und Ehren zurückführen werde, ward das Ideal Aller, die noch einen Funken von innerem Halt, von Energie und von Glauben in der Brust trugen und sich nicht, wie der grosse, sinnlose Haufe, jeder Lust und jedem Laster in die Arme stürzten, wähnend, die heutige Sonne werde die letzte sein." Unter diesen Zuständen nahte sich der alte Kaiser Ludwig seinem Ende, müde das Scepter noch haltend, dem seine Hand doch nicht gewachsen war und mit dem er, bei allem edlen Streben, allem rechten Willen, nicht Friede gebieten konnte in Deutschland, geschweige denn in der weiten Christenheit, - und wie kaum in den Schreckenstagen des dreissig jährigen Interregnums, vor mehr wie hundert Jahren, vereinte sich Alles, was noch die Fähigkeit des Hoffens, Fürderdenkens besass, auf den einen Gegenstand: Den Wiederbringer der alten Ehren, den Retter aus Schmach und Noth! „Aber die obgeschilderten Heimsuchungen begannen allgemach auch ohne eines todten Heldenkaisers Auferstehung sich erträglicher zu gestalten, die Naturereignisse kamen in Ahnahme, die Pest schlich unstät von Ort zu Ort *), wandte sich dann gen Norden," um nur da und dort emporzuflackern, wie ein heimtückischer Waldbrand. Ein Theil der Hoffnungen, die sich an des Hohenstaufen Erweckung geknüpft, schien sich auf Markgraf Friedrich den Ernsthaften, Günthers alten Feind, richten zu wollen, in dessen Adern das Blut unsrer edeln, grossen Kaiser rann, - war doch Margaretha, seines Vaters, Friedrichs des Gebissenen, unglückliche Mutter, eine Hohenstaufin, die Tochter Dessen, den das Volk wie einen Messias zurück erwartete. Doch unsre Chroniken und Geschichtsbücher belehren uns, dass Friedrich, nachdem er in der Salzaer Fehde den ersten Feuerpfeil in die belagerte Stadt geschleudert, und seinen Siegerpfad, über rauchende und blutende Trümmer, über „verkohlte menschliche Gebein e, "**) genommen, in ein Gebrest verfallen war, das *) Sie tauchte namentlich in Frankfurt a. M. wieder auf und raffte binnen 72 Tagen 2000 Menschen hin, unter ihnen 35 Priester und mehrere Aerzte. Dies gab zur Vermuthung Anlass, dass der dortige Arzt Freidank und sein Opfer derselben Epidemie erlegen wären, eine Annahme, die durch nichts bestätigt wird. Vergl. „Chron. Dominicanorum" von Jacqnin, p. 74. Römer-Büchner: „König Günthers Tod", S. 6. **) „Der was me wan tusint und achthundirt, dy verbrantin unde vor hitze yn dy borne filin." Rothe, Thüringer Chronik. ihm verwehrte den Harnisch zu tragen, und diese Körperschwäche so wird behauptet, veranlasste ihn, die Kaiserwürde auszuschlagen.*) Ihm bot zudem, wie allgemein die Sage geht, ein mächtiger Rival 10,000 Mark Silbers als Abfindung, und selbst neuere Schriftsteller, wie Gretschel, scheinen nicht abgeneigt, zu unterstellen, dass Friedrich einer derartigen Gabe nicht unzugänglich gewesen, wies er doch eine weit geringfügigere Schenkung und andre Vortheile nicht zurück, wie wir im Anhange urkundlich constatiren werden. **) Doch mit der Ablehnung eines Reichsfürsten, war der Wunsch, war der Trieb nach Einigung, nach Besserung nicht erloschen, nur heisser und inniger vielmehr gab er sich überall und allenthalben im Volke kund! Nach England hinüber wandte sich der Wahlfürsten Blick, von dort her sollte der Retter gerufen werden, König Eduard III. Deutschland von den Böhmen und von Frankreichs Einfluss durch den Papst befreien; aber auch er konnte die ihm überbrachte Nachricht seiner Erwählung nur dankbar ablehnen, konnte dem Verlangen der Deutschen nicht willfahren; denn theils wurde der siegreiche Fürst durch eigene Kämpfe, die Kriege gegen Schottland und Frankreich, durch die abmahnende Stimme des Parlaments, theils durch die schlauen Künste eines gefährlichen Nebenbuhlers verhindert! Auch der kriegsgewohnte Markgraf Ludwig von Brandenburg, Kaiser Ludwigs Sohn, den der Mainzer Erzbischof gerne gewählt sehn mochte, ging auf die Unterhandlungen nicht ein, und selbst Heinrich von Anhalt wies