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ob die Einsicht, die zur Begründung solchen Standpunktes erforderlich ist, den Verf. durchaus in Anfertigung seines Buches geleitet habe, dies wird der Leser schon aus dem gewählten Stoffe gehörig beurtheilen können. Es ist nämlich klar, dafs in einer Satzlehre, die den Anforderungen jetziger Bildung genügen will, der einzig einzuschlagende Weg der ist, den Satz aus seiner unmittelbaren Einfachheit des Anfanges durch seine volle reiche Entwicklung bis er sich in der Periode schliefst, zu verfolgen, und dafs hierin jede einzelne Stufe ein nothwendiges Moment in dem systematischen Ganzen bilden müsse. Sieht man aber die Funktionen der Casus an, die in der Grammatik nur in der Formlehre ihre Stellung neben einander mit Recht einnehmen, in der Syntax aber nach der Gliederung der einzelnen Satzfunktionen durchweg getrennt sind, so wird man leicht einsehen, dafs eine Zusammenstellung des syntaktischen Gebrauches derselben nicht viel mehr sein könne, als die empirische Zusammenfassung einzelner Spracherscheinungen, die ihrer eigentlichen inneren Lebendigkeit entnommen sind. ist dem Verf. indessen so wenig entgangen, dafs er gerade die wichtigsten Casusfunktionen, als von andern Lehren abhängig von seiner Untersuchung ausschliefst.

Dies

Die Einleitung erstreckt sich über allgemeine Bedeutung der Casus, und es liegt dem dort Gesagten mindestens die richtige Ansicht zu Grunde, dafs die ursprünglichen drei lokalen Beziehungen des Wo, Wohin, Woher die Anschauung des Volkes in Darstellung der Fälle geleitet habe; wo es aber weiter zur Ausführung bestimmterer Kategorien kömmt, verlässt den Verf. Schärfe der Dialektik, und die kaum aufgezeigten Unterschiede verschwinden oder verdampfen in dem Aufgehen ganz allgemeiner Bestimmungen, aus denen sie kaum hervorgetaucht waren. So geschieht es, dafs dem Verf. Casusfunktionen identisch erscheinen, denen die Griechische Anschauung jene bestimmten Unterschiede unterlegt, und deren wir uns in der Auffassung und Würdigung des Allgemeinen sowohl wie des einzelnen Gebrauchs nicht entfremden sollten. Dabei ist der Verf. der Sprachgeschichte etwas fremd geblieben, oder wie sollten wir

sonst Aeufserungen verstehen, wie die auf der ersten Seite auf

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gestellte, dafs nur eine Sprache, die einen gewissen Grad or ganischer Ausbildung überschritten habe, mehr als drei Casus bilden könne. Zeigen nicht gerade die ältesten Zweige unseres Sprachstammes, das Sanskrit, Zend, eine Fülle der Casus, die nur daraus zu erklären ist, dafs die aus jenen Unterschieden hervorgehenden näheren Bestimmungen verallgemeinert als eigene Casuskategorien gefasst wurden, und dafs erst das spätere Bewusstsein fühlend, dafs jene Bestimmungen zu allgemein seien, um jeden bestimmten Unterschied berühren zu können, den Casusgebrauch beschränkend, zu anderen Mitteln griff, zunächst zur Ver wendung der vom Verbo getrennten Präpositionen, um solche Verhältnisse darzustellen; ein Weg, den wie das Sanskrit ihn einerseits in der noch völligen Verwachsung der eigentlichen Präposition mit dem Verbo bezeugt, so andrerseits die ganze moderne Sprachwelt dadurch beweiset, dass sie die allgemeineren Casuskategorieen aufgebend, zur bestimmteren Auffassung durch Präpositionen schreitet, an Formreichthum ärmer, an logischer Bestimmtheit reicher werdend. Nach dem vorherge sagten wird es unserem Leser nicht auffallen, dass wir mit der Darstellung der Casus nach ihrem verschiedenen Gebrauch, es die Zurückführung auf Gedankenbestimmungen betrifft, nicht befriedigt sein können; doch müssen wir gestehen, dafs das Buch im Allgemeinen Gelehrsamkeit und wackere Belesenheit in den Autoren zeigt, nur freilich handelt es sich in vielen Belegstellen um exegetische Auffassung, und da mochte Zweifel und Streit nicht zu meiden sein.

