtig fordert er für ein Gewohnheitsrecht, in Unterscheidung von autonomischen Rechtssätzen, das in der katholischen Kirche gelten soll, wenigstens stillschweigende Approbation des Papstes. Wenn also auch nach dieser Vorstellungsweise der Bildungsprozess des kirchlichen Gewohnheitsrechts mit einem natürlichen Vorgang anhebt, so kommt er doch immer erst durch eine rein rechtliche Thatsache - die Billigung des rechtlichen Oberhauptes der Kirche als solchen zum eigentlichen

Abschluss.

Je begreiflicher es nun ist, wenn ein Kurialist sich durch eine solche Construktion die Thatsache des Gewohnheitsrechts in seiner Kirche zurechtzulegen sucht, um so aner

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