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Wissenschaften deren auswärtiges Mitglied, herstammten. Der von Adrian 1840 veröffentlichte Catalogus codicum mss. bibliothecae academicae Gissensis bewies einmal wieder, wie oft die Forschung an die Fortdauer von Schwierigkeiten glaubt, wo die Lösung längst durch allgemein zugängliche Mittel möglich gewesen wäre. Unter Nr. MXXXII S. 316 des Katalogs ist eine als Brünswicsches Stadtrecht" sich bezeichnende Hs. unter Angabe solcher Merkmale beschrieben, daß die Identität mit der Vorlage Leibnizens höchst wahrscheinlich wurde. Auf meine Bitte übersandte der Oberbibliothekar der Gießener Universitätsbibliothek, Herr Professor Dr. Haupt, die Handschrift zu meiner Benutzung hierher, und die Untersuchung bestätigte, was nach Adrians Katalog zu erwarten war.

Die Hs. 1) ist ein Pergamentcodex, dessen Schrift auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts hinweist und zwar so, daß sie mehr gegen 1350 als gegen 1400 angesetzt zu werden verdient. Ein Facsimile auf Tab. VI n. 6. des Adrianschen Katalogs giebt die drei ersten Zeilen des Texts von Stück I 1: Tho deme herwede hort wieder. Die Hs. trägt auf Bl. 2a den Stempel Bibl. Senckenberg Ms. no 109, während auf dem Schmutzblatte 1 vermerkt ist: nr. 1032. Bibl. Senk. C. 16. Sie umfaßt 37 Blätter in 4, 13 cm. breit, 19,5 hoch, und ist in einen alten gleichzeitigen Pergamentumschlag geheftet, dessen Rückseite über die vordere übergreift. Der Codex besteht aus fünf Lagen, von denen die vier ersten je acht Bll., die fünfte fünf Bll. umfaßt. Bl. 1 ist unbeschrieben und ohne Linien; Bl. 2, ursprünglich von gleicher Beschaffenheit, ist von einer spätern, etwa dem ausgehenden 16. Jahrhundert angehörigen Hand zu einem Titel benutzt, der in nachgeahmten alterthümlichen Zügen in zwei Absätzen die Worte enthält, die über dem Leibnizschen Abdrucke S. 434 stehen. Sie besagen, dies sci das erste Braunschweigsche Stadtrecht, dat van hartigen Otten bewilliget und van keiser Fredderich bestediget ist, Anno 1232“ 2). Eine Angabe, historisch ebenso werthlos wie die des zweiten Absatzes: dütt stadrecht wiesedt up Keiser Otten, de den gilden ohre gilde gegeven hefft, dat ist hartigen Otten vader bruder gewestt." Leibniz bemerkt dazu in der Hannoverschen Hs.: „dieser Titel ist im Msc. mit einer ganz neuen Hand auf die dritte Seite geschrieben", aber in dem dem dritten Bande der SS. voranstehenden

1) Vgl. die Beschreibung bei Adrian S. 316.

"

2) In Mittermaiers Deutschem Privatrecht I (1842) S. 30 findet sich daher die Notiz von einem bei Leibniz gedruckten Stadtrechte Braunschweigs v. 1232.

Catalogus wiederholt er ihn mit dem Beifügen: ex veteribus tamen, ut apparet, notitiis.

