0 Dass nun der um 1436 bis 1442 angebaute Theil der Kirche Baptisterium genannt wurde und die Taufkapelle der Cistercienser zur Pforte war, lässt sich unzweifelhaft erweisen. Die älteren französischen Klöster hatten besondere Baptisterien oder Taufkapellen in cylindrischer Form mit Kuppelgewölbe und in Gestalt von einfachen Basiliken ohne Querbau; aber viele Baptisterien waren auch so an die Kirchen angebaut, dass der Taufplatz nicht weit vom Portal derselben gelegen war. 1) Nun ist in der Kirche zur Pforte seit Beseitigung der weissen Wandtünche eine Inschrift in der Minuskel des funfzehnten Jahrhunderts sichtbar geworden an der Ostseite des westlichsten Pfeilers, der das Mittelschiff der Kirche von dem nördlichen Seitenschiffe trennt. Die Spitzen und Enden der Minuskeln dieser Inschrift sind so verwischt, dass nur noch in der dritten und vierten Zeile die Worte: „[hu]ius baptisterii honor[em]" zu lesen und herzustellen sind. Diese Worte beweisen aber, dass der hinter der Inschrift und deren Pfeiler gelegene westliche Anbau des funfzehnten Jahrhunderts das Baptisterium der Kirche war und so genannt wurde. Eine handschriftliche Notiz vom Jahre 15962) bestimmt die Stelle einer Inschrift in der Kirche mit folgenden Worten: „In tabula cruci iuxta baptisterium affixa." Das Kreuz, von dem hier die Rede ist, war ein auf einem grossen Holzkreuz gemalter Crucifixus, der nach einer Federzeichnung vom Inneren der Kirche aus dem Ende des vorigen oder Anfange dieses Jahrhunderts in dem westlichen Anbau der Kirche sich befand.3) Das Holzkreuz stand iuxta baptisterium, das kann in diesem Zusammenhange nur bedeuten: neben dem Taufstein. Also war noch im sechzehnten Jahrhundert der westliche Anbau der Kirche die Stätte des Taufsteines und das Baptisterium. In der Zeit um 1436 bis 1442, wo also die alte Kirche wieder hergestellt und zum Theil erneuert und das Baptisterium angebaut wurde, sind die vier Statuen gearbeitet und aufgestellt worden, die noch jetzt 1) A. Lenoir, Architect. monast. I, 162. M. de Caumont, Abécéd. ou rudim. d'archéol. p. 40 f. 2) In dem schon mehrfach angeführten Mscr.: Fundation der Schulenn, aus den Pförtischen Brieffen und andern Historien zusammengelesen, S. 137. 3) Ich habe dieses grosse Holzkreuz mit dem aufgemalten Christus und den Symbolen der vier Evangelisten auf den Kreuzarmen vor mehreren Jahren noch in dem Raume der alten Moritzkapelle gesehen. Es ist leider jetzt nicht wieder aufzufinden gewesen. Die angeführte Federzeichnung befindet sich in der Bibliothek der Landesschule. zu beiden Seiten des Altares im hohen Chor stehen. Dort stehen sich einander gegenüber weiter im Vordergrunde nach dem Querschiffe zu links das Standbild des Grafen Bruno im Pleissner Lande, des Stifters des Klosters, und rechts des Bischofs Uto I von Naumburg, der die Stiftung desselben in's Werk setzte und leitete; weiter rückwärts nach dem Chorabschlusse zu sieht man links die Mutter Maria mit dem Kinde, die ursprüngliche Patronin des nach ihr benannten Bethauses der Cisterzienser zur Pforte, und rechts Johannes den Täufer, der seit dem Bau der älteren Spitzbogenkirche im dreizehnten Jahrhundert neben der Maria als Schutzpatron erscheint. Graf Bruno in Brustharnisch und Beinschienen, das Schwert an der Seite, einen Mantel um die Schultern, eine mit Pelz verbrämte Mütze auf dem Haupte, trägt in der Rechten, wie dies gewöhnlich ist, ein kleines Modell der Kirche, die er gegründet hat, freilich dem Original sehr unähnlich, in der Linken den Wappenschild mit dem Löwen des Pleissener Landes. Die Rüstung des Grafen, insbesondere der Brustharnisch mit seinem muschelförmigen Hohlzierrath, und der aus Metallplatten