jeden Antrag zurück. *) Man vergleiche hierüber Fabricius, pag. 654 Wideburgii originalia et antiquitat. Margraviorum, pars II. pag. 83 seq. und Albertus Argentinensis, p. 146. **) Nach Andern soll Carl dem Markgrafen nur 8000 Schock grosser Pfennige, Prager Münze, gegeben haben. So behauptet auch Jovius, Seite 345, unter dem Hinzufügen, dass man Friedrich wegen dieser Summe auf die Steuer des Königreichs Böhmen angwiesen habe und dieselbe um Fastnacht 1349 ausgezahlt worden sei. Das Sachsenhaus", auch der „sächsische Hof" genannt, jenes stattliche Gehöft zu Prag, welches Carl dem Markgrafen verehrte, liegt in der Brückengasse, unweit der Moldau; es hatte ursprünglich ein flaches Dach, auf welchem Friedrich der Ernsthafte einen Wasserbehälter mit Fischen unterhielt. Im Jahre 1558 wurde das Gebäude dem Chursächs. Rathe Joachim von Gersdorff geschenkt. (Urkunde im Dresdener Hauptstaatsarchiv. Copial 222, Blatt 191.) O wie tief war das unglückliche Deutschland gesunken, dass man die heilige Krone Carls des Grossen vergeblich umbot und vor der Aussicht, an die Spitze der Nation und der Reichsfürsten zu treten, so Viele zurückschauderten! Doch, wie dem einzelnen Sterblichen, der durch eigene Schuld, durch fremde Tücke oder Fügung des Schicksals, niedergleitend auf dem verderblichen Pfade zum Abgrund, Momente kommen, lichte Augenblicke gleichsam, des Besserwollens, des sich Aufraffens, Stunden einer Einkehr bei sich selbst, so schien auch unserm Volke oder seinen Machthabern und Gebietigern endlich der Augenblick geschlagen zu haben, wo ein Versuch zum Bessern, ein Tasten nach der rettenden That, von ihnen gewagt wurde. Aber welches waren ihre Mittel? Es ist ein dunkles Blatt aus der Geschichte Deutschlands, das wir zur Hand nehmen, um den Leser einige Schritte rückwärts, nach dem Beginn und Ursprung jener Wirren zurückzuführen, und verschiedenartig haben die Stimmen der Zeit seinen Inhalt beurtheilt. „Meineid, " rufen die Einen, „Ehrenrettung, " die Andern, indess was von Thatsachen in unsern Annalen verzeichnet steht, von keiner Erdenmacht ausgetilgt zu werden vermag! War es die schwere Last finstern Verhängnisses, die bewältigende Befürchtung herannahenden Untergangs, das die Sinne derer verwirrte, die jene Schuld auf ihr Gewissen luden, oder sollen wir das Geschehene jenem tückischen Dämon, Deutschlands bösem Genius, zuschreiben und ihn mit dem Vorwurf beladen, neues Unheil zu altem gehäuft zu haben?! „In der That hatte das deutsche Volk, jener Bruchtheil des Germanischen Stammes, vor dem einst die Welt erbebt und das, ehern und urkräftig, seinen Platz unter den Nationen der Erde behauptet hatte, sich im Verlauf all der Schicksale und Heimsuchungen, die wir unter dem Namen seiner „Geschichte" begreifen, rasch der Auflösung und dem unrettbarsten Zerfalle genähert; da musst' es unter den redlich gemeinten Bestrebungen seines gutgewillten, doch oft von Klarheit und Thatkraft baren Oberhauptes, musst' es schon eine kurze Spanne nach Begründung des Churvereins zu Rense, (1338), nach dem feierlich ausgesprochenen Beschlusse, dass der deutsche Kaiser die höchste Gewalt auf Erden und zwar nur durch die Wahl der deutschen Fürsten sein solle, ohne dazu der Bestätigung oder Krönung des Papstes zu bedürfen," denselben Kaiser in feigen Kleinmuth und Wortbrüchigkeit verfallen sehn,*) Alles verleugnend und aufopfernd, was er vordem angestrebt und so einem schroffen, unumwundenen und rückhaltslosen Ausdruck der Verachtung begegnen, in welche es zusammt einem höchsten Kaiserlichen Oberhaupte gefallen; seit den Tagen, in welchen es, wie eine glanz- und poesievolle Verjüngung des stolzesten und mächtigsten Prinzips, das die Geschichte kennt, den Erdkreis zu beherrschen vermocht." „Jener Ausdruck der Verachtung aber ging vor Allem vom obersten Hirten der Christenheit, vom geistigen Vater aller gläubigen Völker aus." „Zwei swert liez Got in ertriche zu beschirmene dy