Sitzung am 8. November. Herr DOEBERL sprach über König Ludwig I. und seine Regierung während des ersten Ministeriums Öttingen-Wallerstein (1832-37) auf Grund neuer Quellen. Herr HAGER sprach zur Denkmälerkunde von Raitenhaslach, von Rothenburg o. d. Tauber und von Rüssingen. Von dem romanischen Bau der Zisterzienserklosterkirche Raitenhaslach bei Burghausen sind die Umfassungsmauern der Seitenschiffe und die Chormauern samt Apsis in dem Umbaue von 1690 erhalten geblieben. Aus der Nachricht eines Klosterchronisten des 18. Jahrhunderts konnte geschlossen werden, daß die romanische Kirche ein Gewölbebau war. Diese Annahme wurde bestätigt durch Grabungen, die das Generalkonservatorium vor dem Legen eines neuen Kirchenpflasters im Mai 1909 vornehmen ließ. Die Aufdeckung des Unterbaues von Pfeilern mit zweimal rechtwinklig abgestuften Vorlagen zeigt, daß die Zisterzienserkirche von Raitenhaslach eine wichtige Stelle in der Geschichte des romanischen Gewölbebaues Altbayerns einnahm. Gelegentlich der damaligen Grabungen wurde auch die große Rotmarmorplatte untersucht, die mitten in der Kirche eben mit dem Pflaster an der Stelle des ehemaligen wittelsbachischen Hochgrabes eingelassen ist. Es ergab sich, daß die Platte mit Schräge, Kehle und Rundstab profiliert ist, daß wir in ihr also die Deckplatte des noch im 18. Jahrhundert hier gestandenen wittelsbachischen spätgotischen Hochgrabes zu erkennen haben. An der Jakobskirche in Rothenburg sind bei der jetzt im Werke befindlichen Restauration des Äußeren eine Reihe Beobachtungen zur Baugeschichte gemacht worden. Diese Beobachtungen sind um so interessanter, als die Jakobskirche dank dem im wesentlichen noch gotischen Charakter des ganzen Stadtbildes und der Straßenbilder uns wie nicht leicht ein anderer Bau die Wirkung ahnen läßt, die eine gotische Kathedrale im Zusammenhang mit dem Geiste des mittelalterlichen Städtebaues hervorgerufen hat. Die Unruhe und die Gliederung der gotischen Außenarchitektur des Gotteshauses fällt hier, wo die Umrißlinien der Stadt, die Straßen- und Baulinien, die Straßen- und Platz wandungen noch die volle Unregelmäßigkeit und Bewegung der Gotik atmen, nicht so auf wie an anderen gotischen Kirchen, die inmitten einer veränderten Umgebung uns jetzt fremdartig und romantisch anmuten. Und das Innere, eine hervorragend schöne Raumschöpfung, wirkt trotz des gesteigerten Hochdranges und der aus diesem fließenden sehnsuchtsvollen Unruhe doch wieder beruhigend auf Auge und Gemüt durch den gleichmäßigen Zug der umhegenden Linien und Flächen und durch den Eindruck der in Rothenburg sonst so fremden Symmetrie. Höchst merkwürdig aber ist, daß das Kapellenpaar, das in der Mitte des dreischiffigen Langhauses zu beiden Seiten zwischen den Strebepfeilern vorspringt und das in der Raumschöpfung von St. Jakob durch das Ausfluten des Raumes und durch das Zuströmen des Lichtes eine so wesentliche und charakteristische Rolle spielt, nicht ursprüngliche Anlage ist, sondern nach und nach in verschiedenen Zeiten hinzugefügt wurde. Es gewährt einen lehrreichen Einblick in den Bauorganismus, zu verfolgen, wie anfangs, noch im 14. Jahrhundert, gleichzeitig mit dem Aufbau des nördlichen Seitenschiffes, nur die östliche Kapelle der Nordseite, die Wörnitzerkapelle, errichtet, wie dann an diese später, wohl im zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, die westliche Kapelle angefügt wurde. Im Gegensatz zu der östlichen Kapelle der Nordseite ist die östliche Kapelle der Südseite, in der der Grabstein des bekannten 1408 gestorbenen Bürgermeisters Heinrich Toppler sich findet, erst nachträglich zwischen die Strebepfeiler eingebaut worden, und bedeutend später wurde an diese wieder im Westen die Spörleinkapelle angebaut. So gehört St. Jakob in Rothenburg zu den vielen mittelalterlichen Gotteshäusern, deren künstlerische Raumwirkung nicht auf einem Schöpfungsbau, sondern auf späteren Anbauten wesentlich mitberuht. Gaben Restaurationsvornahmen Gelegenheit, sich mit den genannten Denkmälern zu beschäftigen, so bot bei der Dorfkirche von Rüssingen im Bezirksamt Kirchheimbolanden in der Pfalz die Veranlassung eine kunstgeschichtliche Entdeckung, die in den letzten Jahren viel beachtet wurde, nämlich der mit