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hinterließ ihm, seinem ältesten Sohne, die Sorge für sein literarisches Vermächtnis, von dessen Ertrag übrigens die Hälfte der Witwe und der später verheirateten 1) Tochter Berta zukommen sollte. Die Aufgabe, die ihm damit erwuchs, wurde ihm nur zeitweise etwas erleichtert durch die vorübergehende Hilfe seines Bruders Gustav, der vom Frühjahr 1832 bis Juni 1833 und dann wieder von Neujahr 1834 bis Mitte 1835 bei ihm im Hause lebte; im wesentlichen aber hatte er sie allein zu bewältigen und hat im Laufe der Jahre durch seine vollständigen Neubearbeitungen die bewährten Werke des Vaters ganz zu seinen eigenen gemacht.

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Schon als Joh. Christ. August Heyse die vierte Auflage seiner großen Theoretisch-praktischen deutschen Grammatik" (1827) vorbereitete, zog er seine Söhne Carl und Theodor) zur Mitarbeit heran, und schon damals hat Carl Heyse nach des Vaters eigenem Zeugnis die Abschnitte vom Substantiv, vom Adjektiv und vom Verbum, sowie von der Metrik fast ganz neu bearbeitet, wie denn seine 1825 in zweiter umgearbeiteter Auflage erschienene Kurzgefaßte Verslehre der deutschen Sprache zum Schul- und Hausgebrauch nur eine erweiterte Ausführung der Schlußabteilung der großen Grammatik ist. Aber schon damals blieb ihm nicht verborgen, daß das bei seinem ersten Erscheinen im Jahre 1814 mit ungeteiltem Beifall aufgenommene Lehrbuch mit den inzwischen gemachten gewaltigen Fortschritten der Sprachwissenschaft in den späteren Auflagen nicht gleichen Schritt gehalten hatte. Das Ziel des Buches war für den alten Heyse ein populäres Lehr- und Hilfsbuch für jeden Gebildeten oder, wie sein Freund Herling rühmte, das Organ, die sicheren Resultate aller sprachlichen Forschungen zum Gemeingute deutscher Nation zu machen. Diese praktischpopuläre Bestimmung des Lehrbuches, das als reife Frucht viel

1) An den Pastor Brennecke in Leitzkau, später in Cröchern, zuletzt in Carow.

2) Dessen gründliche und geistrolle Behandlung der Syntax hat Carl Heyse später als eine bedeutende Vorarbeit für seine Neugestaltung des ganzen Werkes gerühmt (S. XXIV).

jähriger Lehrerfahrung, eines feinen, selten irrenden Sprachgefühls, besonnenen Urteils und reinen Geschmacks vorlag, mußte Carl Heyse auch bei seiner neuen Bearbeitung als maßgebend anerkennen und sich ihr nicht ohne Selbstüberwindung und Aufopferung manches Eigentümlichen anpassen. Er durfte daher nicht eine eigentlich geschichtliche, noch auch eine philosophische Grammatik geben, sondern von beidem nur so viel, als mit seinem praktischen Zwecke vereinbar war. Trotzdem hat er die ganze Behandlung der früheren Ausgaben völlig umgestaltet und vertieft. Die Sprache ist ihm nicht mehr ein fertiges Geisteserzeugnis, sondern wie für Humboldt, den er hier ausdrücklich zitiert, eine fortwährende Erzeugung, und daraus ergab sich sein Bestreben, jede Erscheinung nicht als ein schlechthin Gegebenes, sondern in lebendiger Entwicklung aufzufassen und darzustellen. So wird jetzt auf die geschichtliche Seite der nötige Nachdruck gelegt und versucht, den heutigen Sprachbestand durchgängig auf frühere Entwicklungsstufen zurückund daraus abzuleiten. Auch den Mundarten wird eine besondere Betrachtung gewidmet. Rückhaltlos erkennt Heyse Jakob Grimm als seinen Führer bei diesen Bemühungen an, daneben dankbar auch Benecke, Graff, Lachmann, Schmeller, Bopp und Pott rühmend. Mit Recht aber durfte er betonen, daß er nicht ohne selbständige Prüfung das Vorgefundene bloß abgeschrieben, sondern sich, soweit es die Natur und Tendenz dieses Buches zuließ, auch des eigenen Urteils nicht begeben habe. Im Jahre 1838 wurde der I., erst 1849 der II. Band des Ausführlichen Lehrbuchs" in seiner neuen (fünften) Gestaltung abgeschlossen; zwei Jahre danach, 1851, konnte auch die Umarbeitung der kleineren Schulgrammatik" in ihrer 17. Auflage zu Ende geführt werden, für die das größere Werk die wissenschaftliche Grundlage und den erweiterten Kommentar bildet.