bestehende Hüftenschurz sind von der Form, wie sie seit dem Zeitalter Carls des Kühnen von Burgund und Maximilians I von Oestreich üblich war, wesentlich verschieden von der Waffentracht, wie man sie noch an dem liegenden Bildniss Georgs, Markgrafen von Meissen und Landgrafen von Thüringen, vom Jahre 1402 auf dessen Grabdenkmal zur Pforte sieht. Also stammt jene Statue des Grafen Bruno erst aus der Zeit des Neubaues der Kirche um 1436 bis 1442.1) Die Bildsäule des Bischofs Uto I von Naumburg hält in der linken Hand einen Wappenschild mit in's Kreuz gelegtem Schlüssel und Schwert als Symbolen des Petrus und Paulus und der apostolischen Kirchengewalt, wie man sie auch auf der grossen Glocke vom Jahre 1436 ausgeprägt findet. Erst nach der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts erscheinen diese in den Siegeln der Bischöfe von Naumburg, während die älteren Siegel die Bildnisse derselben mit der Umschrift des Namens und Titels aufweisen. Somit gehört jene Statue derselben Zeit an wie die des Grafen Bruno.2) Während das alte Marienbild am Wimberg des westlichen Kirchenportals die Maria einfach als Mutter darstellt, das Haupt von einer Kapuze umhüllt, erscheint die Maria am Hochaltar zugleich als Himmelskönigin mit der Krone auf dem Haupte, die Gestalt von einem schweren, schleppenden Prachtmantel umhüllt, wie in einem Holzbilde und in einem Gemälde aus der letzten Zeit des Klosters, und in einem Reliefbilde an der Betsäule vom Jahre 1521, von denen weiter unten die Rede sein wird. Die schlechteste unter den vier Statuen am Hochaltar ist das Bild des Johannes des Täufers in Thierfelle gehüllt, der im linken Arme das Lamm, das Sinnbild Christi, trägt, auf das er mit der rechten Hand hinweist. Die Statuen waren einst bunt bemalt, sind übrigens ohne künstlerischen Werth.) Diese vier Standbilder der beiden Stifter und der beiden Patrone der Klosterkirche sind also gearbeitet worden, als bei der Wiederherstellung und dem Neubau der Kirche um 1436 bis 1442 das Andenken an dieselben neu aufgefrischt wurde, auch, wie oben gezeigt ist, das Gemälde von der Gründung des Klosters an der Wand der Abtei angefertigt worden ist. Ob die Glasmalereien in den Fenstern des Chorabschlusses, darunter ein Marienbild und ein Crucifixus im mittelsten Fenster mit 1) Die Inschrift an derselben, Bert. Chron. Port. Schamel, I, 194: „Bruno comes fundator huius coenobii" ist spurlos verschwunden. 2) Die Inschrift derselben, Bert. Chron. Port. Schamel. a. 0.: ,,Udo episcopus Numburgensis, fundatoris propinquus" ist verschwunden. 3) Die Verse unter denselben, Bert. Chron. Port. I, 270. sind Bertuchs Machwerk. beigeschriebenen Strophen aus alten lateinischen Kirchenhymnen, die noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts grossen Theils erhalten waren, erst aus dem funfzehnten Jahrhunderts herrühren oder aus einer früheren Zeit, lässt sich jetzt, wo sie spurlos verschwunden sind, nicht mehr bestimmen. 1) Eben so wenig hat sich nach Beseitigung der Mauertünche an den inneren Wänden der Kirche eine Spur von den gemalten Bildnissen der Aebte zur Pforte wieder gefunden, die Bertuch dort noch sah und in seinem Lateinischen Chronikon hat nachbilden lassen. Aus diesen Nachbildungen erhellt nur, dass jene Bilder nicht gleichzeitige Portraits waren, sondern erst in späterer Zeit mit bestimmten wiederkehrenden Typen in Stellung und Gesichtsbildung wie nach der Schablone gearbeitet sind. 2) 1) Von diesen Glasmalercien sagt Schamel, Bert. Chron. Port. I, 193 f.: „In fenestra templi orientalis supra altare encaustico artificio vitreis rhombis, qui oras fenestrae claudunt, variegatis colore litteris preces ad. b. Mariam virginem