bruch der Saale nach Thüringen unterhalb der Rudelsburg zog sich eine ganze Reihe von Ortschaften der Sorben hin. Das Dorf Gross-Jena am linken Ufer der Unstrut unweit ihrer Einmündung in die Saale hiess früher Wendischen-Jena im Gegensatz von Deutschen-Jena, dem heutigen Klein-Jena auf dem rechten Unstrutufer, ein Beweis, dass der Ort von Wenden oder Sorben bewohnt war, ehe Eccard I. Markgraf und Dynast in Thüringen über demselben auf dem Berge, der jetzt Hausberg genannt wird, seine Burg Geni besass. 1) Ein kleiner unscheinbarer Platz in der Stadt Naumburg unweit der Fischgasse heisst noch jetzt der Wendenplan 2) und lehrt unzweifelhaft, dass an dieser Stelle einst ein Wendendorf oder Sorbendorf stand, dessen Bewohner vorwiegend Fischfang trieben, ehe die „Neue Burg" erbaut und die deutsche Stadt gegründet wurde, die von der Burg den Namen hat. Als diese emporblühte, ward das alte Wendendorf wie an andern Orten ein Fischerviertel, ein Kiez, und die Sorben verkümmerten und starben aus oder nahmen deutsches Blut und deutsche Sprache an. Die Urkunden des Klosters Pforte führen eine Anzahl von Dörfern im Saalthale an, die schon seit Jahrhunderten Wüstungen geworden sind; so Rostewice (Rostewiz) auf dem linken Saalufer zwischen Almerich und Rossbach gelegen; Tuswiz oder Thuswizc, ebenfalls auf dem linken Ufer der Saale zwischen der Almericher Fähre und dem Weinberg Sanctorum, dessen Dorfflur, die Tauschwitzer Wüstung genannt, jetzt zur Feldmark von Almerich gehört, und nahe dabei ein zwei die Mehrzahl entschieden Slavischen Ursprungs (Lepsius, Gesch. d. Bischöfe d. Hochstifts Naumb. S. 174 f.). Wenn auch die falsche Jahreszahl 977 dieser Urkunde zu Zweifeln an ihrer Aechtheit berechtigt, so behalten trotz derselben doch die Angaben über die Ortschaften des bischöflichen Sprengels ihren Werth (a. O. 176-178). Ebenso sind in der Urkunde Otto's III. vom Jahre 995 (a. O. 180 f.) und in den beiden Urkunden Heinrich's II. vom Jahre 1004 (α. Ο. 184 f. 187 f.) die grosse Mehrzahl der genannten Ortsnamen Slavisch. Zahlreiche solche Ortsnamen finden sich auch in den Urkunden der Jahre 1030. 1040. 1041. 1043. 1051. 1052. 1064. 1065. 1066. 1068. 1069. 1074 (a. О. 191 — 230). 1) Lepsius, a. 0. 138. Kleine Schriften, Bd. II, S. 195 f. 198 f. 2) Dass Wendenplan nicht aus Entenplan entstanden sein kann (K. Bornhak, Naumburg, Stadt und Kreis, S. 35), bedarf seit J. Grimm keines Beweises mehr. Wenn in Todtenregistern von 1614 und 1616 wirklich Endenplan geschrieben steht, so ist das entweder ein Schreibfehler oder aus einer Volksetymologie entstanden von der Sorte wie,, Oellampnation" für „Illumination." In officiellen Actenstücken wie im Volksmunde heisst der Platz bis auf den heutigen Tag Wendenplan. tes Dorf Thesnitz (Thesnisc) oder Tesnitz näher an den Saalbergen gelegen unter dem Weinberg, der noch jetzt die Teschwitz genannt wird. 1) Weiter stromaufwärts lag das Sorbendorf Lochewice (Lochwiz) auf dem rechten Flussufer zwischen den Saalhäusern und Kösen auf der Angerwiese am Einfluss des jetzt meist trockenen Baches Mausa in die Saale. Da die Stiftungsurkunden des Papstes Innocenz II. von den Jahren 1137 und 1141 von einem Meierhof in Lochewice sprechen, so muss Lochewice ein Dorf oder Weiler gewesen sein, in welchem Bischof Uto von Naumburg einen Wirthschaftshof besass, den er dem Kloster Pforte zueignete. Aber das Dorf und der Meierhof werden schon seit 1153 nicht mehr erwähnt, während die von demselben benannte ursprünglich zu dem Dorfe gehörige Wassermühle, die Lochmohle noch bis in die spätere Zeit des Klosters bestanden haben muss. 2) Unweit von Lochewice weiter stromaufwärts am rechten Saalufer lag das Sorbendorf Cuone (Cusene) in der Nähe der alten steinernen Brücke und des Wehrs von Kösen, wo jetzt der 1) Rostewice, Rostewiz zuerst genannt in der Stiftungsurkunde von 1137, zuletzt 1310 (Wolff, Pers.