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Denn auch dieses kurzgefaßte Lehrbuch der deutschen Sprache", das sein Vater durch acht Auflagen geführt hatte, in Einklang mit den Fortschritten der Wissenschaft umzuarbeiten, war für Carl Heyse bei seiner gewissenhaften und pietätvollen Auffassung der übernommenen Pflichten ein ernstes und ver

antwortungsvolles Geschäft, das freilich ganz besonders große Selbstüberwindung erforderte. Es ist bekannt, wie scharf und geringschätzig Jakob Grimm in seiner Deutschen Grammatik (1819, Bd. I., S. IX ff.) über die unsägliche Pedanterei des grammatischen Schulunterrichts in der Muttersprache geurteilt hat, und wenn er auch seine Äußerungen in der zweiten Auflage (1822) gemildert hatte, ein Stachel davon ist doch wohl immer bei Heyse zurückgeblieben. Um so höher ist sein redliches und strenges Bestreben anzuerkennen, gerade den historischen Grammatikern gerecht zu werden. Aber die Grenze, die er ihnen gegenüber in der Schulgrammatik einhalten mußte, hat er klar und bestimmt festgelegt, als er mit der zwölften Auflage (1840) den ersten Abschnitt seines Umbaues des alten Lehrgebäudes vorlegte. Gleichzeitig begrenzte er hier aber auch seine Aufgabe nach der Seite der ihm mehr am Herzen liegenden Sprachphilosophie, die er als das letzte Ziel aller Sprachforschung feiert. Auch sie kann ihm unmöglich der Ausgangspunkt für den Sprachunterricht sein, und so bezeichnet er wieder den Weg für seinen praktischen Zweck in der Mitte zwischen historischem und systematischem Verfahren. Mit welchem pädagogischen Geschick und Takt er ihn beschritten hat, beweist die ungeheure Verbreitung seiner Schulgrammatik, die noch lange nach seinem Tode in immer neuen Bearbeitungen aufgelegt wurde 1).

Auch die kleineren Schulbücher des alten Heyse erforderten wiederholt neue Ausgaben, die nie ohne sorgfältige Verbesserungen hinausgingen. So hat Carl Heyse den kleinen ,Leitfaden zum gründlichen Unterricht in der deutschen Sprache" zuerst 1829 in siebenter, zuletzt 1854 in 17. Auflage herausgegeben und ebenso das Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Aussprache", von seinem Bruder Gustav unterstützt, erneuert (1833). Schwerer aber wog die Arbeit an den beiden Wörterbüchern, deren Ausbau er sich in dem gleichen Sinne wie bei den grammatischen Lehrbüchern mit aller wissenschaft

1) Zuletzt im Jahre 1909 in 27. Auflage, bearbeitet von Otto Lyon.

lichen Gewissenhaftigkeit bis an sein Lebensende hat angelegen sein lassen.

