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der

Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften Philosophisch-philologische und historische Klasse Jahrgang 1913, 8. Abhandlung

Über einige Probleme altkretischer Architektur

von

Franz v. Reber

Vorgetragen am 5. Juli 1913

München 1913

Verlag der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften

in Kommission des G. Franz'schen Verlags (J. Roth)

C63 Mailaps 1913

Seit den reichen Ergebnissen und vorzüglich publizierten Ausgrabungen in Kreta1) auch eine umfängliche ethnologische und kulturhistorische Würdigung gefolgt ist, mußte man von der ursprünglichen Annahme, daß die kretischen und mykenischen Baugedanken nahezu identisch seien, immer mehr abkommen. Es konnte zwar kein Zweifel darüber bestehen, daß die kretische Kultur weit älter als die mykenische, und daß deshalb nur eine Beeinflussung der letzteren von der kretischen möglich sei, nicht aber wenigstens für die sogenannte minoische Zeit umgekehrt eine mykenische auf die kretische. Aber die Akten sind, wie Ferd. Noack 2), dessen Ausführungen wir nächst einer Reihe von Forschern 3) so viel Belehrung verdanken,

1) Für unsere Untersuchungen kommen zunächst in Betracht: Arthur J. Evans, Knossos. The Annual of the British School at Athens. London 1901-1907. Luigi Pernier, Phaestos. Rendiconti della R. Accademia dei Lincei. Roma 1901, 1902. Monumenti antichi pubblicati Milano 1902, 1904.

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per cura della R. Accademia dei Lincei.

2) Homerische Paläste. Eine Studie zu den Denkmälern und dem Epos. Leipzig 1903. Ovalhaus und Palast in Kreta. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Hauses. Leipzig und Berlin 1908.

3) Wilh. Dörpfeld, Die kretischen, mykenischen und homerischen Paläste. Mitteilungen des Kais. Deutschen Archäologischen Instituts. Athenische Abteilung XXX. Athen 1905. Die kretischen Paläste. Mitteilungen usw. XXXII. Athen 1907. Duncan Mackenzie, Cretan Palaces and the Aegean civilization. Annual of the British School at Athens XI-XIV, 1905-1908. Angelo Mosso, The Palaces of Creta and their builders. London 1907. Harriet Boyd Hawes and others, Gournia, Vasiliki and other prehistorical sites on the Isthmus of Hieropetra, Crete. Philadelphia 1909. René Dussaud, Les Civilisations préhelléniques dans le Bassin de la Mer Egée. Etudes de Protohistoire Orientale. Paris 1910.

erklärt, noch keineswegs geschlossen, so daß die komplizierten Probleme nicht von einer Seite her und heute wohl überhaupt noch nicht gelöst werden können. Unseres Ermessens darf jedoch nicht mehr auf viel den dermaligen Sachbestand veränderndes neues Aufklärungsmaterial gehofft werden. Namentlich kann nicht darauf gewartet werden, daß die kretischen Schriftquellen entziffert werden, da ihnen nicht die monumentalen und die bilinguen Funde zu Gebote stehen, welche die ägyptische und orientalische Forschung so sehr begünstigt haben, während ihre gegenständlich untergeordnete Natur auch wohl schwerlich jemals über sehr fragmentarische Erfolge hinausführen wird. Die klassischen Nachrichten aber reichen nicht weit genug zurück oder sind mehr legendarer Art, so daß sie für Kreta weniger Anhaltspunkte bieten, als sie für Ägypten oder Mesopotamien geliefert haben.

Doch haben es die kretischen Palastbauten durch die fast beispiellose Geschlossenheit der erhaltenen Komplexe möglich gemacht, den Bautypen wie ihrer Zweckbestimmung näher zu kommen. Mit der letzteren soll sich auch die vorliegende Studie hauptsächlich beschäftigen. Dabei schien es jedoch dem Verfasser unzuträglich, überwiegend mit Gleichungen zwischen der troisch-mykenischen und der kretischen Architektur zu operieren. Eingehende bautechnische Erwägungen haben ihn vielmehr zu der Überzeugung gebracht, daß die beiden Architekturgruppen wesentlich und zwar in ihren bedeutsamsten Grundlagen nach Plan und Aufbau so verschieden seien, wie dies nur bei verschiedenen Konstruktionsideen denkbar ist.

Die kretische Kultur ist in ihrer bis auf die neolithische Periode zurückreichenden und durch die subneolithischen Fundschichten erwiesenen Lückenlosigkeit autochthon. Wenn Mackenzie die Wurzeln an der afrikanischen Nordküste sucht, so stützt er sich hauptsächlich auf gewisse Eigentümlichkeiten der Gewandung auf kretischen Darstellungen gemalter und plastischer Art, die auf eine südlich von Kreta gelegene wärmere Zone zu deuten scheinen. Anderseits ist die Annahme, daß die Anfänge der kretischen Kultur an der Süd

westküste Kleinasiens, in Karien und Lykien nebst den benachbarten Inseln, zu suchen seien, durch etliche Kultgemeinschaften, Symbole und Namen nur scheinbar gestützt, da es ja wahrscheinlicher geworden, daß vielmehr ein Teil der Urkreter, von denen ein Rest als Eteokreter im Osten und im Innern der Insel bis in die historische Zeit herab zurückblieb, nach diesen kleinasiatischen Küsten übergesiedelt ist, sei es wegen Übervölkerung oder durch erobernde Gewalt dahin verdrängt.

Die Anfänge der troischen und mykenischen Bauweise dagegen gehen auf nordische Einflüsse, zunächst auf Wanderungen aus dem Balkan- und unteren Donaugebiete zurück, von welchen schon in neolithischer Zeit Thessalien eine bedeutsame Station gezeigt hat1). Daneben geht ganz für sich eine andere sich südwärts drängende Welle mehr allgemein nördlichen Ausgangspunktes, wie sie sich in ähnlicher Vorzeit am umfänglichsten in Böotien 2), aber auch in dessen Umgebung wie weiterhin äußert und sich ohne Zusammenhang mit jenen Einflüssen hauptsächlich in kreisförmigem und ovalgeplanten Haus- oder richtiger Hüttenbau ergeht. Es liegt jedoch außerhalb unseres engeren Programms, auf diese Erscheinung des näheren einzugehen, obwohl sie in dem mykenischen Gräberbau und bis zu einem gewissen Grade in dem später kretischen eine größere Rolle spielt. Es sei hier nur erwähnt, daß sie von Anfang an neben dem Wohnbau als Herdbau für Gehöfte, Hüttengruppen und Gemeinden von Bedeutung ist, wie dies in dem für Wohnzwecke zu kleinen Bau D1 in Orchomenos der Fall ist. Die Bedeutung beständig unterhaltenen Feuers in jeder Ortschaft liegt auf der Hand, um der mühsamen Erzeugung durch Reibung von trockenen Hölzern zu überheben 3),

1) Χρ. Τσούντας, Αἱ προϊστορικαὶ ἀκροπόλεις Διμηνίου καὶ Σέσκλου. Að. 1908.

2) H. Bulle, Orchomenos I, Die älteren Ansiedlungsschichten. Abhandlungen der K. B. Akademie der Wissenschaften 1. Kl., XXIV, II. Abt.

3) E. Pfuhl, Zur Geschichte des Kurvenbaues. Athenische Mitteilungen XXX, 1905, S. 335 fg.

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