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gegen den unglücklichen Fürsten zu schleudern, wider den mächtige Reichsfürsten und Blutsverwandte in freventlicher Verblendung das Schwert zogen; und dennoch fand der Monarch gegen jenes entsetzliche Haupt seiner Feinde keine Waffen, keinen persönlichen Widerstand!

„Ecce," hatte er vor den zu Rense versammelten Reichsfürsten klagend ausgerufen: „ego humiliavi animam meam, ut gratiam papalis benedictionis invenire possem. Sed heu nihil profeci, sed magis irrisioni, opprobrio et contemtui datus sum, quia me confusibiliter adjecerunt."

Noch musste man es erleben, dass der Papst, im Hinblick auf diese und andere Demüthigungen, den Kaiser für irrsinnig verschrie, mit den Worten:

„Iste homo diffidentia est perplexus!"

und so mochte dem grossen Haufen wie den Häuptern der Nation, den mächtigen Reichsfürsten, wie den kleinen Dynasten das Bewusstsein der Schmach sich unwiderstehlich aufdrängen, „der Schande, die vom Haupte auf die Glieder, auf das ganze Volk überging."

Die nachfolgenden Thatsachen, so verschieden gedeutet und beurtheilt, wir wiederholen es: von den Einen als „schnöder Abfall und Treubruch", von den Andern als, rettende That" angesehn, sind zu bekannt, als dass wir sie näher zu detailliren brauchten.

Der zweite Churverein zu Rense war zusammengetreten, hatte erbittert den unglücklichen Ludwig zur Rechenschaft gezogen und über seine Entthronung berathen.

Mit gieriger Schadenfreude war der Gedanke einer Kaiserentthronung von der päpstlichen Curie, von Frankreichs Herrscher, von der ganzen Parthei, die Beiden in Deutschland anhing, dem reichen, mächtigen Clerus (an dessen Spitze Balduin Graf von Luxemburg, Erzbischof von Trier, und Johann, der blinde Böhmenkönig, dessen nächster Oheim und Blutsgenoss,) ergriffen worden; galt es ja doch schon dem früheren Bannfluche des „heiligen Vaters" Geltung zu verschaffen, nach ihm war ja Ludwig ,,schon längst abgesetzt".

Hatten es jene Reichsfürsten endlich über sich vermocht, ihren Oberherrn, aus was immer für Gründen, zu stürzen, der Krone unwerth zu erklären, so war der rechte Moment erschienen, ihm unter päpstlicher Autorität einen Nachfolger in einem Manne zu setzen, der ein geschmeidiges Werkzeug, ein Vasall Avignons, ein demüthiger Knecht des Frankenkönig sei. *)

Dieser „rechte Mann", (nach ihren Begriffen), hatte schon längst hinter den Coulissen auf das Stichwort geharrt, um auf den Wink des Dirigenten vorzutreten. Wie leicht darum war er

gefunden!

Markgraf Carl von Mähren war es, der Enkel des edeln Luxemburgers, Heinrich VII., der Sohn des blinden Böhmenkönigs Johann, des alten Todtfeindes Ludwigs des Bayern, des Königs Johann, der Frankreich mit Leib und Seele angehörte.

„Alles war insgeheim schon wohl vorbereitet. Die geistlichen Wahlfürsten hatten ja ohnehin nur den Weisungen aus Avignon zu gehorchen; Balduin von Trier folgte nur um so lieber den Inspirationen der luxemburger Hauspolitik, als es ja der Erhebung des leiblichen Neffen galt, die momentanen Gewissensscrupel Wallrams, des Cölner Erzbischofs, waren schon mit schwerem Golde beschwichtigt und weil endlich Heinrich Graf von Virneburg, Erzbischof von Mainz, Günthers alter, treuer Freund (,,der alte Burssmann," wie das Volk ihn nannte), unbeugsam dem rechtmässigen Kaiser aus Bayernstamme anhing, so hatte man ihn seines Amts entsetzt und Gerlach, den zwanzigjährigen Grafen von Nassau, an seiner Statt zum Erzbischof und zu des Reiches Erzkanzler ernannt."

So waren denn wie mit Zauberschlag all die Schwierigkeiten gelöst! Der jugendliche Gerlach, die Erzbischöfe von Cöln und Trier, König Johann von Böhmen, Markgraf Friedrich von Meissen, wie oberwähnt, schon abgefunden, blieben zum Wahlakt versammelt und riefen am 11. Juli 1346, Carl, den jungen Luxemburger, zum deutschen König aus!

