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waren wir geborgen und brauchten nicht mehr zu eilen. Wir genossen mit aller Musse das wundervolle Schauspiel, das uns jetzt zu Theil wurde und zum Schlusse wohl den erhabensten Genufs des an Genüssen so reichen Tages bot. Die Sonne überfluthete mit ihren letzten Gluthen die stolzen Häupter und eisigen Gehänge des Breithorns, der Zwillinge und des Lyskammes. Den Monte Rosa, der vermöge seiner Stellung der untergehenden Sonne ein viel weiteres und fast schattenloses Schneegewand weist, mufs man bei dieser Beleuchtung gesehen haben, wo er an Glorie seine bescheideneren Nachbarn weit überstrahlt. Ein erhabnerer Anblick als diese Reihenfolge tiefgerötheter Schneemassen lässt sich kaum denken, und dazu die feierliche Ruhe, die lautlose, geheimnisvolle Stille, die ringsum herrschte! Ich vermochte kaum, mich von dem herrlichen Bilde loszumachen, und musste mich immer und immer wieder danach umwenden; ich suchte mir es tief einzuprägen und werde es wohl nimmer vergessen.

Den Weg, welchen wir an den Abhängen des Monte Rosa gemacht, konnten wir mit blofsem Auge selbst in dieser Entfernung noch bis weit hinauf, wo die gefrorenen Schneehänge begannen, verfolgen. Als wir von der rothen Kumme einen letzten Blick zurückwarfen, hatte sich das Bild, wenige Augenblicke zuvor noch von Leben und Wärme erglühend, in dasjenige des Todes und der Erstarrung umgewandelt. Die riesigen Formen schimmerten nur noch wie verklärte Geistergestalten in bleichem Lichte uns entgegen.

Miscellen.

Ueber die geographische Verbreitung des Tigers (Felis tigris).

Nach J. F. Brandt, Akademiker in St. Petersburg: Untersuchungen über die Verbreitung des Tigers und seine Beziehungen zur Menschheit. Sendschreiben an Herrn Baron A. v. Humboldt. St. Petersburg 1856. 4. Eine Mittheilung in der Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin am 5. Juli von C. Ritter.

Zu den früheren Versuchen ') von Nachweisen über das Löwen- und TigerLand auf der Erde giebt der Verfasser eine vollständig ausgearbeitete Monographie, aus der wir hier nur Einiges von allgemeinstem Interesse hervorzuheben versuchen.

1) A. v. Humboldt, über den Löwenjäger J. Gérard: Allgemeine Erdkunde Th. VI. 1836. Bd. IV. 2. Abth. S. 688-723: über das Löwen- und Tigerland.

Nach einer historischen Angabe über Verbreitung S. 1-9, über specielle geographische Ausbreitung S. 9-31, geht der Verfasser im dritten Abschnitt zu allgemeinen Folgerungen in Beziehung auf Vergangenheit und Gegenwart über.

Wie dem Löwen in Afrika und in einem namhaften Theile von West-Asien die Obergewalt über alle wilde Thiere seines Bezirks nicht abzustreiten, sagt er, so ist auch der Tiger der ausschliefsliche Beherrscher der Thiere des gröfsten Theiles von Ost- und Südost-Asien. Beide Thierkönige begegnen sich wohl einmal auf ihren Grenzgebieten Beludschistan, Iran, Kurdistan und den Indus-Landschaften, bleiben sonst aber in gegenseitiger respectvoller Entfernung. Das nördlichste gegen die polare Seite hin vorkommende Gebiet des Tigers ist die Süd- und Südwestküste des kaspischen Meeres, Ghilan und Mazenderan, nordwärts bis zum Ili und dem Balchasch-See, am Tarym, auch östlich vom Saisan - See am Irtysch und im Süden des Altai. Ostwärts in der Mandschurei ist er noch häufig bis Korea und in den einsamen Thälern an der chinesischen Grenzmauer. Von da an erstreckt sich sein Gebiet südwärts durch Vorder- und Hinter-Indien, über Sumatra und Java, wo er seine eigentliche Aequatorialgrenze erreicht. Von seinen Westgrenzen, vom Indus und Oxus, macht er Streifzüge gegen Westen bis zum Aralsce und nach Baku am Ostfufse des Kaukasus, in die Kirgisensteppe und zum mittleren Irtysch. In Hinterindien so gut wie in Vorderindien ist seine Heimath. Aber im mittleren und östlichen cultivirten China, auf Ceylon und in einem Theile Vorderindiens ist er ausgerottet.