- u. Sachregister zur Chronik d. Klost. Pforta, S. 96). Tuswiz, Thuswize in Urkunden von 1204. 1238. 1268, zuletzt genannt 1385 (a. O. S. 105). Erbbuch I, Fol. 458: „Tauschwitz (verschrieben Tauschietz) ist eine Wustung, allwo ethwo ein Dorf gestanden. Die Kirche ist in vier Jharen abgetragen uber der Fehre Aldenburg gelegen." Thesnitz zuerst genannt 1172, zuletzt 1300 (Wolff a. O. Chronik d. Klost. Pforta, I, 140). Im Erbbuche, II, Fol. 386. werden von Westen nach Osten folgende Weinberge aufgezählt: „Der Pforttener, Sanctorum, der Spatberg oder Spindelberg, die Teschwitz, der Sichbergk." Der Name des Weinberges Teschwitz ist durch eine Vermengung der Namen Tesnitz, des früher zur Wüstung gewordenen Dorfes, und Tuswitz entstanden. 2) In der Urkunde von 1137 heisst es: grangiam in Lochewice, in der von 1141: grangiam in Lochwiz. Die Urkunde Bischof Uto's v. J. 1140 drückt sich kürzer aus: grangiam Lochwiz. Daraus folgt also nicht, dass der Ort ein blosser Meierhof gewesen sei, so wenig wie aus dem Ausdruck einer Urkunde von 1209: aliam (grangiam) quae vocatur Wencendorp, jemand schliessen darf, das Dorf Wencendorp sei bloss ein Wirthschaftshof gewesen (vergl. Wolff, Pers. - u. Sachreg. S. 67. 112.) Bei Brothuf heisst es, Transsumptbuch, Fol. 313 b: Und Lochwitz ist ein klein Dorfflein mit einer Mohlenn under der Angerwiesen kegenn denn Hinderbergen gelegenn gewest"; im Erbbuch I, Fol. 4: „sampt der Lochmohle mitt dem Dorffe Lochwitz"; und a. O. Fol. 5: „Lochwitz mit der Lochmohle. Die hatt etwan an der Sahla kegenn den Hinderbergen uber nach Mittage, do man noch heute die alte Pfele, wenn das Wasser klein, sehen kann, gelegenn" (vergl. Erbb. II, Fol. 411. Wolff, Chron. I, 78). Gasthof zum muthigen Ritter, der Schäfereihof von Pforte und die südlich nach dem Rechenberge zu angrenzenden Gebäude gelegen sind. Die oben erwähnten Urkunden von 1137 und 1141 sprechen hier ebenfalls von einem Meierhof in Cusne, den Bischof Uto von Naumburg dem Kloster Pforte zueignet; also muss Cusne wie Lochwice ein Dorf gewesen sein, in dem ein bischöflicher Wirthschaftshof lag.1) Und wenn es in der Urkunde des Bischofs Uto von Naumburg von 1140 heisst: „Der Wirthschaftshof Lochwiz, der Wirthschaftshof Cusne mit allem Zubehör und den Zehnten derselben", so müssen doch an beiden Orten ausserhalb der bischöflichen Meierhöfe Leute gewohnt haben, die dem Bischofe Zehnten zahlten. 2) Das Sorbendorf Cusne lag also an der alten Landstrasse, die von Eckartsberga kommend die Saale überschritt und von der Brücke bei Cusne über Flemmingen nach Naumburg führte. Diese traf dort an der Brücke mit einer zweiten Landstrasse zusammen, die von der oberen Saale und Ilm kommend auf der sogenannten Judenfuhrt unter Saaleck den Fluss überschritt und im Thale auf dem linken Ufer der Saale durch den Kösener Pass bis zur Brücke führte. Von beiden wird noch weiter unten die Rede sein. Das hohe Alter der steinernen Brücke beweist, dass man frühzeitig die Wichtigkeit des dortigen Flussüberganges erkannt hatte. Wenn in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts von dem Orte Cusne nur noch das Vorwerk oder der Meierhof des Klosters Pforte übrig war, so ist hier, wie an vielen anderen Stellen die Ansiedelung der Sorben verkommen und zu Grunde gegangen, und zwar hier unzweifelhaft, weil derselben die Lebensader unterbunden war, als