Als der alte Heyse im Jahre 1804 zum ersten Male sein ,Allgemeines Wörterbuch zur Verdeutschung und Erklärung der in unserer Sprache gebräuchlichen fremden Wörter und Redensarten erscheinen ließ, hatte er sich die zweifache Aufgabe gestellt, den Ungelehrten über die Bedeutung der ihm vorkommenden Fremdwörter zu belehren und jedem Gebildeten, welchem möglichste Reinheit seiner Muttersprache am Herzen liegt, die Vermeidung der sich aufdrängenden Fremdwörter und deren Ersetzung durch reindeutsche Wörter im Sprechen und Schreiben zu erleichtern. Diesen praktischen Zweck behielt er auch in den folgenden Auflagen unverrückt im Auge, vermehrte unablässig die Zahl der aufgenommenen Wörter und legte auf die sachliche Erklärung den Hauptwert, auch als er von der 4. Auflage an den zweckmäßigeren Titel „Fremdwörterbuch" genommen hatte. Auch Carl Heyse, der im Jahre 1832 die 6. Auflage herausgab, beschränkte zunächst seine Verbesserungen auf weitere Vermehrung des Wortschatzes, Berichtigung der Rechtschreibung, genauere Bestimmung des Silbentones und -maßes, Hinzufügung des Geschlechtes bei den Hauptwörtern, wo sie noch fehlte, und einzelne genauere Erläuterungen, wo ihm die alten nicht genügten. Allein immer fühlbarer wurde ihm die mangelnde sprach wissenschaftliche Ausführung dieser großen Wörtersammlung, in der nicht einmal die Ursprungssprache der einzelnen Wörter angegeben war, und so machte er sich daran, auch dieses väterliche Werk von Grund aus neu aufzubauen. Zunächst dämmte er den bisher in jeder Auflage massenhaft andringenden Zufluß der aufzunehmenden Wörter ein und führte eine strengere kritische Auswahl durch, bei der er namentlich die wissenschaftlichen Fachausdrücke und dergl. mehr ausschloß. Bei der Erklärung stellte er den sprachlichen Gesichtspunkt voran, suchte vor allem stets die Abstammung des einzelnen Fremdworts außer Frage zu stellen und wußte für die etymologischen Angaben aus dem Gebiete der nicht von ihm selber beherrschten Sprachen in Buschmann, dem Heraus

Sitzgsb. d. philos. -philol. u. d. hist. Kl. Jahrg. 1913, 7. Abh.

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geber von Humboldts Werk über die Kawisprache, einen sachkundigen Berater zu gewinnen. Hand in Hand damit führte er die genetische Anordnung der früher oft bunt durcheinander geworfenen einzelnen Bedeutungen eines Wortes nach ihrer geschichtlichen und logischen Entwicklungsfolge durch. Wurde so der wissenschaftliche Wert des Buches wesentlich erhöht. oder eigentlich erst geschaffen, so war doch auch der populären Bestimmung in vollem Maße Rechnung getragen durch die Fülle des wohl gesichteten Stoffes und die Reichhaltigkeit der erklärenden Verdeutschungen, die ohne übertriebenen Purismus der fortschreitenden Reinigung und Bereicherung der Sprache dienen sollten. Zum ersten Male erschien das Fremdwörterbuch in dieser neuen Gestalt im Jahre 1844 (in 9. Auflage) und hat sich seitdem als ein auch für den Gelehrten brauchbares Hilfsmittel bis auf den heutigen Tag behauptet1). Wie neben dem Ausführlichen Lehrbuch der deutschen Sprache die Schulgrammatik und der „Leitfaden", so ging neben dem großen auch ein Kleines Fremdwörterbuch einher (zuerst 1840, 5. Auflage 1909), das nicht vernachlässigt wurde. Als eine wesentliche Ergänzung aber zu dem Fremdwörterbuch dachte sich Heyse sein Handwörterbuch der deutschen Sprache", mit dem er ebenfalls einen Plan seines Vaters, anfänglich in engerem Anschluß an dessen Absichten, dann in freierer Selbständigkeit ausführte. Nur wenige Druckbogen des Manuskriptes waren fertig, als Heyses Vater starb und so ist die ganze Ausarbeitung das alleinige Werk des Sohnes. Die Richtlinien waren von beiden gemeinsam festgestellt worden: als praktisches und populäres Wörterbuch sollte es den gegenwärtig vorhandenen Wörtervorrat in alphabetischer Anordnung darlegen, die Wörter auf ihre Ursprünge zurückführen,

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1) Die letzte Auflage, die Heyse selbst besorgen konnte, war die 11. (1853); bei der Arbeit an dieser wurde er von seiner Krankheit überwältigt und mußte die Erledigung der letzten Bogen (von Ran) an Mahn übertragen, der später (1859) auch die 12. Ausgabe bearbeitet hat. Später hat Theodor Heyse, zuletzt Otto Lyon (19. Aufl. 1910) die Pflichten des Herausgebers übernommen.

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