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Einleitung.

Bevor wir die Rechtsquelle einer eingehenden Betrachtung unterziehen, welche dazu bestimmt war einen neuen rechtlichen Zustand in Böhmen und Mähren zu begründen, das Rechtsbewusstsein des Volkes und seine Rechtspflege auf Grundlage des deutschen Rechtes zu umstalten und den ganzen Culturzustand dieser Länder zu heben, kann es nicht gleichgiltig sein zu untersuchen, welchen Boden und welche Zustände sie daselbst antraf. Ohne in die innere Natur unserer Rechtsquelle jetzt schon näher einzugehen, müssen wir sie von vornherein als eine solche bezeichnen, die ihrem Grundwesen nach auf rein deutschen Rechtsanschauungen beruht, und eben desshalb in einem schroffen Gegensatz zu dem Boden steht, in dem sie gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts plötzlich tiefe Wurzeln schlägt, und eine ähnliche Mission übernimmt, wie sie Lübeck und Magdeburg für die nordöstlichen slavischen Länder zu erfüllen hatten.

Es ist übrigens nicht unsere Absicht die Bildung eines eigentlichen städtischen Gemeinwesens nach deutschem Vorbilde im Anfange und Laufe dieses Jahrhunderts in Böhmen und in Mähren und überhaupt die Colonisationsgeschichte dieser Länder durch Deutsche in den verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung hier zu verfolgen und im Einzelnen darzustellen, so wünschenswerth es auch wäre über diese aus Mangel urkundlicher Ueberlieferungen leider sehr dunkle, aber darum nicht minder wichtige Partie in's Klare zu kommen. Es ist diess eine Aufgabe, deren Lösung, so weit sie überhaupt möglich ist, andern Forschern überlassen werden muss.

Tomaschek, deutsches Recht.

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In den Forschungen Palacký's für Böhmen, Rössler's 1) und Chlumecky's 2) für Mähren werden sie fleissige und gründliche Vorarbeiten für diesen Zweck vorfinden. Wir wollen uns darauf beschränken die Rechtsanschauung dieser Länder, die als eine slavische oder specifisch böhmische bezeichnet wird, und ihre Gerichtsverfassung vor dem Erscheinen des deutschen Rechtes kurz darzustellen, im Einzelnen einer näheren Prüfung zu unterziehen und die Frage zu erörtern, ob nicht vielleicht in den bereits vorhandenen Rechtszuständen sich einzelne Institute und Anschauungen vorfanden, an die das neue deutsche Recht, ohne in einen principiellen Gegensatz zu geraten, anzuknüpfen im Stande war, so weit es die Ausbildung der städtischen Verfassung zuliess, die durch die autonome Gerichtsbarkeit des Schöffenthums gewahrt wurde. Diess ist eine an und für sich nicht unwichtige und doch schwierige Aufgabe, denn überall erscheinen das böhmische Landrecht (jus provinciale, jus terrae) und das deutsch-städtische Weichbildrecht (jura civitatis) einander schroff gegenüber gestellt. Beide verfolgen abgesondert und durch einander unbeirrt ihren eigenen Gang. Doch verbreitete sich das deutsche Recht von seinem Mittelpunkt, den Städten im Lande immer mehr und mehr. Nicht nur die Dörfer der nächsten Umgebung, die von Bürgern nach deutschem Rechte ausgesetzt wurden, richteten sich nach ihm, auch die slavischen Dorfanlagen suchten sich allmälig die Wohlthaten der deutschen Rechtspflege zuzuwenden, so dass nach Palacký 3) in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts kaum ein nicht nach deutschem Rechte ausgesetztes Dorf zu finden war. Die Competenz der Landesgerichte und die Geltung des Landrechtes verringerte sich immer mehr, und beschränkte sich zuletzt, ja schon im Anfange dieses Jahrhunderts auf den Adel. Es scheint fast, als gebe es kein Vermittlungsglied zwischen dem deutschen Stadtrechte und dem böhmischen Landrechte und doch finden wir augenscheinlich die böhmischen Rechtsbücher des 14. Jahrhundertes 4) von vielen deutschrechtlichen Instituten und Anschauungen durchdrungen. Es ist daher wichtig das, was in den ältesten Aufzeichnungen des slavischen Landrechtes

1) Deutsche Rechtsdenkmäler II. Die Anfänge des deutschen Städtewesens in Mähren. S. I-XXII.