wenn

Die Entwicklung der Präpositionen steht wie wir oben gesehen haben, im engen Verhältnisse mit den Casus. Zur richtigen Bestimmung ihrer Bedeutung führt vorzüglich die Betrachtung der Zusammensetzung im Verbo, in der der ursprüngliche Sinn reiner und schärfer ausgeprägt liegt. Diese Untersuchung, so schwierig sie anfänglich scheint, löset sich leicht, sobald man im Griechischen nur den epischen Gebrauch namentlich festhält, andererseits aber die Vergleichung anderer verwandten Sprachen nicht abweiset. Aber der Verf. hat sich in eine Früfung der Verbalkomposition nicht eingelassen, und dies ist der wesentlichste Mangel dieses Theiles, welcher sonst im Einzelnen scharfe Blicke und richtige Einsicht durchweg verräth. Ehe der Verf. an die vergleichende Darstellung der Casus in den verwandten Sprachen geht, wie er in der Einleitung wohl vermuthen läfst, möchten wir ihm rathen, jene von uns berührten Fragen in reifliche Erwägung zu ziehen, damit ihm nicht, wie in dem vorliegenden Werke, das Mifsgeschick widerfahre, nur nach der Seite materiellen Reichthums hin, dem wissenschaftlichen Leser zu genügen.

Agathon Benary.

Jahrbücher

für

wissenschaftliche Kritik.

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Juli 1833.

Die dogmatische Theologie jetziger Zeit, oder die Selbstsucht in der Wissenschaft des Glaubens und seiner Artikel. Betrachtet von D. Carl Daub, Geh. Kirchenrath und öffentl. ord. Prof. d. Theol. an der Univ. Heidelberg. (Mit der Dedication: Dem Andenken Hegels, seines verewigten Freundes, in der Aussicht auf baldige Nachfolge freudig gewidmet.), Heidelb. 1833. XIV. u. 510 S. 8.

Erster Artikel.

Wenn die Wissenschaften ein Stadium ihrer Entwickelung zurückgelegt, ein neues angetreten haben, so ist es in der Ordnung, dass zunächst ein kritischer Rückblick in ihnen eintritt, sowohl um sich mit den verlassenen Standpunkten auseinanderzusetzen und den neuen zu rechtfertigen, als auch in dem abgelaufenen Zeitraum die wesentlichen und bleibenden Momente von den nichtigen und vergänglichen gehörig zu sondern. Auch die Theologie, welche kraft ihres Begriffes nächst der Philosophie am meisten Anspruch auf den Namen der Wissenschaft hat, konnte diese Nothwendigkeit nicht umgehen und unternahm es daher vor etwa dreifsig Jahren, in eben dem Maass, als sie dem wissenschaftlichen Geist Raum in sich gab oder ihn vorbereitete, eine alte Zeit, sei es durch eine Kritik der Offenbarung oder auch nur durch eine Censur des protestantischen Lehrbegriffs, abzuschliefsen und sich eben damit die neue Bahn offen und frei zu machen. Ist aber das Bestreben, wie das zuletzt genannte, selber nur dieses kritische und bleibt es auf dem Standpunkte der Kritik, wie wenn er der letzte und höchste wäre, stehen, oder ist die Meinung, mit Meinungen nur sei in den Meinungen der Menschen zu vermitteln und an ihnen diese formale, negativ - vernünftige Dia

lectik auszuüben, um den Begriff der christlichen Theologie, wie wenn sie selber nichts weiter wäre, als Empirie und Kritik oder ein Gemisch von beiden, zu realisiren, so trägt es eben damit selbst schon die Anwartschaft auf seine Vergänglichkeit und das Bedürfnifs eines weiteren Fortschrittes in sich zu einem Punkte, an welchem auch dieses nur als ein, wenn gleich nothwendiger Durchgangspunkt, doch auch nur als ein solcher erscheinen kann, der sich zu einem ab. stracten Moment des Begriffes herabsetzt. Die Kritik, welche nun eintritt und die Theologie zum Gegenstand habend die zerstreuten Momente des Begriffes sowohl an ihrem Ort gelten läfst, als auch aufhebt, um an ihrer Totalität erst den Begriff in seiner Wahrheit zu haben, ist eine andere und die wahrhafte, es ist die, welche nicht der abstracte Verstand für sich und nur in seinem Interesse treibt, sondern welche die freie Vernunft selbst an ihr hat; so ist sie die speculative.