Auf der Rückseite dieses Titelblattes (Bl. 2b) beginnt ein der Leibnizschen Angabe entsprechendes Register, das bis Bl. 8a reicht. Leibniz hat es nicht mitgetheilt; auch die Hannoversche Hs. hat es nicht aufgenommen. Die Ausstattung ist sorgfältig, Der Anfang: Dit is dat erste stucke ist roth, ebenso darunter die Ziffern der Artikel, allemal eine Rubrik lin ks des Blattes bildend, dahinter dann schwarz die Eingänge der Artikel, also der Anfang: I wo men herewede ghift. Von dem letzten Blatte des Registers (8) ist die untere Hälfte weggeschnitten, an Schrift ist damit nichts verloren gegangen. Es endet mit a. 23 des V. Stückes. In dem darauf folgenden Text bildet den Schluß a. 21 des St. V. Die Rückseite des verstümmelten Blattes ist unbeschrieben; ebenso Bl. 9a. Der Text beginnt 9b und reicht bis Bl. 35. Bl. 36 und 37 sind unbeschrieben und unliniirt. Bis Bl. 35 incl. sind die Seiten liniirt, 24 Zeilen, zwischen denen 23 beschrieben sind. Querlinien grenzen links und rechts die Ränder ab. Ueberschriften haben die einzelnen Artikel nicht. Die Artikel sind abgesetzt. Artikelziffer und Initiale sind roth. Ebenso die Ueberschriften der fünf Stücke. Desgleichen die beiden Ueberschriften innerlb des vierten Stückes (Bl. 32 b): „Disse sake stat in user heren breven“ und „Dit scal de rad holden bi den eden". Ebenso Bl. 34a die innerhalb des 5. Stückes vorkommende Ueberschrift: Van dobbelspele. Wie das Register ist auch der Text sorgfältig von dem Schreiber behandelt. Schreibfehler finden sich wenig. In II 52 sind die beiden letzten Worte scotes plegen, scheinbar auf Rasur stehend, von späterer Hand ergänzt. In II 26 ist dem Texte eyn ghilde mach von späterer Hand man übergeschrieben, überflüssiger Weise, da ghilde allein auch schon Gildemitglied bedeuten kann. Unrichtige oder wiederholte Wörter sind durch einen feinen rothen Querstrich als getilgt bezeichnet. (III 32, 58). Der Schreiber des Codex hat seine Arbeit nicht ganz zu Ende geführt. Nach dem Register müßte das fünfte Stück 23 Artikel enthalten; die Handschrift endet aber mit Art. 21. Wenn Leibnizens Ausgabe 23 Artikel zählt, so hat sie das dadurch erreicht, wie auch Leibniz ausdrücklich anführt, daß sie als Art. 22 und 23 die aus dem Register entlehnten Artikelanfänge einsetzt und also ihren Text mit zwei Fragmenten schließt.

Die Hs. ist in alter Zeit stark benutzt worden; an zahlreichen Stellen sind Hände mit vorgestrecktem Zeigefinger, die Worte: mercke oder mercke düth, Kreuze an den Rand der

Artikel gesetzt oder kurze Inhaltsangaben beigefügt z. B. III 30: appellatio verboden; III 16 in koep lan. II 26: 1268 bi h. Albrechts tyden ut dem gildebreife; 159: 1366 wemeding; I 60: 1366 im gang, darunter von anderer Hand, wemeding recht1). Ueber I 51, dem alten Satze von dem Fortgelten des bi unses alden heren tiden bestehenden Rechtes, stehen in zwei Reihen die Worte: wheme recht im swang, darunter 1366 Duderstadt vorsat von hertog Otten koenig in Apulien 2). Zu den Beischriften historischer Art gehört auch die oben am Rande von Bl. 8a befindliche Bemerkung zu I 1: 1232 heft k. Fredereck belent Ottken Wilhelms ze Lg. son myt dem hertogdom. 1268 und dar vor by hertogen Albrechtes Othken son deß olderen ist dut stadtrecht gang geweßen 3). Der Benutzer der Hs. hat auch schon Vergleichungen angestellt und Abweichungen notirt, die sie gegenüber dem Ottonianum aufweist. Er bemerkt, daß I 37 in dem Art. über Gesindelohn einen Zusatz zu O. 45 gemacht hat, durch ein über den Anfang des Zusatzes gesetztes Kreuz und die Randbemerkung additio. Ueber I 47 wilden see steht ebenfalls ein Kreuz und am Rande: salthene. Auch unmerklichere Abweichungen sind ihm nicht entgangen: so steht über den Anfangsworten von I 50 neyn borghere is ein Kreuz und am Rande: ith ne is, der Lesart von 0. 59 entsprechend. Sehr oft finden sich Ziffern neben den einzelnen Artikeln von späterer Hand bemerkt, sie verweisen auf die inhaltlich verwandten Stellen der gleichen Aufzeichnung. So neben I 15 am Rande 17, darunter ï 7 li. 2