2) Mährische Dorfweisthümer.

3) Palacký, G. v. B. II. 1. S. 160.

4) 1. Kniha starého pána z Rožmberka (das Rechtsbuch des Herrn von

Rosenberg).

2. Řád práva zemského (Ordo judicii terrae).

3. Majestas Carolina vom J. 1348.

specifisch slavisch ist, von dem zu trennen, was auf einer der deutschen Rechtsanschauung verwandten oder gleichen Grundlage beruht 1). Gelänge diese Scheidung, so wäre für die überraschend schnelle Ausbreitung des deutschen Rechts ein Anknüpfungspunkt und eine, wenn gleich schmale Brücke gewonnen, dann liessen sich manche Erscheinungen erklären, warum z. B. die spätern Redactionen des nationalen Landrechtes und die deutschen städtischen Rechtsaufzeichnungen so selten eines Gegensatzes zwischen beiden erwähnen, der doch bei ihrer simultanen Geltung auf einem und demselben Gebiete so oft hätte entstehen müssen, warum die alten Landtafeln des 14. Jahrhunderts 2), in denen wohl eine ergiebige, wenn gleich spätere Quelle für das ältere grösstentheils ungeschriebene Gewohnheitsrecht fliesst, sich weder im Wesen noch in der Form von den gleichzeitigen Aufzeichnungen in den Stadtbüchern unterscheiden.

Zur Erklärung dieser Uebereinstimmung reicht die Annahme nicht aus, dass erst durch die Reception der deutschen Feudalrechte 3) mittelbar deutsche Rechtsansichten sich in das Landrecht eingeschlichen haben, der ganze privatrechtliche Theil desselben ist voll deutschrechtlicher oder diesen verwandter Institute. Es thut hier ein Zurückgehen auf den ältern Rechtszustand des Volkes noth, der freilich nur aus dürftigen Aufzeichnungen erkennbar ist.

4. Výklad na právo české (das Rechtsbuch des Herrn von Duba). Im 15. Jahrhundert:

a. Kniha Tovačovská. In neuester Zeit zum ersten Male herausgegeben von Demuth. Brünn, 1858.

b. Vict. Korn. ze Wšehrd: o práwiech a súdiech i o dskách země české. Herausgegeben von Hanka. Prag, 1841. Das Hauptwerk über das altböhmische Recht. (Sieh die Vorrede von Palacký. S. XI.).

1) Worin der letzte Grund dieser Uebereinstimmung, soferne sie keine wörtliche ist, zu suchen sei, ob zuletzt in der gleichen indogermanischen Urabstammung des germanischen und slavischen Volksstammes oder in einer Reception der deutschen Rechtsinstitute, darüber wagen wir es nicht aus Achtung für die nationalen Gefühle ein voreiliges Urteil zu fällen. Leider fehlt zur Bildung eines endgiltigen Urteils noch immer eine nothwendige Vorbedingung, eine auf gründlichen kritischen Untersuchungen beruhende, alle Stämme umfassende slavische Rechtsgeschichte.

2) Die Landtafel des Markgrafthums Mähren hat in neuerer Zeit durch P. Ritter von Chlumecky, J. Chytil, C. Demuth und A. Ritter von Wolfskron, Brünn 1856, eine ausgezeichnete Herausgabe gefunden.

3) Schon im 13. Jahrhunderte kam das deutsche Lehenwesen durch Bischof Bruno von Olmütz in Mähren in Aufnahme. B. III. 349, 363, 365, IV. 45, 46, 47, 60, 75, 103, 108 u. a. m. Vgl. Chlumecky, M. D. W. S. 19. Das mährische Lehenrecht des 14. Jahrhunderts "prawa manska" ist eine wörtliche Uebersetzung des Lehenrechtes des Schwabenspiegels. Vgl. R. II. S. XXXIX.

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