Dies ganze Gaukelspiel einer deutschen Kaiserwahl aber hatte das Gefühl der Entwürdigung in der Nation nur steigern müssen. Des Reiches Krönungs-Städte, Aachen und Frankfurt a/M., hatten

*) „Post haec provisus Moguntinus Gerlacus de Nassowe, ad villam Rens super Rhenum, ad feriam quartam post Margarethae sub anno Domini 1346 volens Apostolico mandato obedire, quantum in eo fuit, ad eligendum regem principes convocavit. Pro quo facto (electione Caroli) praedicti Coloniensis et Dux Saxoniae magna pecunia sunt corrupti."

(Albertus Argentinensis, pag. 135.)

dem Faktotum der römischen Curie ihre Thore verschlossen, Nürnberg sich vor jeder Anerkennung Carls feierlich verwahrt, und mit scheuem Entsetzen, oder wie mit dem Hohn der Verzweiflung, ging die Nachricht von Mund zu Munde, dass bei der Wahlhandlung das grosse Reichspanier von der Windsbraut erfasst, hoch empor gewirbelt, auf und davon, in die Fluthen des Rheins geführt worden sei, auf Nimmerwiederkehr!

Kaiser Ludwig, im südlichen Tyrol mit Erledigung italienischer Angelegenheiten beschäftigt, war auf die Kunde jener Vorfälle mit seinen Söhnen und Günthern, dem treuesten seiner Anhänger, nach Frankfurt a/M. geeilt, sein Recht und seine Würde öffentlich zu behaupten, indess eine rasch zu Speier zusammenberufene Reichversammlung Carls Erwählung ohne Weiteres für ungültig erklärte, mit dem ausdrücklichen Beisatze, wie ihn Königshovens Handschrift wiedergibt:

man wolltet sich an des Bobestes Briefe nütschet keren!"

Unterdess schlug man in Frankreich die blutige Schlacht bei Cressy, wo bekanntlich der blinde Königsgreis Johann den Tod suchte und fand. Ihm scheint sein Sohn nicht in den Kampf, oder wenigstens nicht ins Handgemenge gefolgt zu sein, denn nach des Vaters Tode war er plötzlich wieder am Rhein aufgetaucht, hatte danach getrachtet, seine Krönung ins Werk zu setzen, und bequemte sich, Angesichts der ihm verschlossenen Krönungsstädte, zu einer Mummerei in Bonn, die kaum der Form nach als Ehrentag für Kaiser und Volk gelten konnte; fehlten doch selbst die Reichskleinodien und nicht weniger als alle weltlichen Reichsstände! -Nur die Geistlichkeit, auf päpstliches Commando, das von Paris her souflirt wurde, gab sich zu der elenden Farce her, an die für den Moment keine Seele im ganzen Reiche glauben wollte und die um so hohler erschien, als Carl unmittelbar darauf in flüchtiger Hast nach seinem neuen Königreich Böhmen eilte, um von dort aus dem Papste neue und immer neue Betheuerungen unwandelbarer Treue zugehen zu lassen, auf die Lehenherrlichkeit des Reichs über Avignon und das Arelatische Königreich zu verzichten, (den Anfang zu machen mit den fluchwürdigen Verschleuderungen deutscher Rechte, Güter und Ehren,) und demuthsvoll den erbittertsten Widerstand gegen des greisen Kaisers Ludwig Parthei anzugeloben.

Also standen die Dinge, als die in banger Ungewissheit zagenden Völker die Trauerkunde von des Letzteren Tode vernahmen. Mag es sein, dass Kummer und Jahre, dass bittre Demüthigungen und Beschämung das Ihrige gethan; der obwohl hochbetagte, so doch rüstige Monarch war auf die Bärenjagd geritten, bei Fürstenfeld, unweit München urplötzlich von tödtlichem Gebrest erreicht worden, und hart am Wege in den Armen eines Landmanns verschieden.

Laut erhob sich die öffentliche Stimme gegen Carl, den Lützelburger, ihn mit der schweren Anklage des feigen, gedungenen Giftmords belastend, und rückhaltslos verlangten alle Braven und Rechtlichen im Reiche nach einer ehrlichen, vollgültigen Neuwahl.