1) Die Lesung dieser Worte ist nicht ganz sicher; Leibniz las: ein ganz wemedings recht. Die Jahreszahl ist unzweifelhaft. Eine Femgerichtsordnung dieses Jahres ist nicht bekannt. Hänselmann hat UB. I n. 21 eine undatirte abgedruckt und zwischen Urkunden um 1310 eingereiht. Nach der eingehenden Beschreibung, die er im Vorwort zu Bd. II S. IX dem Codex widmet, ist die Aufzeichnung der Femgerichtsordnung ungefähr 1362 erfolgt; nur den Inhalt meint der Hg. in den Anfang des Jahrhunderts setzen zu müssen (vgl. das. II S. 370).

2) Auch hier ist die Lesung nieht ganz sicher. Gemeint ist Otto v. Grubenhagen, Sohn Herzog Heinrichs II de Graecia, der 1376 der vierte Gemahl der Königin Johanna von Neapel wurde und gewöhnlich nach dem Fürstenthum Tarent, das er erhielt, zubenannt wird. Er starb um 1399 zu Foggia in Apulien, fast achtzig Jahr alt. Vgl. über ihn O. v. Heinemann, aus der Vergangenheit des Welfischen Hauses (1881) S. 49 ff.; P. Zimmermann in ADB. 24,685. Der hier gegen die angebliche Verpfändung seiner Rechte an Duderstadt geäußerte Zweifel wird verstärkt durch das Fehlen einer bezüglichen Nachricht in der alten urkundlichen Zusammenstellung bei Jäger, UB. der Stadt Duderstadt (1885) Nr. 121.

3) Ottken d. i. Otto puer, (vgl. Otte van Luneborch daz kint in der Brschwg. Reimchronik v. 7479, 7503 u. öfter) Lg. = Luneborg, gang = gängig. Diese Bl. 9a am obern Rande befindlichen Vermerke werden auch die später auf das Titelblatt gesetzten Ueberschriften (oben S. 7) beinflußt haben.

marschalck. Das bedeutet, daß a. 17 von Schuldklagen und in II 7 von der Competenz des herzoglichen Marschalls die Rede ist. Neben I 28 steht ein Hinweis auf II 9; in beiden Stellen ist von der Collationspflicht ausgestatteter Kinder gehandelt. Bei II 17 ist links auf V 20 verwiesen; beide betreffen die Bürgerpflicht ors eder perde zu stellen. Rechts steht perde setten und darunter : echteding von perde besitten. Das bezieht sich auf § 132 ff. des Echtdinges v. 1402 (UB. I S. 138 ff.)1). Alle diese Vermerke eines späteren Benutzers der Hs. sind nicht älter als aus dem 16. Jahrh., die Ziffern der Randnotizen sind alle deutsch.

Leibniz bezeichnet die von ihm benutzte Hs. nicht als dem braunschweigschen Stadtarchive, sondern seinem Correspondenten Avemann gehörig. Aus dem in Hannover befindlichen Briefwechsel zwischen beiden ergiebt sich über die Entstehung der Ausgabe in den SS. rer. Brunsv. soviel 2): Leibniz, der die Handschrift im Besitz Avemanns gesehen hatte, erinnerte ihn in den ersten Monaten des Jahres 1694 erst von Hannover, dann von Wolfenbüttel aus an ihre frühere die Statuten von Braunschweig betreffende Besprechung. Im August des Jahres bedauert Avemann bisher keine sichere Gelegenheit gefunden zu haben, um sein Versprechen der Zusendung des Ms. auszuführen; jetzt habe er es aber dem Großvogt von Münchhausen, der in Bremen eine Conferenz mit einigen ostfriesischen Räthen gehalten, für Leibniz zustellen lassen. Die Conferenz hatte in Bremen im Juli 1694 stattgefunden, und für Braunschweig-Wolfenbüttel der Geheimrath Großvogt Busso von Münchhausen daran Theil genommen. Es handelte sich um eine kaiserliche Commission in Sachen Ostfriesland contra Ostfriesland, insbesondere um vermögensrechtliche Ansprüche der Prinzessinnen Juliane Louise und Sophie Wilhelmine, Töchter von Enno Ludovicus, dem ersten Fürsten von Ostfriesland († 1660) 3), gegen ihren Vetter, den regierenden Fürsten, Christian Eberhard (oben S. 2) 4). Mit dem

1) Abgesehen hiervon ist noch einmal auf eine andere Rechtsaufzeichnung verwiesen. Neben I 51 (oben S. 9) steht links am Rande: quaere antiquo libro 61 art. Gemeint ist dem Inhalt nach art. 60 des Ottonianum. Da das Original des Otton. nicht ein liber, sondern eine carta ist, wird der Vf. die Copie des Otton. in einem der Weichbildsbücher im Sinne gehabt haben.

