Imágenes de páginas
PDF
EPUB

14

,,Nullo fata loco possis excludere, quum mors
Venerit, in medio Tibure Sardinia est."

Martialis.

denn

Die Urgeschichte des Thüringer Volksstammes verliert sich in das Dunkel des germanischen Urwaldes und selbst fremde Geschichtsschreiber weisen uns unter unserm heutigen Namen keinen Platz an unter den Brüdern der grossen deutschen Völkerfamilie. Rathen darum nur können die Erforscher unsrer primitiven Zustände, oder die Schwärmer für unsre Thüringer Selbständigkeit, dass die Hermunduren unsere Altvordern waren, da erst, wo die Sage verklungen, und mühsam aufdämmernd die Geschichte unsres Landes beginnt, erblicken wir ein grosses, mächtiges Königreich, eine legitime, thüringische Dynastie, die gekrönt und purpurumhüllt, ihr mächtiges Szepter ausstreckt, von den Abhängen des Unterharzes bis an die Ufer des Regenflusses und der Donau, vom Gestade der Weser bis an die Höhen, wo die Sprache der Zechen die lieben vaterländischen Laute verdrängt. wahr, ein schönes Stück deutscher Erde, das Thüringen jener Tage!

Für

Hoch auf seiner Waldburg Disberg *), dem „Dispargum" lateinisch schreibender Chronisten, hatte der Stamm Clodios, auf Merwigsburg bei Erfurt, sein Nachfolger Merwig, dann Basinus und Hermannfried Hof gehalten, unsere Könige von Gottes Gnaden! Doch ein blutiges Familiendrama und der noch blutigere Tag von Burgscheidungen (530) stürzt unsere Dynastie und in Trümmer fällt Thron und Reich!

Vasallen der Sachsen, Vasallen der Franken, fristet unser Volk

*) in der nachmaligen Grafschaft Henneberg bei Helmershausen unweit Meiningen.

Thü

eine trübe, unselbständige Existenz, doch am Fuss der entwurzelten Königseiche sprossen neue edle Reiser empor, ringen, ja ganz Deutschland zu Stolz und Freude!

Rudolf, ein thüringischer Häuptling, gründet Rudolstadt und hoch oben, auf waldumkränzter Höhe, die feste Heidecksburg, die freundlich niederlugt auf den hellen Spiegel der Saale. Rudolf, der Befreier unsers Volkstammes, ist Herzog, legitimer Fürst über ein selbständiges Thüringerland.

Fast gleichzeitig mit seiner Veste erheben sich andere Burgen des Waldgebirges, Schwarzburg, Kevernburg, Greifenstein, Saalfeld, Lobdaburg, Orlamünde, Dornburg, Rudelsburg, Saleck, Neuenburg, die Grundpfeiler einer von ihm ausersehenen, festen Defensionslinie gegen die räuberischen Einfälle der immer mehr andrängenden Sorben und Wenden.

Die drei erstgenannten, ja selbst Rudolstadt erscheinen früh schon in Händen des Heldenstammes der Schwarzburger, die das Land rings umher beherrschen, niemandem pflichtig als dem Mehrer des Reichs, dem Kaiser deutscher Nation!

Hoch auf steilem Berggipfel prangen noch die Ruinen des Greifensteins. Einst glänzten sie so hell im Sonnenlichte, dass man ihrer lieber unter dem Namen der „Blankenburg" gedachte und der alte Namen „Greifenstein" schon früh verscholl.

Blicken wir empor in die öden Hallen, lauschen wir dem wehmüthigen Aechzen des Zugwinds, der in den Eichenwipfeln spielt, so überkömmt uns jene unnennbare und unbeschreibliche Empfindung, über die uns weder Andre, noch wir selber klare Rechnung geben können. Es ist das Weh, das uns beschleicht, wenn wir die Wiege grosser Männer betreten, die Bitterkeit, die dem Tiefinnersten entsteigt, wenn wir nur Trümmer und Schutt erblicken, wo ein hoher, stolzer Bau stand, den Tücke oder Unglück stürzte, und jene so verzeihliche Reflektion, die uns die Frage aufdrängt: Wie anders doch, wenn das Glück es gewollt, wenn im Rathe des Unerforschlichen es günstiger beschlossen gewesen?

