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Der Tod hat am 18. März 1871 einen Mann, der zu den besten Söhnen seines Volkes zählte, den edlen Ger

vinus aus dem Lande der Lebenden in's Reich der Schatten abgerufen.

Das Erstlingswerk Georg Gottfried Gervinus' außer seiner Habilitationsschrift, die bereits 1830 erschien waren seine historischen Schriften“ (Frankfurt 1833), die damals die Aufmerksamkeit der Fachgelehrten auf den jungen Historiker lenkten und ihm 1835 den Weg zur außerordentlichen Professur in Heidelberg bahnten, auf dem er dann rasch zu der Bedeutung sich emporschwang, die ihn zu den Koryphäen deutschen Geisteslebens zählen läßt.

Wenn auch Gervinus' große Hauptwerke, die Geschichte der deutschen Dichtung, sowie die des 19. Jahrhunderts seit den Wiener Verträgen, ebenso „Shakespeare" den Glanzpunkt seines geistigen Schaffens offenbaren, so verdienen doch gerade jezt, bei dem Hinscheiden

des rastlosen Denkers auch jene ersten Arbeiten eine erneuerte Aufmerksamkeit und Würdigung seitens aller Freunde der Geschichte. In diesem Sinne glaubte der Verleger zu handeln, wenn er hiermit eine neue Ausgabe der historischen Schriften Gervinus' *) vorlegt, der er durch Beigabe eines trefflichen Bildes des großen Gelehrten einen erhöhten Werth zu verleihen hofft.

Wien, im März 1871.

Wilhelm Braumüller.

*) Die 1860 aus dem Verlag von Varrentrapp in Frankfurt käuflich an mich übergingen.

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Georg Gottfried Gervin us wurde am 20. Mai 1805 zu Darmstadt geboren und starb am 18. März 1871 zu Heidelberg, nach nur siebentägigem Krankenlager, in Folge eines heftigen gastrisch-rheumatischen Fiebers, zu dem am letzten Tage vor seinem Tod eine Gehirnlähmung hinzutrat. Sein Vater war ein geachteter Bürger, und auch von mütterlicher Seite war er verwandt mit den angesehensten Bürgerfamilien Darmstadts. Er besuchte hier das schon damals, unter Zimmermann, nicht ganz üble Gymnasium, zu dessen Schülern in neuerer Zeit auch Liebig und eine Reihe anderer namhaften Männer gehört hatten, sowie schon im vorigen Jahrhundert Lichtenberg. Ließen auch in dieser seiner Schulzeit die meisten Lehrer viel zu wünschen übrig, so überbürdete man doch die Schüler nicht mit Schulstunden und häuslichen Arbeiten, wie es heute so sehr überhand genommen hat. Vielmehr gewährte man ihnen eine genügend freie Bewegung und eine wohlthuende Anregung zur Selbstthätigkeit. Ganz besonders gesteigert ward diese freilich noch durch einige anderen Ursachen, die in den Verhältnissen theils der Zeit, theils der Dertlichkeit gegeben waren. Die Freiheitkriege hatten nämlich einen überaus frischen

*) Wir wissen bestimmt, daß eine, gewiß sehr anziehende, Selbstbiografie von ihm vorhanden ist, aber nicht wie weit sie geht. So sehr wir uns bewußt sind in dieser kurzen Skizze weit hinter der Aufgabe zurückzubleiben, die der Verfasser des Nekrologs eines Mannes wie Gervinus sich zu stellen hat, so glauben wir dennoch Einiges über ihn nicht ungesagt lassen zu dürfen, da es bis jetzt nur sehr Wenigen bekannt ist. D. E.

Geist und regen Trieb zum Schaffen in der Jugend wachgerufen, welchen die Turnerei und ein am Gymnasium gestifteter sogenannter ,,Tugendbund," dem auch Gervinus angehörte, nicht wenig förderten. Dazu kam der günstige Umstand, daß in der kleinen hessischen Residenzstadt ein ungewöhnliches Maß von Bildung, insbesondere von politischer Bildung und von Kunstsinn, herrschte. Dazu hatte der freisinnige Großherzog Ludwig I. in seiner Art überaus viel beigetragen, indem er den bei Weitem größten Theil seiner Einkünfte, unter der einsichtvollen Leitung des Geh. Cabinetsecretärs Schleiermacher, lediglich für Zwecke der Wissenschaft und Kunst verwandte, eine vors treffliche Hofbibliothek, eine Gemälde- und Naturaliensammlung schuf. und sowohl das Schauspiel als die Oper unbestritten auf die höchste Stufe in Deutschland erhob. Die Rückwirkung auf die ganze Einwohnerschaft, und namentlich auf die Jugend, konnte nicht ausbleiben. Dieselbe benutzte durchweg aufs Fleißigste die Hofbibliothek, und neben ihr eine so ausgezeichnete Leihbibliothek (die es über 100,000 Bände brachte) wie Deutschland keine zweite aufzuweisen hatte; die Schüler wurden zu Unternehmung von Privatstudien und Arbeiten aller Art in einer Weise angeregt, wie es sonst gewiß selten vorgekommen sein wird; fie besuchten häufig das Theater und versuchten sich unter Anderm fast in allen Zweigen der Dichtkunst. Zu diesen Schülern gehörte auch Gervinus, der namentlich gute Hexameter machte, und besonders lebhaften Antheil nahm an den hervorragenden Leistungen der Darmstädter Bühne, sowie überhaupt an der dramatischen Kunst. Schon damals war er ganz erfüllt von Shakespeare, über dessen reiche Menschenkenntniß und treffliche Schilderungen der Charaktere und Lebensverhältnisse er sich später als Mann so eingehend aussprach. Er las bisweilen Shakespeare'sche Stücke mit dem vorzüglichen Schauspieler Grüner, der kurz vorher die erste Größe des Wiener Burgtheaters war, und nun als Regisseur in Darmstadt wirkte; mit ihm besprach er die einzig richtige Art, in der diese oder jene Rolle aufgefaßt, beziehungsweise gelesen werden müsse, und der reife Bühnenkünstler gab dabei nicht selten dem Jüngling nach. Indessen hatte Gervinus mit dem vollendeten vierzehnten Jahre die Classe (secunda) verlassen, also prima und selecta gar nicht besucht, und war in das Geschäft eines dortigen sehr wackern Kaufmanns eingetreten, worin er vier Jahre lang blieb und volle Gelegenheit fand sich nicht nur Geschäft= kenntnisse anzueignen, die ihm mannichfach zu Statten kamen, sondern auch ein außerordentliches Geschick im Kopfrechnen. Seine kaufmännische

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