2) Die nachfolgenden Mittheilungen aus dem Leibniz-Avemannschen Briefwechsel verdanke ich Herrn Geh. Rath Bodemann.

3) Ueber die Erhebung der Grafschaft Ostfriesland zum Fürstenthum: Ficker, Reichsfürstenstand (1861) S. 122; die Introduction in den Reichsfürstenrath erfolgte erst 1667 das. S. 269.

4) Mittheilung von Herrn Archivrath Dr. Zimmermann aus dem Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel.

Pergamentcodex hatte Avemann zugleich eine Copie überschickt, deren Collation mit dem Original ihm nicht mehr möglich gewesen war. Er bat deshalb Leibniz, die Vergleichung vorzunehmen, die Copie zu corrigiren und ihm Original und Copie nach gemachtem Gebrauche zurückzusenden. In einem undatirten Briefe bestätigte Leibniz den Empfang von Original und Copie und bemerkte, er werde eine zweite Copie für sich anfertigen, die Avemann gehörige genau mit dem Original collationiren lassen und Original samt Copie an Herrn Polich, der Postbeamter erst in Hannover, dann in Braunschweig war 1), übersenden.

Hinter dem Abdruck der Statuten von Braunschweig läßt Leibniz den Ordinarius Senatus Brunsvicensis (S. 446-482) folgen, nach einer Handschrift, die er ebenfalls Avemann zu danken hatte. Am 12. März 1695 meldete Avemann von Aurich aus: j'ay trouvé le ceremoniel ancien ou notitia dignitatum et officiorum de la ville de Brounsvic que je vous enverray par la première commodité. Classische Reminiscenzen waren in der Zeit sehr beliebt. Wie man die kaiserliche Wahlcapitulation mit der lex regia verglich 2), so wird hier die Aemterordnung des constantinischen Reiches in Parallele gebracht mit der ausführlichen Beschreibung der städtischen Aemter, die der Rath von Braunschweig 1408 aufstellen ließ. Auffallenderweise ist das Original des Ordinarius in Braunschweig, wo man doch sonst dem Schreibwerke von früh auf große Aufmerksamkeit widmete, verschwunden. Den Abdruck im Braunschweigschen Urkundenbuch I n. 63 (S. 145-184) mußte Hänselmann deshalb nach einer Copie aus der ersten Hälfte des 17. Jahrh., die das Stadtarchiv bewahrte, veranstalten. Sie erwies sich dabei so übereinstimmend mit der Vorlage, die Leibniz zu seinem Druck benutzt haben mußte, daß sie mit ihr für identisch gehalten werden darf. Das litterarische Schicksal war also also dem Ordinarius günstiger als dem Statut. Jener kehrte nach Braunschweig zurück, von diesem gieng die Spur verloren, seitdem es der Arbeit Leibnizens gedient hatte. Ob die Reclamation der Wittwe Avemann, die im J. 1708 Leibniz um Rückgabe eines kleinen Manuscriptum" ersuchte, das sie ihm aus der Bibliothek ihres seligen Mannes geliehen hatte3), sich auf die Hs. der Braunschweigschen Statuten

1) Briefe von ihm in Leibnizens Briefwechsel. Bodemann S. 223 n. 734. 2) Zeitschr. der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte; germanist. Abth. XX S. 125.

3) Brief d. d. Braunschweig, den 3. April 1708 (Leibnizscher Briefwechsel, Mittheilung von Geh. Rath Bodemann). Im Emdener Jahrb. (unten A. 3) S. 495 ist irrig der Brief als von Leibniz stammend erwähnt.

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