In den Gebirgen von Tibet und Nepal steigt er auch hoch hinauf bis zur Schneegrenze und begegnet dort den Polarthieren noch eher, als an den Nordgrenzen der Mandschurei und Mongolei, wo er selbst öfter Rennthiere, Luchse und andere Thiere überfallen kann, die man Halb-Polarthiere nennen darf, im Gegensatz zu Eisfüchsen, Eisbären etc. als Ganz-Polarthieren, denen er niemals begegnet. Im Himalaya-Gebirge steigt der Tiger bis zu 9000 Fufs auf.

Da dieses grofse Raubthier in Central-Asien so weit gegen den Norden bis in die nordischen hohen Heimatgebiete, welche früher wilde Pferde und wilde Kameele herbergten, sich verbreitet, so vermuthet der Verfasser, dafs der Tiger mit eine Hauptursache des Verschwindens dieser Thiere aus dem asiatischen Steppenlande und der Verkümmerung der dortigen nördlichen Fauna gewesen sein möge. Grofse Naturereignisse haben auf Veränderung der Verbreitung der Pflanzensphäre, wie der Verbreitung der Thierwelt, mächtig eingewirkt, und sie öfter aus allgemeiner Verbreitung auf blos insulares Vorkommen eingeschränkt, wie dies bei dem Luchs, der wilden Katze, dem Biber, dem Wolf und dem Bären der Fall ist. Aber auch der Culturfortschritt der Menschen trat zur Sicherung ihrer Hausthiere im Kriege gegen die Raubthiere hervor. Dadurch ist auch der Tiger zwar schon auf eine beschränktere, aber noch keineswegs kleine Tigerinsel concentrirt. Aus dem Kaukasus, Mingrelien und Georgien war er nach Chardin und Güldenstedt schon seit dem vorigen Jahrhundert verdrängt; aus Armenien, das die Römer noch vorzugsweise das Tigerland nannten, hat er sich gänzlich zurückgezogen; in Babylonien, wo er zu Diodors Zeiten am Euphrat noch heimisch war, wird er nicht mehr gesehen; aus Ceylon ist er ganz verschwunden, wie auch aus Kaschmir nach v. Hügel's Berichten.

Den dicht behaarten, im gefrorenen Boden Sibiriens gefundenen colossalen Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. I.

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Mammuththieren und Nashörnern, denen nach Brandt's anatomischen Untersuchungen selbst Tannennadeln als Nahrung genügten (die also für nördliche Kli. mate geschaffen waren), ebenso mehreren Ur-Rinderarten, Riesenhirschen, wilden Pferden und Kameelen der mittelasiatischen antiken Fauna, konnten ihre einstigen Beherrscher nicht fehlen, um ihrer zu grofsen Vermehrung Schranken zu setzen. Dazu war der Tiger in jenen hohen nördlichen Breiten als biegsamster, schlauester und kräftigster Wächter der nordischen Fauna eingesetzt, der den dortigen vernichtenden Einflüssen auf andere Thierarten durch seine Zähigkeit und Energie leichten Widerstand leisten und sich auch, wenn es Noth that, aus den südlichen Verbreitungszonen rekrutiren konnte, was jenen mehr polaren Colossen, die in höherem Grade durch Nahrung und Lebensweise an den Norden Asiens gefesselt blieben, versagt war. Viele der untergegangenen nördlichen Thiercolosse, massiger und weniger schnellfüfsig als die Thiere des südlicheren Asiens, vielleicht auch stupider, konnten bei ihrem schmackhaften Nahrungsstoffe dem Tigerkönige wenig Widerstand leisten. Ein Theil der Mammuthe und der büschelhaarigen Nashörner des nördlichen Sibiriens scheint dort im Herbstschlamme versunken, dann durch plötzlich eingetretene Kälte eingefroren und mit wiederholten Schlammlagen bedeckt worden zu sein, ohne wieder aufthauen zu können. Solche Individuen sind es, welche die Lena, Wilui und andere Flüsse durch Fortspülung des darüber gelagerten Erdreichs dem Forscherblicke der Neuzeit zugänglich machen.

Sehr wahrscheinlich hat auch die grofse Zahl der den asiatischen Norden durchziehenden wilden Völkerschaften, wovon eine die andere aus ihren Heimatsitzen verdrängte, während ihres vorherrschenden Jägerlebens nicht wenig Antheil an jener Verkümmerung der nord- und mittelasiatischen Fauna gehabt.