Doch fragt man wohl, wozu der Trauer, wozu der Klage? als lägen nicht Tausende von deutschen Burgen in Trümmern und gäb' es fürwahr keine würdigeren Motive, eine elegische Saite anzuschlagen! Menschengeschlechter ziehen vorüber wie Schatten an der Sonne, darum ist auch dem Menschenwerke sein Ziel gesetzt und nur die Hoffnung bleibt ewig neu.

Von dieser Stätte zog Graf Günther von Schwarzburg aus, gekürt zum deutschen König, zum Mehrer des Reichs, das in Trümmer zu brechen drohte, wie jetzt die letzten Reste seiner Väterburg, - an dieser Stätte schwellte manch treues Herz, manch tapfre Brust die Hoffnung auf ein einiges, starkes Deutschland, an eine Befreiung von den Ränken, dem dräuenden Uebermuthe Frankreichs, an die, wenn auch gewaltsame Rückführung eines würdigen Verhältnisses zum Papste, zum Haupte der Christenheit, das im sogenannten „Schutze französischer Waffen," der That nach aber in schmählichen Banden, zu einem Werkzeug französischer Politik herabgesunken war, wie in den Tagen, die wir die unse

ren nennen.

Doch, wie kühn, wie schön, wie edel auch diese Hoffnung, wie treu der Wille der Starken alle, die sie ins Leben zu rufen trachteten, der böse Feind, Deutschlands finsterer, feindlicher Genius, hohnlachte dazu, und in eitel Scherben fiel der stolze Königsbau, an dem alle Braven im Reiche gearbeitet, und gleich unnahbarem Verdammungsurtheile wollen uns die Worte bedünken, die, von Avignon aus, nach den deutschen Gauen flogen, sich in Spott ergiessend über den „thüringer Grafen," der es gewagt, das Riesenwerk der Einigung Deutschlands in die Hand zu nehmen, sein Auge nach der geheiligten Krone Karls des Grossen zu erheben. Mit dem Schmähworte eines „Theaterkönigs," hatte Clemens VI. den Erwählten von mehr wie der halben Nation belegt, denselben, dem Volk und Fürsten ein Hosianna gebracht, da man nur zu wohl wusste, Günther, der Ritter ohne Furcht und Tadel, werde handeln, wie Recht und Ehre ihm vorschrieben, seine Aufgabe zu Ende führen, Deutschland aus Schmach, Zerrissenheit und Ohnmacht erlösen, oder mit ihm fallen wie ein Held.

Doch auch dies war nicht beschlossen im Rathe des Himmels; feiges Gift, gemischt von bübischem Verrathe, tödtete, den keines Sterblichen Klinge gefällt, und Deutschland ward der lange, dornenvolle Gang der Prüfung vorbehalten, der zur Stunde nicht vollendet ist.

wer

Was mag uns das dunkle Verhängniss vorbehalten? den zu Glück und Grösse, werden zu neuen Prüfungen die Loose fallen?

In der Spannung des Moments ist es wohl gerechtfertigt im Zeitenbuche zu blättern und aus der Vergangenheit die Klippen kennen zu lernen, die umschifft werden müssen, um zum Ziele zu kommen.

Und so komm denn, Du schnöde Gemeuchelter, Du mein Held, zu guter Stunde, aus Deinem Grab herauf. Lass Dein Auge leuchten durch die Nacht des Zweifels und noch einmal erhebe Deine Stimme zur Warnung für das heutige Geschlecht!

I.

Günthers Jugend- und erste Mannesjahre.

Verklungen war schon der Name, Greifenstein, " auf dem festen „Blankenburg" prägte man schon schwarzburgische Brakteaten, mit dem Bilde des ansprengenden Ritters und der Umschrift, „Comes de Blankenberg." Heinrich XII. und Günther XV., Söhne Heinrichs X., lebten, (Anfangs beide in brüderlicher Eintracht) auf dem festen Wohnsitz ihres Stammes, bis der Erstere, 1306, für eine hohe Summe vom Grafen Ott von Orlamünde und Heinrich von Hohenstein die Hälfte von Arnstadt erkaufte und mit seiner Gemahlin, Christine, die ihm zwei Jahre vorher, 1304, einen zweiten Sohn, unsern Günther, jenes Namens den XXI. im Schwarzburgischen Hause, - geboren, dorthin zog, indess sein Bruder noch länger auf Blankenburg verweilte und erst durch spätere Erwerbungen, zu Pösneck und Saalfeld, bewogen ward, dorthin überzusiedeln.

