Die Bürger griffen nun zu den Waffen und suchten sich Ruhe und Sicherheit zu erkämpfen, doch durch Kriegserfahrung und Gewandtheit siegte bald Graf Heinrich von Holstein und vergeblich nagten die Städter an ihrem Groll. In höchster Noth wandte man sich an des Reiches Oberhaupt und den Markgrafen von Brandenburg, Lübecks bestallten Schirmherrn, dem die Erledigung der Sache vom Kaiser dringend empfohlen worden. Zweihundert schwäbische Reisige mit ihrem Hauptmann, dem Kaiserl. Marschall Friedrich von Locken, zogen demzufolge in die Stadt und unterstützten die bewaffneten Lübecker und Hamburger. Beide Stadtgebiete, wie auch der Boden Holsteins ward gegenseitig verwüstet und die Edelsitze der reichen Geschlechter Holsteins von den Bürgern gebrandschatzt, um der Fehde unverweilt die grössten Dimensionen zu geben, denn König Magnus von Schweden trat auf die Seite der Grafen, und Friedrich von Locken säumte nicht die Hülfe des Dänenkönigs anzurufen. Lübecker Kaufleute wurden in Schweden verhaftet, schwedische in Lübeck. Friedrich, der Kaiserliche Marschall, begab sich mit seinen Streitkräften nach Dänemark und als dort ein festes Castell bei Kopenhagen von der Holsteinischen Besatzung gegen König Woldemars Angriffe vertheidigt und schwedischer Beistand den Belagerten gesandt wurde, schlug er denselben zurück und viele Holsteinische Edle wanderten in Kerkerhaft nach Lübeck. So trat denn schon in jenen Tagen unselige deutsche Zerrissenheit den Dänen so recht deutlich vor Augen, sie zu belehren, dass unsre Uneinigkeit die Frucht jeder ehrenhaften Bestrebung wieder zu nichte macht. Ein Versuch zum Vergleiche, durch den würdigen Abt des Klosters Reinfelde, scheiterte natürlich, da Dänemark allenthalben die Hand im Spiele behielt. Da beschloss der Kaiser einen Vermittler und Abgesandten nach Lübeck zu schicken, der sich ihm schon bei früheren Gelegenheiten und Sendungen als kluger, umsichtiger Unterhändler bewährt, unsern Günther! Des Markgrafen Wahl fiel auf Ritter Johann von Buch, aus einem bekannten märkischen Geschlechte. Beide wurden beauftragt, ernstlich zu erwägen, wie man die Streitenden in Minne vereinigen möge; im Falle des Misslingens aber, mit gewaffneter Hand einzuschreiten!" Getreu dem Kaiserl. Befehle, wurde nun von den Gesandten, die an der Spitze ansehnlicher Heerhaufen im Lübeckischen Gebiete einrückten, der Weg der Güte versucht, doch gar bald argwöhnten schon die Bürger, „dass die Friedensstifter der städtischen Freiheit abhold seien und wohl nur den Vortheil ihrer Standesgenossen im Feindeslager im Auge behalten würden." Offene Fehde, gewaltsame Vertreibung der Grafen von Holstein und ihrer Bundesgenossen im Lande, war mehr wie je das Ziel ihrer Wünsche. Mancherlei Hindernisse stemmten sich daher den Friedensverhandlungen entgegen; doch Günthern konnte das Geschrei und Murren über „Treubruch und Adelsfreundschaft" nicht beirren, sein begonnen Werk mit weiser Ruhe „von den unzufriedenen Städtern, Thatlosigkeit und schlaue Zögerung gescholten," fortzusetzen. Mochte auch immer die Last der Besoldung so zahlreicher Hülfsvölker oder die Anforderungen Derer, die freiwillig, in Hoffnung reicher, holsteinischer Beute, abentheuernd in den Stadtdienst getreten, die Bürgerschaft hart bedrücken und erbittern, mochten alle Drangsale des Fehdezustandes, die Aeusserungen des Unmuths und Misstrauens gegen die Kaiserlichen Schiedsmänner nur zu sehr hervorrufen, der Arglist und Treulosigkeit beschuldigte man sie nur mit Unrecht. Dies weisen uns noch heute die Akten des Lübecker Archivs aus, und mit Genugthuung dürfen wir versichern, dass unser Held auch in dieser Beziehung rein und fleckenlos dasteht. Doch wie dornenvoll war die Aufgabe, deren Lösung ihm übertragen