fuerunt inscriptae vel inustae: ! Salve mater Salvatoris, Vas coelestis gratiae etc. Altera fenestrae illius pars, in qua crucifixus conspicitur, servat reliquias hymni ad crucem circa oras eodem artificio quondam inscripti: O crux, signum triumphale, Fronde, flore, germine etc." Schorcht, Merkw. d. Pfört. Kirch. S. 16 f.: „Auf dem Singechore ist das Fenster gleich über dem Altare mit buntem Glase nach der Mönchsart ausgezieret. Darinnen steht, wie wohl nicht mehr in seiner Ordnung und Vollkommenheit, auf einer Seite das Marienbild mit dem Kinde sammt dem Hymno: Salve mater Salvatoris etc." 2) Im Teutschen Pfortischen Chronicon, wo sich dieselben ebenfalls finden, sagt Bertuch - Scham. S. 33.: „In der Kirche des Klosters Pforten stehen in einem Winkel die Aebte ordentlich alle nach einander, soviel derselben regieret, wie wohl derer letzten etliche gar verblichen." Hier beweist das Wort „verblichen", dass diese Abbildungen Gemälde waren, und der Ausdruck,,in einem Winkel" deutet an, dass sie sich in einem der beiden Kreuzflügel der Kirche befanden. Da nun im nördlichen Kreuzflügel an der nördlichen Wand die Treppe zur Trinitätskapelle empor stieg, die beiden andern Wände aber durch die Durchgangsbogen des nördlichen Seitenschiffes und der Peter-Paulskapelle durchbrochen waren, so war hier kein Raum für die Bildnisse von den 24 Aebten, die Bertuch angiebt; dieselben müssen sich also im südlichen Kreuzflügel befunden haben. So wurden ja auch um 1402 die Bildnisse der vierzehn ersten Aebte zur Pforte an der Tumbe des Grabmals des Markgrafen Georg gearbeitet, von denen weiter unten die Rede sein wird. Auch sonst sah man gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts noch mancherlei bildliche Darstellungen und Inschriften an den Wänden der Kirche, die später unter der weissen Wandtünche, mit der Wände und Bildwerke überschmiert wurden, spurlos verschwunden sind. 1) 9. Die Betsäule. Das jüngste unter allen kirchlichen Bauwerken des Klosters St. Marien zur Pforte ist die noch vorhandene Betsäule vor dem Thore desselben bei der Oberförsterei. Auf einer polygonen Säule mit Sockel und Gesimse steht ein viereckiger Aufsatz in Form einer kleinen Kapelle mit Dachgiebeln nach den vier Seiten hin. Die Reliefs an den vier Wänden derselben sind stark verwittert, besonders an der Nordseite und Westseite, wo sie dem Wind und Wetter am meisten ausgesetzt waren, so dass man zum Theil nur noch mit Hülfe der älteren Abbildungen wiedererkennt, was sie bedeuten sollen. Die Figuren sind dargestellt in laubenartigen Nischen, die durch ein regelloses Gewirr von Steinschnörkeln und Ranken gebildet werden. An der Nordseite sieht man einen Crucifixus mit den Gestalten des Jüngers Johannes und der Mutter Maria zu beiden Seiten des Kreuzstammes, an der Südseite die Mutter Maria mit dem Kinde als Himmelskönigin mit Krone und Strahlenglorie, an der Westseite Johannes den Täufer als zweiten Patron der Kirche, jetzt ganz unkenntlich geworden, an der Ostseite den Abt Petrus mit Bischofsmütze und Krummstab, der die Betsäule im Jahre 1521 errichtet hat. 2) Dieser Abt war ein entschiedener Gegner Luthers. Man sieht dies noch aus einem Vergleiche den er vermittelte in einem Streite zwischen der Gemeine von Sachsenhausen und dem lutherisch gesinnten Pfarrer derselben Johann Lindemann, wegen der Neuerungen, die derselbe im Gottesdienste hatte 1) Solche sind angeführt in dem Mscr. vom J. 1596 mit dem Titel: Fundation der Schulenn u. s. w. Vergl. Bert. Chron. Port. I, 292, und ed. Scham. I, 193. 2) Die Betsäule muss einmal umgestellt sein, denn Bertuch Chron. Port. I, 180. giebt die Himmelsrichtung der vier Reliefbilder anders an. |