aller Grund und Boden um den Ort und selbst die Fischerei in der Saale in die Hand der Bischöfe von Naumburg, dann des Klosters Pforte kam. Ein neues Dorf Kösen entstand neben jenem Vorwerk oder Meierhof erst wieder, als in den ersten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts 1) Die Urkunde von 1137 sagt: Grangiam in Cusne, die von 1141 ebenso, die von 1140 kürzer Grangiam Cusene wie oben. Dass im J. 1550 nur noch das Vorwerk oder der Wirthschaftshof übrig war, beweisen folgende Stellen des Erbbuches: Bd. II, Fol. 424: „Kösen ist ein Forwergk disseit der Sahla vor der steinern Brucken gelegen, wol erbauet, hat steinerne Gebeude"; und weiterhin, a. O.: „Zu diesem Forwerge ist eine Schefferey gehorigk, darauff einschurigk Vihe gehalten wirdt, hat ein Wonhauss, Schaffstall unnd zwene Krautgertchen hinderm Stalle und underm Hause gelegen." 2) Beil. I, 2: Grangia Lochwiz, grangia Cusene cum omnibus appendiciis decimisque ipsarum. dort zuerst Salzquellen, 1) bald darauf eine Mineralquelle entdeckt wurden, und um dieselbe Zeit die Scheitholzflösserei so bedeutend geworden war, dass sich Holzflösser auf dem linken Saalufer dem alten Sorbendorf Cusne gegenüber ansiedelten, das heisst, als der Schooss der Erde und der Strom der Saale einer Gemeinde von Salzsiedern und Holzflössern neue Nahrungsquellen und Erwerbsmittel boten, bis endlich seit den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts an die Saline ein Badeort anwuchs. Dass nun aber die Namen der genannten alten Ortschaften des Saalthales altslavischen Ursprungs sind, also von den Sorben herstammen, ergiebt sich nach dem heutigen Standpunkte der Sprachforschung mit unzweifelhafter Gewissheit, die den Werth der besten urkundlichen Zeugnisse aufwiegt. Wie die Sorben die nördlichen Grenznachbaren der Czechen in Böhmen waren, so ist der Sorbische oder Lausitzische Dialekt des Slavischen dem Czechischen oder Böhmischen nahe verwandt. 2) Daher stehen den Namen der als altsorbisch bezeichneten Ortsnamen des Saalthales unter den slavischen Ortsnamen insbesondere gleich oder ähnlich gebildete altczechische oder böhmische zur Seite. Der zusammengesetzte Dorfname Roste-vice entspricht in seinem ersten Theile den czechischen und altrussischen Personennamen Rosti-slav, Rosti-slava und dem russischen Ortsnamen Rosti-slavli, in denen rosti- „Wachsen, Wachsthum" bedeutet; der zweite Theil -vice ist das altslavische Wort visi (viçi) Landstück, Dorf, Gothisch veihs Ackerstück, Dorf, Lateinisch vicus Dorf. Also bedeutet Roste-vice „Wachse-landstück", das heisst „fruchtbares Ackerstück." 3) 1) Die Salzquellen von Kösen werden schon 1712 erwähnt (G. Weise, Geschichte der Sächsischen Staaten, Bd. VI, S. 23). Die Einrichtung der Saline ward von Gottfried Borlach, dem Schöpfer der Sächsischen Salinen, 1730 begonnen und 1732 vollendet (Lepsius, Kleine Schriften, Bd. II, S. 133 f. Bertuch, Teutsches Pfortisches Chronicon, ed. Schamel, S. 204). Die Mineralquelle im Hofe der Kösener Mühle wurde 1725 entdeckt (Bertuch, a. O. 203. Lepsius, a. O. 138 f.). Ueber die Scheitholzflösserei vergl. Lepsius, a. О. 135 — 138. 2) Schleicher, Formenlehre der Kirchenslavischen Sprache, S. 29. 30. 3) In Rosti- ist die Slavische Wurzel rast- wachsen, Fr. Miklosich, Die Bildung der Slavischen Personennamen, S. 94. Die Bildung der Ortsnamen aus Personennamen im Slavischen, Denkschr. d. K. Akad. d. Wissensch. Philol.-histor. Kl. Bd. XIV. Wien 1865, S. 55. Die Wurzeln des Altslovenischen, a. 0. 1857, S. 162. Ueber visi vergl. Miklosich, Lexicon Palaeoslovenico - Graeco - Latinum, p. 119. Schleicher, a. O. S. 98. ہو i |