Schon um diese Zeit stand, Heinrich, Günthers Vater, bei Kaiser Ludwig dem Bayern in hoher Gunst und wurde von Landgraf Friedrich dem Gebissenen hochgeschätzt, denn er theilte die volle Abneigung, die man unter den Edeln unsres Landes gegen die zweite Gemahlin Landgraf Albrechts und deren Sohn hegte und bethätigte.

Zu Regensburg war es, am 22. Januar 1323, wo der Kaiser ,,seinem Getreuen die Lehne über Schloss und Stadt Blankenburg im Thüringer Walde, nebst den Revieren ringsum, der Münze, dem Zoll, den Gerichten und Bergwerken, wie auch dem Schloss ,,zum Steine" genannt, in der Stadt Saalfeld," feierlich übertrug, doch schon gegen Ende des folgenden Jahres fand Heinrich seinen Tod vor einer belagerten Veste in der Mark, zu deren Eroberung er schon früher dem Kaiserhause seinen tapfern Arm geliehen.

Von Günthers Jugend wissen wir, dass er sich mit entschiedener Vorliebe in den Waffen und allen ritterlichen Künsten zu üben bemühte, ein unermüdlicher Reiter, ein mannhafter Fechter war. Doch auch die Wissenschaften waren ihm keineswegs fremd. Der hochgelehrte Frowin (oder „Vrowinus Magister Dnicellorum de Swarzburg, "*) wie ihn eine Urkunde des Arnstädter Archivs, vom J. 1316, nennt,) war sein und seines Bruders Erzieher; „von ihm lernte er, wie Ehrfurcht vor dem Höchsten, Achtung der Religion, die Grundlage allen Wissens. Doch vergeblich nur forschen wir nach genaueren Angaben in zeitgenössischen Autoren oder den Jahrbüchern der Schwarzburger Lande, nach Spezialitäten über Günthers Jugend."

„Mächtig aber vor Allem, dies ist gewiss, wirkte das Beispiel des heldenmüthigen Vaters auf den edlen Jüngling, es lehrte ihn, dass Tapferkeit des Mannes herrlichster Schmuck. Noch im

Einen werthvollen Aufschluss über das Geschlecht des soeben erwähnten „Vrowinus" oder „Frowin" finden wir in Hesses Geschichte von Arnstadt, S. 149 u. 152. In der daselbst abgedruckten Urkunde vom Jahre 1277 heisst es wörtlich:

„Nos Conradus, dictus de Sibeleyben et Guntherus, dictus Vrowin, filius ejus, in Arnstete, recognoscimus" etc.

Ein „Magister Henricus de Sibeleyben" aber lebte urkundlich bis ins Jahr 1323 und stand, obwohl in kirchlichen Würden zu Erfurt, noch immer in Beziehungen zum Schwarzburgischen Hause. Man vergleiche das Todtenbuch des Erfurter Marienstifts und Mones Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit, S. 146:

„Anno Domini MCCCXXIII, quarto, Idus Decembris, obiit magister Henricus de Sebeleybin, canonicus ecclesiae S. Severi.“

Weiteren Aufschluss über die hierauf bezüglichen Nebenumstände ertheilt noch das Chronikon Sanpetrinum ap. Menken, III. 336 und Nicol. de Syghen, Chronik. Thuring. manuscrpt: Fol. 225 des Originals, im Grossh. Sächs. Archive zu Weimar, dergestalt dass es als wahrscheinlich anzunehmen ist, dass der letzterwähnte „Magister Henricus de Sebeleybin" und jener „Vrowinus magister," ein und dieselbe Person sind, oder mindestens ein und demselben Geschlechte entstammten.

4

« AnteriorContinuar »