symbolischen Reliefs bedeckte Türsturz des romanischen Portales der dortigen Dorfkirche. Man glaubte, diesen Türsturz in die Karolingerzeit setzen und als Überrest einer älteren Kirche ansehen zu dürfen. Diese Annahme läßt sich aber nach der baugeschichtlichen, mit einer vollständigen zeichnerischen Aufnahme verbundenen Untersuchung der ganzen Kirche nicht aufrecht erhalten. Langhaus und Westturm der Kirche von Rüssingen sind ein verhältnismäßig reicher Bau des entwickelten Romanismus aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und der Türsturz mit den Reliefs ist einheitlich mit dem das Motiv eines rechtwinklig umrahmten Entlastungsrundbogens zeigenden Portale dieses Baues ent standen. Sitzung am 6. Dezember. Herr WOLTERS legte vor eine Arbeit des Dr. ALBERT MAYR in München Über die vorrömischen Denkmäler der Balearen. Der Verfasser berichtet über eine kurze Reise, die er mit Unterstützung der K. Bayer. Akademie der Wissenschaften im Frühjahr 1911 nach den Balearen unternahm. Er verfolgte dabei den Zweck, sich über die vorrömischen Baudenkmäler von Mallorca und Menorca im allgemeinen zu orientieren, um vielleicht später einmal eine eingehendere und planmäßige Untersuchung dieser Denkmäler vornehmen zu können. Eine erschöpfende Untersuchung einzelner Denkmäler war nicht beabsichtigt. Der Verfasser besuchte die Distrikte von Llummayor im Süden, von Manacor im Westen, von Pollenza im Norden von Mallorca, dann die von Mahon, Alayor und Ciudadela auf Menorca und gibt seine Beobachtungen über die von ihm gesehenen Baudenkmäler wieder, welch letztere zum Teil gar nicht, zum Teil nur sehr unvollständig bekannt sind. Eine Anzahl von diesen Bauwerken gehört dem bekannten Typus der runden konischen Türme (Talayots) an, deren von vornherein anzunehmende Bedeutung als Wohn- und Befestigungsanlagen durch Konstatierung von Anbauten und Nebenbauten bestätigt wird. Von den noch sehr wenig bekannten viereckigen Talayots werden neue Beispiele gegeben. Bisher waren auf den Balearen halbovale Grabbauten (Navetas) bekannt geworden. Der Verfasser beobachtete nun noch verschiedene Fälle, in denen halbovale Steinbauten augenscheinlich als Hütten gedient haben. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die zahlreich vorhandenen Reste von dorfartigen, zum Teil in primitiver Weise ummauerten Ansiedlungen. Von diesen Ruinenstätten ist noch keine in einigermaßen genügender Weise erforscht. Am wichtigsten erscheint die stadtähnliche Ansiedlung zu Torre d'en Gaumés bei Alayor auf Menorca, über die der Verfasser ebenso wie über verschiedene andere solcher Ruinenstätten neue Beobachtungen mitteilt. Schon jetzt läßt sich erkennen, wie sich allmählich aus um einen Talayot gruppierten Wohnstätten fast stadtähnliche Siedlungen entwickelt haben. Weiter behandelt der Verfasser Kleinfunde, die er in Privatsammlungen sah und die zum Teil bronzezeitlichen, zum Teil auch späteren Charakter zeigen. Am Schluß des Berichtes wird auf die Aufgaben, welche im Bereiche der prähistorischen Archäologie auf den Balearen noch zu erledigen sind, hingewiesen. Die Arbeit wird in den Sitzungsberichten gedruckt werden. Herr VOSSLER hielt einen für die Sitzungsberichte bestimmten Vortrag: Der Trobador Marcabru und die Anfänge des gekünstelten Stiles. Marcabru ist der älteste Trobador, bei dem sich der gekünstelte Stil, das sog. trobar clus findet. Durch eine Reihe äußerer und innerer Gründe, die sich durch historische, philo logische und psychologische Analyse seiner Lieder erkennen. lassen, ist er, ohne es sich eigentlich vorgenommen zu haben, zu dieser Stilart gekommen. Sie tritt bei ihm nur gelegentlich auf und wird besonders in denjenigen Gedichten wieder überwunden, die der späteren Zeit angehören und keine rein persönlichen Stimmungen mehr zum Ausdruck bringen. Wie bei Marcabru im einzelnen, so stellt in der Entwicklung der trobadormäßigen Dichtung im ganzen der gekünstelte Stil eine notwendige Durchgangsstufe auf dem Wege zur klassischen Kunst dar, ist also weniger eine Erscheinung des Verfalls als der Vorbereitung. Herr WENGER legte vor die von der Akademie der Wissenschaften unterstützten Veröffentlichungen aus der Papyrus-Sammlung der K. Hof- und Staatsbibliothek zu München I. |