Eine solche speculative Kritik aller bisherigen dogmatischen Theologie ist es, welche in dem vorliegenden Werk und zwar in der grofsartigsten Weise enthalten ist. Es sind nicht kleinliche Bilder und Bestimmungen, die uns hier, etwa wie in einem Gukkasten vorgeführt werden, ohne alle Bedeutung und Nothwendigkeit kommen und verschwinden, sondern diese Kritik hat den widersprechenden Geist in diesen Gestalten zum Stehen und Redestehen gebracht, ihn auch erst überall vollständig ausreden lassen, um das Mangelhafte daran aufzuzeigen. Möglich war eine solche Kritik nicht eher, als bis die Theologie der neuern Zeit in ihrer Zerrissenheit als Supernaturalismus und Rationalismus und in beiden Kategorien als mancherlei Modification und Gestalt von dem einen oder andern Prinzip, dort als strenge und weite, als buchstäblich gelehrtere oder geistigere, hier als die abstract raisonnirende, psychologisirende, ohne Philosophie und im Gegensatze zu ihr philosophirende, sich völlig er

reicht und erschöpft hatte. Aber nothwendig war sie alsdann und unausbleiblich, sowohl um zu zeigen, wie diese dogmatische Denkarten im Widerspruch mit einander und mit sich selbst mufsten zu Grunde gehen, als auch den Grund, nachzuweisen, in den sie gehen, um einer neuen Gestaltung der Wissenschaft Platz zu machen. Berufen dazu war der verehrte Hr. Vf. nicht nur durch den Standpunkt der Wissenschaft, auf wel chem allein eine solche Untersuchung gelingen konnte und gründend in der Wahrheit zu führen war, sondern auch durch die umfassende Gelehrsamkeit und Bekanntschaft mit allen Gestalten älterer und neuerer Theologie, obgleich diese unverkennbar genaue Kenntnifs nicht von dem gewöhnlichen geistlosen CitatenGeräusch begleitet ist. Nicht leicht ist dagegen irgend ein Moment des Begriffes dieser verschiedenen Denkarten unausgeführt geblieben welche vollständige Darlegung der Begriffsmomente die Verstandes-Flachheit,,das Construiren in der Hegelschen Schule” zu nennen pflegt. Aber wer sieht nicht, dafs mit einer solchen Kritik die schon vorhandene Krisis in der Wissenschaft selbst erst vollendet wird, und die Folgen davon für das Leben in der Kirche selbst unübersehlich sind. Sie betrifft nichts Geringeres, als die Prinzipien der Theologie und eine davon unzertrennliche neue Gestaltung der Wissenschaft, deren Bedürfniss dies Werk an allen Seiten fühlen lässt, ohne jedoch auch das Wesen und den Unterschied derselben gegen alle bisherige Theologie ausführlicher, als es im 3ten Theil freilich den Hauptpunkten nach geschehen ist, zu entwickeln.

