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gewinnen. Auch Lang ist das widerfahren: der Ueberbringer fand nach ihm am Ort des Briefschreibers keine Unterstützung, , weil er von Straßburg aus der Wiedertäuferei angeklagt wurde". Aber es heißt vielmehr: „einer von Euren Leuten hat ihn bei allen verschwatzt" (omnium aures suis delationibus praeoccupaverat), und Calvin hat es nur vom Hörensagen (ut aiunt), daß ihm Täuferei schuld gegeben wurde. Also mußte der anschuldigende Straßburger in Noyon sein. Durch einen Brief wäre es doch nicht dazu gekommen. Natürlich kann nun ja einer oder der andere Straßburger oder Deutsche in Noyon gelebt haben. Aber der Ausdruck „Einer von Euren Leuten ich weiß nicht wer" setzt doch eine ganze Kolonie von Deutschen voraus und wäre immer noch seltsam genug. Und wie käme es dann, daß Calvin den Inhalt der Beschuldigung nur vom Hörensagen kennt, wenn er doch mitten unter den Evangelischen Noyons lebte?

Während Doumergue auf den Inhalt des Briefs überhaupt nicht eingegangen ist er spricht nur sehr ungenau von einer Person, die sich nach Straßburg geflüchtet habe und in sehr übler Lage sei, hat Lefranc S. 55 die unbequemen Züge ausgelassen und anderes eingetragen. Daß der Mann schon in Deutschland gewesen ist und daß dann in Noyon ein Straßburger oder Deutscher sein neues Unglück verschuldet hat, erfährt man bei ihm überhaupt nicht im Gegenteil, erst seine Erfahrungen in Noyon sollen ihn zur Auswanderung nach Straßburg veranlaßt haben; jetzt erst soll ihm die religiöse Knechtschaft in Frankreich unerträglich geworden sein! So wird freilich die Lage einfacher. Dagegen findet auch Lefranc, wie schon Herminjard (2039), auffallend, daß Calvin so wenig Einfluß auf seine Landsleute und Glaubensgenossen gehabt habe.

Es kommt dazu worauf schon von anderer Seite, wenn auch immer noch nicht genügend, aufmerksam gemacht worden ist 1) - - daß man von einer evangelischen Gemeinde in Noyon, wie

1) Von Lecoultre 13 und Lang, Bekehrung 16 f. gegen Lefrancs Darstellung. Lefranc 42 und 54 ff. hatte die Anfänge der Gemeinde dargestellt 1. nach den Erlassen des Bischofs, die er unter dem 9. Jan. 1533 und 16. Jan. 1534 anführt, 2. eben nach dem Brief Calvins. Aber die Erlasse sind, wie früher (Beil. I) nachgewiesen, von 1534 und 1535, und sie nehmen mit keinem Wort auf Zustände in Noyon Bezug, sondern berufen sich, der erste auf Erlasse von König und Papst, der zweite auf einen solchen des Königs, beziehen sich also beidemal auf die Bewegung im ganzen Königreich. Den Brief Calvins verwendet dann Lefranc zu einer phantastischen Schilderung der Zustände der jungen Gemeinde. Von 1534 muß aber Lefranc S. 127 für die Geschichte der Gemeinde von Noyon schon

sie der Brief voraussetzt, um 1534 nicht das Mindeste weiß, daß es vielmehr noch über 10 Jahre dauert, bis man dort auch nur von einzelnen Evangelischen hört.

Endlich füge ich noch eines hinzu: der Eingang des Briefs ist immer als besonders charakteristisch für Calvins entschieden evangelischen Standpunkt erklärt worden. Gratia et pax Domini tecum per misericordiam Dei et victoriam Christi. Aehnliche Formeln im Eingang sind Calvin später geläufig. Aber seit wann? Das erstemal finde ich sie in dem ersten Brief aus Genf, an einen Berner Pastor, wahrscheinlich Megander, Febr. 1537.) Dann folgen zwei Briefe an Viret ohne diesen Gruß. 2) Ein Brief der Genfer Minister an die Züricher Kollegen vom 13. Nov. 1537 enthält ihn wieder. 3) 1538 fehlt er in einer ganzen Anzahl von Briefen, z. B. auch an Butzer (12. Jan.), während er in einem andern Teil steht, an Bullinger und namentlich in den meisten an Farel. Achtet man auf die Briefe an Calvin und aus dem Kreis seiner Korrespondenten, so ist damals der Gruß ganz gewöhnlich in den Briefen Farels sowie der Schweizer und Straßburger Prediger, während er sonst kaum vorkommt.

Andrerseits hat Calvin den Gebrauch der Formel bald weiter eingeschränkt. Schon 1539 und 1540 habe ich sie nur je viermal gefunden, je dreimal in Briefen an einzelne Persönlichkeiten, je einmal in pastoralen Schreiben an größere Kreise, 1539 an Genf, 1540 an die Minister von Neuenburg.) Von 1542 an bis zur Flucht Butzers aus Straßburg (6. Apr. 1548) dagegen hört sie in Briefen an Freunde und Bekannte so gut wie ganz auf,5) während sie in dem Schreiben an ganze Gemeinden oder Ministerien, wenn auch nicht ganz regelmäßig, bleibt.")

sofort auf 1545 herabgehen! Und das Bild von 1545 und den nächsten Jahren zeigt noch lange nicht die Züge, die der Brief Calvins voraussetzt.