Die geographische Verbreitung des Tigers war bedingt durch die Verbreitung der colossalen Thiere der Pflanzenfresser; mit deren Aussterben oder Verkümmerung musste auch die Sphäre der Tigerverbreitung sich verändern und verrücken. Der Tiger an der Spitze des Katzengeschlechts war wie dieses durch seine Fähigkeit, in allen Temperaturen zu existiren, auch am wenigsten auf eine bestimmte engere physikalische Sphäre eingeschränkt, wie manche andere Thierarten. Er kann Nässe und Trockenheit, eisige Kälte auf den Himalayagipfeln und tropische Hitze unter dem Aequator vertragen. Die Tigerzone läfst sich daher in keine isotherme Zone vegetabilischer Verhältnisse einschliefsen. Er gehört deshalb zu den Geschlechtern der Fauna, welche Brandt polyklinische (vielbeugige) nennt, die sich verschiedenen Temperaturen anbequemen Zu seinen Gefährten unter den Thieren, die ihn in die verschiedenen Zonen begleiten können, also mit ihm nur eine polyklinische Gruppe ausmachen, welche den extremen Gruppen der tropischen Zone eben so wenig ausschliefslich angehört, als einer Gruppe der Fauna der temperirten Zone, zu diesen Begleitern des Tigers zählt der Verfasser vorzüglich den Fuchs, den Wolf, den braunen Bär, die Fischotter, den Luchs, den Hermelin, den Dachs, die Eichhornarten und kleine Nagethiere, wie auch gewisse Classen von Vögeln, Amphibien und Fischen.

Hierauf geht Dr. Brandt auf das Verhältnifs der Thiere, zumal des Tigers und anderer grofsen Raubthiere, zum Menschen und zu den Völkern über. Hier zeigt sich, dafs die Völker Europa's, Asiens und Afrika's zur Abwehr und Vertilgung der stärksten Raubthiere von jeher einen namhafteren Aufwand von Kraft

und Intelligenz brauchten, als die nur von kleineren und schwächeren Raubthieren bedrohten Urbewohner des amerikanischen Continents; deshalb waren jene auch früher als diese genöthigt, zum eigenen Schutze wie zum Schutze ihrer Hausthiere in einen siegreichen Kampf gegen die Raubthiere zu treten und auf Mittel zur Vertilgung ihrer gefräfsigen Gegner zu sinnen. Thaten sie dies nicht oder hielt sie ein Aberglaube, wie bei einzelnen Völkern Inner-Dekans, HinterIndiens und Sumatra's, davon zurück, so hatten sie keinen Antheil am Herrscherreiche der freien Menschen über die Thierwelt. Wo die Raubbestien, wie bei den Aegyptern, Kleinasiaten und Griechen die Löwen, schon in sehr frühen Zeiten vertilgt wurden, hatten die Völker auch schon sehr früh ihre geistigen Kräfte geübt und sich zu höherer Intelligenz erhoben. Der Kampf mit der rohen thierischen Kraft war eins der ersten beachtungswerthen Bildungsmittel in den Urzeiten der Menschheit, die grofsen Raubbestien waren eine Wohlthat für das Menschengeschlecht. Wo dieser Kampf gänzlich fehlte, wie auf den australischen Inselgruppen oder dem australischen Continente, wo kein gröfseres Raubthier existirt, oder im afrikanischen Negerlande, wo der Mensch ihnen unterlegen blieb, oder in den amerikanischen Wildnissen, wo nur schwächere Raubthiere leichter zu besiegen waren, da fehlte auch dieses Bildungsmittel der Urzeit. Die Intelligenz jener Völker blieb längere Zeit in ihrer Erniedrigung zurück.

Die Centralsitze der Stammeltern der Kelten, Griechen, Germanen, Slaven, Iranier und des Sanskritvolks waren Baktrien und das hohe westliche Iran, wo anch bei den nördlichen Semitenstämmen der Araber Heerdenwirthschaft zum Kampfe gegen die Raubthiere und zum Schutz der Heerden aufforderte. Mit diesen Ursitzen des arischen Stammes fällt die natürliche Verbreitungssphäre des Tigers zusammen. Aber die nach Westen wandernden Völker kamen bald aus derselben heraus, wie z. B. die germanischen, nach Europa fortschreitenden, und die Erinnerung an den grausamsten Erbfeind der Urzeit verschwand daher gänzlich aus ihrer Sage und behielt kein Denkmal in ihrer Sprache.

Tiger ist ein medisch -iranischer Name, den erst die Griechen von den Ostvölkern angenommen haben und der sich von ihnen weiter zu den Westvölkern verbreitete.

In Iran war er einheimisch, er hiefs „der Pfeilschnelle". Bei den Iraniern blieb das Tigerbild im Wappen ein Emblem der Macht. Da bei diesem Volke noch ein zweiter Kämpe, der Löwe, zu dem Kampfe gegen den Tiger hinzukam, so wurden Beide zu Bezeichnungen der höchsten Macht und Königswürde des im Kampfe mit ihnen so ritterlich und frühzeitig entwickelten Volks der Iranier und Perser erhoben, wie alle Königsbilder zu Persepolis und Ninive beweisen.