Und grade hieraus, grade aus der Missachtung, die sich Carl zugezogen, grade aus der Erbitterung, die sich der Gemüther bemächtigt, müssen wir uns jenes unselige Umhertasten der Reichsfürsten nach einem neuen Oberhaupte erklären, dessen wir weiter oben schon rügend gedachten, jenes Anbieten der heiligen Krone Carls des Grossen, vor der die Hand aller mächtigeren, um ihre Hausmacht zagenden Dynasten ängstlich zurückscheute.

Da nannte man endlich, wie auf Eingebung des alten treuen Gottes, von dem es ja in unserm Volke so schön heisst: „Er verlässt einen ehrlichen Deutschen nicht," da nannte man den Grafen Günther von Schwarzburg, als den Würdigsten, jene heilige Krone hinfürder zu tragen.

„Günther war der Ausdruck des sich aufraffenden Ehrgefühls der Nation," war das männliche Aufflammen nach so langer Schmach und Verletzung, „war der persönlich gewordene Gedanke, in dem das Bewusstsein des Volkes sich selbst wieder fand, seine Wahl der Akt der sittlichen Einkehr der Deutschen bei sich selbst!"

Man hatte eines todten Heldenkaisers Auferstehung gewünscht, ja gehofft, man hatte wohl richtig erkannt, dass nur einer jener Heroen der Aufgabe des Moments gewachsen, dass ihre Schwierigkeit, ihre Verwickelung eines Heldenarmes bedürfe, den gordischen Knoten zu zerhauen. Und Günther, zum Manne gereift, unter blutigen Fehden, in den Marken, wie in Thüringen, ja noch jenseit der Gränzen des Vaterlands als der tapferste Degen erprobt, Günther, furchtlos im Kampfe, treu und klug im Rathe, war wohl der Charakter, „berufen, eine solche ideale Rolle zu übernehmen"; zweifelte doch niemand daran, dass er sie durchführen werde.

„Seine Vergangenheit war reiner und fleckenloser wie die der meisten Machtinhaber im Reiche, sein Streben, da und dort zusammenfallend mit dem andrer Fürsten, zeichnete sich vortheilhaft aus gegen das Treiben ebenbürtiger Zeitgenossen."

Nie hatte der Vorwurf der Selbstsucht, des Trachtens nach ungerechtem Gute, nie der der Käuflichkeit, der auf so manch öffentlichem Charakter ruhte, gegen ihn laut werden können. Grade in der Begränzung seiner Hausmacht vermochte man das Motiv zu finden, dass er sich stets einer „versteckten und eigennützigen Politik" fern gehalten, der sich die grössten Machthaber jener Tage so oft in die Arme werfen mussten, vorwärts getrieben von der Gewalt unerbittlicher Verhältnisse.

Auch im Glück, auf den Bahnen des Siegs, hatte er edle Mässigung an den Tag gelegt, als Landesoberrichter in Thüringen sowohl, wie als kaiserlicher Abgesandter im Norden, in schwierigverwickelten Fällen Recht gesprochen; dazu kam, dass er von Jugend auf mit weiser Sparsamkeit sein väterliches Erbe erhalten und vermehrt, seine Lande in blühenden Zustand gebracht hatte, „durch Ordnung und rastlose Thätigkeit war er reich geworden, sein innerstes Wesen dabei aber lauter und rein geblieben wie Gold."

Und ihm gegenüber?

Werfen wir einen Blick auf die Persönlichkeit seines Nebenbuhlers und es bietet sich uns da ein Charakter, der scheinbar voller Widersprüche, mindestens zu den räthselhaftesten der Geschichte gehört, der vor Allem durch die schwere Kunst des Zuwartens, durch Schlauheit und Geschmeidigkeit seinen Feinden gefährlich wird, da ihm so manche Eigenschaften und erhabene Lichtseiten abgehen, durch die Günther sich so vortheilhaft auszeichnet! Fassen wir jedoch vorAllem ins Auge, dass Carl in Frankreich von einer böhmischen Mutter geboren, unter fremden Einflüssen, Eindrücken und Anschauungen erzogen, kein Herz für sein deutsches Vaterland mitbringen konnte; ihm darum ewig ein Fremdling blicb!

Und doch, wer wollte, wer dürfte ihm eine gewisse Grösse des Charakters, wer ihm einen Geistesschwung abstreiten, vor dem noch die Gegenwart sich in Bewunderung neigt?

Lauter wie die Geschichte geben seine eigenen Werke davon Kunde.

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