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II.

Die rechtliche Stellung der evangelischen Brüdergemeinden in Preussen,

Von

R. W. Dove *).

Die rechtliche Stellung der in Preussen von Friedrich dem Grossen am 25. Dezember 1742., 7. Mai 1746., 18. Juli 1763., 20. April 1780. konzessionirten evangelischen Brüdergemeinden (Herrnhuter) ist bereits in früheren Zeiten wiederholt ein Gegenstand der Controverse gewesen. Anlass hierzu hatte besonders das Religionsedikt vom 9. Juli 1788. gegeben, welches im §. 2 im Gegensatz zu den drei Hauptkonfessionen der christlichen Religion» als bisher «öffentlich geduldete Sekten» ausser der jüdischen Nation die Herrnhuter, Mennoniten und die böhmische Brüdergemeinde aufführt. Diese Bezeichnung der Herrnhuter als bloss öffentlich geduldeter Sekte enthielt jedoch einen geschichtlichen Irrthum. Die Herrnhuter waren durch die unter Friedrich II. erhaltenen Privilegien als solche, deren Glaubensgrundsätze mit den im deutschen Reiche bestehenden Religionen nicht im Widerspruche stehen, anerkannt und förmlich aufgenommen und ihnen die öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes zugesichert worden. Die Besorgniss, dass aus jener Bezeichnung im Religionsedikt für ihre rechtliche Stellung nachtheilige Folgerungen gezogen werden möchten, veranlasste die evangelischen Brüdergemeinden, gegen die Subsumtion unter die Kategorie der öffentlich geduldeten Sekten vorstellig zu werden, und erhielten sie unter dem 10. April 1789. eine erneuerte landesherrliche Zusicherung, worin sie als wahre Augspurgische Confessions-Verwandte» ausdrücklich anerkannt und der unverkürzte Bestand ihrer Privilegien wiederholt bestätigt wurde. Sie wurden also der richtigen Ansicht nach zwar nicht mit den besonderen Vorzügen der Hauptkonfessionen ausgestattet, aber doch als eine aufgenommene, konzessionirte Religionsgesellschaft mit einem exercitium publicum oder quasi publicum anerkannt, und dadurch ihre rechtliche Stellung über diejenige einer bloss geduldeten Religionsgesellschaft erhoben 1). Aus dieser Stel

*) Die betreffenden Aktenstücke verdanken wir der Güte des Herrn Appellations-Gerichts-Vice-Präsidenten Dr. von Rönne zu Glogau. 1) Vgl. über diese Entwicklung von Mühler, Geschichte der

lung ergab sich vor Allem auch, dass die Herrnhuter Gemeinden mit Korporationsrechten bilden konnten, wenn sie dabei auch zuerst gewissen lokalen Beschränkungen unterlagen. Diess ist besonders wichtig mit Rücksicht auf den Artikel 13. der Preussischen Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850.:

«Die Religionsgesellschaften, sowie die geistlichen Gesellschaften, welche keine Korporationsrechte haben, können diese Rechte nur durch besondere Gesetze erlangen.>>

Denn wenn hiernach gegenwärtig unter den Religionsgesellschaften im Staate zwei grosse Kategorien hervortreten, solche mit Korporationsrechten und solche ohne Korporationsrechte, so gehören in jene erstere Kategorie ausser den privilegirten Kirchen auch die aufgenommenen konzessionirten, nicht privilegirten Kirchengesellschaften der vor der Verfassungsurkunde ausgebildeten Eintheilung, wie die Herrnhuter und die von der Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner 2).

Neuerdings hat nun die durch die Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs in Preussen bedingte Eintragung der von evangelischen Brüdergemeinden betriebenen kaufmännischen Handelsgeschäfte in die Firmenregister wiederum unter den Gerichten zu Erörterungen über die Frage geführt, ob jenen Gemeinden in Preussen Korporationsrechte zustehen.

