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Nachdem somit die Gründung der Schule zur Pforte aus den vorhandenen gleichzeitigen Actenstücken erzählt worden ist, folgt hier als Anhang noch ein kurzer Ueberblick über die Hauptepochen ihrer Entwickelungsgeschichte.

Die erste Periode derselben ist die Epoche des ersten Emporblühens der Landesschule bis zu ihrem Verfall im dreissigjährigen Kriege, also von 1543 bis 1641.

In den Schlusssätzen des Stiftungsbriefes ermahnt Herzog Moritz seine Nachkommen bei der Liebe Gottes und ihrer Seelen Seligkeit, dass sie das angefangene Werk seiner Schule zur Pforte fleissig wollen helfen, schützen, vertheidigen und handhaben. Sein Nachfolger, Kurfürst August, ist in der That dieser Ermahnung treulich nachgekommen. Durch ihn wurde im Jahre 1568 die Zahl der Alumnenstellen um funfzig vermehrt, darunter zehn Gnadenstellen oder kurfürstliche Freistellen und zwanzig Koststellen, die letzteren auch für Ausländer. 1) Diese Vermehrung der Schülerzahl machte die Vergrösserung des alten Schlafhauses durch Anbau des sogenannten neuen Schlafhauses nöthig, das heisst die Verlängerung des Schulhauses nach Westen hin über das Viereck des Kreuzganges hinaus. Nachdem so auch für Familienwohnungen Raum gewonnen war, erhielten die Lehrer seit dieser Zeit ihren eigenen Heerd und die Erlaubniss sich zu verheirathen mit der Befugniss Schüler bei sich in Wohnung und Kost zu haben, die von nun an bis auf den heutigen Tag Extraneer oder Kostgänger heissen, oder auch bloss in Kost, die sogenannten Semiextraneer. Einen stattlichen Zuwachs erhielten kurz darauf die Schulgebäude, indem 1573 auf den Grundmauern des Vorrathshauses oder Promptuarium der Cisterzienser Mönche das Fürstenhaus mit rundem Treppenthurm erbaut wurde, in welchem nun theils die Haushaltung Platz fand, theils Logierzimmer für den Landesfürsten, für vornehme Fremde, für die adelichen Schulinspectoren und die Visitatoren, welche die Landesschule

1) In dem schon oben angeführten Manuscript, betitelt: „Portensia, aus einem Extracte gefertigt ao 1710 im Februar" findet sich die Abschrift einer Urkunde des Kurfürsten August vom 12. Juni 11567, durch die Adelichen und Städten in den Stiftern Merseburg und Naumburg die Besetzung neu gegründeter Stellen mit Knaben zugewiesen wird. Und zwar erhalten von 17 Stellen 2 die vom Adel im Stift Merseburg, 1 das Stift Naumburg und Zeitz, 4 die Stadt Naumburg, 3 Zeitz, 3 Merseburg, 1 Lützen, 1 Lauchstaedt, 1 Zwenkau, 1 Schkeuditz.

besuchten, eingerichtet wurden. 1) Das Andenken des Erbauers bewahrt die neuerdings wieder aufgefrischte unter dem Dachsims des ganzen Gebäu

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bliothek, die bisher nur aus einer Anzahl von Büchern des säcularisierten Klosters Bosau bestand, 3) sorgte Kurfürst August, indem er zur Vermehrung derselben auf zehn Jahr funfzig Gulden jährlich anwies. Nachdem die Schule in den Jahren 1598 und 1599 durch Pest und Ruhr heimgesucht worden war, erreichte sie den Höhepunkt ihrer ersten Blüthe unter M. Justinus Bertuch aus Tennstädt, Rector von 1601 bis 1626, einem Manne von vielseitiger Gelehrsamkeit und rhetorisch - poetischem Talent, der sich durch seine Chronik, mag dieselbe auch den Anforderungen der heutigen Geschichtschreibung nicht entsprechen, um die Geschichte des Klosters und der Schule zur Pforte ein bleibendes Verdienst erworben hat. Selber poeta laureatus hat er unter den Schülern den Eifer für Nachbildung lateinischer Dichtungen angefacht und die lateinische Versification in Schwung gebracht. Er hat damit der Landesschule auf Jahrhunderte hin ein eigenthümliches Gepräge aufgedrückt. Mit seinem Rectorat beginnen auch die Valedictionen, das heisst die lateinischen Abschiedsreden und Abschiedsgedichte der zur Universität abgehenden Schüler, die damals, wie sie einzeln zu jeder Zeit des Jahres in die Schule aufgenommen wurden, so auch einzeln zu jeder Zeit von der Schule abgingen ohne Examen, wenn das Lehrercollegium sie für reif erklärte für das akademische Studium. Diese Valedictionen wurden niedergeschrieben und aufbewahrt, und da diese Einrichtung des Rectors Bertuch sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat, so hat sich nunmehr seit über drittehalb Jahrhunderten eine lange Reihe von Foliobänden solcher Valedictionen angesammelt. Für die Geschichte der Landesschule sind sie eine wichtige Quelle, aus der sich das innere Geistesleben der Schule zu verschiedenen Zeiten erkennen lässt. 1)