Selbstsucht versteckt oder zum Vorschein bringt, ist hier mit einer Klarheit und Tiefe, Schärfe und Bündigkeit, Gedanken - Fülle und Macht entwickelt worden, welche selbst bei denen, die, es sei aus welchem Grunde es wolle, sich von dem Inhalt des Buches wegwenden, nicht ohne Anerkenntnifs und Bewunderung bleiben wird. Es muss sich wenigstens dem Gefühl des Befangensten verrathen und aufdrängen, dass die Schwächen und Mängel der modernen Theologie noch nirgends so, wie hier, aufgedeckt sind, und dafs von derselben fernerhin kein Heil für die Kirche und ihre Wissenschaft der Religion zu erwarten steht. Jetzt, wo diese Wissenschaft mit allen ihren grofsen Rechten und Ansprüchen noch immerfort, theils in dem angelernten Glauben der Frömmelei, theils in dem angeklügelten der Vernünftelei gefangen liegt, ist es kein geringes Verdienst, auf die Knechtschaft, welche sich selbst für Freiheit ausgiebt und in die nicht der christliche Glaube sich, sondern nur das Subject sich mit ihm begeben hat, aufmerksam zu machen. Dies lügenhafte Prinzip der Theologie in allen seinen Winkelzügen und Abstufungen vom unbefangenen Selbstbetrug an bis zur äussersten Selbstbelügung hin ist wohl durch dieses Werk hinreichend an den Tag des Bewusstseins gekommen und was allein nur noch zu wünschen und zu thun ist, wäre, dasselbe, wie es aus solcher Wissen. schaft auch in die Praxis eingedrungeu und besonders auf den Kanzeln als die äusserste Eitelkeit und Heuchelei zu den schauderhaftesten Erscheinungen kommt, gleicherweise aufzudecken. Denn wer kann sich verhehlen, wie sehr sich hier im Leben sowohl als dort Die auf die einfachsten Formeln zurückgeführten in der Wissenschaft, das Subject vor der Sache hervor ́Prinzipien, in welche die neuere Theologie mit allen drängt, und welche der Sache selbst fremde Gewalt ihren Modificationen zurück-, oder aus denen sie selbst hiemit dem Object angethan wird. Es ist die unendlihervorgeht, sind die Autoritäten des Objects und Sub- che Anmaassung der Subjectivität, dass sie voraussetzt, jects, dort die Kirche einerseits mit ihrer behaupteten es werde ja, was sie vorbringt, immer interessant und Unfehlbarkeit, andrerseits mit der heiligen Schrift, hier gut genug sein für andere, die auch nur subjectiv interdie Vernunft mit ihren Ideen und Ansichten; dort ist éssantes zu wissen begehren: gleich aber sind sich beies das heilige Orakel, welches befragt, hier die Büchse de darin, dafs es ihnen um die Sache selbst noch gar der Pandora, aus der alles hervorgelangt wird. Das nicht zu thun und kein Ernst damit ist. Das Subject Dritte ist dann die äufserliche Vereinigung beider Au- hat allein Recht, die Sache selbst hat keines. Dagegen toritäten, so dass an der einen, der göttlichen Offenba- ist dies Werk das vollständige Bewusstsein des Widerrung und heiligen Schrift sich die andere in Prüfung spruchs, worin sich die neuere Theologie mit sich und Beurtheilung nach den Ideen der gesunden Ver. selbst befindet, Bewusstsein der Knechtschaft und Freinunft und in der Auslegung der Schrift geltend macht. heit zugleich. Es ist der theologische Beweis dessen, Wie hinter der einen und andern Autorität sich die was Calderon sagt:

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dafs Ich sich selbst die gröfste Krankheit ist; aber auch der speculative Commentar zu dem Ausspruch 2 Christi: ich bin die Wahrheit; die Wahrheit wird euch ✰ frei machen. Auf diese Freiheit, in der alle wahre Autorität begründet ist, auf diese Unabhängigkeit des Gedankens von aller Sub- und Objectivität ist es allein abgesehen.

sie gegen die objective Autorität der kirchlichen Unfehlbarkeit geleistet, sondern er hat sie auch in ihr selbst begriffen als das, was sie wahrhaft ist. Höher allerdings, als die Bibel, ist der Glaube gestellt, den sie lehrt. Aber ist es nicht so und muss es nicht so sein? Ist der historische Glaube mehr, als die äussere Bedingung des religiösen? Gegen den Glaubensinhalt der Bibel tritt sie selbst zurück als das ihm untergeordnete. Kommt es nun vollends zur Wissenschaft, so ist sie das wahre Wissen allerdings nur so, dafs es vom Glauben, dem wesentlichen Inhalt der Bibel, nicht ab- und losläfst; es hat an diesem Glauben selbst allein seinen Gegenstand; aber es ist doch wohl als Wissen ein anderes, als wieder nur Glauben; wozu sonst die Wissenschaft? wäre sie nicht eine blofse Illusion? Der Gegenstand aber, den der christliche Glaube hat, ist Gott, als der Dreieinige. Der Glaube ist es, worin das Berichten der Bibel seine Wahrheit hat, aber die Erkenntnifs ist es, worin der Glaube seine wissenschaftliche Wahrheit und Rechtfertigung hat, und um des Glaubens und der Erkenntnifs willen ist es, dass die Bibel uns von Gott, als Vater, Sohn und Geist Bericht gegeben hat. Durch diese erkannte Wahrheit erst ist die Welt frei geworden, und an die Stelle der Freiheit tritt die Unfreiheit, wenn, „statt dass geglaubt werde, was gesagt worden, weil es wahr ist was wahr ist, geglaubt werden soll, weil es gesagt worden". S. 330.