Insonderheit trug das Königliche Kreisgericht zu Freistadt Bedenken, auf die durch den Vorsteher der Brüdergemeinde zu Neusalz a/O. E. W. Geissler geschehene Anmeldung der der letzteren gehörigen, unter der Firma: Meyer Otto u. Comp. bestehenden kaufmännischen Handlung die beantragte Eintragung derselben in das Handelsregister vorzunehmen. Geissler hatte Vollmacht von der Direction der Brüder - Unität zu Berthelsdorf, als seiner vorgesetzten Behörde beigebracht, die indessen durch das Kreisgericht bemängelt wurde, und ferner Ministerial-Rescripte vom 16. Dezember 1849. und 23. Dezember 1861., sowie eine Allerhöchste Cabinets-Ordre vom 28. November 1861. zu seiner Legitimation beigefügt. Gegen die zurückweisende Verfügung des genannten Kreisgerichts vom 8. Mai 1862. führte Geissler bei dem Königlichen Appellationsgericht zu Glogau unter dem 12. Mai 1862. Beschwerde, in welcher er unter Anderem ausführt:

evang. Kirchenverfassung in der Mark Brandenburg. Weimar 1846. S. 264. 265. Jacobson, über die religiösen Rechtsverhältnisse der Dissidenten in Preussen in dieser Zeitschrift, Band I. S. 392. ff. besonders S. 394. ff.

2) Jacobson a. a. O. S. 427. vgl. S. 416.

>Es ist als festgestellt anzusehen, dass die evangelischen Brüdergemeinden in Preussen öffentlich vom Staate aufgenommene Religionsgesellschaften darstellen, und daher unzweifelhaft, dass sie als solche die Rechte privilegirter Korporationen besitzen. Etwanigen Zweifeln hierüber, weil das Letztere in den die Grundverfassung der Brüdergemeinden bildenden landesherrlichen Concessionen nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, begegnet das beigebrachte Ministerial-Reskript vom 16. Dezember 1849., namentlich das Anerkenntniss darin:

» dass die evangelischen Brüdergemeinden allezeit als korporative Gemeindeverbände anerkannt und ihnen die völlige freie und selbstständige Verwaltung ihrer Angelegenheiten sowie insbesondere ihres Vermögens gestattet worden ist.<

Dieses Anerkenntniss wird verstärkt durch das Ministerial-Reskript (2.) vom 23. Dezember 1861.

Das Königliche Kreisgericht findet von dessen Einwand gegen das letztere Ministerial-Reskript abgesehen in diesem Anerkenntniss nur ein solches der Brüdergemeinde als Kirchen-Gesellschaft, nicht aber auch als einer mit den Rechten korporativer Verbände bekleideten Erwerbs-Gesellschaft. Dagegen ist anzuführen, dass die evangelische Brüdergemeinde überhaupt nur als Kirchen-Gesellschaft, resp. vorzugsweise als solche, in Betracht kommt; denn der Grundzug ihres gesammten Wesens, auch ihrer socialen Einrichtungen, ist immer der religiöse, und das Vermögen, welches sie besitzt und erwirbt, hat die Bestimmung, zur Erhaltung dieses religiösen Grundzuges verwendet zu werden. Gerade die genaue Verbindung der Anhänger der Brüdergemeinde zur Gottseligkeit, welche Verbindung deren Gemeinde-Verfassung und Gemeindezucht durchdringt, ist das Eigenthümliche bei dieser Kirchen-Gesellschaft.

Demzufolge erscheint mir der vom Königlichen Kreisgericht gemachte Unterschied zwischen Kirchen- und Erwerbs-Gesellschaft geradezu unerheblich.<<

Zum Schluss nimmt Bittsteller darauf Bezug, dass das K. Kreisgericht zu Reichenbach die in Gnadenfrei bestehenden Kaufmannshandlungen der dortigen Brüdergemeinde, sowie das K. Kreisgericht zu Cosel die der Brüdergemeinde Gnadenfeld gehörige Handlung ohne Bedenken eingetragen habe.