Das Sanskritvolk trennte sich, wie die Sprachforscher gezeigt haben, viel später von der gemeinsamen baktrischen und hoch-arischen Heimat, als die Kelten und Griechen und selbst als die Germanen und Slaven von den Iranern aus Kabul und dem Pendschab, und wanderte erst später in das heilige Brahmanenland, Nordindien, ein. Daher trat bei ihm, wo sich am Indus Tiger und Löwe begegneten, auch der Kampf gegen Beide auf. Beide Thiergestalten spielten in der indischen älteren Literatur, wie in der reich ausgebildeten Fabelwelt und Heroenzeit eine bedeutende Rolle, der Tiger auch in den ältesten sanskritischen Vedagedichten, wie der Löwe, die also beide in den Ursitzen des Sanskritvolkes ein

heimisch gewesen sein müssen, ehe das letztere in das heifse südlichere Indien einzog, wo der Schrecken des Donnergebrülles des Löwen der alten Poesie in der modern-indischen Poesie erstirbt, weil dort der Löwe vertilgt ist, während der Schrecken des Tigers in der modern-indischen Literatur bleibt, wo er dann nicht, wie der Löwe, als edler Herr der Thierwelt hervortritt, sondern im Gegensatz zu ihm als grimmiger, grausamer Rathgeber und Menschenwürger, den sich daher auch Tippo Saib und mancher andere indische Sultan oder Nabob zu seinem Thronwappen erkor.

Bei den schwächsten und feigsten der südlich-indischen Hindustämme, wie bei den äthiopischen Schwarzen, dem tamulischen Stamme und verwandten, die sich niemals der Uebermacht der grimmigen Tigerwelt ganz erwehren konnten, schlug der Schrecken vor dem grausamen Raubthiere durch den Aberglauben in den scheinbar beruhigenden Volkswahn um, der Tiger sei die Metempsychose von Ur- und Grofsvater, oder ein Vetter (Mamu ist die gewöhnliche Anrede an denselben in der Noth), ein verwandelter Bruder des von ihm Verfolgten, was als leidiger Trost in der Todesgefahr der Scele des Geängstigten noch Halt einflöfsen konnte gegen das unvermeidliche Uebel, zerfleischt zu werden. Ebenso besteht der abergläubische Volkswahn in Rajastan, der Tiger sei die Incarnation eines mächtigen Raja. Dieser nachtheilige Wahn ist ein grofses Hindernifs des Kampfes gegen den Tiger bei diesen Völkern gewesen und bis heute geblieben, indem sich dieselben noch immer unter dessen Oberherrschaft beugen, ohne auf seine Vertilgung auszugehen. Die Hindumütter bringen daher auch zuweilen ihre eigenen Kinder dem Tiger zum Opfer dar, wie ehemals in Vorderasien dem Moloch.

In dem Osten Asiens hat der Tiger den entschiedensten Eindruck auf die chinesischen Völker gemacht, die durch ihr ganzes Ländergebiet mit ihm eine ursprüngliche Heimat theilen mufsten, aber den ehrenhaftesten Sieg über dieses wildeste Raubthier davon trugen. Die Erinnerung an diesen furchtbaren Erbfeind hat sich in vielen ihrer Einrichtungen aus der Urzeit erhalten. In ihrer Schriftsprache hat der Tiger ein eigenes Zeichen, das als Schlüssel zu vielen anderen Sprachzeichen dient, also in die früheste Culturperiode zurückreicht. In ihrer Zeitrechnung ist das Tigerjahr eins der zwölf Jahre des chronologisch sich wiederholenden Cyclus. Der Tigerkopf bildet den Kopf ihres grofsen Drachen, der alle Sonnen- und Mondfinsternisse in Bewegung und das ganze Reich noch in Trauer und Angst versetzt. Die Physiognomie des Tigers wiederholt sich oft auf das Gräulichste in den Gesichtsbildungen mehrerer ihrer Götzen und Heroen. Der Prototyp ihrer Wappen und ganzen Heraldik ist das Tigerbild. Die Stickerei mit den Tiger- und Drachengestalten ist den kaiserlichen Gewändern vorbehalten, aber die Phantasie der Chinesen gebraucht diese Bilder zu jeder Art von Kunsterzeugnissen. Sie sind die Triumphzeichen ihrer errungenen Civilisation über die Thierwelt, ihre allgemeinen Trophäen, denn aus ihren Culturprovinzen ist der grofse Würger vertilgt. Bei allen verwandten Völkern der Nachbarschaft, den Mongolen, Mandschuren, Koreanern, Siamesen, Cambodschen, Birmanen spielt der Tiger eine ähnliche Rolle, wie bei den Chinesen, aber diese Völker sind ihm zum Theil noch unterthan geblieben. Griechen und Römern wurde der Tiger erst seit Alexanders des Macedoniers Eroberungen in Indien bekannt.

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