worden und wie sehr wurde sie noch durch den nimmerrastenden Einfluss Dänemarks erschwert?! Wollte sich Günther des Auftrags nach Pflicht und Vorschrift entledigen, so durfte er es mit keiner Parthei verderben und wirklich erreichte er endlich, wenigstens einigermaassen seinen Zweck. Wir ersehen dies aus einer Urkunde des Lübecker Archivs vom 13. October 1342, in welcher die Grafen von Holstein übereinkommen, „ihre Streitigkeiten mit dem dänischen Könige Woldemar und den verbündeten Hansestädten, Lübeck, Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswalde und deren Helfern, (man ermesse, welche Ausdehnung der Zwist genommen!) von den zu Lübeck anwesenden Räthen des Kaisers Ludwig und des Markgrafen von Brandenburg, Grafen Günther zu Schwarzburg, den Edeln Heinrich von Rischach und Johann von Buch, an demselben Tage an welchem die Sache der Könige von Schweden und von Dänemark entschieden würde, schlichten zu lassen! Die Städte und ihre Freunde sollten alle wohl begründeten, urkundlichen Rechte behalten; am nächstkommenden St. Nicolaustage, dem 6. Decbr., wollten die Grafen ihre Entschädigungsforderungen schriftlich übergeben und der Entschädigung zu Rostock bis zum 6. Januar 1343 gewärtigen." Gemeinschaftlich mit Albrecht von Meklenburg, dem schon obenerwähnten Schwager des Schwedenkönigs Magnus, wird Graf Günther als Friedensstifter zwischen den sechs genannten Städten und der Krone Schweden, im Helsingburger Vertrage vom 17. Juli 1343, genannt; indessen vermochte er doch nicht das Unwesen mit Stumpf und Stiel auszurotten, vielmehr tauchten hin und wieder Gewaltthätigkeiten und Eigenthumsvergehen auf und nur des Kaisers Dank und Zufriedenheit begleiteten ihn in die heimathlichen Berge zurück, wo gar bald seine Anwesenheit erfordert wurde. „Multa labore terminata controversia est," erzählt die Lübecker Chronik, pag. 242, über die obgeschilderte Begebenheit; „cum detrimento, ut cives putavere, suo; quamquam hoc ipsum de sua parte comites quoque quererentur. Sic rerum deposcit necessitas ut utriusque partis detrimento jungantur dissidentes." II. Der Thüringer Grafenkrieg. Wir beschreiten einen zweiten, wichtigen Abschnitt in Günthers Leben, fast ausschliesslich erfüllt durch die verderblichen und unglücklichen Fehden Thüringischer Dynasten und Ritter gegen Markgraf Friedrich den Ernsthaften, Kämpfe, in welchen wir unsern Helden, offenen Helmes, stets voran, im dichtesten Schlachtgewühl erblicken, einem verzweiflungsvollen Ringen zwischen dem aristokratischen und monarchischen Princip; wir sehen in ihm einen furchtlosen Vertreter des Ersteren in des Wortes edelstem Sinne, der bei aller Zersplitterung der Kräfte seiner Parthei, wenigstens die Ehre noch ungeschmälert vom Schlachtfeld mit hinwegnimmt, - sehen ihn aber auch hier, auf blutgetränkter Heimatherde, den Lorbeer pflücken, der ihm den Weg zum Kaiserthrone bahnt. Wohl kein Gau des grossen deutschen Vaterlandes, selbst Schwaben, Franken, das Rheinland und Westphalen, mochte vor einem Zeitraume von fünf Jahrhunderten den Anblick einer solchen Menge neben einander blühender, reicher und mannhafter Geschlechter darbieten, die in stolz zur Schau getragener Unabhängigkeit nur der Autorität des Kaisers sich beugten, als unser Thüringen, auf seinem kleinen Flächenraum, zwischen dem Harz und den südlichsten Abhängen unsres Waldgebirgs, zwischen dem Gebiete der Saale und Werra. Die Namen dieser, meist im Kampfe mit dem Hause der Wettiner, oder sagen wir es offen, im Kampfe gegen den Absolutismus, erliegenden, oder unter den verschiedensten „Rechtstiteln," durch Allianz, Erbschaft, oder durch die Macht des Geldes, in des Wortes eigentlichstem Sinne, beseitigten Dynasten und Herrengeschlechter aufzuzählen, oder