1) Op. 10b, 85. Herminjard 4, 187.

2) 10b, 93 und 96.

3) 10b, 129.

4) 1539: an Genf (10b, 350), Libertet (371), Farel (435), Sylvius (444). 1540: an Bullinger (11, 28), Viret (34), Caroli (72), die Minister von Neuenburg (133).

5) Ich finde sie nur noch in einem Brief an Bullinger Febr. 1547 (12, 480), und gerade Bullinger gebraucht seinerseits die Formel am ausdauerndsten in den Briefen an Calvin. Der Brief der Genfer an Viret in 20, 372, der den Gruß auch enthält, ist nicht sicher zu datiren, angeblich 1542. Ebenso der Brief 12, 715 an einen Franzosen: doch ohne Zweifel nach 1543.

6) 1541 an das Züricher Ministerium (11, 229), 1542 an die Gläubigen von Lyon (396), 1543 an die Ministerien von Genf und Mömpelgard (590. 623), 1544

Der Titel episcopo Argentoratensi kommt sonst, soviel ich sehe, bei Calvin überhaupt nicht mehr vor. Die gewöhnliche Adresse ist fratri, pastori, symmistae u. ä.

So liegt der Schluß nahe, daß Calvin den Gebrauch erst mit seinem Eintritt in Genf von Farel und den oberdeutschen Predigern übernommen habe. Und so wird auch dieses Moment uns veranlassen, den Brief in eine andere Zeit zu verlegen.

Als ich mir den Inhalt des Briefs genügend klar gemacht hatte, schien mir alles darauf hinzuweisen, daß es ein Billet sei, das Calvin in seiner allerersten Straßburger Zeit seinem unglücklichen Landsmann an Butzer mitgegeben habe. Damit wäre die Lage vollkommen klar. Ein Franzose, den Calvin in Frankreich gekannt hatte, wandert nach Deutschland aus, wendet sich schließlich in seiner Not nach Straßburg, wo er unter den ausgewanderten Franzosen alte Bekannte hat, die ihm verpflichtet sind. Ein Straßburger, vielleicht ein Franzose - Calvin konnte einen solchen wohl als einen von Euren Leuten" bezeichnen, wenn er selbst eben erst in Straßburg eingetroffen war und das Amt an der Flüchtlingsgemeinde noch nicht übernommen hatte - verschwatzt ihn, und nun ist keine Hoffnung, daß das Gerede so bald auf höre, wenn Butzer nicht selbst hilft. Calvin, an den ihn einige französische Evangelische der Stadt mit einigen Zeilen geschickt haben, prüft ihn und schickt ihn dann mit einem Zeugniß an Butzer. Daß er ihn nicht durch Butzer prüfen läßt, erklärt sich sofort, wenn es ein einfacher Mann ist, der weder lateinisch noch deutsch versteht.

"

Der Brief ist vom 4. Sept. Vom 20. Aug. 1538 ist der letzte Brief Calvins aus Basel; um den 11. Sept. hat er den ersten aus Straßburg geschrieben, 1) und hier erzählt er, daß er am Sonntag, also am 8. Sept., zum erstenmal in Straßburg gepredigt habe. Er wird also auf der Grenze von August und September angekommen sein. Das Datum Novioduni wäre bei einem Mann, der soeben aus

an das von Neuenburg (716. 762. 806), 1545 an das von Lausanne (12, 160), 1547 an die französischen Gläubigen (12, 560), die Minister von Straßburg (676).

Dagegen fehlt der Gruß in solchen Schreiben: 1545 an die Ministerien von Neuenburg (12, 13), Schaffhausen (113), Bern (195), Gex (234), die Gläubigen von Rouen (577), die Ministerien von Bern und Lausanne (687).

1) Vgl. 10b, 235. 246 und Herminjard 5, 86. 109, beide an Farel. Im zweiten Brief schreibt Calvin, er sei so plötzlich von Basel abgereist, daß er seinen Brief, den er an Farel habe zurücklassen wollen, mitgenommen habe. Das kann aber kaum der Brief vom 20. Aug. sein. Denn darin ist von einer solchen Absicht nicht die Rede.

der neuen Heimat vertrieben und auf einem neuen Arbeitsplatz angekommen ist, psychologisch wahrhaftig leicht zu erklären.

