Der Riterlichen Meilter vnd Bruder zu Nieflant geschicht, wie sie von wegn des Christen glaubens, vom tusent hundirt vnd dri virzig iar an, biß vf tusent zwey hundirt neunzig iar mitt den heiden gott zur ere, inen zur selen seligkeit gefochten haben. 15 Allen Zungen ist zu smal, jot der himel vnd erden Vogel in lebender vrische, Zu sprechen von des wunders zal, Lobelich sprechen von der tat, Varianten der Heidelberger Handschrift. 1) Zu den ersthen lys. 2) geschuf zo yn korßer vrist. Paraphrase der livländischen Reimchronik. 1. Einleitung, B. 1-112. Nachdem Gott die Welt erschaffen mit Allem, was darinnen, und an Juden und Heiden manch Wunder in alten Tagen gethan aus Güte, hat er das größeste dadurch bewiesen, daß er menschliche Natur angenommen. Die Gnade, die uns dadurch geworden, kann ein Mensch, und sei er auch so weise als Salomo, nie genug preisen; ja, wenn Sand, Laub und Gras davon reden könnten, so würden sie nicht vermögen, Gott dafür genugsam zu loben. Unser Herz sollte darob vor Freuden springen, und mit Herz und Mund sollten wir Gott stets rühmen, daß er das Christenthum gestiftet und uns vom Tode erlöset hat, ein seliger Troft allen Christen, die nun Gottes Kinder sich nennen dürfen. Ehren wir diesen Namen und bekehren wir uns von der Sünde, so giebt er uns zum Lohne dort bei sich ein ewiges Leben. Wir fullen ein rede beben an. Do irstunt er an dem dritten tage Wa fie quamen in die lant, 65 [B. 4] Des wart in manich wider stos. 75 Gemachet wart von menschen bant. Da ir hie beuor was nicht. Dis triben sie bis in den tot; 80 Do nam sie got von aller not [B. 4b] Die nach ir ziten bliben Vnd entpfiengen den touf: 5 Vnd mit siner gnaden gift Was man zu rechte tun sol. Wer nach der schrift wil rechte leben, 10 Dem wirt ein selig lon gegeben Mit gote in bimelriche: Da ist man vreuden riche. 1) von der erde vlur. 2) do santhe her synyn bothen hyn. 3) uymmer mere wedir. 4) bekannt manch vil lant. Durch seine Menschwerdung und sein Marterleiden hat Gott das Christenthum ge= stiftet: darnach erstand er am dritten Tage und erlöste manche Seele von ihrer Betrübniß, worauf er von dieser Welt gen Himmel fuhr; dann sandte er den heil. Geist zur Vollendung des Glaubens. Aber sein Lob (und Erkenntniß) blieb noch unbekannt in manchem Land; da sandte er seine Boten hin und gab ihnen seine Gnade, daß sie den Glauben lehrten und die Völker bekehrten, troz manchen Widerstandes. Seine Gnade ergoß Gott auf sie in manchen großen (Wunder-) Zeichen, wodurch der bösen Heiden Sinn erweicht ward; und als diese sahen, wie der Apostel Kraft ihre Gößen vernichtete und ihrer Gewalt beraubte, da stürzte der Teufel sie alle nieder, daß dergleichen nicht mehr durch Menschenhand mehr gemacht wurde. So ward (durch die Apostel) manch Land zum Christenthum bekehrt; denn dieß Werk trieben sie bis an ihren Tod, da Gott sie aus aller Noth erlöste und ihnen zu großem Lohne im Himmel ein ewig Leben gab. Die Werke Gottes an ihnen (und durch sie) find hinlänglich beschrieben und ich muß mich enthalten, davon zu sprechen; ich will vielmehr erzählen, wie Gottes Güte das Christenthum in manches Land verbreitet hat, wohin nie ein Apostel kam. Denn durch der Apostel Lehre waren so Manche bekehrt, durch die nach ihren Zeiten gar viele zur Annahme der Taufe gebracht wurden, so daß durch Gottes weise Fügung das Christenthum sich weit ausgebreitet hat und nach seiner Gnade die Welt durch die Schrift erleuchtet worden, aus der man erkennet, was recht ist zu thun. Wer nach ihr recht leben will, dem wird ein seliger Lohn von Gott im Himmelreiche gegeben, wo der Freuden Fülle ist. Nu ban ich uch gesaget Den cristentum in manich lant. 20 Nu wil ich machen uch bekant, Wie der cristentum ist komen Zu nieflant, als ich han vernomen Das wil ich uch beduten, Das sie gewinnen wolden gut, Das stoset an der selen lant;4) 45 Das was ein heidenschaft vil sur, Die ouch heiden waren genant. Do mochtes anders nicht gesin. Das sie liep vnd gut 65 Den cristen wolden haben genomen. Das fie ir mochten nicht gehaben; 5) 75 Wenn ir wart in kurzer stunt®) Von scbiesen sumelicher wunt. Do sprachen sie vmme einen vride Zu in vrielich uf das lant. 1) Riche unde vor meßen. 2) was sal ich ewch dovon sagen me. 3) des vlos get uz russen lant. 4) das stozen an derselben lant. 5) das sy ir nicht mochtyn gehaben. 6) wer erwart in kurzer stunt. 2. Erste Ankunft und Ansiedelung der Deutschen in Livland, V. 113-228. Nachdem ich euch von Gottes Sohn und der Magd Maria, meiner Gebieterin, der himmlischen Königin gesagt, und wie sein göttlicher Rath das Christenthum in manch Land verbreitet hat, so will ich euch nun erzählen, wie das Christenthum nach Livland gekommen, so wie ich es von allen Verständigen vernommen, nach meinem besten Vermögen. Reiche und ehrenbegabte Kaufleute (in Deutschland) dachten auf Handelsunternehmungen und wurden irgend einmal von einem Manne, der fremde Länder kannte, mit ihren Schiffen auf die Ostsee gebracht, wovon ich nicht mehr erzählen will. Dort wird ein Fluß die Düna genannt, welcher aus der Russen Land fließt. An demselben hatten Heiden ihre Wohnsize, die Liven, Selen, Russen und andre. In ihr Land zu kommen, war gefährlich, das wußten die Deutschen, aber durch Sturm wurden sie dahin verschlagen und fuhren sorgenvoll in die Düna. Gleich nach ihrer Ankunft sammelten sich Schaaren von Heiden, theils auf Schiffen (Böten), theils zu Lande, um den Christen Leben und Eigenthum zu nehmen. Diese aber erwehrten sich mit Tapferkeit der Heiden, welche bald entnahmen, daß ste derselben nicht mächtig werden würden, da ihrer so viele in kurzer Zeit verwundet wurden, und (daher) mit den Christen einen Frieden bei Strafe des Hängens für den, der ihn brechen würde, machten. Des waren auch |