christenheit, dem papste das geistliche, dem keiser das werltliche." Nach dem Sinne dieses alten Ausspruches, den wir im Sachsenspiegel aufgezeichnet finden, hatte Roms steigende Macht, seit dem Uebergang vom heidnisch-republikanischen Alterthum zum christlich-kaiserlichen Mittelalter, zu herrschen und zu walten getrachtet, auf jener „Theilung der Gewalten, auf dem Grundsatze eines steten Gleichgewichts, wie wir ihn im modernen Staatsleben adoptirt finden, beruhte schon das Ideal oder der Grundzug der christlichen Staatsordnung des Abendlandes," wie ihn die Menschen jener denkwürdigen Zeitperiode in ihren Anschauungen trugen. „In der Symbolik dieses Ideals ergehen sich auch die Bilder, deren Gregor VII. sich gern bediente, jene Bilder, (deren eines wir soeben erwähnt), vom geistlichen und weltlichen Schwerte und von den himmlischen Lichtkörpern, von denen einer den Tag, der andre die Nacht zu erhellen hat, und dreist hatten jene grossen Kirchenfürsten, Gregor VII. und Innozenz III., sich den höheren Rang dabei vindicirt." ,,Sie waren nichts andres dabei als eisern consequent, wenn sie für das geistige Prinzip den Vorrang über das weltliche forderten, aber sie hatten das „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist!" nicht direkt angetastet, wenn auch ihre Deutung Dessen, *) „Per totam Germaniam, nec non in Italia apud multos pessime audiebat Ludovicus, quod fidem non servasset. Imperator animi dolore, poenitentia et ira cruciatur eo magis, quo minus ultionem sperat, quoque magis conscius est." Mutius. (was denn nur eigentlich des Kaisers sei, zu harten und blutigen Reibungen führen musste." Doch, wie hatten Anschauungen, Deutungen und Weissagungen sich umändern müssen, als die stolzen Träger der Tiara aus den Mauern der ewigen Stadt, aus den Hallen des Vaticans, von wo aus sie vordem Heereszüge der Christenheit in Waffen gerufen, Monarchen und Völker in Bann gelegt, fortgeführt, zu abhängigen, demuthsvollen Dienern Frankreichs erniedrigt wurden und im Exile zu Avignon eine schmachvolle Scheinexistenz zu führen hatten! Deutschland gegenüber, Deutschland, dessen Kaiser so oft das Papstthum beschützt und in gläubiger Ehrfurcht sich dennoch vor dem Oberhaupte der Christenheit in den Staub geworfen, dem unglücklichen deutschen Volke und seinen Fürsten gegenüber sanken sie zum blinden, aber grausamen Werkzeuge einer ruchlosen, nimmer rastenden Politik herab, einer vernichtenden Waffe in den Händen unseres Erbfeinds, einem blutigen Spielwerke der übermüthigen Laune des Louvrehofs. Und so war es denn gekommen, dass Papst Clemens VI. endlich den deutschen Kaiser Ludwig den Bayer mit Füssen trat, aber zugleich des schwachen, unsäglich gedemüthigten Mannes Gesandten, die um Frieden zwischen Papst und Kaiser flehten, weinend ins Ohr flüsterte, dass König Philipp ihm, dem Papste gedroht, falls er sich aussöhne mit dem Mehrer des Reichs deutscher Nation, wolle er ihm ärger mitspielen, als weiland Philipp der Schöne dem Papst Bonifacius VIII." Und dennoch hatte Clemens höhnisch den Kaiser „Baurus" statt Bavarus genannt und gefiel sich darin, neue Bannbullen *) *) Der eine dieser Bannflüche des christlichen" Oberhirten lautete: Die göttliche Allmacht werfe Ludwig nieder und übergebe ihn den Händen seiner Feinde und Verfolger! Sie lasse ihn in ein unversehenes Netz fallen! Sein Eingang und Ausgang seien verflucht! Der Herr schlage ihn mit Narrheit und Blindheit! Der Himmel verzehre ihn durch seinen Blitz! Der Zorn Gottes und seiner Apostel entzünde sich über ihn in dieser und jener Welt! Die ganze Erde waffne sich gegen ihn. Der Abgrund thue sich auf und verschlinge ihn lebendig! Sein Name müsse nicht über ein einiges Glied bleiben und sein Andenken erlösche unter den Menschen. Alle Elemente seien ihm zuwider! Sein Haus müsse wüste gelassen und seine Kinder aus ihren Wohnungen vertrieben werden; und vor den Augen ihres Vaters durch seine Feinde umkommen." |