er

Nun haben wir aber einen Brief Butzers an Calvin, der um den 1. Aug. 1538 geschrieben sein muß, also zu einer Zeit, da Calvin noch in Basel war. 1) Nach ihm hat Butzer in letzter Zeit drei Briefe von Calvin aus Basel, wie Herminjard zeigt halten. Der zweite davon enthielt nur die Empfehlung eines unschuldigen und wahrhaft frommen jungen Mannes, Märtyrers des Herrn, dem Butzer nach Kräften beigestanden hat und weiter beistehen wird und der Calvin selbst demnächst schreiben will. Hier paßt jeder Zug auf jenen Brief vom 4. Sept. ebenso wie auf den Franzosen, von dem er handelt. Die Versuchung wäre also groß, ihn als Antwort auf Calvins Brief zu verstehen. Die Gründe, die gegen Noyon sprachen, beständen hier auch nicht: der Franzose wäre auf seinem Wanderleben nach Basel gekommen, wäre von Straßburgern der Täuferei beschuldigt worden, und weil dem Gerücht in nächster Zeit noch nicht beizukommen wäre, schickte ihn Calvin lieber nach Straßburg, wo Butzer ihm beistehen kann. Der Ausdruck „irgend einer von Euren Leuten" gefällt mir auch hier nicht. Aber immerhin sind in Basel jederzeit ständige oder zugereiste Straßburger in größerer oder kleinerer Zahl voraus

zusetzen.

Nur ein ernsthaftes Bedenken entsteht hier: Calvin müßte sich nicht nur mit „Noviod.", sondern auch mit „pridie nonas septembres“ verschrieben haben. Das kann ja auch vorkommen; auch Butzer hat sich bei seinem ersten Brief an Calvin verschrieben: statt „1. Dez.“ „1. Nov." 1536.2) Aber das ist am ersten des neuen Monats an sich leichter, und Calvin hätte Orts- und Tagesdatum verschrieben. So wage ich mich schließlich doch nicht hiefür zu entscheiden.")

Endlich bleibt noch eine Möglichkeit: Noviodunum ist der altlateinisch-keltische Name auch für Nyon am Genfer See.) Dort könnte Calvin den Brief geschrieben haben in den Jahren 1537,

1) Op. 10b, 218. Herminjard, 5, 62. Daß Butzer und nicht Grynaeus der Verfasser ist, ist m. E. ganz sicher erwiesen.

2) Herminjard 4, 117ff. Vgl. auch z. B. den Brief eines Budé (in Paris) an Calvin (in Genf) von 1547 März 22: à Mons. Depville a Paris 12, 501.

3) Bedrängte durchreisende Franzosen kommen damals auch sonst vor. In denselben Tagen, am 8. Aug. 1538 empfiehlt Calvin einen an Farel, der manche Aehnlichkeit mit unsrem Fall hat. Die Identität mit dem, der an Butzer empfohlen wird, scheint mir aber ausgeschlossen. Von dem Verdacht und der Prüfung ist keine Rede.

4) J. Marquardt, Römische Staatsverwaltung 1, 267.

1542 (denn 1541 ist er am 7. Sept. auf der Reise von Straßburg nach Genf erst in Neuenburg, Op. 10", 276) und 1543-1547; denn Sept. 1548 hat Butzer Straßburg schon verlassen müssen. Indessen ist in diesen Zeiten niemals ein Aufenthalt Calvins in Nyon bezeugt, und manche andere Schwierigkeit erhöbe sich dabei auch. Ich kann also auch für diese Lösung nicht eintreten und halte die erste für die einfachste.

Von den Jahren 1532-1534 und von Noyon wird künftig nicht mehr die Rede sein dürfen. Für die Anfänge Calvins trägt der Brief nichts aus.

VI.

[Nikolaus] Regius, Professor der Rechte in Bourges an Franz Daniel in Orléans [etwa 1534].

Erwähnt von Herminjard 2, 409 9 aus Cod. Bern. 141 Nr. 250. Die Abschrift der schwierigen Handschrift hat mir der Direktor der Berner Stadtbibliothek, Professor Dr. v. Mülinen unter dem Beistand von Professor Dr. Prächter freundlichst besorgt. Beiden Herren sage ich aufrichtigen Dank. Ich selbst habe an einigen Stellen die Interpunktion noch geändert und in den Fällen, die in den Noten bezeichnet sind, eine kleine Korrektur angebracht. Der Brief hat für die Kenntniß des Freundeskreises nicht die Bedeutung, die ich für möglich gehalten hatte. Da er aber in anderer Beziehung sein Interesse hat es handelt sich um die Berufung des Regius von Bourges nach Orléans so möchte ich ihn der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten.

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Da nach dem Brief Alciati noch in Bourges ist, so werden wir in die Zeit von 1529-1534 gewiesen. Da aber Daniel in Orléans ist, so bleibt nur die Zeit von Frühjahr 1531 (höchstens Herbst 1530) übrig. Und da weiter Daniel offenbar schon in angesehener Stellung ist, so wird man den Brief mit Herminjard am besten „um 1534“ ansetzen.

Duplex mihi ex litteris tuis nata est voluptas: altera quod de te et ex te ipso aliquid audire iamdudum desiderabam, et hec tibi cum ceteris mihi arctiore iunctis amicitia communis est, altera vero quę tibi uni sola debetur. Sola, inquam, mi Daniel, quod te tam studiosum mei esse intelligam quam qui maxime. Nam etsi de tua tum probitate tum ingenuitate nihil omnino antea dubitarim, ego certe tantam humanitatem in te esse plane nesciebam, ut

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