1) Die Jahreszahl der Erbauung des Fürstenhauses ist an der Oberschwelle eines Fensters im zweiten Stockwerke zu lesen: 1573, neuerdings wieder aufgefunden und aufgefrischt. In der Wohnung des ersten Stockwerkes ist noch die geräumige Speisekammer zu sehen, in der einst die Speisevorräthe für die Schüler aufbewahrt wurden.

2) Das letzte Wort ist jetzt durch ein Dach verbaut.

3) Diese Bücher, meist theologische Werke, befinden sich noch in der Bibliothek

der Landesschule. In dieselben ist von Mönchshand gewöhnlich auf das erste Blatt oder

die innere Seite des Deckels eingeschrieben: Sanctae Mariae in Bosaugia.

Auf diese Zeit der Blüthe folgte der gänzliche Verfall der Schule, als die sächsich - thüringischen Lande von den Leiden des

1) Der erste Band derselben umfasst die Valedictionen von 1602 bis 1605, der zweite die von 1606 bis 1612. In dem letzteren finden sich Reden über den Kampf des Erzengel Michael mit der höllischen Schlange, 1606, die Leidensgeschichte Christi, 1606, zum Lobe des Apostels Petrus, 1606, Petrus Verläugnung Christi, 1606, über die dreifache Ankunft Christi mit einem Hymnus am Schlusse, 1607, über Johannes den Täufer, 1607, über das Osterfest, 1607, über die Leiden Christi, 1608, über Petrus, 1608, über Christi Leidensgeschichte, 1608, über die Passionsgeschichte, 1611, über die Ausgiessung des heiligen Geistes, 1611. Ebenso behandeln die lateinischen Gedichte meist biblische Gegenstände; solche sind: Judith als Befreierin ihres Vaterlandes, Gedicht in Hexametern mit dem Klagegesang der Judith in gereimten Hymnenstrophen, 1606, Simsons Geburt, Thaten und Tod, 1606, die Auferstehung Jesu, 1608, die Beschaffenheit und die Thaten der guten und der bösen Engel, 1608, die Himmelfahrt Christi, 1609, der Kindermord des Herodes, 1610, die Himmelfahrt Christi, 1611, Jephthas Opfer mit eingelegtem Klagegesang der Jungfrauen in gereimten Hymnenstrophen, 1611, der Kampf des David gegen Goliath, 1612. Wenn diese Reden und Gedichte den kirchlichen Charakter der Schule erweisen, so erhellt aus den heftigen Ausfällen in denselben gegen,, faule Mönche", Papstthum und Irrlehren der Calvinisten, dass damals der Geist des strengen Lutherthums wie im ganzen Kurfürstenthum Sachsen, so auch in der Landesschule herrschte. In der sprachlichen Form dieser Reden und Gedichte finden sich zwar mancherlei Auswüchse, Schwulst und Geschmacklosigkeiten, Wörter, Ausdrücke und Wendungen, die der späteren, ja bisweilen der mittelalterlichen Latinität angehören: aber andrerseits Geschick im lateinischen Periodenbau und eine Fülle und Mannigfaltigkeit von ächt lateinischen und gewählten Ausdrücken, Wendungen und Verknüpfungen, wie sie nur aus fleissiger Lectüre der lateinischen Schriftsteller und dem täglichen mündlichen und schriftlichen Gebrauch der lateinischen Sprache gewonnen werden konnte.