Die Untersuchungen über das protestantische Prinzip der Dogmatik, dessen einzelne Momente hier ihre scharfsinnigste Würdigung finden, sind von vorzüglicher Bedeutung und Wichtigkeit und gehen zuletzt zu einem Abschlufs und Resultat, welches anzuerkennen sich wohl nur noch die völlige Befangenheit oder Bewusstlosigkeit weigern kann. Nicht zu erinnern an die gewöhnliche gedankenlose Verwechselung von Norm und Prinzip, nach welcher man die Bibel, in den Glaubensbekenntnissen der evangelischen Kirche stets und äusserst genau norma fidei genannt, zum Prinzip des Glaubens machte, kann man es doch unmöglich länger läugnen, dafs der Grundsatz: die Bibel sei die Offenbarung und Quel le unseres christlichen Glaubens, noch gar vieler Bestim1 mung bedarf, um gegen den Mifsverstand und Unverstand geschützt zu sein, der sich fortwährend noch daran knüpft. Denn was ist die Bibel ungelesen, unverstanden, unausgelegt? ist es nicht so gut als wäre sie gar nicht da? Gehört aber das Lesen, Verstehen und Auslegen so wesentlich mit zu ihr selbst, dafs sie ohne dasselbe nicht kann Quelle aller göttlichen Offen-,,Aus der Erkenntnifs Gottes, wie sie die des denkenbarung und christlichen Religionserkenntnifs sein, so mufs sie wohl der wahren Hermeneutik, als ihres Schlüssels, bedürftig sein, und das Prinzip vielmehr so lauten: die Bibel, so, wie wir sie verstehen und auslegen, ist diese Offenbarung und Quelle u. s. f. Da ist sie aber die Bibel nicht mehr an und für sich, sie kommt mit ihrem göttlichen Inhalt auf ein ganz menschlich Gebiet herüber, ist ein von der Kritik und Gelehrsamkeit abhängiges und in alle Abwechselungen und Zufälligkeiten menschlicher Bildung und Unbildung, in alle möglichen Voraussetzungen und wirkliche Folgerungen daraus verflochtenes. Indem jeder so die Bibel anders und nach seinen Ansichten interpretirt, steht an der Stelle der objectiven Autorität, die wir an ihr zu haben dachten, eine ganz subjective. Man wird dem Hrn. Vf. nicht den Vorwurf machen können, dafs er der Bibel nicht alle Ehre, die ihr gebührt, gelassen

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den Subjects in der Unterwerfung seiner selbst unter das Denken ist, so, dass erst hiemit dasselbe zu dem seinigen wirklich wird, rechtfertigt sich denn auch die Behauptung, dafs das, was nach dem Bericht der Bibel, Christus und seine Apostel lehrten, darum, weil sie es lehrten, wahr sei: denn die Erkenntnifs enthält, dafs er, indem als Gott und Mensch die substanzielle Wahrheit selbst, spricht und lehrt, was wahr ist darum, weil es wahr ist.". S. 332. „Und nicht nur ein Mittel ist sie, welches zweckmässig und sogar das zweckmäfsigste wäre, sondern vielmehr das Mittel und neben der Taufe und dem Abendmahl das einzige, wodurch von der Wahrheit die Selbständigkeit der Kirche äufserlich und so begründet ist, dass aus der erkannten Wahrheit seine innere Nothwendigkeit, wie die der beiden andern, somit die Bibel, wie die Taufe und das Abendmahl als Gnadenmittel d. i. als das der Welt für ihre

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der Subjectivität oder Knechtschaft Gemachte, zu begreifen steht." S. 333. Die affirmative Seite dieser kritischen Untersuchung ist also, dafs die Dogmatik am christlichen Glauben ihren Gegenstand und in ihm die Kirche ihre Autorität hat, beide aber, Glaube und Gemeinde der Gläubigen, ihre Autorität in der erkennbaren Wahrheit an und für sich haben. - Indem eben darin erst zur wahren Freiheit zu gelangen steht, ist eben dieses Prinzip das wahrhaft protestantische. Mit diesem Prinzip, unbefangen und unbewusst ausgeübt der Anfang der evangelischen Kirche vor 300 Jahren, dann durch mancherlei Entstellung im Supernaturalismus, durch mancherlei Verstellung im Rationalismus hindurch gegangen, ist der Protestantismus jetzt erst zu seiner vollen Wahrheit gelangt.

Es handelt sich demnach jetzt in der Wissenschaft und in Ansehung ihres Prinzips um nichts Geringeres, als um das Recht, welches Gott selbst habe, von dem Menschen erkannt zu werden. Dieses Recht muss von Allem, was nur Parthei ist und jedem, der nur einer Parthei angehört, geleugnet werden, mit der Anerkennung dieses Rechts aber würden sie alle zugleich der wirklichen Erkenntnifs Gottes theilhaftig sein, weil sie es nur aus Gott in Gott erkennen könnten. Wie lange man sich daher auch der Scheu befleissige vor einer Untersuchung des Prinzips oder des Grundes und Bodens, worauf die Theologie gegenwärtig steht, und die Fragen und Zweifel umgehe, ob sie auch wohl fest und sicher darauf stehe, oder mit untergeordneten Interessen sich beschäftige, wie wenn das Allgemeine längst in der nöthigen Ordnung und abgemacht sei, endlich muss sich die Aufmerksamkeit doch auch darauf lenken. (Die Fortsetzung folgt.)