etwa ein Bild ihrer Macht an Land und Leuten zu entwerfen, kann nicht Aufgabe dieser Blätter sein; sie erlagen einem mit hohem Scharfsinn angelegten, mit seltener Consequenz durchgeführten Plane, doch hielten wir es für Pflicht, auf jenes Moment hinzudeuten, ehe wir den Faden der geschichtlichen Darstellung wieder aufnehmen, bildet doch die nachfolgende Episode eine der Hauptphasen in dem obenerwähnten Kampfe, den die Geschichte mit dem Namen des „Thüringer Grafenkriegs" belegt hat. Wohl ebenso mächtig und reich begütert wie die Schwarzburger blühte in Thüringen und dem Quellengebiet des Mains, der uralte, edle Stamm der Grafen von Orlamünde und Weimar,*) *) Die ersten uns bekannten Grafen von Orlamünde und Weimar sind Wilhelm († 1003) und dessen Bruder Poppo, Kanzler Ottos des Gr. († 965). Die Enkel Wilhelms waren zugleich Markgrafen von Meissen (Wilhelm 1046 62, Otto 1062-67), starben aber ohne Hinterlassung männlicher Erben. Der Letztgenannten Neffe Olrich (Odalricus) von Weimar, wurde Markgraf von Kärnthen; mit seinen zwei mit Sophia, Tochter des Königs Bela Colomann von Ungarn, erzeugten Söhnen Ulrich Graf von Orlamünde und Weimar († 1112) und Poppo, Markgraf von Kärnthen († 1103) erlosch das alte Haus Orlamünde im Mannsstamm, dessen Besitzungen in Thüringen nun auf die männlichen Nachkommen Adel- Dynasten des Reichs, nur dem Kaiser unterthan, in einem seiner Zweige, mehrere Generationen lang als Pfalzgrafen bei Rhein herrschend, und über ein Jahrhundert hindurch in schirmherrlichen Beziehungen zur mächtigen Hansa, über deren Häfen und Marken die Orlamünder gar wohl die stahlbewehrte Hand zu breiten gewusst. Da verkaufte Graf Heinrich IV., von der Osterländischen Linie des Hauses, von Schulden überbürdet, Schloss und Grafschaft Orlamünde an den Markgrafen Friedrich, der durch massenhafte Landerwerbungen seine Macht in diesem, wie andern Gauen Thüringens auszubreiten strebte. Des Verkäufers Sohn war durch die Erbabtretung von Schloss und Herrschaft Schauenforst beschwichtigt, aber die Anwartschaftsund Erbrechte der Weimarischen Linie und namentlich des dortigen Grafen Hermann, in keiner Weise bedacht worden. Man stelle sich daher ihren gerechten Unwillen vor, Stammburg und Land, deren Namen sie führten, in die Hände Desjenigen gelangen zu sehn, dem sie noch vor so kurzem, in der Erfurter Fehde, feindlich gegenüber gestanden und der auf Grund der erwähnten Erwerbung, Wappen und Titel sich zulegte. Dieses Motiv wird von den Historikern stets übersehn und tadelt man daher um so schärfer das befremdende Benehmen des erbitterten Grafen Hermann, das bei Gelegenheit des verhängnissvollen Bankets, das ihm und unserm Günther zu Ehren und zum Dank für frühere thätige Hülfe, die Erfurter Bürgerschaft veranstaltete, zu Tage trat. Günther, der mannhafte aber bedachte Günther, stimmte nicht heids, der Tochter des 1067 gestorbenen Markgrafen Otto von Meissen, übergingen. Adelheid, in erster Ehe mit dem Grafen Adalbert von Ballenstädt vermählt, hatte zwei Söhne, Otto Grafen von Ballenstädt, den Vater Albrechts des Bären, und Siegfried Pfalzgrafen bei Rhein, dessen Sohn Pfalzgraf Wilhelm Orlamünde und Weimar besass, im J. 1140 aber kinderlos starb. Erbe von Orlamünde und Weimar wurde nun Albrecht der Bär, Markgraf von Brandenburg († 1170), und dessen zweiter Sohn Hermann († 1176) Stifter des neuen Hauses Orlamünde-Weimar. Noch einmal nahm dieses Haus einen höheren Aufschwung, indem Hermanns Enkel Adalbert im mütterlichen Erbe die Grafschaft Nordalbingien (Holstein u. s. w.) und hiermit die Schirmvoigtei über Lübeck, Hamburg etc. erwarb; dieser erneute Glanz des Hauses Orlamünde war nur vorübergehend, es sank. G. W. v. Raumer histor. Charten und Stammtafeln (Berl. 1837). |