dreissigjährigen Krieges betroffen, seit auf der grossen Ebene zwischen Leipzig und Lützen die entscheidenden Schlachten geschlagen wurden. 1) Zuerst wurde die Pforte vor der Breitenfelder Schlacht am 31. August 1631 von kaiserlichen Truppen geplündert, nachdem Schüler und Lehrer geflohen waren, wobei Vieh und Lebensmittel weggenommen, das Zurückgelassene zum Theil muthwillig verdorben, die Bibliothek erbrochen und Siegel von den Urkunden gerissen wurden. Aber die eigentliche Leidenszeit der Schule begann erst nach dem Prager Frieden, seit 1636, mit den fortwährenden Einquartierungen, Brandschatzungen und Misshandlungen ihrer Bewohner durch die Schweden. Im Jahre 1639 war der Coetus der Schüler bereits acht mal entlassen worden oder entflohen, es waren nur noch drei und zwanzig Schüler anwesend, und die Einnahmen der Schulkasse hatten fast ganz aufgehört. Am 11. März fielen schwedische Reiter in die Pforte ein, schlugen alles auf und nahmen mit, was sie fortbringen konnten. Den Gipfel erreichte das Kriegsleiden, als im April 1641 Schweden und Franzosen unter den Generalen de Guébrian und Rose Naumburg besetzt hatten, indem fast täglich wilde Soldatenrotten die Schule mit Brandschatzungen und Plünderungen heimsuchten. Am ärgsten trieb es am 14. April der „tolle Rose", der mit etwa hundert Reitern in die Pforte einbrach. Da ward alles erbrochen, auch die Kirche und Sacristey nicht verschont, und nicht eine Klaue Vieh zurückgelassen." Bei dieser Plünderung wurde auch das prächtige Grabmal Georgs, Markgrafen von Meissen und Landgrafen von Thüringen, von dem weiter unten die Rede sein wird, durch die französischen Soldaten, die in der Kirche Schätze suchten, in barbarischer Weise zerstört, und andere Grabdenkmäler daselbst wurden mit rohem Muthwillen verstümmelt. „Von solcher Zeit," so erzählt der Rector Johann Kuehn, der das Elend und die Gräuel dieser Zeit erlebt und mit Augen gesehen, „hat die Schule, nachdem die praeceptores und Knaben zum neunten male verjagt worden, zwei und ein halbes Jahr wüste gelegen bis auf den 29. October 1643, da die praeceptores sich wieder an ihren Orth begaben mit wenigen Knaben.

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1) Das Archiv der Landesschule besitzt über diese Zeit genaue handschriftliche Aufzeichnungen in den Collectaneen des Mathematikers Hübsch, Vol. VI. Specialiora, hauptsächlich von der Hand des Rectors Joh. Kuehn, unterzeichnet den 18. Mai 1656, der, von 1638 bis 1672 im Amte, die schlimmste Zeit und die gänzliche Verödung der Schule erlebt und mit Augen gesehen hat.

Doch ist der Pastor mit etlichen Knaben, so er in der Betstunde gebraucht, allhier versorgt worden." Erst sehr allmählich erholte sich die Schule von so schweren Schlägen; im Jahre 1648 war kaum ein Drittel der vollen Schülerzahl vorhanden, da die Städte „wegen der Kriegsnoth keine Knaben eingeschickt hatten", und selbst 1651 war dieselbe noch nicht vollständig wieder ergänzt. Und wenn sich in der Schulmatrikel der nächsten Jahre bei den einzelnen Namen der aufgenommenen Schüler überaus häufig die Bemerkung ist entlaufen" (aufugit) findet, so ist das ein Merkzeichen, dass die schwere Noth der wilden Zeit auch der Jugend einen wilden Sinn eingeprägt hatte, der sich dem Gesetz der Schule nicht fügen wollte. Die Schule scheint noch Jahre lang an den Folgen des dreissigjährigen Krieges gekrankt zu haben, wie das ganze deutsche Vaterland Jahrhunderte lang.

Es folgt nun eine Periode der Wiederherstellung und Neugestaltung der Landesschule gegen Ende des siebzehnten und in den ersten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts.

Die Schule fing an von neuem emporzublühen in den beiden letzten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts. So wurden unter dem Rector Johann Georg Lorenz im Jahre 1682 statt der bisherigen drei Klassen fünf eingerichtet, nämlich Prima, Obersecunda, Mittelsecunda, Untersecunda und Tertia, und zugleich ward ein sechster ordentlicher Lehrer angestellt, der 1696 mit seiner Stelle das Amt und den Titel eines Diakonus erhielt. Unter dem Rectorat des M. Johann David Schreber 1) wurde dann im Jahre 1725 ein besonderer Lehrer für die Mathematik angestellt, und in derselben Zeit auch ein französischer Sprachmeister und ein Tanzmeister, also zwei Maîtres, die in der Synode nicht Sitz und Stimme hatten. Seitdem rückt die Mathematik in eine bedeutendere Stellung im Unterricht der Landesschule ein, und die französische Sprache und Tanzkunst wird unter die Zahl der Lehrgegenstände aufgenommen. Also auch hier wird dem Einfluss, den fran

1) Auf der Rückseite des Grabsteines der Adilheidis, der Wittwe Gartolfs, von dem weiter unten die Rede sein wird, ist die Grabschrift des Rectors J. D. Schreber zu lesen: „In hoc sepulcro conditus est M. Jo. David Schreberus longe meritissimus." Der alte Grabstein der Adilheidis ward umgekehrt und auf die Rückseite desselben die Grabschrift des Rectors geschrieben. Jetzt ist diese Rückseite gegen die Wand des nördlichen Seitenschiffes der Kirche gelehnt, die Inschrift also verdeckt.

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