XXVI.

Die Juden im Preussischen Staate, eine geschichtliche Darstellung der politischen, bürgerlichen und privatrechtlichen Verhältnisse der Juden in Preufsen, nach den verschiedenen Landestheilen von C. F. Koch, Königl. Preufs. Oberlandesgerichts-Assessor und Director des Landund Stadtgerichts zu Culm. Marienwerder 1833. Im Verlage bei Albert Baumann IV. und 306. in 8.

Wer eine Geschichte der Juden schreiben will, mufs grofse Eigenschaften besitzen, die einem sonstigen Historiker abge

hen können. Es kommt nämlich hier nicht blofs auf Thatsa chen, und auf eine treue Wiedergebung derselben an, sondern wesentlich auf den Standpunkt und den Geist des Geschicht schreibers. Wie die alte Jüdische Geschichte nur als heilige, nicht als profane eine Bedeutung hat, so kann von der neueren gesagt werden, dafs sie nicht in ihrer eigenen Selbstständigkeit, sondern nur als Reflex und Wiederspiegelung der Weltgeschichte einen Werth besitzt. An sich ist die Geschichte der Juden nicht wichtiger, als die gründliche Aufzählung der verschiedenen Marterwerkzeuge, als die gelehrte Betrachtung der Daumschrauben wäre, die bei Hinrichtungen gebraucht worden sind. Will man diesem Stoffe ein dauerndes und ewiges Inter. esse geben, so muss man ihn als das weiche Element betrach ten, auf dem die Weltgeschichte ihren Druck hat auftreten lassen: alle Leidenschaften, die sich hier bewegten, werden darin

ihre negative Seite haben, und die harmonische Auflösung aller jener Qualen, ist nur die Verallgemeinerung und die Gedankenmässigkeit des Weltgeistes selbst.

Was sollen wir nach diesen Ansichten zum vorliegenden Buche sagen? Die ganze Aufgabe, eine statistische Geschichte der Rechtsverhältnisse der Juden im Preussischen Staate zu schreiben, ist an sich so leer, dass man die unendliche gelehrte Abmühung des Verfassers, sein eifriges und emsiges Quellenstudium, nur bedauern kann. Welche Wichtigkeit liegt in der That in der gründlichen Erörterung, über den Begriff, die Erwerbung und den Verlust des Judenschutzes, (S. 32 — 47.) in der sehr fleifsigen Ausführung über die Einschränkungen und Zurücksetzungen der Juden in bürgerlichen und rechtlichen Verhältnissen, (S. 48—125.) und in der Abhandlung über die eigenthümliche gesellschaftliche Verfassung und das nationelle Recht der Juden (S. 125-163.), wozu dem Verfasser doch nur äufsere und dürftige, aber keine inwendige Qnellen zu Gebote standen. Die Eigenschaften, welche wir oben von einem Geschichtschreiber der Juden verlangten, hat derselbe nicht, und konnte sie auch nicht haben. Es war ihm gerade um die Beziehungen zu thun, die wir nur als sekundaire betrachten,

um den Druck der Gesetze, als einen absoluten, den wir nur rücksichtlich seiner Wirkungen dargestellt sehen möchten. Wenn auch die Entwickelung des heutigen Zustandes seit dem Jahre 1812, und seiner Rechtsverhältnisse (S. 171-221.) so wie der Lage der Juden in den wieder eroberten und neuen Provinzen (S. 222-306.) von dem Verfasser mit eben so vieler juristischen Wichtigkeit und nicht minderem Ernst, als die vorigen Abschnitte, vorgetragen ist, so fehlt ihr doch der weltgeschichtliche und philosophische Sinn, die gemüthvolle Erschlossenheit für alles was Emancipation gedrückter Klassen heifst, ohne wel

che solche Versuche einen peinlichen Eindruck zurücklassen.

Was soll man sagen, wenn der Verf. Paulus, den geistlosen Mitreder über Alles, einen Riesen und Löwen nennt? Mufs man nicht in der That meinen, dafs Basnage's histoire des juifs eine bis jetzt noch unübertroffene Geschichte sei?

Gans.

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