Hierauf erging zunächst unter dem 12. Mai 1862. Verfügung des Königlichen Appellationsgerichts an Geissler, worin es heisst:

>>Nach §. 1. des Rel.Edikts vom 9. Juli 1788. (Raabe Bd. VII. S. 726.) sind die Herrnhuter und böhmischen Brüdergemeinden nicht öffentlich recipirte sondern geduldete Kirchengesellschaften, deren Rechte abgesehen von in den §§. 22. und 23. Theil II. Titel 11. Allg. Landrechts ihnen bezüglich ihres Gottesdienstes beigelegten Befugnissen zufolge der §§. 20. und 27. ibid. und §. 22. II. 6. loc. cit. lediglich nach der ihnen von dem Landesherrn ertheilten besonderen Concession zu beurtheilen sind.

In der den Mährischen Brüdern unterm 25. Dezember 1742. ertheilten Concession (Raabe Bd. VI. S. 433.) werden denselben aber nur gewisse Rechte, welche ihre Religionsübung betreffen, nicht aber auch Befugnisse, welche eine vermögensrechtliche Beziehung haben, verliehen, und wenn auch, wie die von Ihnen in beglaubigter Abschrift überreichten Ministerial-Verfügungen vom 16. Dezember 1849. und resp. 25. Dezember 1861. behaupten, aus den darin allegirten landesherrlichen Concessionen und Konfirmationen vom resp. 18. Juli 1763. und 10. April 1789. zu folgern sein mag, dass die mährischen Brüdergemeinden allzeit als korporative Gemeindeverbände anerkannt und ihnen freie und selbstständige Verwaltung ihrer Angelegenheiten und insbesondere ihres Vermögens gestattet worden sei, so lässt sich doch nur annehmen, dass sich jenes Anerkenntniss der Korporation nur auf den Gemeindeverband in seiner Eigenschaft als geduldete Kirchengesellschaft beschränkt und dass unter dem Ausdrucke >Vermögen‹ bloss dasjenige verstanden worden ist, was in einem gewissen Zusammenhange mit der Eigenschaft der Brüdergemeinde als Kirchengesellschaft steht. Hierzu kann aber ein Gewerbe- oder kaufmännischer Handelsbetrieb, welchen dieselbe als juristische Person unter einer beliebig gewählten Firma treibt, nicht gezählt werden.

So lange Sie daher nicht den Nachweis geführt haben, dass derselben die Befugniss zu diesem Betriebe durch ein landesherrliches Privilegium oder eine landesherrliche Concession verliehen worden ist, können wir die Weigerung des Königlichen Kreisgerichts zu Freistadt, das zufolge Ihrer Angabe der Brüdergemeinde zu Neusalz g ehörige kaufmännische Handelsgeschäft unter der Firma Meyer Otto & Comp. in das Handelsregister einzutragen, nicht für unbegründet erachten, und demzufolge dasselbe auch nicht anweisen, Ihrem diesfälligen Antrage ohne Weiteres stattzugeben.

Dagegen haben wir das Königliche Kreisgericht zu Freistadt angewiesen, von seinen weiteren Verlangen der Beibringung einer öffentlichen Urkunde behufs Legitimation des Bischofs Nitschmann als Präses der Direktion der evangelischen Brüder-Unität als nicht genügend gerechtfertigt abzustehen.<<

Nunmehr wendete sich die Direction der evangelischen BrüderUnität zu Berthelsdorf unter dem 15. August 1862. mit einer Beschwerde an den Justiz-Minister, welcher hierauf mittels Rescripts vom 11. October 1862. das Appellationsgericht zu Glogau zur nochmaligen Prüfung der Frage veranlasste, ob nicht das Kreisgericht zu Freistadt anzuweisen sei, die gedachte Brüdergemeinde wegen der von ihr unter der Firma «Meyer Otto & Comp.» betriebenen Handlung in das Handelsregister einzutragen. In diesem Rescript heisst es:

»Der Verfügung des Kollegiums vom 12. Mai d. Js. liegt die unverkennbare richtige Voraussetzung zum Grunde, dass die evangelische

Brüdergemeinde zu Neusalz als solche in das Handelsregister nicht eingetragen werden könne, wenn derselben die Rechte einer moralischen (juristischen) Person mangeln sollten, dass in diesem Falle vielmehr in Gemässheit des Grundsatzes §. 13. Tit. 6. Th. II. Allg. Landrechts auf die Vorschriften des deutschen Handelsgesetzbuchs, des Einführungsgesetzes vom 24. Juni 1861. (Ges.S. S. 449.) und der Instruktion vom 12. Dezember 1861. (Justiz-Min.Bl. S. 327.) über die Eintragung der Handelsgesellschaften in das Gesellschaftsregister zurückzugehen und eine diesen Vorschriften entsprechende Anmeldung zur Eintragung erforderlich sei. Hieraus dürfte aber doch für den entgegenstehenden Fall, nämlich bei der Voraussetzung, die Brüdergemeinde sei als vermögensfähig, oder als moralische Person oder als Korporation anzusehen, unausweichlich die Zulässigkeit der Eintragung der Brüdergemeinde unter dieser Bezeichnung als Inhaberin der Handlung Meier Otto & Comp., obschon nicht in das Gesellschaftsregister, doch in das Firmen-Register folgen, indem das Gesetz die Eigenschaften eines Einzelkaufmanns im Gegensatz zu den Handelsgesellschaften und die Vorschriften, welche hieran sich knüpfen, keineswegs auf physische Personen beschränkt hat, das Gegentheil sogar im Artikel 5. Abs. 2. des Handelsgesetzbuchs angedeutet wird. Diess wird auch in der Verfügung des Kollegiums vom 12. Mai d. Js. anscheinend nicht verkannt, sondern der Grund der, die Ablehnung der Eintragung bestätigenden Entscheidung darin gelegt, dass in dem vorliegenden Falle unter »keinen Umständen die Vermögensfähigkeit oder die Eigenschaft der moralischen Person über das kirchliche Gebiet und die kirchlichen Zwecke hinausreiche. Die Haltbarkeit jenes Entscheidungsgrundes unterliegt aber den erheblichsten Bedenken. Es ist das karakteristische Merkmal einer moralischen Person, dass sie, insofern nicht etwa der anomale Fall der ausdrücklichen Verleihung von nur beschränkten Korporationsrechten vorliegt, wodurch die Eigenschaft einer moralischen Person überhaupt in Frage gestellt wird, im Rechtsverkehr als eine für sich bestehende, von den einzelnen physischen Personen, worauf sie sich zurückführen lässt, verschiedene Persönlichkeit gilt, dass ihr demzufolge die aktive und passive Vermögensfähigkeit in demselben Umfange beiwohnt, wie einer einzelnen physischen Person (vgl. Thl. II. Tit. 6. §§. 81. und folgd. Allg. Landrechts), unbeschadet der Beschränkungen, welche in Bezug auf die Gültigkeit des Einwandes oder die Eingehung von Verpflichtungen bestehen können, wie solche Beschränkungen auch bei ganzen Klassen von physischen Personen (Minderjährigen, Fraueǹ etc.), ohne der Vermögensfähigkeit derselben im Allgemeinen Abbruch zu thun, sich vorfinden. Muss aber die Eigenschaft der Brüdergemeinde zu Neusalz als einer moralischen Person oder ihre Vermögensfähigkeit im Allgemeinen einmal anerkannt werden, so darf auch die Eintragung der Firma, unter welcher sie den Handel betreibt, in das Firmenregister ebensowenig, wie einer einzelnen physischen Person versagt werden, sollten auch rücksichtlich der Zulässigkeit des von ihr unternommenen

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